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- Enden wir als Plastik-Idioten?
Mikroplastik ist überall, auch in uns. Schlimmer noch: Die winzigen Kunststoffteilchen reichern sich vorzugsweise im Gehirn an. Was richten sie dort an? Jüngste Studien lassen das Schlimmste befürchten: Das Teufelszeug macht dement. Was tun? Zunächst denkt man: Das kann doch nur ein Tippfehler sein. Nein? Dann muss sich jemand arg verrechnet haben. Aber es stimmt, unfassbarerweise: Inzwischen nimmt jeder Mensch weltweit im Durchschnitt bis zu 5,5 Gramm Mikroplastik pro Woche zu sich – er atmet sie ein, er verschluckt sie mit Lebensmitteln. FÜNFKOMMAFÜNF! GRAMM! Das entspricht dem Gewicht einer Kreditkarte. Zu diesem Horrorbefund kommt eine australische Forschergruppe der Universität von Newcastle, nachdem sie 59 hochwertige Studien zur menschlichen Aufnahme von Mikroplastik auswertete: von Kunststoffteilchen, die kleiner als fünf Millimeter sind. (1) In Wahrheit liegt die pro Person aufgenommene Plastikmenge womöglich noch höher. Denn in die Auswertung floss lediglich eine kleine Auswahl von Nahrungsmitteln ein, für die schon einigermaßen verlässliche Forschungsergebnisse vorliegen: wie Wasser, Muscheln, Fisch, Salz, Bier, Honig und Zucker. Die tatsächliche Grammzahl könnte sogar noch höher liegen, weil aktuelle Studien nur etwa 15% der täglichen Kalorienzufuhr abdecken. “Würden weitere mögliche Quellen wie Reis, Nudeln, Brot, Milch, Geschirr, Besteck, Zahnpasta, Zahnbürsten, Lebensmittelverpackungen mitberücksichtigt, so wäre die aufgenommene Partikelmasse noch größer”, befürchten die Wissenschaftler. Wichtige Lebensmittelgruppen wie Fleisch, Getreide und Gemüse berücksichtigen die Berechnungen noch nicht. Ein Planet voller “Plastic People” 5,5 Gramm pro Woche ergeben 286 Gramm pro Jahr. Im Laufe von durchschnittlich 80 Lebensjahren würden sie sich zu rund 23 Kilogramm aufsummieren. Bezogen auf das durchschnittliche Körpergewicht von Erwachsenen bedeutet das: Zu einem Viertel bis einem Drittel besteht man gegen Ende seines Lebens aus Kunststoff – und diese Befürchtung mutet völlig absurd an, geradezu irre. Einen eher schwachen Trost bietet die Forschergruppe mit zwei alternativen Szenarien, denen zufolge die wöchentliche Mikroplastikaufnahme “nur” bei 0,1 oder 0,3 Gramm liegen könnte. Denn wie viele Kunststoffpartikel sich ein Mensch zeitlebens einverleibt, hängt vom geografischem Standort, der Wohnlage, Inneneinrichtung, Ernährungsgewohnheiten und anderen Faktoren ab. Besonders viele geraten in seinen Körper, wenn sich sein Zuhause an einer Hauptverkehrsstraße oder neben einem Sportplatz mit Plastikbelag befindet: Der Abrieb von Autoreifen sowie von Kunstrasen zählt nämlich zu den Hauptquellen der Verseuchung. Im Zentrum einer Großstadt wie Paris liegt der Mikroplastik-Fallout aus der Luft bei 355 Partikeln pro Quadratmeter, in Außenbezirken bloß bei zwei. (2) Wer sein Zuhause mit Kunststoffteppichen auslegt, Synthetikwäsche trägt und selten lüftet, reichert seine Atemluft verstärkt mit Mikroplastik an. Aber selbst wer pro Woche bloß ein Zehntel Gramm von dem Zeug aufnimmt, läge nach 80 Lebensjahren bei 416 Gramm, knapp einem Pfund Kunststoff. Wie viele Partikel sammeln sich im Laufe der Zeit in uns an? Ein Forscherteam um Kieran Cox von der University of Victoria in Kanada schätzt, dass pro Jahr durch Nahrung und Atmung 74.000 bis 121.000 Kunststoffteilchen in uns hineingeraten; hinzu kommen 90.000 Partikel, falls wir ausschließlich Flaschenwasser trinken. (3) Eine andere Studie geht von 39.000 bis 193.000 Partikeln pro Jahr aus. (4) Aus rund 200.000 Teilchen pro Jahr würden im Laufe von 80 Lebensjahren 16 Millionen. SECHZEHN MILLIONEN biologisch nicht abbaubare Fremdkörper in uns - unfassbar. Zügig ausgeschieden? Könnte es nicht sein, dass unser Körper solche Teilchen, da biologisch unverwertbar, weitestgehend wieder ausscheidet, sei es über Leber, Nieren, Darm, Haut oder die Atmung – wie ihm das auch mit anderen Schadstoffen mehr oder minder zügig gelingt? Von den berüchtigten “Ewigkeitschemikalien” beispielsweise - den PFAS aus Kosmetika, Textilien, Lebensmittelverpackungen -, werden wir zumindest die kurzkettigen innerhalb weniger Tage und Wochen los. Bei aufgenommenem Aluminium liegt die Ausscheidungsrate zwischen 95 und 99 %. Tatsächlich lässt sich Mikroplastik in unserem Urin und Kot nachweisen. (5) Eine österreichische Studie fand bei acht erwachsenen Versuchspersonen aus mehreren Kontinenten pro zehn Gramm Darminhalt 20 Partikel von neun verschiedenen Kunststoffarten, 50 bis 500 Mikrometer klein. (6) Deshalb beeilten sich industrienahe Experten, Entwarnung zu geben: Offenbar scheiden wir das Zeug unverdaut wieder aus, ähnlich wie Ballaststoffe, Samenschalen und Fruchtkerne. Dass Mikroplastik in unseren Exkrementen auftaucht, bedeutet freilich keineswegs, dass es nicht auch woanders steckt. Und das tut es leider, wie uns immer mehr Studien beängstigend klar vor Augen führen. Demnach verbleiben bloß größere Plastikpartikel über 10 µm (1 Mikrometer = 1 Millionstel Meter = 0,000001 m) nicht im Körper. Doch wie steht es mit kleineren Teilchen, insbesondere mit Nanoplastik? Sie bestehen bloß aus wenigen bis einigen tausend Atomen oder Molekülen; das meiste tummelt sich im Nanometerbereich, zwischen 1 und 100 Nanometer (nm). (Ein Nanometer ist der millionste Teil eines Millimeters. Zum Vergleich: Der Durchmesser eines menschlichen Haares beträgt circa 80.000 Nanometer. Viren sind 30 bis 50 Nanometer groß. Ein DNS-Strang hat einen Durchmesser von etwa 2,5 Nanometern, ein Proteinmolekül misst rund 5 Nanometer, während ein rotes Blutkörperchen etwa 7.000 Nanometer groß ist. Eine Nadelspitze hat da schon gigantische Ausmaße: Sie misst 1 Million Nanometer. In den i-Punkt in einer Zeitungsmeldung passen mehr als eine Million Nanoplastikteilchen.) Ausgeschieden werden solche synthetischen Winzlinge nur teilweise: sei es über den Stuhl und den Urin, sei es dadurch, dass der Körper sie in der Lunge abfängt, indem er Speichel produziert, mit dem er sie auswirft. Doch der Rest – vorsichtige Schätzungen schwanken zwischen 0,1 und 1 % -, überwindet die natürlichen Schutzbarrieren unseres Körpers – und verbleibt in uns. Nanopartikel, die wir einatmen, durchdringen die extrem dünnen Wände der Lungenbläschen und treten ins Blut über. Immunzellen nehmen sie auf und transportieren sie über die Lymphbahnen in den Blutkreislauf. Nanopartikel, die wir mit Trinkwasser und Nahrungsmitteln aufnehmen, durchdringen die Darmschleimhaut. Einmal in die Blutbahn gelangt, filtern Leber, Milz, Nieren sie bloß teilweise. Die übrigen wandern zu allen Organen und Geweben unseres Körpers – und nisten sich darin ein. Auch die Blut-Hirn-Schranke überwinden sie ohne weiteres, binnen Stunden . Besonders hoch ist ihre Konzentration in der grauen Substanz unter unserer Schädeldecke. Und sie wächst. Im Gehirn verstorbener Menschen, die 2024 untersucht wurden, fand sich mittels Infrarot- und Elektronenmikroskopie deutlich mehr Nano- und Mikroplastik als in Proben von 2016 – und bis zu 30-mal mehr als in Leber oder Niere, wie eine US-Forschergruppe um Matthew Campen von der University of New Mexico im Fachjournal Nature Medicine berichtet . Bei der Leber stieg die mittlere Konzentration binnen acht Jahren von 141,9 auf 465,3 Mikrogramm pro Gramm Gewebe, beim Gehirn von 3.420 auf 4.763 Mikrogramm pro Gramm. Am häufigsten ließ sich Polyethylen nachweisen, das in Folien und Flaschen steckt. Es machte 40 bis 65 Prozent des Kunststoffs in Leber und Niere aus, im Gehirn sogar 75 Prozent. Sieben Gramm Plastik im Hirn Wird das Gehirn die Eindringlinge im Laufe der Zeit irgendwie wieder los? Eine weitere Forschungsarbeit von Campens Team, veröffentlicht am 3. Februar 2025 in Nature Medicine, enttäuscht Hoffnungen: Das Zeug akkumuliert gnadenlos. Innerhalb von nur acht Jahren hat die Mikroplastikkonzentration in unserem Denkorgan um 50 % zugenommen. Das durchschnittliche menschliche Gehirn beherbergt heutzutage etwa sieben Gramm mikroskopisch kleine Plastikteilchen – so viel wiegen sieben Büroklammern. (7) Als auffallend hoch belastet erwiesen sich zwölf Gehirnproben aus den Jahren 2019 bis 2024, die von Menschen mit nachgewiesener Demenz stammten: Sie enthielten zwischen 12.000 und 48.000 Mikrogramm Plastik pro Gramm Gewebe – vier bis zehn Mal mehr als bei Nichtbetroffenen. "Diese Daten sind assoziativ und belegen nicht die kausale Rolle solcher Partikel bei der gesundheitlichen Beeinträchtigung", so schränkt die Forschergruppe ein. Trotzdem bedarf der Zusammenhang dringend einer Erklärung. Er lässt Schlimmes befürchten. Ein Forscherteam von der Chinese Research Academy of Environmental Sciences in Peking schürt die Besorgnis. Kürzlich präsentierte es Beobachtungen aus Laborversuchen, die darauf hindeuten: Mikroplastik kann Blutgefäße im Gehirn von Mäusen verstopfen. Damit gefüttert, bewegten sich die Tiere langsamer, orientierten sich schlechter und seien weniger ausdauernd, so heißt es in der Studie . Wie sich das über Wasser und Nahrung aufgenommene Mikroplastik auf das Verhalten von Säugetieren auswirkt, hatten zuvor schon Forscher der University of Rhode Island untersucht . Dafür versetzten sie das Trinkwasser von jungen und alten Mäusen drei Wochen lang mit 0,1 bis 0,2 Mikrometer kleinen Mikroplastikpartikeln, dosiert zwischen 0,0025 bis 0,125 Milligramm pro Liter. Eine Kontrollgruppe erhielt weiterhin reines Wasser. Nach Ablauf der drei Wochen ließen die Wissenschaftler die Mäuse zunächst verschiedene Verhaltenstests durchlaufen. Das Ergebnis: Jene Tiere, die mit ihrem Trinkwasser Plastikpartikel aufgenommen hatten, verhielten sich schon nach kurzer Zeit anders als die Kontrollmäuse. „Dass solche nicht sonderlich hohen Dosen an Mikroplastik schon nach so kurzer Zeit derartige Veränderungen bewirken können, war erstaunlich“, erklärt Mitautor Jaime Ross. Vor allem die älteren dem Mikroplastik ausgesetzten Tiere liefen deutlich mehr umher und richteten sich dabei immer wieder auf, so als würden sie sich orientieren wollen oder etwas suchen. Alles in allem erinnerten diese Verhaltensweisen die Wissenschaftler an Demenzkranke. Gewiss, unsereins ist keine zweibeinige Riesenmaus. Wegen Unterschieden im Gehirnaufbau seien die Befunde nicht ohne Weiteres auf den Menschen übertragbar, so stellen die Pekinger Studienautoren in der Fachzeitschrift Science Advances klar. Doch irrelevant sind die Ergebnisse ebensowenig. Sie schüren einen schrecklichen Verdacht. Wie Mikroplastik unserem Denkorgan zusetzt Wie stellen es Mikroplastikpartikel an, das Gehirn zu schädigen? Dies tun sie auf vielerlei Weise: 1. Nanoplastik durchdringt nicht nur mühelos die Blut-Hirn-Schranke – es kann sie beeinträchtigen, was sie für weitere Schadstoffe durchlässiger macht. Wie Studien belegen, transportieren winzige Kunststoffteilchen andere Toxine ins Gehirn – sozusagen als „Trojanisches Pferd“. An sie angedockt fanden Wissenschaftler Schwermetalle wie Blei, Cadmium, Chrom, Arsen, Zink, Quecksilber, Nickel, aber Pestizide, Weichmacher, Spuren von Brandschutzmitteln, Abrieb von Anstrichen. 2. Bestimmte Immunzellen – Neutrophilen und Makrophagen („Fresszellen“), zwei Arten von weißen Blutkörperchen – stürzen sich auf sie und umschließen sie, um sie abzubauen. Dabei schwellen sie an. Diese sperrigen Zellen können feine Äderchen verstopfen, was zu einer verminderten Durchblutung führen und neurologische Defizite verursachen kann. (8) 3. Erkennt das Immunsystem Plastikteilchen als Fremdkörper, kann es mit Entzündungen reagieren. Chronische Entzündungen im Gehirn sind mit neurodegenerativen Erkrankungen verbunden. 4. Im Darm begünstigt Mikroplastik schädliche Bakterien, was zu einer sogenanten Dysbiose führt: die Zusammensetzung der Darmflora verändert sich, mit drei möglichen Folgen: - Eine Dysbiose kann das Immunsystem überaktivieren und Entzündungen fördern. Freigesetzte Entzündungsstoffe, z.B. Zytokine, können ins Gehirn gelangen und dort neuroinflammatorisch wirken. - Die Darmbarriere wird geschwächt, so dass Bakterienbestandteile wie beispielsweise Lipopolysaccharide ins Blut gelangen. Auch diese Giftstoffe können die Blut-Hirn-Schranke durchlässiger machen, was Entzündungen und neuronale Schäden im Gehirn begünstigt. - Eine ungesunde Darmflora verändert die Signale des Vagusnervs, der neuronalen Hauptverbindung zwischen Darm und Gehirn. Dies kann Stressreaktionen, Angst oder depressive Verstimmungen verstärken. - Viele Darmbakterien produzieren Neurotransmitter wie Serotonin, Dopamin und GABA, die für Stimmung, Motivation und Entspannung wichtig sind. Eine gestörte Darmflora kann die Produktion dieser Botenstoffe verringern. 5. Nanoplastik kurbelt die Produktion von freien Radikalen an: hochreaktiven Molekülen, die ein oder mehrere ungepaarte Elektronen besitzen. Aufgrund dieses Mangels versuchen sie, Elektronen von anderen Molekülen zu stehlen – was diese wiederum in freie Radikale verwandelt, wenn der Diebstahl gelingt. Dieser verhängnisvollen Kettenreaktion wirken Antioxidantien wie Vitamin C und E, Glutathion, Coenzym Q10 und Selen entgegen: Sie neutralisieren freie Radikale, indem sie ihnen Elektronen abgeben, ohne selbst instabil zu werden. Bilden sich aber zuviele freie Radikale entsteht ein Ungleichgewicht zu Antioxidantien: oxidativer Stress. Dies kann Zellmembranen, Proteine, Mitochondrien und DNA schädigen, was die Funktion der Nervenzelle beeinträchtigt. Schlimmstenfalls führt es zum Zelltod. 6. Nanoplastikteilchen können aufgrund ihrer physikalischen Eigenschaften Nervenzellen auch direkt schädigen . Oftmals weisen sie scharfe Kanten oder unregelmäßige Formen auf, welche Zellmembranen verletzen und durchbrechen. 7. Nanoplastik lagert sich in den Mikrogliazellen ab, die als Abwehrzellen des Gehirns fungieren. Dies führt zu vermindertem Zellwachstum und verlangsamter Zellteilung; die Zellmorphologie verändert sich; verstärkt werden Entzündungsbotenstoffe produziert. Unter den Mikrogliazellen kommt es vermehrt zur Apoptose: zellulärem Selbstmord. (9) 8. Nanoplastik kann in die Zellmembran geraten, wo es Calcium-, Kalium- oder Natriumkanäle blockiert. Dies kann die elektrische Erregbarkeit der Nervenzelle beeinflussen, die Signalweiterleitung beeinträchtigen und neuronale Netzwerke stören. 9. Aufgrund ihrer Oberflächenladung können Nanoplastikpartikel mit Zellrezeptoren wechselwirken oder diese falsch aktivieren, was zu Fehlsignalen führt. 10. Ein Prozess namens „Endozytose“ ermöglicht es Nanoplastikpartikeln, die Zellbarriere zu überwinden : Abgeschnürte Bläschen der Zellmembran transportieren sie ins Zellinnere, wo sie jegliche Strukturen und Abläufe beeinträchtigen können. 11. In der Zelle manipuliert Nanoplastik das Zytoskelett: ein Gerüst aus Fasern, das für die Form der Zellen und ihre Bewegung, für Materialtransport, Zellteilung und Zelldifferenzierung verantwortlich ist. Dabei wird die Zelle flexibler und beweglicher – einschließlich Krebszellen. 12. Nanoplastik ist winzig genug, sich sogar Zugang zum Zellkern zu verschaffen. Dort kann es die DNA der Nervenzelle schädigen, was zu genetischen Veränderungen und Zellfehlfunktionen führen kann. 13. Wenn Nanoplastik in Mitochondrien eindringt, kann es die Energieproduktion – die ATP-Synthese - hemmen, was die Zellfunktion schwächt. 14. Auch das endoplasmatische Retikulum ist bedroht: eine spezialisierte Zellstruktur, die an der Protein- und Lipidsynthese wesentlich mitwirkt. Sie besteht aus einem weit verzweigten Membransystem, das mit der Kernhülle verbunden ist und das Zellplasma durchzieht. Nimmt es Schaden, so könnten Proteine fehlerhaft gefaltet werden. Denn die richtige Faltung – eine besondere dreidimensionale Struktur - ist entscheidend, damit ein Protein seine Aufgaben erfüllen kann. Ist sie fehlerhaft, so kommt es zu F unktionsverlusten, toxischen Ablagerungen und zellulärem Stress. 15. Im Gehirn bindet Nanoplastik an das Protein Alpha-Synuclein und stört dessen normalen Abbau. Dies fördert die Bildung von Fibrillen: toxischen Proteinverklumpungen, die charakteristisch für neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson sind. (10) 16. Zumindest im Tierversuch führt Nanoplastik im Hirn zu einer Abnahme des GFAP-Markers: eines Proteins, das für die Struktur und Stabilität bestimmter Gliazellen im zentralen Nervensystem wichtig ist. Es ist an der Reparatur von Nervenschäden beteiligt, trägt zur Blut-Hirn-Schranke bei und beeinflusst neuronale Funktionen. Ein gesunkener GFAP-Wert wird mit Depressionen und frühen Stadien neurodegenerativer Erkrankungen in Verbindung gebracht. 17. Wenn Nanoplastik in Synapsen eingreift, stört es die Freisetzung oder Wiederaufnahme von Neurotransmittern wie Dopamin, Serotonin oder Glutamat. Darüber hinaus könnte es bereits die Bildung von Synapsen sabotieren, was die neuronale Kommunikation stört. 18. Nanoplastikpartikel beeinträchtigen die Funktion der Lysosomen. Diese Zellorganellen enthalten Verdauungsenzyme, mit denen sie normalerweise überschüssiges Biomaterial abbauen und „recyceln“ es, d.h. sie sorgen dafür, dass es wieder zellulär aufgearbeitet wird. Funktioniert diese »Müllabfuhr« nicht richtig, so sammeln sich schädliche Stoffe in der Nervenzelle an. 19. Durch Mikroplastik ausgelöste Entzündungen im Gehirn können die Funktion des Hypothalamus und der Hypophyse beeinträchtigen, welche an der Produktion von TRH (Thyreotropin-Releasing-Hormon) bzw. von TSH (Thyreoidea-stimulierendes Hormon) beteiligt sind. Dies kann die Produktion von Schilddrüsenhormonen fehlregulieren. 20. Am gefährdetsten sind Kinder. Ihr zentrales Nervensystem ist noch nicht vollständig ausgereift, die Blut-Hirn-Schranke ist durchlässiger als bei Erwachsenen. In ihrem Gehirn kann Nanoplastik die Bildung von Neuronen und Synapsen beeinträchtigen - mit langfristigen Auswirkungen auf Körper, Geist und Seele. Unter diesen unentwegten Mikro-Anschlägen auf unsere körperliche Unversehrtheit dürfte schon jeder einzelne uns auf Dauer schlecht bekommen. Fänden tatsächlich alle 20 statt, könnten sie auf einen medizinischen Super-GAU hinauslaufen. Katastrophale Folgen Die Folgen einer Plastikverseuchung unseres Gehirns sind fatal. Wenn Nervenzellen absterben, erhöht sich das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen. Kognitive Funktionen verschlechtern sich, Lernen, Gedächtnis und Konzentrationsfähigkeit lassen nach. Angstzustände, Depressionen oder veränderte Schlafmuster können auftreten. Falls motorische Nervenzellen betroffen sind – etwa im Bereich der Substantia nigra -, kann es zu Bewegungsstörungen oder Koordinationsproblemen kommen. Das Risiko für Alzheimer oder Parkinson steigt . Befällt Mikroplastik sensorische Nervenzellen, kann es Wahrnehmungsstörungen hervorrufen: etwa verändertes Schmerzempfinden, Taubheitsgefühle und andere Fehlfunktionen der Sinnesorgane Augen, Ohren, Nase, Zunge und Haut. Krebszellen werden “wanderlustiger”, was Metastasen fördert. (11) Eine verringerte Produktion von Neurotransmittern erhöht das Risiko für Stimmungsschwankungen, Depressionen, Angst und Schlafstörungen. Von Mikroplastik befeuerte Entzündungen können Krankheiten wie Diabetes und Rheuma nach sich ziehen. Verstopfte Arterien erhöhen die Gefahr von Schlaganfällen und Herzinfarkten. Schilddrüsenhormone sind entscheidend für die Gehirnentwicklung im frühen Kindesalter – eine Störung kann zu kognitiven Defiziten führen. "Wenn Plastik wirklich so toxisch wäre, dann wären wir, glaube ich, aufgrund unserer allgemeinen Plastik-Exposition alle miteinander nicht mehr da”, versucht uns Verena Kopatz zu beruhigen , eine Biotechnologin von der Medizinischen Universität Wien. Schwach, dieser Trost: Nicht jedes Gift bringt seine Opfer so schlagartig um wie Cyanid, Sarin oder Strychnin. Manche tun es schleichend binnen Jahrzehnten, wie allzu viele Kettenraucher leidvoll erfahren müssen. Auch eine Frau Kopatz wird womöglich viel früher “nicht mehr da” sein als gedacht, körperlich oder geistig – selbst wenn sie vorher, bei ziemlich wachem Verstand, noch etliche Geburtstage feiern kann. Wehrlos ausgeliefert? Sind wir der Bedrohung wehrlos ausgeliefert, erst recht die Generationen nach uns? Werden wir das Zeug jemals wieder los? Oder enden wir als Plastik-Idioten? Der menschliche Organismus verfügt über großartige Fähigkeiten, eingedrungene Schadstoffe loszuwerden. Doch Kunststoffwinzlinge überfordern ihn offenbar – zumindest wenn sie bereits ins Gehirn eingedrungen sind. Kann Medizin nachhelfen? Im Internet kursieren heiße Tipps wie ein „Anti-Plastik-Tee“ aus Königskerzen- und Olivenblättern, Zitronenmelisse und den Samen des Bockshornklees. Beweise, dass somit ein Hirn-Detox gelingt, stehen freilich aus. Derzeit gibt es keine einzige bekannte Methode, um Plastikpartikel, die bereits ins Gehirn gelangt sind, zu entfernen. Keine . Kontaminiert sind wir alle. Und wir werden es bleiben, bis ans Lebensende. Folglich kann es nur darum gehen, die weitere Aufnahme von Mikro- und Nanoplastik künftig zu verringern – und gleichzeitig ein möglichst gesundes Leben zu führen, das verhindert, dass andere Risikofaktoren wie schlechte Ernährung und zuwenig Bewegung den Schaden noch vergrößern. Wie vermeiden wir es, Mikroplastik aufzunehmen? Damit möglichst wenig Mikroplastik in uns hineingerät, sollten wir im Alltag Naturprodukte statt Plastik wählen - z.B. Zahnbürsten aus Bambus oder Holz, Getränkeflaschen aus Glas und Stofftaschen statt Plastiktüten bevorzugen , Plastikverpackungen meiden. Auf Putz- und Spültücher aus Mikrofaser sollten wir verzichten – wie auch auf Kosmetika mit Polyethylen, weil diese häufig Mikroplastik enthalten. Textilien aus Naturmaterialien wie Baumwolle oder Wolle sollten wir bevorzugen, um die Freisetzung von Mikroplastik zu vermeiden – und Kleidung aus Synthetikfasern möglichst selten waschen. Auch beim Selbstschutz steckt der Teufel allerdings im Detail. Wer sich beispielsweise Tee, das weltweit am zweithäufigsten konsumierte Getränk nach Wasser, nicht mit Blättern zubereitet, sondern handelsübliche Teebeutel in heißes Wasser eintaucht und umrührt, flößt sich reichlich Nylon, Polypropylen oder Zellulose ein, aus dem die Hüllen bestehen: Wie eine im November 2024 in der Fachzeitschrift Chemosphere erschienene Studie ergab, setzt jeder einzelne bei Brühtemperatur aufgegossene Teebeutel aus Kunststoff etwa 11,6 Milliarden Mikroplastikteilchen und 3,1 Milliarden Nanoplastikpartikel frei . Wer die empfohlenen 1,5 bis zwei Liter Wasser pro Tag aus Plastikflaschen trinkt, nimmt einer Studie zufolge allein auf diese Weise rund 90.000 Mikroplastikpartikel pro Jahr zu sich. Wer stattdessen zu Leitungswasser greift, kann die aufgenommene Menge um 50.000 verringern . Hochwertige Filter , die auf dem Prinzip der Umkehrosmose oder des Ionenaustauschs beruhen, sind imstande, Trinkwasser auch von Mikroplastik weitgehend zu befreien . Wie lässt sich die Luft von Nanoplastikpartikeln reinigen? Sogenannte HEPA-Filter ( H igh E fficiency P articulate A bsorbing ), bestehend aus einem dichten Netz aus Glasfasern, können Partikel bis zu einer Größe von 0,3 Mikrometern einfangen, mit einer beachtlichen Effizienz von 99,97%. (Mikroplastikpartikel liegen oft im Bereich von 0,1 bis 1 Mikrometer.) 50 bis 190 Euro kosten solche Geräte. Geforscht wird neuerdings an speziellen Mikroplastik-Luftfiltern , die Nanomaterialien oder besondere Membranen verwenden. Die wahrscheinlichste Apokalypse Es gehört reichlich Optimismus dazu, diesen Maßnahmen zuzutrauen, dass sie uns vor geistigem Rückschritt zuverlässig bewahren. Weil Plastikpartikel im Gehirn akkumulieren, nimmt die Belastung vielmehr Tag für Tag weiter zu. Zudem setzt längst nicht nur Mikroplastik unserem Gehirn zu. Auch Feinstaub, Schwermetallteilchen, Abgase aus Verbrennungsmotoren, Chemikalien wie PFAS, Pestizidrückstände, künstliche Lebensmittelzusätze, Ingredienzen von Arzneimitteln und Impfstoffen attackieren es unentwegt, nachdem sie die Blut-Hirn-Schranke locker überwunden haben. Die wahrscheinlichste Apokalypse beschert der Menschheit womöglich nicht ein Atomkrieg oder eine Pandemie, ein Asteroideneinschlag oder eine Invasion Außerirdischer – sondern kollektive Selbstvergiftung. Nicht jeder findet das uneingeschränkt beklagenswert. Der Medizinindustrie beschert das Plastik-Zeitalter schließlich ein fabelhaftes Langzeit-Konjunkturprogramm. Auch mancher Politiker, nach dessen Geschmack gar nicht genug soziale Kontrolle stattfinden kann, mag noch so trüben Aussichten womöglich Tröstliches abgewinnen: Milliarden neurodegenerierter Schwachköpfe, die dement vor sich hindämmernd Plastikhirne herumtragen, dürften ziemlich pflegeleicht zu regieren sein. Aber vielleicht freuen sich Kontrollfreaks zu früh: Wird es nicht auch in ihrem Oberstübchen von verblödenden Kunststoffwinzlingen wimmeln? (P.S.: Legt der tägliche Irrsinn der Nachrichtenlage nicht nahe, dass dies schon längst der Fall ist?) Wie klarkommen mit Unvermeidlichem? Als allen Passagieren klargeworden war, dass die Titanic sinken wird und zuwenig Rettungsboote bereitstehen, jammerten und weinten die einen, beteten, starrten apathisch vor sich hin, brachten sich voller Verzweiflung um – andere tanzten einfach weiter. Wie umgehen mit einer zukünftigen, anscheinend unabwendbaren Katastrophe? Für Philosophen war diese Frage immer schon ein zentrales Thema. Im Laufe von über zwei Jahrtausenden vertraten sie verschiedenerlei Ansätze, die letztlich auf einen Rat hinauslaufen: Betrachte die Katastrophe nicht als sinnlose Zerstörung, sondern als Herausforderung, deinen eigenen Umgang damit bewusst zu gestalten. Stoiker wie Seneca, Epiktet und Marc Aurel rieten dazu, sich auf das zu konzentrieren, was in unserer Macht liegt. Das Unvermeidliche sollten wir rational verstehen und mit Gelassenheit hinnehmen, statt uns von Emotionen überwältigen zu lassen. Ihre Empfehlung lautete: Akzeptiere die Katastrophe als Teil des natürlichen Laufs der Dinge und konzentriere dich auf deine innere Haltung. Lebe tugendhaft, unabhängig vom äußeren Schicksal. Existenzialisten wie Jean-Paul Sartre und Albert Camus entdeckten Freiheit in der Konfrontation mit dem Unausweichlichen. Sie betonten die Fähigkeit, trotz einer absurden oder düsteren Zukunft erfüllt zu leben: Finde dich mit der Katastrophe ab, aber erschaffe in der verbleibenden Zeit deinen eigenen Sinn. Camus' "Mythos des Sisyphos" führt uns vor Augen: Selbst wenn das Schicksal sinnlos erscheint, kann der Mensch durch seine Haltung Würde bewahren. Ähnlich äußern sich Nihilisten. Nimm hin, was auf dich zukommt, ohne in Verzweiflung zu verfallen. Höre auf, nach einem übergeordneten Sinn oder Zweck zu suchen – es gibt keinen. Zu begreifen, dass angesichts der Katastrophe das Leben bedeutungslos ist, kann erleichtern statt deprimieren. Denn es befreit von der Last, dem Leben einen Sinn geben zu müssen; es hilft, Ängste und Sorgen über die Zukunft loszulassen – und sich auf das Hier und Jetzt zu fokussieren. Pragmatisten wie William James und John Dewey empfehlen: Handle, soweit du kannst. Auch wenn eine Katastrophe bevorsteht, kann praktisches Tun einen Unterschied machen – sei es für andere oder für das eigene Erleben. Suche nach konkreten Wegen, um das Beste aus der fatalen Situation zu machen. Der Buddhismus sieht in jedem noch so schrecklichen Unheil einen Teil des natürlichen Kreislaufs von Entstehen und Vergehen. Das gilt es hinzunehmen – nicht wütend oder traurig, sondern gleichmütig. Meditiere über die Vergänglichkeit des Lebens, löse dich von Angst und Leid, finde Frieden im gegenwärtigen Moment. Welcher Weg ist der richtige? Das hängt von der Persönlichkeit und der eigenen Weltanschauung ab. Manche finden Trost in stoischer Gelassenheit, andere schöpfen Kraft aus existenzialistischer Rebellion oder pragmatischem Handeln. In einem Ratschlag sind sich alle Weisen indes einig: Ignoriere und leugne nicht, was auf dich zukommt. Verfalle seinetwegen nicht in Passivität und Resignation. Denke nicht an Flucht durch Suizid – tot wirst du noch früh und lange genug sein. Akzeptiere das Unabwendbare. Und suche aktiv nach Möglichkeiten, nichtsdestotrotz ein erfülltes, verantwortungsvolles Leben zu führen. Konzentriere dich auf seine wichtigsten, wertvollen Aspekte - trotz oder gerade wegen des Wissens um das bevorstehende Unheil. Träte früher oder später tatsächlich ein, was du befürchtest, so würde sich deine gesunde Lebensspanne verkürzen. Welchen Sinn macht es, diesen erfreulicheren Teil deiner Zukunft durch andauernde Katastrophenangst zu belasten, voller Selbstmitleid, das keinen Platz für Liebe und Freude, Entspannung und Genuss mehr lässt? Wäre dies nicht erst recht katastrophal? ( Harald Wiesendanger ) Zum selben Thema siehe die KLARTEXT-Beiträge “ Gruselig: Plastikgift im Hirn ” und “ Mikroplastik in uns: eine Zeitbombe ”. Anmerkungen (1) https://www.newcastle.edu.au/newsroom/featured/plastic-ingestion-by-people-could-be-equating-to-a-credit-card-a-week/how-much-microplastics-are-we-ingesting-estimation-of-the-mass-of-microplastics-ingested ; https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0304389420319944 (2) Rachid Dris u.a.: „Synthetic fibers in atmospheric fallout: A source of microplastics in the environment?“, Marine Pollution Bulletin 104 (1-2) 2016, S. 290-293, https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0025326X16300066 (3) Environmental Science & Technology , 2019; doi: 10.1021/acs.est.9b01517, https://www.semanticscholar.org/paper/Human-Consumption-of-Microplastics.-Cox-Covernton/573d5cdb9f0fb3b91b97203f5337400a2bcef940 ; https://www.focus.de/wissen/natur/wie-viel-mikroplastik-steckt-in-uns_id_10800276.html (4) https://www.mdpi.com/2079-4991/11/2/496 ; https://wasserdreinull.de/blog/mikroplastik-und-die-menschliche-gesundheit/ (5) https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0160412022001258?via%3Dihub#f0005 ; https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/mikroplastik-mensch-1.4181146 (6) Siehe Süddeutsche Zeitung , 24.10.2018: „Plastik im Bauch“. (7) Alexander J.Nihart u.a.: „Bioaccumulation of Microplastics in Decedent Human Brains“. Nature Medicine (2024): 1-11. https://doi.org/10.1038/s41591-024-03453-1 , https://www.nature.com/articles/s41591-024-03453-1 (8) https://www.sciencemediacenter.de/angebote/mausstudie-wie-mikroplastik-das-gehirn-schaedigen-koennte-25012 ; https://www.br.de/nachrichten/wissen/mikroplastik-wandert-ins-gehirn-plastik,UbHIzoj (9) https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0048969721058952 ; https://www.forschung-und-wissen.de/nachrichten/medizin/mikroplastik-toetet-abwehrzellen-des-gehirns-13375567 (10) https://www.wellblue.com/blog/nanoplastik-im-menschlichen-gehirn/ ; https://www.spektrum.de/news/parkinson-durch-plastikmuell/2198302 ; https://doi.org/10.1126/sciadv.adi8716 (11) https://www.scinexx.de/news/medizin/unsere-zellen-vererben-ihr-nanoplastik/ ; https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0045653524003564?via%3Dihub
- Eher Oh je als Juhu
Die Kasse zahlt: Ab 1. April dürfen Deutschlands Frauen schon unter 55 Jahren ihren Darm spiegeln lassen, wie zuvor schon Männer ab 50. Applaus für optimierte Krebsvorsorge? Befürworter täuschen uns über den begrenzten Nutzen, Risiken und Alternativen hinweg. Alljährlich erhalten fast 55.000 Deutsche die Schreckensdiagnose Darmkrebs, 23.000 sterben daran. Nur Lungen- und Brustkrebs sind häufiger. Männer trifft es etwas öfter als Frauen. Deshalb war die Darmkrebsvorsorge für die beiden Geschlechter bislang unterschiedlich geregelt. Nun wird sie angeglichen . Auch Frauen unter 55 Jahren, wie bisher schon Männer ab 50, haben künftig Anspruch auf eine Darmspiegelung („Koloskopie“) – zwei Mal im Abstand von zehn Jahren -, wie der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Krankenhäusern und Kassen am 16. Januar 2025 beschloss. Zuvor bekamen Frauen zwischen 50 bis 54 Jahren bloß einen jährlichen Test auf okkultes Blut im Stuhl erstattet. Rund 560.000 Koloskopien finden in Deutschland Jahr für Jahr statt - davon wird es nun also noch mehr geben, zur Freude von Gastroenterologen und Medizintechnikherstellern. Aber wie viel nützt es den Koloskopierten? Eine OP mit Risiken und Alternativen Bei einer Darmspiegelung verwendet ein Arzt einen dünnen, flexiblen Schlauch, etwa 1,5 Meter lang und 1 cm dick. An dessen Ende sitzt ein Endoskop: eine Lichtquelle und eine winzige Videokamera, mit welcher er die Darmwand absucht. Entdeckt er dabei Polypen oder verdächtige Schleimhautstellen, aus denen sich im Laufe der Zeit Krebs entwickeln könnte, so entfernt er sie sofort mit einer kleinen Schlinge oder Zange. Das verdächtige Gewebe lässt er dann im Labor untersuchen. Eine Darmspiegelung dient also nicht nur der Diagnose, sondern kann einen chirurgischen Eingriff einschließen. Man nimmt´s am besten mit Galgenhumor ... Die Koloskopie ist jedoch nicht die einzige Möglichkeit, Darmkrebs frühzeitig zu erkennen. Längst bewährt haben sich Untersuchungen des Stuhls, insbesondere der immunologische fäkale Okkultbluttest (iFOBT). (Auch fäkaler immunochemischer Test (FIT) genannt. „FOBT“ steht für fecal occult blood test .) Er erkennt Hämoglobin, rote Blutkörperchen, im Stuhl mit Hilfe von Antikörpern. (1) Für gesetzlich Versicherte in Deutschland bezahlen Krankenkassen den iFOBT im Rahmen der Darmkrebsfrüherkennung. Wie viele Patienten erfahren vorweg von diesen und weiteren (2) Alternativen, von deren jeweiligen Vorteilen und Risiken? Wie sollen sie dem Eingriff denn „informiert zustimmen“ können, wenn sie keinen blassen Schimmer haben, dass sie durchaus die Wahl hätten? Stattdessen empfehlen viele Ärzte ausschließlich die Koloskopie – allein aus medizinischen Gründen? Abrechnen lässt sie sich mit 200 bis 500 Euro, während der iFOBT dem Arzt schlappe sechs Euro einbringt, dem Labor acht. Dabei werden Patienten dazu verleitet, erhebliche Nachteile zu übersehen, zumindest aber zu unterschätzen. Weniger Krebsdiagnosen, aber nicht weniger Tote Eine 2022 im renommierten New England Journal of Medicine veröffentlichte, großangelegte Studie der Northern-European Initiative on Colon Cancer (NordICC) ergab: Die Vorteile von Koloskopien sind bei weitem geringer, als Schulmediziner, Gesundheitspolitiker und Medien uns weismachen. Daran teilgenommen hatten 84.585 Erwachsene im Alter zwischen 55 und 64 Jahren. Keiner von ihnen hatte zuvor eine Darmspiegelung erhalten. „Randomisiert“, nach einem Zufallsverfahren, wurden sie in zwei Gruppen eingeteilt: Die einen erhielten eine Einladung zu einer Koloskopie, die anderen nicht. Nach 10 Jahren hatten diejenigen, bei denen eine Darmspiegelung stattfand, ein um 18 % geringeres Darmkrebsrisiko als die nicht Untersuchten. Das Risiko, an Darmkrebs zu sterben, hatte sich unter den Koloskopierten aber nicht statistisch signifikant verringert. Daran änderte sich auch nach weiterer fünfjähriger Beobachtung nichts : „Das Risiko, an Darmkrebs zu sterben, betrug 0,28 % in der Gruppe der zur Koloskopie Eingeladenen und 0,31 % in der Gruppe mit Standardversorgung (…) Die Anzahl der Personen, die zur Teilnahme an einem Screening eingeladen werden mussten, um einen Fall von Darmkrebs zu verhindern, betrug 455 (…) Das Risiko, aus irgendeinem Grund zu sterben, betrug 11,03 % in der eingeladenen Gruppe und 11,04 % in der Gruppe mit Standardversorgung.“ Allerdings hatten sich nur 42 % der Eingeladenen tatsächlich der Untersuchung unterzogen. Als die Forscher ihre Analyse auf diejenigen Personen beschränkten, bei denen eine Koloskopie auch tatsächlich stattfand, reduzierte das Verfahren das Risiko für Darmkrebs um 31 % und das Risiko, an Darmkrebs zu sterben, um 50 %. „Zu sehr angepriesen“ Immerhin, ein Drittel weniger Darmkrebsrisiko, bloß halb so viele Darmkrebstote: Sind diese Raten nicht erfreulich? Durchaus – aber sie entsprechen in etwa der Senkung durch andere, billigere und weniger invasive Untersuchungen, allen voran Stuhltests. Diesen Sachverhalt erstmals belegt zu haben, macht die Studie „bahnbrechend“, kommentiert der Gastroenterologe Dr. Samir Gupta: „Es ist die erste randomisierte Studie, welche die Ergebnisse der Koloskopie-Vorsorge im Vergleich zu keiner Koloskopie zeigt. Und ich denke, wir haben alle erwartet, dass die Koloskopie besser abschneidet. Vielleicht ist die Koloskopie nicht so gut, wie wir immer dachten.“ Ein Mitautor der Studie, Dr. Michael Bretthauer, bestätigt diesen Eindruck: „Es ist nicht das Wundermittel, für das wir es gehalten haben. Ich glaube, wir haben die Koloskopie vielleicht zu sehr angepriesen. Die gastroenterologischen Gesellschaften (…) haben von einer 70-, 80- oder sogar 90-prozentigen Reduzierung des Darmkrebses gesprochen, wenn jeder zur Koloskopie gehen würde. Das zeigen diese Daten keineswegs.“ Bei 0,9 % der Koloskopierten wird ein Karzinom entdeckt , bei 19,4 % Adenome, Vorstufen von Darmkrebs – da können Stuhltests durchaus mithalten. »Vergleichen wir eine alle zehn Jahre durchgeführte Vorsorgekoloskopie mit einem jährlich durchgeführten immunologischen Stuhltest, zeigt sich, dass der iFOBT sehr nah an die Leistungsfähigkeit der Darmspiegelung heranreicht, was die Senkung der Mortalität an Darmkrebs betrifft«, bestätigt Professor Dr. Frank Kolligs, Stiftungs-Kurator und Chefarzt der Inneren Medizin und Gastroenterologie am Helios Klinikum Berlin-Buch. Hilft eine Darmspiegelung garantiert, bösartige Wucherungen frühzeitig zu erkennen? Die Zuverlässigkeit sei hoch, so versichern Fachkreise: Etwa 97 % der vorhandenen Adenome, mögliche Vorstufen eines Karzinoms, würden erkannt . Eine britisch-indische Studie deckte hingegen eine Fehldiagnoserate von immerhin 17 % auf. Demnach verführt eine Koloskopie in beinahe jedem fünften Fall dazu, mit falschen Alarm für grundlose Panik zu sorgen – oder in trügerischer Sicherheit zu wiegen. Da schneidet der iFOBT-Stuhltest eher noch besser ab: Er liefert bloß für 8,1 % der untersuchten Stuhlproben falsch-positive Ergebnisse. Wo bleibt die Abwägung von Nutzen und Risiko? Gegen den begrenzten Nutzen einer Darmspiegelung müssen Patienten die unterschätzten Risiken abwägen. Eine von 350 führt zu ernsthaften Schäden . Dazu zählen Blutungen , nachdem präkanzerösen Polypen entfernt worden sind. Das Risiko dafür liegt ungefähr bei 24 pro 10.000 Eingriffen. (3) Bis zu zehn Tage danach können sie auftreten . In seltenen Fällen werden eine Operation, eine Bluttransfusion oder die Gabe von Blutbestandteilen notwendig . Auch zu einer Perforation kann es kommen: einer seltenen, aber ernsten Komplikation, bei der die Wand des Darms versehentlich durchstoßen oder verletzt wird. Dies führt zu einem Loch in der Darmwand, durch welches Darminhalt samt Bakterien in den Bauchraum gelangen kann. Dann droht eine Sepsis (Blutvergiftung), was den Einsatz von Antibiotika erfordert. Eine systematische Überprüfung und Metaanalyse ergab, dass eine Perforation nach einer Koloskopie bei etwa 6 pro 10.000 Eingriffen auftritt. (4) Eine andere Studie stellte sie bei 0,2 bis 5 % der Eingriffe fest. Das Perforationsrisiko steigt, je älter der Patient ist und je mehr andere Erkrankungen bei ihm vorliegen. 52 von 1.000 Personen, deren Dickdarm perforiert war, starben innerhalb der ersten 14 Tage. Vernachlässigbar wenig, kaum der Rede wert? Für betroffene Pechvögel sehr wohl. Je nachdem, wo der Eingriff stattfindet und wie qualifiziert der durchführende Arzt ist, können diese Risiken erheblich zunehmen - auch mal deutlich über die gewöhnliche Nachblutungsrate von 0,15 %, die normale Perforationsrate von 0,02 % hinaus. Nach einer Koloskopie steigt die Gefahr einer Blinddarmentzündung , wie Marc D. Basson, Dekan der medizinischen Fakultät der University of North Dakota, 2018 aus Daten von annähernd 400.000 US-Bürgern schließt , die sich zwischen 2009 und 2014 den Darm spiegeln ließen. „In der ersten Woche danach war die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Appendicitis entwickelte, viermal höher als im übrigen Jahr“, so stellte er fest. Wenn Beruhigungsmittel zu hoch dosiert werden oder eine allergische Reaktion auf verabreichte Medikamente auftritt, kann es zu Störungen der Atem- und Herz-/Kreislauffunktion kommen – schlimmstenfalls bis hin zum Herzstillstand. Weitere Komplikationen (5) kann eine Anästhesie bescheren, darunter eine Aspirationspneumonie (): eine Lungenentzündung, die entsteht, wenn Fremdmaterial in die Lunge gelangt und dort eine Entzündungsreaktion oder Infektion auslöst. Auch („ intraperitoneale“) Blutungen in die Bauchhöhle sind möglich . Besonders tückisch macht sie, dass sie oft nicht sofort erkennbar sind und binnen Stunden zu lebensbedrohlichen Zuständen führen können. Bei erheblichem Blutverlust droht ein hämorrhagischer Schock, mit fortschreitendem Blutdruckabfall, verminderter Organdurchblutung, zellulärer Dysfunktion, Zerstörung anatomischer Barrieren, Störung des Immunsystems, Organversagen. In den Vereinigten Staaten kommen bei jedem dritten Patienten, der sich einer Koloskopie unterzieht, Anästhesieverfahren zum Einsatz , in Deutschland sogar bei 90 % . Im Nordosten der USA waren Betäubungen mit einem um 12 % erhöhten Komplikationsrisiko verbunden, bei Koloskopien im Westen stieg dieser Wert sogar auf 60 %. Besonders häufig betroffen sind Patienten, die an Schlafapnoe, Adipositas, Bluthochdruck oder Diabetes leiden. Muss überhaupt sediert werden? In einer Studie dreier amerikanischer Gastroenterologen hatten Patienten die Möglichkeit, sich einer Darmspiegelung ohne vorherige Medikation zu unterziehen; unmittelbar nach dem Eingriff sowie zwei und fünf Tage später erkundigten sich die Forscher nach der Stärke der Schmerzen und der Bereitschaft, sich dem Verfahren erneut ohne Narkose zu unterziehen. Nur 5 % gaben an, keine Schmerzen zu verspüren; 41 % hatten leichte Schmerzen; 34 % berichteten von mäßigen Schmerzen und 20 % gaben an, starke Schmerzen zu verspüren. Trotzdem waren 73 % bereit, auch beim nächsten Mal auf eine Narkose zu verzichten; nur 18 % gaben an, beim nächsten Mal eine Sedierung zu verlangen. Vielen Untersuchten tut die Prozedur nicht bloß weh – was mit ihnen geschieht, empfinden sie als oberpeinlich bis demütigend. Manch approbierter Kolonflüsterer („Mein Studium war voll für´n Arsch“) bemüht sich deshalb, die angespannte Stimmung mit schrägem Humor zu entkrampfen. Die Reise durch den Darm bezeichnet er dann scherzhaft als „Große Hafenrundfahrt“, “innere Einkehr“, „endoskopisches Abenteuer“, „Darmbesichtigung“ oder „Innenraumbeleuchtung“. Die Erheiterung auf seiten der Innenbeleuchteten hält sich in der Regel freilich in Grenzen. Eine Sauerei: unsaubere Geräte Wie sorgfältig werden die Koloskopiegeräte zwischen zwei Eingriffen an verschiedenen Patienten entkeimt? Häufig sind an Endoskopen teure, empfindliche Geräte angebracht, die nicht hitzesterilisiert werden können. Und leider sind die Hersteller nicht dazu verpflichtet, ein Endoskop herzustellen, das auf diese Weise sterilisiert werden kann. Während der Untersuchung kann es deshalb vorkommen, dass der Arzt nicht durch das Endoskop sehen kann, weil es durch menschliches Gewebe von einer früheren Untersuchung verstopft ist. In diesem Fall muss er das Endoskop herausziehen und durch ein anderes ersetzen. Wie der US-Mikrobiologe Dr. David Lewis berichtet - pensionierter Whistleblower und Mitarbeiter der Environmental Protection Agency (EPA) -, sterilisieren bis zu 80 % der Krankenhäuser flexible Endoskope mit Glutaraldehyd (Cidex), das das Gewebe im Endoskop nicht auflöst, sondern konserviert. Führt der Arzt dann scharfe Biopsie-Werkzeuge durch den Schlauch, dann schabt er Patientenmaterial von früheren Tests ab und transportiert es möglicherweise in ihren Körper. Deshalb sollten Patienten auf Nummer Sicher gehen, dass die Praxis oder Klinik ihrer Wahl Peressigsäure verwendet; sie ähnelt Essig und löst die in den flexiblen Endoskopen enthaltenen Proteine auf, um die Geräte gründlich zu sterilisieren. Wer sich einer endoskopischen Untersuchung unterziehen will, sollte sich im eigenen Interesse trauen, vorab telefonisch nachzufragen: „Wie wird das Endoskop zwischen den Patienten gereinigt? Welches Reinigungsmittel wird verwendet? Wie viele Ihrer Koloskopiepatienten mussten aufgrund von Infektionen ins Krankenhaus eingeliefert werden?“ Über 500 Tote pro Jahr: nicht der Rede wert? Selbst eine noch so geringe Todesgefahr ist durchaus der Erwähnung wert. Das Risiko, an einer Koloskopie zu sterben, veranschlagt eine Studie auf 1 zu 16.318. (Bei 82 Personen stellte sie schwere Komplikationen fest.) Eine andere Untersuchung ergab eine Sterberate von 3 pro 100.000 Koloskopien sowie schwerwiegende unerwünschte Ereignisse bei 44 pro 10.000. Einer weiteren Studie zufolge liegt die Mortalitätsrate sogar bei 1 pro 1.000 Eingriffen. Bei 560.000 Koloskopien, die jedes Jahr in Deutschland stattfinden, würde dies bedeuten: Über 500 Mitbürger überleben sie nicht. Kaum der Rede wert? Benötigen Gleichaltrige gleich viel Kontrolle? Wie viel Sinn machen Vorsorge-Screenings nach Altersklassen überhaupt? Aktuelle Richtlinien dringen auf eine Vorsorgeuntersuchung für alle Personen über 50 Jahren, unabhängig von ihrem individuellen Risiko. Aber kann die adipöse, junkfoodsüchtige Couch Potato mit 30 einem Darmkrebsbefund nicht schon weitaus näher sein als ein gesundheitsbewusster 70-Jähriger? Überaus ratsam sind daher Praxisleitlinien , wie sie das British Medical Journal im Jahr 2019 veröffentlichte. Sie empfehlen Ärzten, ein Instrument zur Abschätzung des potenziellen Risikos einer Person einzusetzen, in den nächsten 15 Jahren an Darmkrebs zu erkranken. Nur Personen, die ein Risiko von mindestens 3 % aufweisen, sollten sich checken lassen. Die meisten gesunden Menschen liegen aber auch jenseits der 50 unter diesem Wert – und für diese sehen die Leitlinien „ überhaupt kein Screening“ vor. Echte Krebsvorsorge: ein gesunder Lebensstil Sie entspricht dem erbärmlichen Zustand unseres kranken Gesundheitswesens: die semantische Verunstaltung des unschuldigen Begriffs „Vorsorge“. Der medizinisch-industrielle Komplex hat sich mittels Gehirnwäsche eine Kundschaft herangezogen, die umso besser „vorzusorgen“ meint, je bereitwilliger sie sich möglichst frühzeitig möglichst vielen hochprofitablen Diagnoseverfahren unterzieht. Sollten wir nicht vielmehr alles dafür zu tun, dass es erst gar nichts Bedrohliches zu diagnostizieren gibt? Das Risiko, an Krebs zu erkranken, lässt sich proaktiv senken. Bloß 5 bis 10 % aller Krebsfälle sind auf genetische Defekte zurückzuführen. Wenn Darmkrebs auftritt und fortschreitet, spielen Lebensstilfaktoren die Hauptrolle. (6) Dazu zählen Alkohol und Rauchen, Bewegungsmangel und Medikamente. Laut Forschern der University of South Carolina School of Medicine stehen allerdings bis zu 70 % der Fälle im Zusammenhang mit der Ernährung . Eine wirkungsvolle Vorsorgestrategie schließt ein, - Übergewicht abzubauen - zuviel Salz, zuviel Zucker, zuviel rotes Fleisch zu vermeiden - auf Fertiggerichte und andere ultrahoch verarbeitete Produkte zu verzichten – sie stehen mit einem erhöhten Risiko in Verbindung, an Krebs zu erkranken und daran zu sterben. - mehr Obst und Gemüse zu essen - sich mehr Ballaststoffe zuzuführen. „Lass Nahrung deine Medizin sein“, lehrte Hippokrates vor 2400 Jahren. Müssen wir uns jemals eine Kamera in den Hintern schieben lassen, solange wir uns konsequent daran halten? ( Harald Wiesendanger ) Anmerkungen (1) Bis März 2017 kam in Deutschland zur Darmkrebsfrüherkennung der Guajak-basierte Test auf okkultes Blut im Stuhl (gFOBT) 2017 zum Einsatz. Er war allerdings fehleranfälliger, weil er auch auf tierisches Hämoglobin (z. B. aus Fleisch) oder andere Stoffe (z. B. Pflanzenstoffe wie Peroxidase aus rohem Obst/Gemüse) positiv reagierte. Ab April 2017 ersetzte ihn der immunologische fäkale Okkultbluttest (iFOBT). Dieser weist eine höhere Sensitivität und Spezifität auf – er reagiert nur auf menschliches Hämoglobin. Die Kosten für den iFOBT setzen sich aus zwei Komponenten zusammen. Ausgabe und Beratung durch den Arzt: Hierfür wird die Gebührenordnungsposition (GOP) 01737 mit 57 Punkten angesetzt, was etwa 6 Euro entspricht. Die Laboruntersuchung der Stuhlprobe wird mit 75 Punkten abgerechnet, was ungefähr 7,90 Euro beträgt. Alles in allem belaufen sich die Kosten für den iFOBT somit auf etwa 13,90 Euro. (2) Ein weiteres Verfahren kombiniert den iFOBT mit einem Test auf veränderte DNA im Stuhl . Auch die sogenannte „Kleine Darmspiegelung“, die Flexible Sigmoidoskopie, wäre möglich: Sie ähnelt einer Koloskopie, verwendet jedoch ein kürzeres und kleineres Endoskop, das weniger weit in den Dickdarm hineinsehen lässt. Eine zusätzliche Option wäre Kolonographie per Computertomograph (CT), auch „virtuelle Kolonoskopie“ genannt. (3) https://www.statnews.com/2022/10/09/in-gold-standard-trial-colonoscopy-fails-to-reduce-rate-of-cancer-deaths/ ; https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC4264696/ (4) https://www.statnews.com/2022/10/09/in-gold-standard-trial-colonoscopy-fails-to-reduce-rate-of-cancer-deaths/ ; https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC4264696/ (5) Ein weiteres, vergleichsweise harmloses Problem stellen Dysbiose und andere Darmstörungen dar, die dadurch entstehen, dass der Darmtrakt vor dem Eingriff mit starken Abführmitteln ausgespült wird. Eine im Fachjournal Cell veröffentlichte Studie deutet darauf hin, dass selbst eine kurzzeitige Einnahme von Abführmitteln eine Immunreaktion auslösen kann. Untersuchungen an einem Tiermodell ergaben, dass die Behandlung nützlicher Darmbakterien eliminiert. Noch zwei Wochen nach Beendigung der Abführmittel zeigte sich bei den Bakterien eine verringerte Vielfalt. Allerdings lässt sich die Darmflora zügig wieder aufbauen: durch eine Ernährung mit leicht verdaulicher Kost, Naturjoghurt, präbiotischen und ballaststoffreichen Lebensmitteln, mit reichlich Flüssigkeit (stilles Wasser, Tee, verdünnte Säfte, Gemüsebrühe) und Probiotika. ( https://www.divocare.de/blog/essen-nach-darmspiegelung/ , https://www.t-online.de/gesundheit/krankheiten-symptome/krebserkrankungen/id_92334846/essen-nach-darmspiegelung-darauf-sollten-sie-besser-verzichten.html ) (6) https://jamanetwork.com/journals/jamanetworkopen/fullarticle/2776517 ; https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/10732748211056692 ; https://link.springer.com/article/10.1007/s10552-013-0201-5
- Über die Psychologie des Verschwörungsleugners
Warum sträuben sich ansonsten völlig intelligente, nachdenkliche und rational denkende Menschen gegen die Behauptung, Soziopathen würden sich verschwören, um sie zu manipulieren und zu täuschen? Und warum verteidigen sie diesen unbegründeten Standpunkt mit solcher Vehemenz? - Ein Gastbeitrag von Nemo Jones. Die Geschichte kennt die Machenschaften von Lügnern, Dieben, Tyrannen und Narzissten und deren verheerende Auswirkungen. Auch in der heutigen Zeit gibt es zahlreiche Beweise für Korruption und außergewöhnliche Täuschungen. Wir wissen ohne Zweifel, dass Politiker lügen und ihre Verbindungen verbergen; und dass Unternehmen routinemäßig eine völlige Verachtung für moralische Normen an den Tag legen - dass Korruption uns umgibt. Wir wissen, dass die Drehtüren zwischen Unternehmen und Politik, das Lobbysystem, korrupte Aufsichtsbehörden, die Medien und die Justiz dazu führen, dass Missstände praktisch nie auch nur annähernd vor Gericht gebracht werden. Wir wissen, dass die Presse zwar gelegentlich über diese Dinge berichtet, sie aber nie mit echtem Nachdruck verfolgt. Wir wissen, dass in den Geheimdiensten und bei den Strafverfolgungsbehörden Fehlverhalten in atemberaubendem Ausmaß an der Tagesordnung ist und dass auch hier nie Gerechtigkeit geübt wird. Wir wissen, dass Regierungen immer wieder die Rechte des Volkes ignorieren oder mit Füßen treten und das Volk aktiv missbrauchen und misshandeln. Nichts davon ist umstritten. Was genau ist es also, das Verschwörungsleugner mit solcher Inbrunst, Selbstgerechtigkeit und Herablassung nicht anerkennen wollen? Warum verteidigen sie entgegen allen Beweisen spöttisch und verächtlich die bröckelnde Illusion, dass „die Großen und Guten“ irgendwo da oben sind, alles im Griff haben, nur unser Bestes im Sinn haben und anständig, weise und aufrichtig sind? Dass die Presse dem Volk und der Wahrheit dient und nicht den Gaunern? Dass eine Ungerechtigkeit nach der anderen aus Irrtümern und Versehen resultiert und niemals aus dem gefürchteten Wort „Verschwörung“? Welcher vernünftige Mensch würde weiterhin in einer solchen Fantasiewelt leben? Die Meinungsverschiedenheiten betreffen hier nur das Ausmaß. Jemand, der wirklich neugierig auf die Pläne mächtiger Soziopathen ist, wird seine Neugierde nicht auf ein Unternehmen oder eine Nation beschränken. Warum sollte er das tun? Eine solche Person geht davon aus, dass die gleichen Muster, die sich auf lokaler Ebene zeigen, wahrscheinlich auch in der gesamten Nahrungskette der Macht zu finden sind. Verschwörungsleugner behaupten jedoch, dies sei absurd. Und warum? Es ist schmerzlich offensichtlich, dass die pyramidenförmigen gesellschaftlichen und rechtlichen Strukturen, welche die Menschheit entstehen ließ, genau die Art von Dominanzhierarchien sind, die den Soziopathen zweifelsohne begünstigen. Ein menschliches Wesen, das mit einer normalen und gesunden kooperativen Denkweise arbeitet, hat wenig Neigung, sich an den Kämpfen zu beteiligen, die notwendig sind, um eine unternehmerische oder politische Karriereleiter zu erklimmen. Was also stellen sich die Verschwörungsleugner vor, was die mindestens 70 Millionen Soziopathen auf der Welt den ganzen Tag tun – Leute, die in ein „Spiel“ hineingeboren wurden, in dem sich der ganze Reichtum und die ganze Macht an der Spitze der Pyramide ansammelt, wobei die effektivsten Attribute zum „Gewinnen“ Rücksichtslosigkeit und Amoralität sind? Haben sie noch nie Monopoly gespielt? Soziopathen wählen ihre Weltsicht nicht bewusst und sind einfach nicht in der Lage zu verstehen, warum normale Menschen sich selbst einen so unglaublichen Nachteil zufügen, indem sie sich mit Pflichtbewusstsein und Empathie einschränken, die für den Soziopathen so unverständlich sind, wie es eine Welt ohne sie für seine Mitmenschen ist. Alles, was der Soziopath tun muss, um in diesem Spiel zu gewinnen, ist, öffentlich zu lügen und gleichzeitig privat zu konspirieren. Was könnte einfacher sein? Im Jahr 2021 weiterhin zu glauben, dass die Welt, in der wir leben, nicht weitgehend von dieser Dynamik bestimmt wird, grenzt an leichtsinnige Naivität. Woher kommt ein solch ungewollt destruktiver Impuls? Das Kleinkind setzt ein angeborenes Vertrauen in die Menschen, mit denen es zusammen ist - ein Vertrauen, das in den meisten Fällen gerechtfertigt ist. Anders könnte der Säugling nicht überleben. In einer vernünftigen und gesunden Gesellschaft würde sich dieser tiefe Instinkt mit der Entwicklung der Psyche entfalten. Mit der Ausprägung des Selbstbewusstseins, der kognitiven und logischen Fähigkeiten und der Skepsis im Individuum würde dieser angeborene Vertrauensimpuls weiterhin als ein zentrales Bedürfnis der Psyche verstanden werden. Es gäbe gemeinsame Glaubenssysteme, um diesen kindlichen Impuls bewusst weiterzuentwickeln, um diesen Glauben bewusst irgendwo zu platzieren - in Werte und Überzeugungen von dauerhafter Bedeutung und Wert für die Gesellschaft, den Einzelnen oder idealerweise für beide. Ehrfurcht und Respekt vor der Tradition, den Naturkräften, den Vorfahren, der Vernunft, der Wahrheit, der Schönheit, der Freiheit, dem angeborenen Wert des Lebens oder dem Schöpfer aller Dinge könnten als gültige Ruhepunkte betrachtet werden, in die wir unser Vertrauen und unseren Glauben bewusst setzen - ebenso wie diejenigen, die sich aus stärker formalisierten Glaubenssystemen ableiten. Unabhängig von dem Weg, den man eingeschlagen hat, um einen persönlichen Glauben zu entwickeln, geht es hier darum, das eigene Bewusstsein und die eigene Erkenntnis zu diesem angeborenen Impuls zu bringen. Ich glaube, dass dies eine tiefe Verantwortung ist - einen reifen Glauben zu entwickeln und zu kultivieren -, der sich viele verständlicherweise nicht bewusst sind. Was geschieht, wenn es in uns ein kindliches Bedürfnis gibt, das sich nie über seine ursprüngliche Überlebensfunktion hinaus entwickelt hat, nämlich denjenigen in unserer Umgebung zu vertrauen, die einfach am mächtigsten, am präsentesten und aktivsten sind? Wenn wir nie wirklich unsere eigene Psyche erforscht haben und tief hinterfragt haben, was wir wirklich glauben und warum? Wenn unsere Motivation, etwas oder jemandem zu vertrauen, nicht hinterfragt wird? Wenn die Philosophie den Philosophen überlassen wird? Ich behaupte, die Antwort ist einfach, und die Beweise für dieses Phänomen und die Verwüstungen, die es anrichtet, sind überall um uns herum: Der angeborene Impuls, der Mutter zu vertrauen, entwickelt sich nie weiter, trifft nie auf sein Gegengewicht, die Vernunft (oder den reifen Glauben), und bleibt für immer auf seiner „Standardeinstellung“ als Kind. Während die unreife Psyche für ihr Wohlergehen nicht mehr von den Eltern abhängt, bleibt der mächtige und motivierende Grundgedanke, den ich beschrieben habe, intakt: unangefochten, unüberlegt und unentwickelt. Und in einer Welt, in der Stabilität und Sicherheit nur noch eine ferne Erinnerung sind, bleiben diese Überlebensinstinkte, anstatt gut ausgeprägt, überlegt, relevant, anspruchsvoll und aktuell zu sein, buchstäblich die eines Babys. Man vertraut auf die größte, lauteste, präsenteste und unbestreitbarste Kraft, denn der Instinkt sagt, dass das Überleben davon abhängt. Und in diesem großen „Weltkindergarten“ ist die allgegenwärtigste Kraft das Netz der Institutionen, die ständig ein unverdientes Bild von Macht, Ruhe, Kompetenz, Besorgnis und Stabilität vermitteln. Meines Erachtens ist dies der Grund, warum sich Verschwörungsleugner an die völlig unlogische Vorstellung klammern und diese aggressiv verteidigen können, dass Korruption, Betrug, Bosheit und Narzissmus oberhalb einer bestimmten, nicht definierten Ebene der gesellschaftlichen Hierarchie auf mysteriöse Weise verschwinden. Dass, entgegen der Maxime, je mehr Macht eine Person hat, desto mehr Integrität wird sie zwangsläufig an den Tag legen. Diese armen verblendeten Seelen glauben im Grunde, dass dort, wo persönliche Erfahrung und Vorwissen die Lücken in ihrer Weltsicht nicht füllen können - kurz gesagt, wo eine vergitterte Tür ist -, Mama und Papa dahinter stehen und sich Gedanken darüber machen, wie sie am besten dafür sorgen können, dass es ihrem kleinen Schatz für immer gut geht, er glücklich und sicher ist. Das ist der Kern, die tröstliche Illusion, die der Denkweise der Verschwörungsleugner zugrunde liegt, das verfallene Fundament, auf dem sie eine turmhohe Burg der Rechtfertigung errichten, von der aus sie diejenigen, die das anders sehen, hochmütig verhöhnen und verspotten. Das erklärt, warum der Verschwörungsleugner jede Andeutung angreift, dass der betreuende Archetyp nicht mehr vorhanden ist - dass Soziopathen hinter der vergitterten Tür stehen, die uns alle verachten oder uns völlig ignorieren. Der Verschwörungsleugner wird jede solche Andeutung so bösartig angreifen, als ob sein Überleben davon abhinge - was in gewisser Weise in der Struktur seiner unbewussten und prekären Psyche der Fall ist. Ihr Gefühl des Wohlbefindens, der Sicherheit, des Komforts, ja sogar einer Zukunft überhaupt, ist vollständig - und völlig unbewusst - in diese Fantasie investiert. Der Säugling ist nie gereift, und da er sich dessen nicht bewusst ist, außer dass es sich um eine tiefe Verbundenheit mit seiner persönlichen Sicherheit handelt, wird er jede Bedrohung dieses unbewussten und zentralen Aspekts seiner Weltsicht erbittert angreifen. Der ermüdend häufige Refrain der Verschwörungsleugner lautet: „Eine so große Verschwörung kann es nicht geben“. Die einfache Antwort an einen solchen selbsternannten Experten für Verschwörungen ist offensichtlich: wie groß? Die größten „medizinischen“ Unternehmen der Welt können jahrzehntelang die Beilegung von Gerichtsverfahren als bloße Geschäftskosten behandeln, und zwar für Verbrechen, die von der Unterdrückung unerwünschter Testergebnisse über mehrfache Morde infolge von nicht deklarierten Tests bis hin zu kolossalen Umweltverbrechen reichen. Regierungen führen die abscheulichsten und unvorstellbarsten „Experimente“ (Verbrechen) an ihrer eigenen Bevölkerung durch, ohne dass dies Konsequenzen hat. Politiker lügen uns gewohnheitsmäßig ins Gesicht, ohne Konsequenzen. Und so weiter und so fort. An welchem Punkt genau wird eine Verschwörung so groß, dass „sie“ damit nicht mehr durchkommen, und warum? Ich vermute, es ist der Punkt, an dem die kognitiven Fähigkeiten der Verschwörungsleugner nachlassen und ihr unbewusster Überlebensinstinkt einsetzt. Der Punkt, an dem der Intellekt von der Tragweite der Ereignisse überwältigt wird und der Instinkt dazu führt, dass man sich in den vertrauten, beruhigenden Glauben zurückzieht, den man seit dem ersten Moment, in dem die eigenen Lippen die Brustwarze fanden, kennt und kultiviert. Der Glaube, dass sich jemand anderes darum kümmert - dass dort, wo die Welt uns unbekannt wird, eine mächtige und wohlwollende menschliche Autorität existiert, der wir nur bedingungslos vertrauen müssen, um ewige emotionale Sicherheit zu garantieren. Diese gefährliche Wahnvorstellung könnte der zentrale Faktor sein, der die physische Sicherheit und die Zukunft der Menschheit in die Hände von Soziopathen legt. An alle, die die Angewohnheit haben, Menschen, die hinterfragen, nachforschen und skeptisch sind, als Alufolienhut tragende, paranoide, die Wissenschaft verleugnende Trump-Anhänger abzutun, sei die Frage gerichtet: Woran glauben Sie? Worauf setzen Sie Ihren Glauben und warum? Wie kommt es, dass Sie, während niemand den Regierungen vertraut, den im Entstehen begriffenen Global-Governance- Organisationen unhinterfragt zu vertrauen scheinen? Wie ist das zu verstehen? Wenn Sie solchen Organisationen Ihr Vertrauen schenken, bedenken Sie, dass diese Organisationen im modernen globalen Zeitalter, so außerordentlich gut sie sich auch präsentieren mögen, einfach nur größere Erscheinungsformen der lokalen Versionen sind, von denen wir wissen , dass wir ihnen nicht trauen können. Sie sind nicht unsere Eltern und zeigen keine Loyalität zu humanen Werten. Es gibt keinen Grund, irgendeinem von ihnen Glauben zu schenken. Wenn Sie noch keinen bewussten Glauben entwickelt oder sich nicht eingehend gefragt haben, warum Sie so glauben, wie Sie es tun, mag eine solche Haltung menschenfeindlich erscheinen, doch in Wahrheit ist sie das Gegenteil. Diese Organisationen haben sich Ihr Vertrauen nur mit PR-Geldern und Hochglanzlügen verdient. Die wahre Macht liegt nach wie vor bei den Menschen. Es gibt einen Grund, warum Buddhisten nachdrücklich dazu raten, sein Vertrauen in den Dharma, das Naturgesetz des Lebens, zu setzen und nicht in Personen, und dass ähnliche Sprüche in anderen Glaubenssystemen üblich sind. Macht korrumpiert. Und in der heutigen Welt könnte unangebrachtes und unbegründetes Vertrauen eine der größten Machtquellen überhaupt sein. Es gibt gewaltige kriminelle Verschwörungen. Die Beweise sind überwältigend. Das Ausmaß der gegenwärtigen Verschwörungen ist nicht bekannt, aber es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass im neuen globalen Zeitalter das soziopathische Streben nach Macht oder der Besitz der dafür erforderlichen Mittel abnimmt. Sicherlich nicht, solange abweichende Meinungen von Gatekeepern, „nützlichen Idioten“ und Verschwörungsleugnern verhöhnt und zensiert werden, die in Wirklichkeit direkt mit der soziopathischen Agenda zusammenarbeiten, indem sie unerbittlich diejenigen angreifen, die das Unrecht aufdecken wollen. Es ist die dringende Verantwortung eines jeden menschlichen Wesens, soziopathische Agenden aufzudecken, wo immer sie existieren - und niemals diejenigen anzugreifen, die dies tun wollen. Jetzt ist es mehr denn je an der Zeit, kindische Dinge und kindliche Impulse beiseite zu legen und als Erwachsene aufzustehen, um die Zukunft der Kinder zu schützen, die keine andere Wahl haben, als uns ihr Leben anzuvertrauen. Dieser Aufsatz hat sich auf das konzentriert, was ich für den tiefsten psychologischen Antrieb der Verschwörungsleugnung halte. Es gibt sicherlich noch andere, wie den Wunsch, akzeptiert zu werden; die Vermeidung von Wissen über und die Auseinandersetzung mit dem inneren und äußeren Schatten; die Aufrechterhaltung eines positiven und gerechten Selbstbildes: eine verallgemeinerte Version des Phänomens des „fliegenden Affen“, bei dem sich eine eigennützige und bösartige Klasse schützt, indem sie sich um den Tyrannen schart; die subtile unbewusste Übernahme der soziopathischen Weltsicht (z. B. „Die Menschheit ist der Virus“); Empörungssucht/Überlegenheitskomplex/Statusspiele; ein verkümmerter oder wenig ehrgeiziger Intellekt, der durch die Aufrechterhaltung des Status quo Bestätigung findet; der dissoziative Schutzmechanismus der Vorstellung, dass Verbrechen und Schrecken, die wiederholt zu unseren Lebzeiten begangen werden, irgendwie nicht jetzt, nicht „hier“, geschehen; und die ganz normale, altvertraute Faulheit und Feigheit. Ich vermute, dass alle diese Faktoren bis zu einem gewissen Grad auf dem Fundament der hier beschriebenen Hauptursache aufbauen. Übersetzung des Originalbeitrags „ On The Psychology Of The Conspiracy Denier “ von Nemo Jones, übernommen aus dessen überaus empfehlenswerten Substack „ Reporting for Beauty “, mit freundlicher Genehmigung des Autors. Nemo Jones ist Musiker und „enthusiastischer Naturrechtler“: „Ich schreibe, spreche und singe für Vernunft, Freiheit und Schönheit.“
- Nun also doch: Amalgamverbot
Warum erst jetzt? Amalgam für neue Zahnfüllungen zu verwenden, ist in der gesamten EU seit dem 1. Januar 2025 verboten – denn es besteht zur Hälfte aus Quecksilber. Davor, dass sich das hochgiftige Schwermetall aus Füllungen lösen, in Organe einlagern und die Gesundheit ihrer Träger vielfältig gefährden kann, hatten Kritiker seit rund 200 Jahren gewarnt – und standen deshalb als hysterische “ Märchenerzähle r” am Pranger. Arglose 50 bis 70 % der erwachsenen Bevölkerung, so schätzt die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK), hatten um die Jahrtausendwende noch Amalgam im Mund. Von der WHO über das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und das Robert-Koch-Institut (RKI) bis hin zu einem von der Europäischen Union beauftragten Expertengremium, das 2007 sein Gutachten vorlegte: Sie alle hatten ihren vermeintlich wissenschaftlichen Segen dazu gegeben, Amalgam als stabilen, langlebigen und günstigen Füllstoff in der Zahnheilkunde weiterhin einzusetzen. War das rückblickend nicht Beihilfe zur millionenfachen Körperverletzung durch verharmlosendes Nichtstun? Hersteller wussten spätestens seit Mitte des vorigen Jahrhunderts Bescheid über das Vergiftungsproblem. Und schon 1995 hatte die Universität Kiel, nach Auswertung von rund 10.000 Studien zum Thema Amalgam, feststellen müssen: Als Zahnfüllstoff war er zu keinem Zeitpunkt toxikologisch unbedenklich. (1) Könnte es um die angebliche, durch Faktenchecks “erwiesene” Märchenhaftigkeit von Warnungen vor Mobilfunkstrahlung, gentechnisch veränderten Organismen, Glyphosat, mRNA-“Impf”stoffen, dem Infraschall von Windkraftanlagen nicht ähnlich stehen? Wie war es beim Rauchen, bei Asbest, bei Arsen - im 19. Jahrhundert als "Allheilmittel" gegen Krankheiten wie Syphilis oder Malaria eingesetzt -, bei Contergan, Oxycodon, Fentanyl & Co.? “ Follow the Science ”? Bloß Schlafschafe tun das grundsätzlich immer. ( Harald Wiesendanger ) Anmerkungen (1) Prof. Dr. O. Wassermann / M. Weitz / Dr. C. Alsen-Hinrichs / Dr. Sibylle Mai: Kieler Amalgam-Gutachten 1997. Medizinische, insbesondere toxikologische Feststellungen im Zusammenhang mit einer rechtlichen Beurteilung der Herstellung und des Vertriebs von Amalgam als Material für Zahnfüllungen , Institut für Toxikologie im Klinikum der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, 2. Auflage, Kiel 1997. Bild: Bing Image Creator, nachbearbeitet.
- "Systemisch" heilen - wie denn sonst?
Vom ersten bis zum letzten Atemzug sind wir soziale Wesen: einbezogen in Systeme von Personen und Gruppen, in denen jedes Teil jedes andere beeinflusst, direkt oder mittelbar. Liegt nicht auf der Hand, dass diese Zusammenhänge kausal bedeutsam sind, wenn wir erkranken – und unbedingt berücksichtigt werden müssen, wenn Gesundheit wiederhergestellt werden soll? Deshalb setzt meine Stiftung AUSWEGE „systemisch“ an - sie sieht das Ganze. Wir existieren in Beziehung zueinander, immer, unausweichlich. Diese Beziehungen können von Abhängigkeit geprägt sein, von Konflikten, von Schuld, von Verpflichtung, von Macht und Ohnmacht, von Gleichgültigkeit, von Geringschätzung, von Manipulation und Gewalt, von Furcht, Hass und Neid; aber auch von Verständnis, Zuneigung, Freundschaft, Begehren, Liebe, Bewunderung, Dankbarkeit, Fürsorge und vielerlei anderem, was Menschen positiv miteinander verbindet. Selbst wenn einzelne Beziehungen zerbrechen – wegen Streit, Trennung, Tod -, wirken sie weiter: in uns. Versteht sich von selbst, oder? Jener geschichtlichen Epoche, die „Neuzeit“ genannt wird, verdankt die Menschheit so beeindruckende Errungenschaften wie die Atombombe, Plastikbusen, den Big Mac, das Kondom mit Erdbeergeschmack, Klonschafe, faltbare Handys, feuchtes Toilettenpapier mit Lavendelduft – und eine Medizin, die sich lieber auf mathematisch-naturwissenschaftlichen Erkenntnisgewinn nach dem Vorbild der Physik verlässt als auf den Wissensschatz jahrhundertealter Heiltraditionen, auf die persönliche Erfahrung und Intuition von Anwendern. Common Sense wird geringgeschätzt, und zur Belustigung von Studenten pflegen Profs ihre Vorlesungen gerne mit einer Fülle von Beispielen zu würzen, bei denen diese Missachtung einleuchtet: Fälle, in denen der vermeintlich „gesunde Menschenverstand“ haarsträubend danebenlag, gottlob geradegerückt durch neugieriges, objektives Forschen. Aber wo immer Geringschätzung pauschal wird, schießt sie übers Ziel hinaus: Dieses Phänomen ist beispielsweise in der Geschichte der modernen Psychiatrie und Psychotherapie zu bestaunen. Ein rundes Jahrhundert benötigten diese Disziplinen, um sich einer Erkenntnis anzunähern, über welche der Common Sense immer schon verfügte: der banalen Tatsache nämlich, dass keiner von uns auf seinem eigenen Planeten lebt. Vom ersten bis zum letzten Atemzug sind wir soziale Wesen: einbezogen in Systeme (1), in denen jedes Teil jedes andere beeinflusst, direkt oder mittelbar. Was auch immer wir tun oder unterlassen: Wir wirken in sie hinein, und sie wirken auf uns zurück. Liegt nicht auf der Hand, dass diese Zusammenhänge eine kausale Rolle spielen könnten, wenn wir erkranken – und keinesfalls außer acht gelassen werden dürfen, wenn Gesundheit wiederhergestellt werden soll? Müssten sie nicht stets mitbedacht werden, wenn Anamnesen vorgenommen und Therapiepläne erstellt werden? Ich verüble meinen Ärzten keineswegs, dass sie mein Kariesloch stopfen oder meinen gebrochenen Arm schienen, ohne mein Verhältnis zu meiner Mama zu hinterfragen. Aber je stärkere psychische Anteile eine Erkrankung aufweist, desto vordringlicher wird es, das soziale System zu verstehen und einzubeziehen, in dem sie entstand. Insofern führt an einem „systemischen“ Ansatz nichts vorbei – besonders bei Kindern, aber auch bei Erwachsenen. Und deshalb gehört er zum Konzept unserer „Auswege“-Camps . Wir legen großen Wert darauf, dass Angehörige einen Patienten nicht bei uns „abliefern“, sondern dableiben; wir möchten sie mitberaten, mitbehandeln. Das erhöht den Betreuungsaufwand erheblich, aber auch die Heilungschance. In unserem Gesundheitswesen geschieht weithin: das krasse Gegenteil. Was passiert, sobald jemand zum Patienten wird? Er muss in die Praxis oder in die Klinik, ihm werden Medikamente verordnet, er hat sich therapeutischen Maßnahmen zu unterziehen; begleiten ihn Angehörige, dann selten mehr als einer, und dies überwiegend zu dem Zweck, ihm Langeweile und Ängste zu vertreiben, während er im Wartezimmer seines Termins harrt. Mit anderen Worten: Er wird von seinem sozialen System künstlich isoliert. Und damit ist vorprogrammiert, dass weder ganz verstanden noch optimal behandelt wird, woran er leidet. Warum Abraham zum ADHS-Kind wurde Beispiel ADHS, jene Verhaltensstörung, bei der Aufmerksamkeitsdefizite mit Hyperaktivität einhergehen: Ob nun Psychotherapien oder pharmazeutische Ruhigsteller wie Ritalin zum Einsatz kommen - im Behandlungsfokus stehen die betroffenen Kinder und Jugendlichen. Wieviel mehr mit einem „systemischen“ Ansatz zu erreichen wäre, erweist sich seit Jahren in unseren Therapiecamps: Von 49 Minderjährigen, die mit der ADHS-Diagnose von ihren Eltern dorthin gebracht wurden, waren 43 am Ende völlig symptomfrei , einer weitgehend. Warum? Noch mehr als andere Kinder benötigen ADHS-betroffene: Zeit; Geduld; liebevolle Zuwendung; viel Bewegung; ein harmonisches, konfliktfreies Umfeld; klare Regeln - sowie deren konsequentes Umsetzen; und einen stark eingeschränkten Zugang zu Unterhaltungselektronik. Dafür sorgen müsste ihr primäres System: die eigene Familie. Während eines Camps werden unsere Therapeuten zu Bezugspersonen, die all dies sicherstellen. Aus ihrer Vorgehensweise lernen Mütter und Väter, ihr Erziehungsverhalten zu ändern. Ein ganzes System wird „heil“, und die Symptomatik verschwindet – wenn auch nur kurzfristig, falls es anschließend in alte Muster zurückfällt. Wie uneinsichtige Eltern verhindern können, dass Therapieerfolge bei ADHS anhalten, führte uns Abraham* vor Augen, als er im August 2012 , damals acht Jahre alt, an einem „Auswege“-Camp im Schwarzwald teilnahm, begleitet von Mama, Papa und seiner zwei Jahre jüngeren Schwester. Dem aufgeweckten, kontaktfreudigen Jungen „fällt es äußerst schwer, sich zu konzentrieren. Er ist leicht ablenkbar, seine Aufmerksamkeit springt unentwegt von einem zum anderen“, berichtete uns seine Mutter vorweg. „Kaum beginnt er etwas, da braucht er schon wieder etwas Neues.“ In der Schule bereitete ihm diese Unart erhebliche Probleme: Lehrer klagten über sein extrem langsames Arbeitstempo; für Hausaufgaben, die Mitschüler in einer Viertelstunde erledigen, benötigte er mitunter drei bis vier. Generell „akzeptiert er keinerlei Regeln“, klagten die Eltern. Anfang 2012 nahm sich eine Psychotherapeutin des Jungen an, diagnostizierte ADHS – und drückte der Mutter sogleich eine Pillenschachtel mit Methylphenidat in die Hand, das unter dem Handelsnamen Ritalin als chemisches Allheilmittel für chronisch unaufmerksame, hyperaktive Kinder vermarktet wird. Vom Camp erhofften sich Abrahams Eltern eine nebenwirkungsfreie Alternative. Vom ersten Camptag an staunten sie über Abrahams „wundersame“, geradezu augenblickliche Verwandlung: Plötzlich wirkte er ausgeglichen. Hochkonzentriert befasste er sich stundenlang damit, Aufgaben zu erledigen, die ihm unsere Kinderbetreuer stellten, und mit anderen Kindern zu spielen. Von Verhaltensauffälligkeiten keine Spur mehr. Doch kaum war die Familie wieder zu Hause, war mit Abraham wieder „alles beim alten – rückblickend hat das Camp also nichts gebracht, von ein paar schönen Ferientagen abgesehen“, bemängelten die Eltern im nachhinein. Was sie verkannten: „Beim alten“ blieben ihre eigenen fatalen Verhaltensmuster. In den neunziger Jahren waren sie aus Kasachstan nach Deutschland ausgewandert. Einer besseren Zukunft im vermeintlich goldenen Westen hatte der Vater eine beachtliche Karriere geopfert: In seiner alten Heimat hatte er Hochschulstudien zum Betriebswirt und Juristen absolviert; in Polizeibehörden hatte er es bis zum Dienstgrad eines Oberleutnants gebracht, mit bis zu dreißig Untergebenen; auch eine Ausbildung zum Masseur konnte er vorweisen. Doch „in Deutschland wurde ich plötzlich zum Nichts“: Seine Abschlüsse wurden hier nicht anerkannt; er kämpfte mit der schwierigen Sprache und langer Arbeitslosigkeit – bis er sich für ein paar Euro als Wellness-Masseur in einem Bordell verdingte. All das nagte an seinem Selbstbewusstsein, machte ihn chronisch unzufrieden, gereizt, aggressiv; immer öfter griff er zu Wodka, schließlich zu Rauschgift. Zeit für Abraham nahm er sich zumeist nur, um den Jungen anzubrüllen, zum Versager zu erklären, Befehle zu erteilen, manchmal auch körperlich zu züchtigen. Um den Lebensunterhalt der Familie kümmerte sich überwiegend seine Frau, als Altenpflegerin in einem Seniorenheim. Mit Erziehungsaufgaben überfordert, pflegten die Eltern Abraham mit Unterhaltungselektronik aller Art „ruhigzustellen“: Sein Zimmer statteten sie mit Großbildfernseher, Playstation und Gameboy aus,zusätzlich zum neuesten Handy – und damit verbrachte der Junge beinahe jede freie Minute. Daran änderte sich auch nach dem Campaufenthalt nichts. Die vermeintliche ADHS-Symptomatik hat sich seither noch zugespitzt. Weder das Wiederholen einer Klasse noch ein Schulwechsel noch eine weitere Psychotherapie halfen. Lag das nun an Abrahams Behandlungsresistenz - oder an der Verantwortungslosigkeit seiner Eltern? Wem will Erwin etwas husten? Beispiel Atemwegserkrankungen: Einer der jüngsten Teilnehmer zweier „Auswege“-Therapiecamps 2013/14, der zweijährige Erwin*, litt seit über einem Jahr an einer immer wiederkehrenden Bronchitis. Nach seinen Campaufenthalten ist sie so gut wie abgeklungen. Ärzte hatten dem Kleinen zuvor nutzlos Antibiotika verschrieben – eine immer noch weithin übliche, aber törichte Maßnahme in solchen Fällen, weil nahezu alle Atemwegsinfekte durch Viren verursacht werden, während Antibiotika nur gegen Bakterien helfen. Den Schlüssel zum Erfolg könnte unser Campteam darin gefunden haben, im Symptom ein Signal, in der Krankheit eine Bedeutung zu sehen. Was „sagen“ Bronchien, wenn sie „hyperreagibel“ sind, wie es in einem Befundbericht über Erwin hieß? „Die Lunge hat mit Trauer zu tun“, so deutet unser Camparzt ihre „Organsprache“. Der kleine Erwin „reagiert hochsensibel auf die seelischen Belastungen der alleinerziehenden Mutter“, die merkwürdigerweise ebenfalls mit Lungenproblemen zu tun hatte, genauso wie ihr Vater, Erwins Opa. Sie „benötigt ein gesundes Umfeld, in dem alle Familienmitglieder eine vertrauensvolle Einheit bilden und sie so sein darf, wie es ihr entspricht. Dann wird sie stark, braucht nicht mehr traurig zu sein, kann mit Erwin so umgehen, wie der es braucht – und beide müssen niemandem mehr ‚etwas husten’.“ Auf dem Weg zu einer solchen Einheit erlebten wir Mutter, Oma und Opa, die gemeinsam mit Erwin angereist waren, schon während ihres ersten Aufenthalts bei uns; unter dem Eindruck der allgegenwärtigen Harmonie innerhalb der Campgemeinschaft und vieler intensiver Beratungsgespräche, offen für ein neues, tieferes Verständnis der Hintergründe von Erwins Belastung, beflügelt von eigenen gesundheitlichen Fortschritten wurden Erwins wichtigste Bezugspersonen gelassener und zuversichtlicher, legten Ängste ab, fanden zu gegenseitiger Akzeptanz und Vertrauen. Und spätestens bei seinem zweiten Auswege-Camp, Anfang Mai 2014 , „hat dieser Junge aufgehört, ein Patient zu sein“, wie unser Camparzt abschließend konstatierte; „seine Bronchitis ist offenbar weitestgehend abgeklungen“. Während der sieben Camptage beobachteten die 15 Teammitglieder keinen einzigen Anfall von Husten und Atemnot mehr. Nach Angaben der Mutter hustet Erwin „nur noch morgens nach dem Aufwachen“, weitaus weniger heftig als früher. Hat sich die Prognose des Camparztes bewahrheitet? Diesmal hatte Erwins Mutter ihren neuen Lebensgefährten mitgebracht, sie wirkte frisch verliebt, unbeschwert und glücklich – womit sie ihrem Jungen eben jenes harmonische Umfeld schenkte, auf dessen Fehlen er psychosomatisch reagiert haben könnte. Können sich familiäre Spannungen in epileptischen Anfällen entladen? Beispiel Epilepsie: Beim jüngsten Teilnehmer unseres Auswege-Camps Ende Juli 2013 , dem damals zweijährigen Bernd*, war sie anschließend monatelang vollständig verschwunden. Hatte er zuvor sechs Mal täglich heftig gekrampft, so verringerte sich die Anzahl der Anfälle bis vier Wochen nach Campende auf vier, in der darauffolgenden Woche auf einen. Ab Oktober war der Kleine anfallsfrei. Doch um Ostern 2014 kehrte die Epilepsie zurück. Weshalb? Just zu diesem Zeitpunkt besiegelten die Eltern, deren schwere Beziehungskrise für uns schon während des Camps spürbar gewesen war, ihre Trennung – anscheinend reagierte Bernd sensibel darauf, was nebenbei darauf hindeutet, dass auch Epilepsien keineswegs immer losgelöst von psychischen Belastungen betrachtet werden dürfen. Um Pfingsten 2014 war die Trennung halbwegs gütlich vollzogen, die Familienverhältnisse geklärt, es kehrte wieder einigermaßen Frieden in Bernds häusliche Umgebung ein – prompt verschwanden seine Anfälle wieder. Autismus: systemisch mitbedingt? Bis in die sechziger Jahre vertraten Fachleute die These, Autismus entstehe aufgrund der emotionalen Kälte mütterlicherseits („Kühlschrankmama“), durch lieblose Erziehung, mangelnde Zuwendung oder psychische Traumata. Seit nachfolgende Studien diese Annahme als haltlos erwiesen, blendete die Forschung systemische Zusammenhänge weitgehend aus – und konzentrierte sich auf mögliche Verursacher im betroffenen Kind; vermutet wurden genetische Anomalien, Hirnschädigungen, biochemische Besonderheiten wie erhöhte Dopamin-, Adrenalin- oder Testosteronspiegel; „Gefühlsblindheit“, „Aufmerksamkeitstunnel“ und andere kognitive Defizite. Dass das primäre Sozialsystem – die Familie – bei Anamnese und Therapie auch bei diesem Krankheitsbild nicht außer acht gelassen werden darf, haben uns unter anderem Benny* und Martin* vor Augen geführt. Ein ruhiges, pflegeleichtes Baby sei er von Geburt an gewesen, berichtet Bennys Mutter Doreen*. Allerdings fiel ihr beim Stillen auf, dass er stets wegschaute; er sei immer nur auf dem Boden gelegen, habe nie gelacht, keinerlei Motivation zum Krabbeln gezeigt. Erst mit 17 Monaten lief er ohne fremde Hilfe. Bis zu seinem zweiten Lebensjahr gab er keinen Laut von sich – und bis heute keinerlei verständliche Worte. „Er möchte sprechen, kann aber nicht“, glauben seine Eltern. Benny hält keinen konstanten Blickkontakt, reagiert nicht auf Zurufen seines Namens. Will man mit ihm spielen, dreht er sich weg. Auf dem Schoß sitzen mag er nicht. Als er mit vier Jahren, im Oktober 2012, erstmals Kinderpsychiatern einer Universitätsklinik vorgestellt wurde, vermochten diese „nicht zu beurteilen, inwiefern der Junge wach, bewusstseinsklar und orientiert ist“; sie sahen die Kriterien für die Diagnose „Autismus“ erfüllt. Auch seine Grob- und Feinmotorik ist beeinträchtigt. Ein sonderpädagogisches Gutachten vom April 2014 geht von einer „muskulären Hypotonie“ aus. Im Verlauf eines Auswege-Camps im August 2014 konnte der ärztliche Leiter Dr. Horst Schöll bei Bennys Symptomatik keine nennenswerte Besserung feststellen. Immerhin fiel der Mutter auf, dass ihr Junge „ab und zu mehr lautierte“, und ihres Erachtens verbesserte sich zumindest seine seelische Verfassung erheblich: Er wirkte auf sie entspannter, was der Camparzt allerdings darauf zurückführte, dass „Benny hier mehr Bewegungsfreiheit als zu Hause hatte, dadurch schien er friedlicher“. An der Autismus-Diagnose wurden im Team Zweifel laut: „In den Sitzungen bei mir“, berichtete eine Heilerin, „ließ er sich von mir umarmen, schmiegte sich an mich. Mit Menschen, die er kennt, nimmt er Körperkontakt auf.“ Fraglich erschien unserem Camparzt auch die „muskuläre Hypotonie“, in der er eher Koordinationsstörungen sah. Bemerkenswerte Fortschritte machten hingegen die beiden Eltern, wie dem Arzt auffiel: „Durch zahlreiche Gespräche nahmen die Spannungen zwischen ihnen ab, ihr Sohn empfand das offenbar als angenehm.“ Eine „neue Entwicklungschance für Benny“ hing nach seiner Einschätzung davon ab, dass „die Eltern schnellstmöglich ihre Beziehung klären“. Damit begannen sie schon während der Camptage: In ihrer Ehe fühle sie sich nun weniger „verloren“ als zuvor, erklärte Bennys Mama abschließend; sie sehe klarer und fühle sich erleichtert, ihr seien Auswege aufgezeigt worden. Ihren Mann Alexander* erlebte sie im Camp „weicher – er hat angefangen, sich zu spüren“. Fünf Wochen später erreichte uns eine überschwängliche E-Mail von Doreen*: „ So viel hat sich geändert. Benny hat nie gut geschlafen - besser zwar als viele autistische Kinder, aber für uns war es ein endloser Albtraum. Jeden Tag stand er zwischen 5 und 6 Uhr auf, egal wann er ins Bett gegangen war. Doch seit dem Camp steht Benny jeden Tag nach 7:15 Uhr auf. Jeden Tag! Und nachts schläft er durch. Vor dem Camp hatte Alexander ein Jahr lang den ‚Frühdienst’ für Benny übernommen - und mir damit ein schlechtes Gewissen gemacht. Jetzt, da wir beide schlafen und Energie tanken können, haben wir beide Kraft, den Alltag zu schaffen – und Benny Liebe und Ruhe zu geben. Zweiter Punkt, ebenfalls unheimlich wichtig: Noch nie hat Benny alleine gespielt. Immer musste er jemanden dabei haben, und wenn wir kochen oder sonst etwas machen mussten, war es die Hölle. Seit dem Camp spielt Benny regelmäßig auf dem Teppich allein. Er lautiert ohne Ende, war früher ebenfalls selten vorkam. Er spielt und lautiert und lautiert und spielt. Spielen bedeutet in seinem Fall, auf dem Boden zu rollen und mit Lego- und Duplo-Klötzchen bauen, aber trotzdem!!! Diese Erleichterung ist mehr wert, als ihr euch vielleicht vorstellen könnt. Dritter Punkt: Benny ist einfach mehr ‚anwesend’. Er ist so wach, er steht gerade und ist anders ‚dabei’ als früher. Er ist geistig präsenter. Toby, sein Bruder, beachtet ihn jetzt zum ersten Mal, so als falle ihm erst jetzt auf: „Oh, da ist ja jemand!” Es ist so anders!!!!“ Was steckt hinter Bennys Veränderung? Doreen ist sich sicher: „Unsere neue Ruhe und Friede wirken sich positiv auf ihn aus.“ Denn „die Beziehung zwischen Alexander und mir hat sich sehr geändert. Wir nutzten die Werkzeuge, die ihr uns im Camp mitgegeben habt, und entdeckten die Ruhe und Lust in uns wieder, die doch zu uns gehörte. Unsere Familiendynamik hat sich geändert – in Richtung Familie. Alexander lächelt mehr. Er ist ein glücklicher Mensch geworden. Früher lächelte er nie in die Kamera, wenn ich ihn fotografierte – jetzt tut er es unaufgefordert. Er und ich sind jetzt endlich wieder ein Team. Zuvor hatte ich immer gedacht, dass ich ihn verlassen muss, um meine Seele zu befreien und meine Träume zu leben. Aber seit dem Camp ist alles in mir ruhiger und zufriedener geworden.“ „ Oh - noch etwas “, merkt Doreen an: „ Seit 25 Jahren kämpfe ich gegen eine Essstörung. Immer war Essen meine Sucht. Ich stopfe und stopfe und stopfe mich mit Essen voll, danach fühle ich mich immer schlecht. Doch seit dem Camp habe ich nur Lust zu essen, wenn ich Hunger habe; und wenn ich satt bin, will ich nicht mehr essen. Seit meiner Kindheit habe ich das nicht mehr erlebt. Was für ein Wunder!“ Ein Schüchterner wird zum „Autisten“ gestempelt Mit testpsychologisch bestätigtem „Autismus“ war der 14jährige Martin* im Frühjahr 2014 in ein Therapiecamp der Stiftung Auswege gekommen. Zu Beginn erwies er sich dort als überaus schüchtern, unsicher, verschlossen, still; doch im Campverlauf blühte er auf, suchte Sozialkontakte – keine Spur von krankhaften Verhaltensauffälligkeiten. Schon in früheren Camps hatten ähnliche „Autismus“-Fälle unter unseren Therapeuten für fassungsloses Kopfschütteln über angeblich „wissenschaftlich fundierte“ Psychotesterei und voreilige Schlüsse daraus gesorgt. Schlimmstenfalls werden solche von psychometriegläubigen „Experten“ verpassten Etikettierungen zu fatalen Prophezeiungen, die sich selbst erfüllen. Mit zehn Jahren war dem Jungen von einer Kinderklinik im Allgäu eine „emotionale Störung“ bescheinigt worden, woraus dort im Februar 2014 die Diagnose „Autismus“ wurde. Nicht weniger als sechs verschiedene psychologische Tests hätten nämlich „auffällige Ergebnisse“ gezeigt, wie drei Ärzte und eine Psychologin in ihrem gemeinsamen Befundbericht darlegten: unter anderem eine „schwere Beeinträchtigung der wechselseitigen sozialen Interaktion, Aufzwingen von Routinen, Ritualen und Interessen, Sprech- und Sprachauffälligkeiten, nonverbale Kommunikationsprobleme sowie motorische Ungeschicklichkeit“. Alles in allem liege „eine tiefgreifende Entwicklungsstörung“ vor. Der Mutter wurde nahegelegt, für ihren Sohn einen Behindertenausweis zu beantragen. Kaum war Martin im Camp eingetroffen, da wollte er unbedingt wieder weg. Doch schon am nächsten Tag „platzte der Knoten“, wie seine Mama in ihrem Tagebuch festhielt. Martins Verhalten während der Heilwoche veranlasste alle Therapeuten, die sich um ihn kümmerten, zu einhelligem Zweifel an der Autismus-Diagnose: Immer öfter lächelte der angeblich schwer Verhaltensgestörte andere Personen an, hielt Blickkontakt mit ihnen, umarmte sie, scherzte mit ihnen, ließ sich auf längere Gespräche ein, hörte aufmerksam zu; unsere Kinderbetreuerin hörte ihn an einem Abend „wie ein Wasserfall reden“. Wie „offenherzig“ er sich gab, versetzte seine Mutter in Erstaunen: Hier habe er „sich mehr als bisher geöffnet, seine Scheu gegenüber Fremden wurde deutlich besser. Sogar beim Tanzen mit Anderen hatte er Freude, was früher undenkbar gewesen wäre. Überall war er dabei, ohne sich abzukapseln.“ Verhaltensweisen, die von Psychologen als „autistisch“ etikettiert worden waren, wertete der ärztliche Leiter des Auswege-Camps als „Schüchternheit, geringes Selbstbewusstsein und starke Mutter-Bezogenheit“ – doch „im Camp taute Martin langsam auf“. Wer diese Form des „Andersseins“ als therapiebedürftig einstuft, verkennt anscheinend, dass im weiten Spektrum von Persönlichkeitszügen, die Menschen aus unterschiedlichen Gründen unterschiedlich ausgeprägt, unterschiedlich stabil entwickeln, die „Abweichung von der Norm“ eher die Norm als die Ausnahme ist. Offenbar hatte kein klinischer Psychologe, mit dem Martin zu tun bekam, je in Betracht gezogen, dass die eingesetzten Testverfahren ihren besorgniserregenden Befund überhaupt erst hervorgebracht haben könnten. Wie finden wir heraus, welche Persönlichkeit in einem Jugendlichen am Beginn seiner Pubertät steckt, der offenbar stiller, unsicherer, vorsichtiger, ängstlicher, zurückhaltender ist als andere? Sollten wir ihn dazu nötigen, in ungewohnter Umgebung, in einem kühl-funktionalen Klinikzimmer, unter den Augen weißbekittelter, wissenschaftlich-distanzierter Mediziner mit zweifelhafter Empathie stundenlang Items auf Fragebögen anzukreuzen – oder sich von diesen Medizinern „interviewen“ zu lassen, wobei sich ihr Blick häufiger auf die Unterlagen richtet, in denen sie die Äußerungen des Getesteten protokollieren, als auf den Getesteten selbst? Das „Auswege“-Team zieht es vor, ihm eine Umgebung zu bieten, in der er Wohlwollen, Anerkennung, Ermutigung, Geduld und liebevolle Zuwendung spürt: eine Umgebung, die seiner psychischen Gesundheit auch daheim – in der Familie, in der Schule, im Freundes- und Bekanntenkreis – förderlich wäre. Wenn in einem solchen Rahmen seine Verhaltensauffälligkeiten deutlich nachlassen oder gar gänzlich verschwinden: Sind dann nicht eher seine Lebensumstände „behandlungsbedürftig“ als er selbst? In ihrem Bericht erwähnte die Kinderklinik „zerrüttete Familienverhältnisse nach Scheidung der Eltern, starke Disharmonie zwischen den Erwachsenen“. Auf Martins Wunsch hin besteht seit Ende 2012 keinerlei Umgang mehr mit dem Vater, zu dem er schon zuvor ein belastetes Verhältnis hatte. Beide Eltern teilen sich zwar das Sorgerecht für Martin, haben aber jeglichen Kontakt zueinander abgebrochen. Dass allein schon solche Verhältnisse ein hochsensibles Kind psychisch extrem verunsichern und belasten können, ist nachvollziehbar. Im Klammergriff mütterlicher Fürsorge Fatale „systemische“ Hintergründe von Erkrankungen veranschaulichten uns im Oktober 2014 drei Teilnehmer unseres 17. Therapiecamps nahe Göttingen : zwei Geschwister, Kevin* (14) und Lara* (23) sowie ihre besorgte Mutter Marianne*. Dass Kevin am Asperger-Syndrom leidet – einer milden Form von Autismus -, stand für die Mama nach eingehender Lektüre von Fachliteratur zweifelsfrei fest, auch wenn bisher kein Arzt ihre Laiendiagnose bestätigt hatte; in ihrer Vermutung ausreichend bestärkt fühlte sie sich nach einem Termin bei einer Autismus-Beratungsstelle. Betroffene weisen Schwächen in der sozialen Interaktion und Kommunikation auf, ihre Interessen sind stark eingeschränkt, ihre Aktivitäten oft stereotyp, sie wirken „merkwürdig“ und ungeschickt. All dies schien ihr auf Kevin zuzutreffen: „Von klein auf hat er überwiegend alleine gespielt, war sehr ruhig, zog sich stundenlang in seine Welt zurück, beschäftigte sich für Tage und Wochen nur mit einem bestimmten Thema (Holzspielzeug, Lego, Autos, Schildkröten, später Schach, neuerdings Bogenschießen)“, schilderte uns die Mutter vorab. Dabei habe er sich stets „sehr tollpatschig und unbeholfen“ angestellt. Eine Zeitlang hielt sie ihn für schwerhörig, stellte dann aber fest, dass er „einfach alles ausblendet“. Er habe „überhaupt kein Zeitgefühl und kein richtiges Kälteempfinden“ und „braucht unbedingt strukturierte Tagesabläufe“. Seine Lehrer beschrieben ihn als „still und unauffällig“. Stundenlang „redet er über seine Spezialthemen und merkt dabei nicht, dass sein Gegenüber schon lange nicht mehr hinhört“. Wie viele Autisten verblüfft Kevin durch ausgeprägte Sonderbegabungen: Einmal gehörte Geschichten „kann er eins zu eins wiedergeben“; beim Malen, Bauen, Basteln sei er „sehr kreativ“. Und was war mit Kevins älterer Schwester Lara* los? Seltsam oft fühlte sich die junge Frau „müde, erschöpft, abgeschlagen“ – mitbedingt durch einen Heuschnupfen, der sie seit ihrem neunten Lebensjahr plagt, aber auch in Zeiten ohne Pollenflug“. Seit über einem Jahr machten ihr phasenweise Hautprobleme zu schaffen: „am Gesicht, am Hals, im Nacken, an den Oberarmen, am ganzen Rücken“. Dann „brennt und juckt es“. Kein Dermatologe hatte ein Mittel dagegen gefunden. Als weitere gesundheitliche Belastungen gab die junge Frau „Schilddrüsenprobleme“ an – ein Heilpraktiker will eine Hashimoto-Thyreoditis festgestellt haben -, außerdem „chronisch entzündete Mandeln, Gliederschmerzen, Schweißausbrüche, Schlafstörungen“. In einem ausführlichen Begleitbrief zu ihrer Anmeldung schilderte Lara ihre Lebensgeschichte, die geprägt war von Anspannung, Überforderung, Angst und mangelndem Selbstbewusstsein. Mehrfach wechselte sie die Schule, weil sie sich „von Lehrern gestresst und gemobbt“ fühlte. Wiederholt versagte sie in Abschlussprüfungen. Ihre psychische Verfassung kennzeichnete sie so: „Kein Selbstvertrauen mehr; ständige Angst davor zu versagen; ohne Selbstbewusstsein, mich zu wehren; habe immer alles geschluckt; es fällt mir schwer, bestimmte Dinge an- oder auszusprechen; bin eher still und zurückhaltend, um Ärger aus dem Weg zu gehen.“ Was steckte hinter der Symptomatik der beiden? Wie war ihnen zu helfen? Kevins mutmaßliches Asperger-Syndrom konnte kein Teammitglied bestätigen, das sich um den Jungen während des Camps kümmerte. Anfangs überaus schüchtern und wortkarg, öffnete er sich mit jedem Camptag mehr, wurde zutraulich, redete und spielte mit Anderen. „Kevin ist ein hochsensibler Junge mit hoher Auffassungsgabe und vielen Talenten“, konstatierte unser Camparzt abschließend, „weniger autistisch als introvertiert“. Wovor zieht sich Kevin nach innen zurück? Eher beiläufig hatte Lara bei ihrer Anmeldung „familiären Stress“ angegeben, ohne näher darauf einzugehen – und genau hier vermuteten wir die Wurzel des Übels. Kein Arzt und kein Heilpraktiker, denen Marianne ihre Kinder bisher vorstellte, hatte sich jemals eingehend mit dem Elternhaus befasst, insbesondere mit Marianne selbst, die ebenfalls gesundheitlich schwer angeschlagen zu uns gekommen war. Statt uns auf ihre Symptome zu konzentrieren, hinterfragten wir zuallererst ihre Lebensgeschichte, und die erwies sich als überwiegend unglücklich und belastet: Die Eltern, die gemeinsam eine Firma leiteten, hatten Marianne von Anfang an vernachlässigt; ihr Vater war „oft sehr jähzornig“, so erinnerte sie sich – „als ich acht Jahre alt war, wollte er mich erschießen“; ihre Mutter „konnte keine Gefühle zeigen, nie nahm sie mich in den Arm und tröstete mich, nie las sie mir ein Buch vor oder spielte mit mir“. Wegen schlechter Schulleistungen, die hauptsächlich von einer Legasthenie herrührten, erklärten ihre Eltern sie für „blöd“. Unauslöschlich ins Gedächtnis eingebrannt hat sich ihr ein Kindheitstag, an dem sie eine schwer depressive Tante, die „den größten Teil ihres Lebens in Kliniken verbrachte“, blutüberströmt und bewusstlos in der gemeinsamen Wohnung fand, nach einem missglückten Selbstmordversuch. Während ihrer Kindheit litt Marianne jahrelang unter starken Halsschmerzen und einer Bauchfellentzündung. Eine Lehre als Dekorateurin brach sie nach einem Jahr ab, teils aus gesundheitlichen Gründen, teils wegen eines schikanösen, daueralkoholisierten Chefs. Danach begann sie eine Ausbildung zur Arzthelferin, bis sie einen selbstständigen Notarzt kennenlernte, der ihr Ehemann und Vater ihrer acht (!) Kinder wurde, die sie zwischen 1985 und 2003 gebar. „Das Leben mit ihm folgte dem gleichen Muster, das ich in meinem Elternhaus erlebt hatte: Es war geprägt von Erniedrigungen und seelischen Qualen, später kamen noch massive Existenzängste hinzu“, als dem Mann wegen Steuerhinterziehung Gefängnis drohte. Obendrein starben innerhalb von vier Jahren zwei Omas und der Vater, an den sie immerhin auch „positive Erinnerungen hat: In schwierigen Situationen war er als Einziger für mich da gewesen“. All diese Belastungen blieben nicht ohne gesundheitliche Auswirkungen: „Ständig hatte ich Migräne – mit Erbrechen, Seh- und Wortfindungsstörungen -, chronische Nebenhöhlenentzündungen, Magengeschwüre, ein (unoperierter) Bandscheibenvorfall, Heuschnupfen, massive Allergien. Bei einer Körpergröße von 1,80 m wog ich nie mehr als 46 Kilo.“ Im Herbst 2009 „hatte ich einen völligen Zusammenbruch mit Angstzuständen und Depressionen“. Bald darauf trennte sie sich endgültig von ihrem Mann – „und dann verschwanden von selbst fast sämtliche Krankheiten, sogar der Heuschnupfen. Geblieben ist eine Glutenunverträglichkeit und meine massiven Schlafstörungen.“ Zwar sollen ihr zwei Psychologinnen mit Verhaltens- und Traumatherapie geholfen haben. Doch „irgendwie komme ich aus dem Schlamassel noch nicht heraus, es kehrt in keinster Weise Ruhe in mein Leben ein“. Weiterhin fühlt sich Marianne chronisch erschöpft. Mit jedem Camptag wurde uns klarer: Die mysteriösen Krankheitsbilder der Kinder hängen aufs engste mit Mariannes Unfähigkeit zusammen, ihren „Schlamassel“ zu verarbeiten. Unser Camparzt erlebte Lara als „wahnsinnig sensibel, völlig abhängig von der Mutter, ohne Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl. Trotz ihrer 23 Jahre traut sie sich kein eigenes Leben zu. Ich habe ihr nahezubringen versucht, dass es sich bei all ihren Symptomen nur um angestaute Aggressionen handelt, bedingt dadurch, dass sie nicht aus sich herausgeht, viel zu bescheiden ist. Wenn sie insofern aufblüht, werden die Symptome verschwinden.“ Die heikle Familienkonstellation wird nach seinem Eindruck geprägt von einer „sehr dominanten“ Mutter, die „alles weiß – besser! Das Bild, das sie von ihren Kindern hat, tragen diese wie einen Stempel auf ihrer Stirn. Sie akzeptieren die mütterliche Übermacht, leiden aber sehr darunter: Lara tut dies mit Mutlosigkeit, Minderwertigkeit, Schwächegefühl“. (Tatsächlich erlitt sie am vorletzten Camptag einen Schwächeanfall.) Und ebenso wie bei ihrem kleinen Bruder äußert sich ihre seelische Belastung „in genau den gleichen Symptomen: Beide kriegen die Schule nicht hin, versagen bei Prüfungen, trauen sich nichts zu, sind mut- und kraftlos“. Lara habe dies „durch die Gespräche mit mehreren Therapeuten verstanden und angefangen, gegenüber ihrer Mutter eigene Vorstellungen vorzubringen. Lara wird ihren Weg gehen und möglichst bald von zu Hause ausziehen.“ Auch bei Kevin waren wir zuversichtlich: „Sobald die Schwierigkeiten in diesem Familiengebilde verschwinden, wird der Junge völlig ‚normal’“, sagte Heiler Dr. André Peter voraus. Unser Camparzt bemerkte abschließend: „Noch ist Kevin zu jung, um genügend Selbstbewusstsein zu entwickeln, sich gegen Mama zu stemmen. Darin haben wir ihn bestärkt.“ Mehr konnten wir für Kevin und Lara leider nicht tun – denn während der Camptage erwies sich ihre Mutter als ganz und gar „behandlungsresistent“: Ihre Therapiesitzungen gestaltete Marianne als Monologe, redete „ohne Punkt und Komma, wie ein Maschinengewehr“ (so ein Therapeut), wich jeglichen Hinweisen, wie sie zur Symptomatik ihrer Kinder beigetragen haben könnte, beharrlich aus. „Irgendwann habe ich´s aufgegeben“, resignierte nach drei Tagen ein Heilpraktiker aus unserem Team, „sie weiß sowieso alles besser.“ Ein Heiler empfand nach einem anstrengenden zweieinhalbstündigen Termin mit ihr: „Sie lebt ihre Krankheit und benutzt ihre Kinder als Schutzschild, will sie nicht loslassen.“ Unser Camparzt hielt ihr zugute, dass „ihr Leben sicher nicht einfach war“; aber „es wird dies auch nie werden, weil sie sich unentwegt um die Kinder sorgt und kümmert – und keine Zeit findet für sich.“ Andererseits „tut es ihr auch sehr gut, sich kümmern zu müssen und zu dürfen. So ist sie von sich abgelenkt und braucht bei sich nichts zu ändern. Wenn die großen Kinder aus dem Haus sind, werden die kleinen ihre geballte Ladung ‚Kümmerei’ abkriegen. Oh, die Armen!“ Unter einem Vorwand reiste Marianne zwei Tage vor Campende überstürzt ab, samt Kevin und Lara. Nahm sie reißaus vor unangenehmen Wahrheiten? Unheilvoll verstrickt Und bei erwachsenen Patienten? Häufig leiden auch sie unter einem unheilen sozialen System, und Behandlungsfortschritte erfordern, sich mit dieser Situation auseinanderzusetzen. Oft erst in unseren Camps werden ihnen diese Zusammenhänge bewusst: Dorothea* und Gerald* beispielsweise, einem Ehepaar, das in den Jahren 2013/14 dreimal ein „Auswege“-Camp besuchte. Dorothea (54) brachte zu uns eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung mit (englisch chronic obstructive pulmonary disease , Abkürzung: COPD), die mit Husten, vermehrtem Auswurf und Atemnot bei Belastung einhergeht. „Ständig bin ich auf ein Beatmungsgerät angewiesen“, wie sie in ihr Anmeldeformular eintrug. Ihr Gatte Gerald, Verwaltungsangestellter und sechs Jahre älter als sie, leidet seit 2000 an Bluthochdruck – „medikamentös gut eingestellt“, wie er sagt, allerdings mit häufigem Nasenbluten. Zudem plagen ihn Schmerzen im Knie und Muskelverkrampfungen, die ihn beim Gehen behindern; weder diverse Schmerzmittel - Tabletten und Salben - noch Physiotherapie brachten Linderung. Während und nach ihren Campaufenthalten nahmen Dorotheas Beschwerden einen sonderbaren Verlauf: Jedesmal besserte sich ihre Atemnot mehr oder minder deutlich, zeitweilig kam sie sogar ganz ohne Sauerstoffgerät aus – besonders, wie uns auffiel, in Momenten, in denen sie sich unbeobachtet wähnte oder abgelenkt war. Doch schon bald nach ihrer Heimkehr war alles wieder beim alten: „Warum geht es mir nicht besser, wo ich doch jeden Tag meditiere und an mir arbeite?“, so fragte uns Dorothea. „Dann kommt die Angst, und mit der Angst kommt die Atemnot.“ Das gleiche Auf und Ab beobachteten wir bei Gerald: Bei uns ließ seine Hypertonie deutlich nach, die Schmerzen klangen weitgehend ab – und kehrten zu Hause rasch wieder. Was dahintersteckte, zeigt sich erst aus einer psychosomatischen und „systemischen“ Sichtweise. Die beiden Schläuche in Dorotheas Nase, über die sie sich künstlich beatmen lässt, kamen unserem Camparzt als „bloße Placebos“ vor: „Sie wären überflüssig, wenn die Patientin lernen würde, durchgehend normal zu atmen“, wie ihr dies in besonderen Momenten gelang. Ihr zwanghafter Eindruck, auf das Beatmungsgerät angewiesen zu sein, könnte nach Einschätzung mehrerer Teammitglieder von subjektiven Krankheitsgewinnen herrühren: Sie hat Angst vor Verlusten, die ihre Genesung mit sich bringen könnte – bis zum Schlimmsten, dass ihr Mann sie verlassen könnte - und „Angst, eigenverantwortlich ins Leben zu treten“, wie unser leitender Camparzt abschließend konstatierte. Wie sie ihren Gerald kennt, zwingen ihn Loyalität und Pflichtgefühl, ihr beizustehen, solange sie leidet; eine schwerkranke Frau im Stich zu lassen, brächte er nicht übers Herz. Außerdem „braucht sie diese Krankheit womöglich, um eine Leere in ihrer Seele zu überdecken: Wäre sie gesund, dann müsste sie wieder für sich selbst sorgen – und ihr Mann bräuchte sie nicht mehr zu verwöhnen. Aber das will sie nicht.“ Umgekehrt hingen Geralds Beschwerden offenkundig mit Dorotheas gesundheitlicher Verfassung zusammen. Als „nicht ernstlich krank“ schätzte ihn unser Camparzt ein: „In seinem Bluthochdruck spiegelt sich der hohe Druck, der sich aus der Sorge für seine schwerkranke Frau ergibt. Wenn er sieht, dass sie neuen Mut schöpft, erleichtert ihn das sehr.“ In weiter Ferne bleibt Heilung auch, solange sich Patienten als machtlose Opfer ihrer wichtigsten Bezugssysteme sehen und damit hadern. Unsere Botschaft lautet: Change it, leave it, or love it . Versuche das System zu verändern, das dich krank macht – deine Partnerschaft beispielsweise, oder deinen Arbeitsplatz. Wenn du das nicht kannst: Verlasse es. Wenn das nicht geht: Lerne es zu akzeptieren; hadere nicht nur mit seinen Schattenseiten, sondern mache dir klar, welche angenehmen Aspekte, welche Vorteile es für dich hat. Ein Gesundheitswesen, in dem Helfer und Hilfesuchende systemisch denken und handeln lernen, wird effektiver, davon sind wir fest überzeugt. Anmerkung 1 Soziologen unterscheiden zwischen primären und sekundären Systemen. Bei ersteren handelt es sich um die sozialen Gruppen, deren Mitglieder in Handlungsbeziehungen zueinander stehen, wie z. B. die Familie. „Sekundär“ heißen Organisationen wie Unternehmen, Vereine, Verbände, Parteien, Behörden und Schulen, die durch zweckorientierte Strukturen und Funktionen gekennzeichnet sind. ( Harald Wiesendanger ) Dieser Betrag stammt aus dem Buch von Harald Wiesendanger: Auswege – Kranken anders helfen (2015) und wurde leicht redigiert.
- Der Osteoporose-Schwindel
Schon bei jeder fünften Frau über 50 liegt Osteoporose vor – ihre Knochendichte hat sich gefährlich verringert, Brüche drohen. Die herkömmliche Behandlung nützt zuverlässig allerdings nur Pharmakonzernen, Arztpraxen und Kliniken, während sie die Situation der Betroffenen oft verschlimmert. Dabei könnten einfache Maßnahmen die Knochengesundheit wiederherstellen und erhalten – viel billiger und frei von Nebenwirkungen. Mit dem allseits bekannten Otto Normalverbraucher führt Ottilie Normalversteherin eine überaus harmonische Ehe auf Augenhöhe, innig verbunden durch vielerlei Gemeinsamkeiten. Unter anderem interessieren sich beide sehr für Gesundheitsthemen, und weil sie zu jedem kostenlosen Apothekenheft greifen und stets die Medizinseite ihres Lokalblatts studieren, wähnen sie sich bestens informiert. Deshalb kann Ottilie, 53, unmöglich kaltlassen, was sie kürzlich las: Jede fünfte Frau über 50 hat Osteoporose. Die meisten ahnen überhaupt nichts davon. Denn sie sind beschwerdefrei. Unmerklich werden ihre Knochen immer poröser, bis sie eines Tages brechen – und nie mehr heilen. Neben Arthrose, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Demenz, Seh- und Hörverlust, so erfährt Ottilie, zählt Osteoporose zu den häufigsten Ursachen für Invalidität unter Senioren: Nach einem osteoporotischen Bruch kann sich jeder vierte Betroffene nicht mehr selbst versorgen und wird pflegebedürftig; bereits im ersten Jahr nach einem schweren Hüftbruch stirbt jeder Fünfte an den Folgen, nach Angaben des Dachverbands Osteologie (DVO). Weil sie solche Aussichten sehr beunruhigen, lässt sich Ottilie von ihrem Hausarzt zu einem Orthopäden überweisen. „Gut, dass Sie endlich gekommen sind“, sagt er, „in Ihrem Alter wird es höchste Zeit, die Knochendichte zu messen.“ Deren Ergebnis zeigt zumindest schon eine Vorstufe zur Osteoporose an: Osteopenie. Der Arzt verschreibt Ottilie ein Calcium-Präparat und Vitamin D – „es hilft, Calcium aus dem Darm aufzunehmen und in die Knochen einzubauen“. Im übrigen rät er ihr zu mehr Milchprodukten. In einem Jahr soll sie zur Kontrolle erscheinen. Mit dieser ersten Messung beginnt für Ottilie eine typische Patientenkarriere, deren Hintergründe sie bis zuletzt nicht im geringsten durchschaut. Kurz nachdem sie mit der Calcium-Einnahme begonnen hat, macht ihr ständig die Verdauung zu schaffen. Blähungen, Verstopfungen, Durchfall gehören zu ihrem Alltag. Das könnte an einer Laktoseintoleranz liegen, liest sie irgendwo. Also meidet sie Milchprodukte, isst dafür mehr Grünkohl, Brokkoli und Spinat. Oder verträgt sie Gluten nicht? Fortan verzichtet sie auf Backwaren aus Weizen, Roggen und Gerste. Oder hat sie Schwierigkeiten, Fruktose zu verdauen? Vorsichtshalber lässt sie die Finger von Obst mit hohem Fruchtzuckergehalt. Aber die Beschwerden bleiben. Liegt es womöglich an Magengeschwüren? Gallensteinen? An einer Pankreatitis? An Morbus Crohn? Oder Colitis ulcerosa? All das lässt Ottilie ärztlich abklären – ohne Befund. Bis sie insoweit Klarheit hat, steht schon die nächste Knochendichtemessung an. Leider liefert sie keinen Grund zur Entwarnung, im Gegenteil: Der Wert hat sich verschlechtert, er deutet nun bereits auf eine beginnende Osteoporose hin. Natürlich weiß der Orthopäde Rat: „Offenbar genügt Calcium bei Ihnen nicht. Ich verschreibe Ihnen nun ein Medikament, das Sie ab sofort zusätzlich einnehmen, einmal wöchentlich – ein sogenanntes Bisphosphonat. Es hemmt den Knochenabbau. Zuverlässig. Und gut verträglich.“ „Fosamax“ heißt es. „In einem Jahr sehen wir uns wieder.“ Das nächste Wiedersehen findet aber schon wenige Wochen später statt. Denn Ottilie machen neue Beschwerden zu schaffen: ständiges Sodbrennen, Übelkeit, Bauchweh, Schmerzen in Muskeln, Knochen und Gelenken. „Das liegt womöglich an Ihrem Osteoporose-Medikament“, vermutet der Hausarzt und schickt sie nochmals zum Orthopäden. „Es kann schon mal vorkommen, dass man ein bestimmtes Präparat nicht so gut verträgt“, erklärt der Facharzt. Er drückt Ottilie ein Rezept für „Actonel“ in die Hand. Doch an ihren Beschwerden ändert sich nichts. Mit „Bonviva“ und „Aclasta“ ebensowenig. Was bleibt Ottilie anderes übrig, als ihre Symptome tapfer zu ertragen? „Mir keine Knochen zu brechen, ist wichtiger.“ Gegen ihr Sodbrennen wird ihr ein Protonenpumpenhemmer verschrieben. Daraufhin verstärken sich ihre Verdauungsstörungen. Oft wird ihr schwindlig. Noch häufiger tun Kopf und Bauch weh. Zwanzig Jahre lang schluckt sie Arzneimittel gegen Knochenabbau, strikt nach Anleitung in den Beipackzetteln. Und weiterhin lässt sie regelmäßig ihre Knochendichte messen. Erfreut erfährt sie, dass sich der Wert allmählich bessert. Das erleichtert es ihr, die anhaltenden Nebenwirkungen der Pillentherapie auszuhalten. Ihre Schmerzen bekommt sie mit Ibuprofen recht gut in den Griff – aber auf Dauer beschert es ihr Magenschleimhautentzündungen und Zwölffingerdarmgeschwüre. Wenigstens bessern sich ihre Wechseljahresbeschwerden ein wenig, seit ihr Gynäkologe ihr Östrogene verordnet. „Die stärken zugleich auch ihre Knochen, wie Studien zeigen“, sagt er. Ottilie ist 73, als sie über einen Teppichrand stolpert, unglücklich stürzt – und sich einen komplizierten Bruch des Hüftgelenks zuzieht. Er verheilt nicht. Davon erholt sich die Rentnerin nie mehr. Ihr letztes Lebensjahrzehnt bleibt sie an den Rollstuhl gefesselt – und todkrank, denn die Hormonersatztherapie hat zu Brustkrebs geführt. Verköstigt mit jener berüchtigten, nicht unbedingt knochenfreundlichen Art von kulinarischer Sterbehilfe, für die Deutschlands Altenverwahranstalten berüchtigt sind, schließt sie voller Metastasen in einem Pflegeheim für immer die verweinten Augen – ein paar Monate nach ihrem Otto. Den hatte ein Herzinfarkt dahingerafft, kurz nach dem zweiten Corona-„Booster“. In die Pharma-Falle getappt Ottilie ist fiktiv, ihre Krankengeschichte ganz und gar nicht. Jahr für Jahr lassen sich Abermillionen von vermeintlichen „Risikopatienten“ eine Heidenangst vor brüchigen Knochen einjagen, woraufhin sie sich ahnungslos, in blindem Vertrauen auf den Sachverstand ihrer Orthopäden, einem perversen Medizinsystem ausliefern, das Krankheit produziert statt heilt – davon lebt es. Für ihre Gutgläubigkeit zahlen allzu viele einen hohen Preis. Die Geschichte dieses Skandals beginnt im Jahr 1992, mit der Weltgesundheitsorganisation als schändlichem Hauptakteur. Anfang der neunziger Jahre heckte die WHO willkürlich die heutigen Definitionen von Osteopenie (1992) (1) und Osteoporose (1994) (2) aus. Fortan hatten Mediziner darunter Skeletterkrankungen zu verstehen, die nicht etwa durch bestimmte Beschwerden gekennzeichnet sind, sondern durch einen Messwert: Bei ihnen liegt die Knochenmineraldichte ( B one M ineral D ensity , BMD) in der Hüfte, gemessen in g/cm2 oder g/cm3, 1 bzw. 2,5 Standardabweichungen unter der Spitzenknochenmasse einer durchschnittlichen, etwa 30-jährigen kaukasischen (3) Frau, festgestellt mit einem Röntgengerät, das als Dual Energy X-ray Absorptiometry (DXA oder DEXA) bezeichnet wird. Eine “Standardabweichung” ist nichts weiter als eine statistische Rechengröße, die ausdrückt, in welchem Ausmaß eine Gruppe innerhalb einer Population vom Mittelwert abweicht: beispielsweise in puncto Körpergröße, Gewicht, Muskelmasse, Cholesterinspiegel, Intelligenz – oder auch im Verhältnis der mineralisierten Knochensubstanz, die hauptsächlich aus Calcium- und Phosphatkristallen besteht, zu einem bestimmten Knochenvolumen. Darauf beruht der „T-Score“, den Orthopäden für ihre Patienten aus BMD-Messungen ableiten. Er wird in Standardabweichungen (SD) angegeben. Für deren Interpretation legte die WHO folgende Grenzwerte fest: - T-Score ≥ -1,0 SD: Normale Knochendichte - T-Score zwischen -1,0 und -2,5 SD: Osteopenie (Vorstufe der Osteoporose) - T-Score ≤ -2,5 SD: Osteoporose. Diese völlig willkürliche Terminologie hat für Skelettinhaber schwerwiegende Folgen: - Aus statistischen Gründen können sie an einer behandlungsbedürftigen Krankheit leiden, ohne die geringsten Beschwerden zu haben. - Diese symptomfreie Krankheit verschlimmert sich unbemerkt mit unerbittlicher Notwendigkeit, je länger der 30. Geburtstag zurückliegt. Schließlich gehört es zum natürlichen Alterungsprozess jedes Menschen, dass die Knochenmineraldichte nach und nach abnimmt. Gemäß WHO-Definition „leiden“ im Alter von 25 Jahren schon 15 % der Bevölkerung ohne geringstes Leid an Osteopenie; unter den 50-Jährigen sind es bereits 33 %. Und von den 65-Jährigen müssen 60 % hinnehmen, dass sie entweder an Osteopenie (40 %) oder schon an Osteoporose (20 %) leiden. Aber wie logisch ist es, die Standardknochendichte eines jungen Erwachsenen zum Maßstab für uns alle zu machen, unabhängig vom Alter? Läge es nicht viel näher, vom “Z-Score” auszugehen, der unsere BMD mit der unserer Altersgruppe, mit gleichem Geschlecht und ethnischer Herkunft vergleicht? Sobald man dies tut, löst sich eine gewaltige Krankheits”last” schlagartig in Luft auf. Einer 2009 im Journal of Clinical Densitometry veröffentlichten Studie zufolge wären 30 % bis 39 % der Probanden, bei denen mittels DXA-Technik Osteoporose diagnostiziert worden war, entweder als normal oder als bloß “osteopenisch“ einzustufen, wenn der Z-Score statt des T-Scores verwendet würde. Wer den Interessenkonflikten innerhalb des Expertengremiums nachforscht, auf dessen Empfehlungen die WHO ihre Begriffsakrobatik stützt, der ahnt: Dahinter verbirgt sich eine Absicht, die weniger mit der Förderung der Gesundheit zu tun hat als mit der Unterstützung von Geschäftsmodellen, die darauf beruhen, dass Gesundheit verlorengeht. Dazu wird ein normaler Alterungsprozess pathologisiert – mit einem Taschenspielertrick verwandelt er sich in eine behandlungsbedürftige Krankheit, auf die teure Diagnostik zielen darf, um den Einsatz teurer Medikamente zu rechtfertigen. „Wir haben ein Nicht-Problem medikalisiert”, räumt Dr. Michael McClung ein, Direktor des Oregon Osteoporosis Center. (4) Der bewährte Einsatz von mathematisch-klinischem Fachchinesisch, gepaart mit akademischer Arroganz, hindert verunsicherte Laien daran, das Spiel zu durchschauen. Die semantische Luftnummer diente ökonomischem Kalkül. Denn sie bereitete, in bewährter Manier, den Weg für abartige “Präventivmedizin” – nicht etwa im Sinne von Maßnahmen, die Erkrankungsrisiken senken, sondern von massenhaften Vorsorgeuntersuchungen, um Erkrankungen kostspielig festzustellen. Stets werden solche lukrativen Screenings alsbald zur Normalität. (Ein DEXA-Scan kostet üblicherweise zwischen 50 und 150 Euro – und muss natürlich möglichst oft stattfinden, damit sich das 23.000 bis über 35.000 Euro teure DEXA-Gerät zügig amortisiert .) Je niedriger dabei die Schwelle zum Pathologischen liegt, je früher Alarm schrillt, dass sie überschritten ist, desto gerechtfertigter scheint es, darauf zugeschnittene medizinische Produkte und Dienstleistungen zu verkaufen. Je tiefer der “sichere” Blutdruck, der “sichere” Cholesterinspiegel liegt, desto mehr Blutdrucksenker und Statine lassen sich verschreiben. Die WHO-Definitionen von Osteopenie und Osteoporose ermöglichten es, das gleiche infame Spiel mit der Knochendichte zu veranstalten. Der Preis ist heiß, der Markt gewaltig: In Deutschland sollen bereits 6 % der Bevölkerung von Osteoporose betroffen sein (5), geschätzte 6,5 bis 8 Millionen; bei vier Fünfteln davon handelt es sich um Frauen nach der Menopause. “Im Alter von 70 ist Osteoporose eine Volkskrankheit", konstatiert der Internist Johannes Pfeilschifter, der seit zwanzig Jahren die Weiterentwicklung der Leitlinie zur Osteoporose koordiniert, eine Orientierungshilfe zu Diagnose und Therapie. Weltweit dürften rund 200 Millionen betroffen sein. Da winken Multimilliarden-Geschäfte. Pharma-Keule gegen Osteoporose: mehr Schaden als Nutzen Doch wie viele Osteoporose-Patienten erfahren jemals von ihren Ärzten, wie fatal sich eine fabelhafte BMD auswirken kann? Mehrere Studien belegen mittlerweile: Eine überdurchschnittlich hohe Knochendichte steigert bei Frauen mittleren Alters und Seniorinnen ihr Brustkrebsrisiko um 200 % bis 300 %. (6) Calcium präparate in Megadosen, wie unzählige Frauen sie vorsorglich schlucken, erhöhen die Wahrscheinlichkeit eines Herzinfarkts um 24 bis 27 %, wie zwei 2011 im Lancet veröffentlichte Metaanalysen zeigen (7), und um 86 %, wie eine neuere, in der Zeitschrift Heart veröffentlichte Metaanalyse ergab. Die mehr als 1.200 Milligramm reines Calcium, deren Einnahme die US-amerikanische Bone Health and Osteoporosis Foundation (BHOF) Frauen ab 50 empfiehlt, um „ihre Knochen zu schützen“, könnten bei Abermillionen zudem Koronararterienkrämpfe, Gefäßverkalkungen und Nierensteine hervorrufen. (In Wahrheit können schon mehr als 500 mg problematisch sein.) Dass die einflussreiche Organisation in nächster Zeit umschwenkt, ist eher unwahrscheinlich: Zu ihren Sponsoren zählen die Hersteller der Calciumpräparate Citrical und Oscal. Weshalb macht es wenig Sinn, bloß reichlich Calcium zuzuführen? Auch wenn manche Fachbücher beides über einen Kamm scheren: Osteoporose ist nicht dasselbe wie Osteomalazie, eine Störung, bei der sich wegen Calciummangels Mineralien aus dem Knochen lösen, was ihn erweichen lässt. Bei Osteoporose geht vielmehr das Gerüst der Knochensubstanz verloren: das Osteoid, eine Matrix, die hauptsächlich aus Kollagenfasern besteht. Gebildet wird es von spezialisierten Zellen, den Osteoblasten, die aus Stammzellen im Knochenmark entstehen. Dabei setzen sie Osteonektin frei, ein Hormon, das bewirkt, dass Calcium an die Fasern bindet und sich in deren weiches Geflecht einlagert, um es zu verfestigen. Dünnt diese Matrix mit fortschreitendem Alter aus, so bringt mehr Calcium herzlich wenig – weil die Struktur fehlt, in die es sich einlagern kann. Ebensogut könnte man Zement ohne vorherige Schalung auf eine Baustelle kippen. Wie steht es mit den immer häufiger verordneten Bisphosphonaten : Wirkstoffen, welche die Osteoklasten ausschalten oder abtöten – jene Zellen, die Knochensubstanz abbauen? Tatsächlich sorgen sie dafür, dass die Knochendichte zunimmt, weil sich das Gleichgewicht der Knochenproduktion zugunsten des Aufbaus verschiebt. Doch die sich bildenden Knochen sind viel brüchiger und unflexibler. Das erklärt, weshalb Bisphosphonate paradoxerweise das Risiko von Knochenbrüchen erhöhen - insbesondere von ungewöhnlichen Hüftfrakturen -, welche anschließend schlechter heilen. Langfristig eingenommen, können sie die Entstehung von Knochenfissuren - Mikrofrakturen - fördern, also feinen Rissen oder Spalten im Knochen, was seine Heilungsfähigkeit massiv hemmt. Bezeichnend : Von 70 Patienten, die zwischen 2002 und 2007 wegen Frakturen des Oberschenkelknochens ins Presbyterian Hospital/Weill Cornell Medical Center in New York eingeliefert wurden, nahmen 25 das Bisphosphonat Fosamax ein. Von 20, die im fünfjährigen Beobachtungszeitraum eine sogenannte Stressfraktur („Ermüdungsbruch“) erlitten - eine spezielle Form von Knochenbruch, die durch wiederholte Überlastung entsteht -, hatten 19 Fosamax geschluckt. Diese niederschmetternde „Erfolgsbilanz“ aus dem Jahr 2007 bestätigte vier Jahre später eine schwedische Studie an mehr als 12.700 Frauen über 55 Jahren: Von 59, die Oberschenkelbrüche erlitten, hatten 78 % Bisphosphonate eingenommen. „Der Zusammenhang zwischen Bisphosphonaten und den Brüchen ist so auffällig, dass er als kausaler Zusammenhang bestätigt werden kann", so erklärt der Studienleiter. Darüber hinaus bringt dieser Medikamententyp vielerlei üble Nebenwirkungen mit sich. Zu den häufigsten zählen: Magenreizung; Entzündung der Speiseröhre, bis hin zu Krebs; schwere Knochen-, Muskel- und Gelenkschmerzen im ganzen Körper; Absterben von Knochengewebe im Kiefer; grippeähnliche Symptome; Vorhofflimmern; nachlassende Nierenfunktion; Entzündungen der Augen; und Hypokalzämie - ein zu niedriger Calciumspiegel im Blut, der Muskelkrämpfe und Taubheitsgefühle in Gliedmaßen auslösen kann, in schweren Fällen sogar epileptische Anfälle. Doch wie viele Patienten bringen noch so heftige Nebenwirkungen jemals auf die Idee, den Pharmaansatz grundsätzlich zu hinterfragen? Bekommt ihnen ein bestimmtes Produkt nicht, so greifen die allermeisten eher zum nächsten, das ihnen der Doktor empfiehlt – der muss es ja wissen, nicht wahr? (Wie konventionelle Ärzte in der Regel zu ihrem Fachwissen kommen, zeige ich in der Artikelserie „ Dressierte Halbgötter “ auf.) Häufig lassen sich Betroffene Hormone verschreiben, aus scheinbar gutem Grund: Östrogene spielen im Knochenstoffwechsel eine mitentscheidende Rolle. Mangelt es an ihnen, so leben knochenabbauende Zellen (Osteoklasten) länger, während sich die Lebensdauer von aufbauenden (Osteoblasten) verkürzt; dies führt in den Wechseljahren dazu, dass verstärkt Knochenmasse verlorengeht . Tatsächlich belegen Studien, dass bei mehrjähriger Hormonersatztherapie Knochenbrüche um 25 % seltener auftreten, das Risiko von Hüft- und Wirbelfrakturen sinkt sogar um ein Drittel. (8) Allerdings erhöhen Östrogengaben das Risiko für Brust-, Eierstock- und Gebärmutterschleimhautkrebs, für Herzerkrankungen, für lebensbedrohliche Thromboembolien – Verschlüsse von Blutgefäßen, weil ein Blutgerinnsel innerhalb des Gefäßsystems weiterwandert -, für Gallenblasenerkrankungen, Inkontinenz, Schlaganfälle, für Demenz. (9) Das wichtigste Hormon, das den Knochen Elastizität verleiht und die Osteoblasten anregt, ist das Progesteron. Wie Östrogen nimmt es mit dem Alter ab, insbesondere nach der Menopause. Angemessen ergänzt – was anders als beim Östrogen fast immer ungefährlich ist – hilft Progesteron recht wirkungsvoll, Knochenbrüchen vorzubeugen . Depressionen, Migräne, schwere allergische Reaktionen mit Blutdruckabfall, Herzrhythmusstörungen treten nur sehr selten auf. Doch das Risiko besteht. Sorgt eine neue Medikamentenklasse für Abhilfe: Selective Estrogen Receptor Modulators, kurz SERMs wie “Raloxifen” und “Bazedoxifen”? Diese beeinflussen Östrogenrezeptoren selektiv: In manchen Geweben, z.B. Knochen, haben sie östrogenartige Effekte, in anderen, z.B. der Brust, wirken sie antiöstrogen. Somit ermöglichen SERMs, differenzierter zu behandeln als mit klassischer Hormonersatztherapie. Auf den ersten Blick scheinen sie deren Gefahren elegant zu umgehen, zugleich aber deren Nutzen zu bewahren. Sie steigern die Knochendichte, beugen zugleich Brustkrebs vor und lindern Wechseljahresbeschwerden. (10) Doch leider bannen auch SERMs schwerwiegende Risiken keineswegs: Es drohen Venen- und Lungenthrombosen, Schlaganfälle, Gallenblasenerkrankungen. Häufig treten Kopfschmerzen und Migräne auf, grippeähnliche Symptome, Magen-Darm-Beschwerden, Hautausschläge, Wadenkrämpfe, Ödeme, erhöhter Blutdruck. Also Bahn frei für die nächste Pharma-“Innovation”: RANKL-Inhibitoren wie “Denosumab”? Solche Wirkstoffe, maßgeschneiderte monoklonale Antikörper, binden und neutralisieren RANKL, ein Protein, das wesentlich dazu beiträgt, dass sich Osteoklasten bilden, funktionieren und überleben. Sie unterbrechen das Zusammenspiel zwischen RANKL und seinem Rezeptor, der sich auf der Oberfläche von Vorläuferzellen der Osteoklasten befindet. Das verhindert, dass neue Osteoklasten entstehen. (11) Wer allerdings die Beipackzettel aufmerksam liest, dem stehen ein weiteres Mal die Haare zu Berge: Häufig treten Infektionen der Harnwege und der oberen Atemwege auf; allergische Hautreaktionen; Gliederschmerzen in Muskeln und Skelett. Es droht Hypokalzämie. Auch Immunschwäche, gestörte Wundheilung, Entzündungen und Nekrosen des Kiefers können auftreten. Es kann zu atypischen Brüchen von Oberschenkelknochen und mehrfachen Wirbelkörperfrakturen kommen – also zu eben jenen Katastrophen, vor denen das Medikament doch eigentlich bewahren sollte. (12) Doch was kümmern die Gesundheitswirtschaft irgendwelche Kollateralschäden ihrer Produkte, solange Renditen die Investoren zufriedenstellen? Der weltweite Umsatz mit Osteoporose-Medikamenten liegt aktuell bei 8 bis 11 Milliarden US-Dollar pro Jahr (13), mit jährlichen Wachstumsraten von 3 bis 4 % - zur Genugtuung der Marktführer Eli Lilly, Hoffmann-La Roche, Pfizer, Merck und Amgen. So einfach wäre Knochengesundheit sicherzustellen Vom 30. Lebensjahr an geht jährlich bis zu einem Prozent Knochenmasse verloren. Nach der Menopause verlieren Frauen innerhalb von 5 bis 7 Jahren bis zu 20 % davon. Ist es nicht ratsam, diesem Prozess möglichst frühzeitig gegenzusteuern, ehe er sich bei einem Sturz aufs Übelste manifestiert? Wozu tatenlos zusehen, wie Knochen immer brüchiger werden, bis sie eines Tages brechen? Die rhetorische Frage träfe ins Schwarze, wenn stimmen würde, was sie voraussetzt: dass das Frakturrisiko von Knochen ausschließlich oder zumindest hauptsächlich von der Mineraldichte abhängt. Dem ist aber keineswegs so. Zwar korrelieren BMD und Knochenstärke teilweise – sie sind aber nicht gleichwertig. Die Dichte mag ein zuverlässiger Indikator dafür sein, wie bruchfest ein Knochen ist, wenn ein statisches Gewicht auf ihn einwirkt – aber sie besagt wenig darüber, wie stabil er bei Zug oder Dehnung bleibt. “In einigen Fällen zeigt eine höhere Knochendichte sogar an, dass der Knochen schwächer ist”, wie Sayer Ji klarstellt, Gründer des medizinischen Infodiensts Greenmedinfo.com : “Glas beispielsweise hat eine hohe Dichte und Druckfestigkeit, ist aber extrem spröde, weshalb es leicht zerbricht, wenn es zu Boden fällt. Holz hingegen, das dem menschlichen Knochen von Natur aus näher steht als Glas oder Stein, hat im Vergleich zu diesen Materialien eine geringere Dichte, ist aber auch extrem stark und kann sich biegen und strecken, um genau denselben Kräften standzuhalten, denen der Knochen bei einem Sturz ausgesetzt ist. Oder nehmen Sie ein Spinnennetz. Es hat eine unendlich größere Festigkeit und praktisch keine Dichte. In Anbetracht dieser Tatsachen kann eine hohe Knochendichte - und damit keine Osteoporose - das Frakturrisiko in einem realen Szenario wie einem Sturz tatsächlich erhöhen .” Wie real dieses Risiko ist, erleben allzu viele Osteoporose-Patienten, die wie Ottilie jahr(zehnt)elang brav die verordneten Präparate geschluckt haben – und sich trotzdem schwere Knochenbrüche zuziehen. “Das Wichtigste”, so betont ein amerikanischer Arzt, der sich wohl aus triftigen Gründen hinter dem Pseudonym “ A Midwestern Doctor ” versteckt – “ist nicht die Knochendichte, sondern die Elastizität und Beweglichkeit der Knochen. Wenn gesunde Knochen einer Belastung ausgesetzt sind, biegen sie sich, um diese Belastung auszugleichen, und kehren dann in ihre ursprüngliche Form zurück, während ein spröder Knochen bricht, sobald er sich zu biegen beginnt.” Demnach verführen die WHO-Definitionen dazu, entscheidende Aspekte der Knochenqualität und des tatsächlichen Frakturrisikos zu unterschätzen. Dadurch lenken sie Aufmerksamkeit und Ressourcen weg von weniger profitablen, womöglich aber wirksameren Ansätzen: Lebensstil ändern, Ernährung verbessern, zugrundeliegende Gesundheitsprobleme angehen. Das A und O: gesunde Lebensgewohnheiten Je sicherer man laufen kann, desto geringer ist die Gefahr, schwer zu stürzen und sich dabei Brüche zuzuziehen; dies wiederum hängt entscheidend davon ab, wie ausgiebig man sich bewegt. Wir sitzen zuviel. Die Studienlage ist eindeutig: Regelmäßiges körperliches Training fördert eine gesunde Knochenstruktur und macht Brüche unwahrscheinlicher. In einer US- Studie verloren Frauen, die ihren Alltag überwiegend sitzend verbrachten, nach der Menopause innerhalb eines Jahres 2,26 % ihrer Knochenmasse, während diejenigen, die stattdessen ein Krafttrainingsprogramm absolvierten, einen Anstieg von 1,17 % verzeichneten. Warum ist regelmäßige physische Aktivität bei Osteoporose so bedeutsam? Erst körperliche Belastung regt Osteoblasten an: Zellen, die dafür zuständig sind, Knochensubstanz aufzubauen und zu regenerieren. Sie spüren kleine Defekte im Knochengewebe auf und reparieren sie. Durch gezielte Belastung gewinnen Knochen an Stabilität, weil sich die feinen Knochenbälkchen – Trabekel - verstärken und vernetzen, dem Wolff'schen Gesetz (14) folgend, wonach sich Knochen an die Beanspruchung anpassen. Außerdem stärkt Bewegung die Muskeln. Eine kräftige Muskulatur stabilisiert den Körper. Sie schützt vor Brüchen, indem sie Balance, Koordination und Trittsicherheit verbessert. Wer sein Gleichgewicht halten, Hindernissen ausweichen, sich im Fallen abstützen kann, ist eher imstande, fatale Stürze zu vermeiden. Ein Gesundheitswesen, dem tatsächlich daran läge, Osteoporose wirksam, billig, und nebenwirkungsfrei vorzubeugen und zu behandeln, würde Stubenhockern und Couch Potatoes, Gesunden wie Betroffenen, möglichst attraktive Anreize schaffen, den Hintern hochzukriegen: für regelmäßiges Krafttraining, für Gleichgewichtsübungen, für Ausdauersport wie zügiges Gehen, Nordic Walking oder langsames Joggen. Aber schon jedes Tänzchen, jeder Hüpfer, jedes Treppensteigen wirkt präventiv. Wieso an frischer Luft? Dort setzen wir uns dem Sonnenlicht aus, was die Knochendichte ebenfalls erhöht, weil es die körpereigene Produktion von Vitamin D ankurbelt, das für die Calciumaufnahme essentiell ist. Unser Osteoporose-Risiko sinkt weiter, sobald wir uns von gewissen Lebensgewohnheiten verabschieden. Zuviel Alkohol beinträchtigt die Calciumaufnahme, was die Knochenneubildung stört. Übermäßig Koffein erhöht die Calciumausscheidung durch den Urin, was ebenfalls die Knochendichte negativ beeinflussen kann. Rauchen beeinträchtigt die Durchblutung und die Funktion der knochenaufbauenden Zellen (Osteoblasten) und die Aufnahme von Calcium. Dabei scheinen E-Zigaretten noch schädlicher als herkömmliche. Wie steht es mit Übergewicht? Lange Zeit herrschte die Lehrmeinung vor, ein höheres Körpergewicht schütze die Knochen, weil es sie stärker mechanisch belastet, was der Knochendichte zugute käme. Inzwischen ist man schlauer : Übergewicht, vor allem wenn es mit einem hohen Anteil an viszeralem Fett - um die inneren Organe - einhergeht, fördert chronische niedriggradige Entzündungen im Körper. Diese können die Aktivität der Osteoklasten – der knochenabbauenden Zellen - erhöhen und den Knochenstoffwechsel stören. Leptin und Adiponectin - Hormone, die das Fettgewebe ausschüttet – fördern in hohen Konzentrationen den Abbau von Knochengewebe. Zudem kann sich bei ausgeprägtem Übergewicht Fettgewebe im Knochenmark ansammeln; dort beinträchtigt es die normale Funktion der knochenbildenden Zellen (Osteoblasten) und schwächt den Knochenaufbau. Auch auch starkes Untergewicht und häufige Diäten beeinflussen den Knochenstoffwechsel negativ. Das Risiko wegessen „Lass deine Nahrung deine Medizin sein”, soll der griechische Arzt Hippokrates vier Jahrhunderte vor Christus gelehrt haben. Auch in Bezug auf unsere Knochengesundheit lag er dabei goldrichtig. Denn mit der Ernährung steht und fällt das Osteoporoserisiko. Reichlich Fast Food, Softdrinks und Süßigkeiten erhöhen es, wie auch zuviel tierisches Protein und künstliche Phosphate wie in Wurst und vielen Fertigprodukten. (Phosphatzusätze in verarbeiteten Lebensmitteln bringen das ideale Verhältnis von Calcium zu Phosphor in unserer Ernährung aus dem Gleichgewicht.) Wer ungesund isst, nimmt zuwenig Calcium, Vitamin D und andere wichtige Nährstoffe für die Knochengesundheit auf. Zuviel Salz fördert die Calciumausscheidung. Wie sieht eine knochenfreundliche Ernährung aus? Mediterran sollte sie sein - mit einem hohen Anteil pflanzlicher Lebensmittel, Vollkorn-Getreideprodukten, Olivenöl als wichtigster Fettquelle, wenig rotem Fleisch, moderaten Mengen an Fisch, Geflügel und Milchprodukten, mit Bohnen, Nüssen und anderen Hülsenfrüchten. Dafür spricht eine Studie , die im März 2018 beim Jahrestreffen der Endocrine Society in Chicago vorgestellt wurde. Von 103 Frauen, durchschnittlich 55 Jahre alt und somit in den Wechseljahren, wurden die Ernährungsweise, ihre Knochendichte, ihren Körperfettanteil und die Skelettmuskelmasse analysiert. Es zeigte sich: Je besser die Teilnehmerinnen die Regeln der mediterranen Ernährungsweise befolgten, desto höher war ihre Knochendichte. Um den Körper ausreichend mit Calcium zu versorgen, bedarf es in der Regel keiner Pharmaprodukte. Viele Nahrungsmittel liefern es reichlich: allen voran Sojabohnen, Grünkohl, Brokkoli, getrocknete Feigen und dicke Bohnen, Leinsamen, Sesam, Haselnüsse und Mandeln, Milch und der Molketrunk aus der Quarkherstellung, manche Käsesorten, calciumreiches Mineralwasser. Ein unausgeglichener Säure-Basen-Haushalt , insbesondere eine chronische Übersäuerung, schadet der Knochengesundheit und erhöht das Risiko für Osteoporose. Bei Übersäuerung ist der Körper darauf aus, den pH-Wert des Blutes im neutralen Bereich zu halten. Um überschüssige Säuren zu neutralisieren, verwendet er basische Mineralien, hauptsächlich Calcium aus den Knochen. – was dazu führt, dass Knochensubstanz abgebaut wird. Dies spricht für eine Ernährung, die reich an basischen Lebensmitteln ist. Dazu zählen vielerlei Obst und Gemüse, Nüsse und Samen, Kräuter und Gewürze. Auch chronische Entzündungen fördern Osteoporose, deshalb müssen sie erkannt und behoben werden. Denn sie führen zu einer vermehrten Produktion von Zytokinen wie Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-α), Interleukin-1 (IL-1) und Interleukin-6 (IL-6). Diese stimulieren die Aktivität der Osteoklasten, was zu einem vermehrten Knochenabbau führt. Eine entzündungshemmende Ernährung, die weitgehend der mediterranen entspricht, senkt deshalb das Osteoporose-Risiko: eine mit reichlich Früchten, Gemüse, Sprossen und Salaten, Vollkornprodukten, Nüssen, Saaten, Hülsenfrüchten, Fisch oder anderen Omega-3-Fettsäurenquellen. Den Nutzen belegen eindrucksvoll Daten aus der Women's Health Initiative (WIH) Study, der umfangreichsten Gesundheitsstudie mit Frauen nach den Wechseljahren, die jemals in den USA stattfand. Bei über 160.000 Teilnehmern im Alter von durchschnittlich 63 Jahren, die vor Studienbeginn noch nie eine Hüftfraktur erlitten hatten, kam es im sechsjährigen Beobachtungszeitraum zu Brüchen der Hüfte umso häufiger, je mehr entzündungsfördernde Bestandteile ihre Ernährung enthielt; ihr Risiko stieg um 50 %. Von 10.290 dieser Frauen lagen außerdem die Knochendichtewerte vor; diese gingen erheblich weniger zurück, wenn sie sich entzündungshemmend ernährten. (15) Weil Knochen aus Mineralien bestehen, hängt die Knochenstärke davon ab, dass wir sie uns über die Nahrung zuführen: neben Calcium auch Magnesium , Phosphor - nach Calcium das mengenmäßig häufigste Mineral im menschlichen Körper (16) -, Kalium und Silizium (17) sowie Spurenelemente wie Zink (18), Bor (19) und Kupfer . Immer häufiger mangelt es leider daran. Industrielle Landwirtschaft ließ Ackerböden an essentiellen Mikronährstoffen und Mineralien chronisch verarmen. Mineralstoffreiche Bestandteile von Lebensmitteln werden bei deren Verarbeitung entfernt, z.B. beim Raffinieren von Vollkorngetreide. Glyphosat , das allgegenwärtige Pestizid, verhält sich wie ein Chelatbildner, der wichtige Mineralien im Boden bindet, insbesondere die +2-Kationen wie Magnesium - und somit verhindert, dass sie in unseren Körper gelangen. Auch Vitamine sind am Knochenaufbau aktiv beteiligt, neben D insbesondere Folsäure (B9), B12 , C und K . Erst mittels Vitamin K kann im Knochen das Protein Osteocalcin gebildet werden, das Calcium bindet; mangelt es daran, so erhöht sich das Risiko für osteoporotische Knochenbrüche erheblich, wie sich in einer Studie aus dem Jahre 1999 mit über 72.000 Teilnehmern zeigte. (Allerdings müssen Vitamin K und D in ausgewogenem Verhältnis zueinander stehen. Mangelt es an Vitamin K, so erhöht ein gleichzeitiger Überschuss von Vitamin D das Osteoporoserisiko weiter.) Besonders ergiebige Vitamin-K-Quellen sind grüne Blattgemüse und Kräuter, allen voran Grünkohl, aber auch Brokkoli, Blumenkohl, Rosenkohl, Spinat, Portulak, Schnittlauch, Petersilie. Alternativ eignet sich ein Graspulver – je nach Geschmacksvorlieben aus Weizen-, Kamut-, Gersten-, Dinkelgras, gerührt in Wasser oder den eigenen Lieblingssaft. Isoflavone - Pflanzenstoffe mit stark antioxidativer, entzündungshemmender und hormonregulierender Wirkung – können ebenfalls zum Osteoporoseschutz beitragen. Sie kommen reichlich in Soja vor, aber auch in Heilpflanzen (20) wie Helmkraut , Ackerschachtelhalm , Brennessel , Rotklee, Mönchspfeffer und Trauben-Silberkerze. Leinsamenöl scheint unsere Knochen ebenfalls zu schützen und zu stärken. Aber falls all dies immer noch zuwenig bringt? Dann wären Homöopathie und Schüssler-Salze , ja sogar Akupunktur durchaus einen Versuch wert. Ermutigende Erfahrungsberichte liegen zur Genüge vor. Und selbst wenn solche unkonventionellen Ansätze weniger ausrichten als erhofft, bleiben Patienten zumindest die üblen Nebenwirkungen der Pharmakeule erspart. Und wenn die Osteoporose “sekundär” ist, d.h.von einer anderen Erkrankung herrührt, welche die Knochenqualität verschlechtert? Beispielsweise von einer Überfunktion der Schilddrüse; einer entzündlichen Erkrankung wie rheumatoide Arthritis oder Morbus Crohn; einer Renalen Osteopathie, bei der eine chronische Niereninsuffizienz den Mineralstoffwechsel stört? Dann gilt es, zuallererst diesen Grunderkrankungen beizukommen. Dass Natur- und Erfahrungsheilkunde dabei schlechter abschneiden als die Schulmedizin, harrt des Beweises. Welche Arzneimittel unseren Knochen schaden Medikamente gehören dringendst auf den Prüfstand. Antidepressiva, insbesondere die sog. selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI), verringern die Knochendichte; in einer US- Studie lag das Knochenbruchrisiko schon nach einjähriger Einnahme um 76 % höher als in einer Kontrollgruppe ohne SSRI. Auch Magensäureblocker – Protonenpumpenhemmer - wie Prilosec schaden unserem Skelett. Steroide wie Prednison erhöhen das Osteoporoserisiko ebenfalls erheblich; typisch dosiert, sorgen sie für einen jährlichen Knochenverlust von 5 bis 15 %. Das Risiko von Knochenbrüchen, insbesondere in Wirbeln, verdoppelt sich; bei Patienten, die Steroide hochdosiert einnehmen, verfünffacht es sich sogar. Bei 37 % aller Langzeitanwender kommt es irgendwann zu Wirbelbrüchen. Bestimmte Arzneimittel gegen Diabetes Typ 2, die sogenannten Glitazone, erhöhen nach der Menopause ebenfalls das Risiko für Knochenbrüche – es verdoppelt sich. Für Diabetikerinnen ist dies besonders fatal, weil Hüftfrakturen unter ihnen ohnehin schon zwei Mal häufiger vorkommen . Brandgefährlich sind Hormonblocker wie Lupron, welche die körpereigene Produktion von Sexualhormonen ausschalten. Das Skelett schwächen sie so erheblich, dass manche Betroffenen klagen, sie hätten “Knochen wie ein 80-Jähriger”. Ein amerikanischer Arzt berichtet von Fällen junger Erwachsener, deren Armknochen brach, als sie sich gegen eine Hauswand lehnten, oder von ihrem Zahnarzt erfuhren, dass sie ein künstliches Gebiss brauchen. Auch Aromatasehemmer sind bedenklich. Sie verringern die Östrogenproduktion im Körper, indem sie ein Enzym blockieren, das an der Umwandlung von männlichen Hormonen (wie Testosteron) in weibliche mitwirken. Auch dies kann einen Knochenverlust auslösen. “Die Wahrheit ist einfach” Warum wohl kommt es in Westafrika zu deutlich weniger osteoporotischen Hüftfrakturen pro 100.000 Einwohner (3) als in Europa (408 in Österreich , 532 in Norwegen )? “Die Wahrheit ist einfach”, lehrte Buddha – so einfach, dass selbst die unglückselige Ottilie sie hätte kapieren können. Das Wichtigste, was es über Prävention und Behandlung der Osteoporose festzuhalten gilt, erfordert kein dickes Lehrbuch – es passt in eine einzige Zeile: Bewege dich viel an frischer Luft. Und ernähre dich gesund. Zeitlebens. So simpel könnte Heilkunde manchmal sein. Aber an so einer gäbe es für den medizinisch-industriellen Komplex halt nichts mehr zu verdienen. ( Harald Wiesendanger ) Anmerkungen 1 WHO Scientific Group on the Prevention and Management of Osteoporosis (2000 : Geneva, Switzerland) (2003). " Prevention and management of osteoporosis: report of a WHO scientific group " (PDF) 2 WHO (1994) " Assessment of fracture risk and its application to screening for postmenopausal osteoporosis. Report of a WHO Study Group ". World Health Organization technical report series 843: 1-129 3 “Kaukasier” –engl. caucasian – ist ein in medizinischen Publikationen nach wie vor gängiger Begriff. Er umfasst, wissenschaftlich verbrämt, nichts anderes als Menschen mit heller Haut: fast alle Europäer und westliche Asiaten. Den Terminus prägte der deutsche Anthropologe Johann Friedrich Blumenbach (1752-1840) vor über 200 Jahren. 4 Zit. nach Gina Kolata: " Bone Diagnosis Gives New Data But No Answers ", New York Times , 28.9.2003 5 Prävalenz und Inzidenz der Osteoporose und ihrer Folgen, sozioökonomische Relevanz | DVO Leitlinie Osteoporose 2023 6 http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/9663400 ; https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/11416114/ ; https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/15469036/ 7 https://www.bmj.com/content/341/bmj.c3691.full ; https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/21505219/ 8 https://acteurdemasante.lu/de/rheumatologie/osteoporose-behandlung-hormontherapie-und-verwandte-behandlungsmethoden/ ; https://wechseljahre-verstehen.de/hormonersatztherapie/praeventiver-zusatznutzen-einer-hrt/ ; https://www.hormonspezialisten.de/indikationen/wechseljahresbeschwerden/osteoporose/ 9 https://www.frauenaerzte-im-netz.de/koerper-sexualitaet/wechseljahre-klimakterium/hormonersatztherapie-hrt/ ; https://www.aok.de/pk/magazin/koerper-psyche/organe/hormonersatztherapie-wirkung-und-risiken/ ; https://www.hormonspezialisten.de/indikationen/wechseljahresbeschwerden/hrt-nutzen-risiko/ ; www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18319414 10 https://en.wikipedia.org/wiki/Selective_estrogen_receptor_modulator ; https://flexikon.doccheck.com/de/Selektiver_Estrogenrezeptormodulator ; https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4995266/ 11 https://www.frontiersin.org/journals/cell-and-developmental-biology/articles/10.3389/fcell.2020.00325/full ; https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1924518/ ; https://arthritis-research.biomedcentral.com/articles/10.1186/ar2167 12 https://flexikon.doccheck.com/de/Denosumab ; https://www.gelbe-liste.de/wirkstoffe/Raloxifen_44775 ; https://www.pharmazeutische-zeitung.de/vielfalt-in-einer-stoffklasse/ 13 https://www.fortunebusinessinsights.com/de/industrie-berichte/osteoporose-behandlungsmarkt-101034 ; https://www.gminsights.com/de/industry-analysis/postmenopausal-osteoporosis-treatment-market 14 So heißt es nach dem Berliner Anatom und Chirurgen Julius Wolff. Es besagt: Der Knochen passt sich in seiner Form und Struktur an die auf ihn einwirkenden mechanischen Belastungen an. Reichen sie aus, so baut sich der Knochen auf und nimmt an Festigkeit und Knochendichte zu. Bei fehlender oder geringer Belastung hingegen baut er sich ab. Siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Wolffsches_Gesetz ; https://www.osd-ev.org/osteoporose/knochen/belastung/ ; https://jwi.charite.de/publikationen/julius_wolff_buch/ 15 https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/jbmr.3070 ; https://www.health.harvard.edu/newsletter_article/anti-inflammatory-diet-could-reduce-risk-of-bone-loss-in-women 16 Über 85% des Phosphors in unserem Körper befinden sich in anorganischen Verbindungen mit Calcium, hauptsächlich im Skelett und in den Zähnen: https://www.vitalstoff-lexikon.de/Mineralstoffe/Phosphor/Definition-Synthese-Resorption-Transport-und-Verteilung ; https://www.eucell.de/ernaehrung/ernaehrungslexikon/mineralstoffe/phosphor 17 https://www.rosenfluh.ch/media/ernaehrungsmedizin/2011/01/08_Silizium_1.11.pdf ; https://www.gesundheitswissen.de/gesund-leben/behandlung-therapie/vorsorge/weiche-knochen-ade-schuetzen-sie-sich-mit-silizium-vor-osteoporose/ 18 https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/12700617/ ; https://www.rosenfluh.ch/media/ernaehrungsmedizin/2011/02/08_Mikronaehrstoffe_2.11.pdf 19 https://air.unimi.it/retrieve/ec230269-9f1c-45a2-8c9a-7c2a73956765/Rondanelli%20M%20-%20J%20Trace%20Elem%20Med%20Biol%202020.pdf ; https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4712861/ https://www.rosenfluh.ch/media/ernaehrungsmedizin/2011/02/08_Mikronaehrstoffe_2.11.pdf 20 https://www.zentrum-der-gesundheit.de/bibliothek/sonstige-informationen/weitere-informationen/heilpflanzen-starke-knochen-ia ; https://www.naturheilt.com/osteoporose/
- Attentat auf Robert Kennedy jr.?
Falls Donald Trump demnächst nochmals ins Weiße Haus einzieht, könnte er Amerikas bekanntesten Pharmakritiker und Impfgegner, den Anwalt Robert Kennedy jr., ins Kabinett holen – und damit in die gleiche Lebensgefahr bringen, in welcher er selbst schwebt. Denn dieser Kennedy kämpft für eine lobbyferne Gesundheitspolitik, die übermächtige Gegenspieler Unsummen kosten würde: Industrien, die seit Jahrzehnten hinlänglich beweisen, dass sie für Profit über Leichen gehen. Wie teuer wäre ein Auftragsmord, gemessen an drohenden Umsatzeinbußen von Abermilliarden Dollar? Schon Kennedys Onkel und sein Vater waren Attentaten zum Opfer gefallen. Er könnte das Prädikat „historisch“ verdienen: Jener 23. August 2024, ein Freitag, leitete womöglich eine gesundheitspolitische Wende ohnegleichen ein - zunächst in den Vereinigten Staaten, von dort aus den Rest der westlichen Welt erschütternd. An jenem Tag verkündete der parteilose Präsidentschaftskandidat Robert F. Kennedy jr., Amerikas wohl prominentester Anwalt und Menschenrechtsaktivist, bei einem Auftritt in Glendale im US-Bundesstaat Arizona, dass er seine Wahlkampagne im Rennen ums Weiße Haus aussetzt – und fortan den Republikaner Donald Trump unterstützt, zum Entsetzen seines Familienclans. Weshalb der späte Rückzieher des 70-Jährigen, nach 17 Monaten eigenständiger, sündhaft teurer Kandidatur? Inzwischen, so führte Kennedy aus, sehe er darin eine weitaus größere Chance, seine zehn wichtigsten politischen Anliegen umzusetzen. Dazu zählt er, - eine Gesundheitskrise ohnegleichen anzugehen: Chronische Krankheiten müssen endlich bekämpft, Fehlentwicklungen im Gesundheitswesen korrigiert werden; - Kinder zu schützen - vor staatlichen Übergriffen und falschen Gesundheitsrichtlinien; - staatlicher Zensur und der Einschränkung der Meinungsfreiheit ein Ende zu setzen. - Korruption zu bekämpfen, auch von und durch Regierungen; - Demokratie und grundlegende Freiheiten sicherzustellen; - dem Establishment Widerstand zu leisten. Denn politische und mediale Institutionen dienen nicht mehr dem Volk. „Power Duo“ gegen „korruptes Establishment“ Wenige Stunden später stand Kennedy in Glendale erneut auf der Bühne - diesmal bei einer Wahlkampfveranstaltung Trumps, als Gast enthusiastisch gefeiert mit “Bobby, Bobby”-Rufen. Der Ex-Präsident empfing ihn als “eine phänomenale Person", mit der er gemeinsam "das korrupte politische Establishment" besiegen wolle. Kennedy erklärte seinerseits, er habe mit Trump "nicht über die Dinge gesprochen, die uns trennen - denn wir sind nicht in allem einig -, sondern über die Werte und Themen, die uns verbinden". Auf den Punkt bringt sie Kennedys eingängiger Slogan “ Make America Healthy Again ” (MAHA), angelehnt an Trumps MAGA, “ Make America Great Again ”. Dass RFK junior und Trump aufeinander zugegangen sind, um ein “Power Duo” zu bilden, “war politisch brillant”, so kommentiert der Anwalt John Klar von der Bürgerrechtsinitiative Door to Freedom . “Es ist der einzige Weg, die Welt vor Global Governance, chronischen Krankheiten, gefälschten Nahrungsmitteln, wirtschaftlichem Desaster, Giftspritzenmandaten usw. zu retten.” Wofür sich Kennedys Verbraucherschutzorganisation Children´s Health Defense seit 2007 einsetzt – anfangs hieß sie noch World Mercury Project -, könnte durchaus im nächsten US-Regierungsprogramm auftauchen. Das käme wahrlich einer Revolution gleich, mit globaler Signalwirkung. Davor graut den Wächtern und Profiteuren des Status quo. “Was lassen wir unseren Kindern antun?” Was treibt Kennedy um? Der gläubige Katholik fühlt sich “ moralisch verpflichtet , diese Gelegenheit zu nutzen, um Millionen amerikanischer Kinder zu retten “. „Falls einige von Ihnen nicht wissen, wie schlimm der Gesundheitszustand unserer Kinder und der chronischen Krankheiten ist – hier sind einige Fakten: Die USA zahlen mehr für die Gesundheitsversorgung als jedes andere Land der Welt, doppelt so viel wie in Europa. Trotzdem hat Amerika die schlechtesten Gesundheitsergebnisse aller Nationen. Niemand hat eine so hohe chronische Krankheitslast wie wir. 66 % der Amerikaner leiden an chronischen Gesundheitsproblemen. Vor 50 Jahren lag diese Zahl bei weniger als 1 %. 74 % der Amerikaner sind heute übergewichtig, 50 % der Kinder sind fettleibig, in Japan hingegen weniger als 3 %. Mehr als die Hälfte aller Amerikaner haben Diabetes. Vor 50 Jahren gab es Diabetes bei Kindern fast nicht. Heute ist jedes dritte Kind Diabetiker oder hat eine Prädiabetes-Stufe. Es gibt eine Explosion von neurologischen Störungen, die es vor 50 Jahren noch nicht gab - ADS, ADHS, Sprachverzögerung, Tourette-Syndrom, Asperger-Syndrom, Autismus usw. Im Jahr 2000 lag die Autismusrate bei 1 zu 1.500. Heute ist sie 1 zu 36, in Kalifornien 1 zu 22. 77 % der amerikanischen Kinder sind zu behindert, um beim Militär zu dienen.18 % der amerikanischen Teenager leiden an einer Fettleber. Das ist fast jeder Achte. Vor 50 Jahren betraf diese Krankheit nur ältere Alkoholiker. Die Krebsraten sind bei Jung und Alt rasant angestiegen - bei jungen Erwachsenen um 79 % Jede vierte Frau nimmt ein Antidepressivum. 40 % der Teenager haben eine psychische Diagnose. 15 % der Highschool-Schüler nehmen Adderall, 500.000 Kinder schlucken SSRIs.“ Was ist los in unserem Land? Das passiert nirgendwo sonst auf der Welt, das passiert NUR in Amerika.“ Hauptverantwortlich dafür macht Kennedy „ultraverarbeitete Nahrungsmittel“, die „70 % der Ernährung amerikanischer Kinder ausmachen. Diese Lebensmittel bestehen aus verarbeitetem Zucker, hochverarbeitetem Getreide und Samenölen.“ „In den 1970er und 80er Jahren übernahmen Zigarettenunternehmen die Lebensmittelindustrie und setzten Tausende von Wissenschaftlern ein, um neue Chemikalien zu entwickeln, damit unsere Lebensmittel süchtiger machen. Diese Zutaten gab es vor 100 Jahren noch nicht und unser Körper ist biologisch nicht darauf ausgelegt, sie zu konsumieren. Diese Chemikalien sind in Europa verboten, aber in verarbeiteten Lebensmitteln in Amerika reichlich vorhanden.“ Es müsse endlich Schluss sein mit „giftigen Chemikalien in unseren Lebensmitteln und in unserer Umwelt“, fordert Kennedy. „ Pestizide, Lebensmittelzusatzstoffe, Arzneimittel und Giftmüll durchdringen jede Zelle unseres Körpers. Viele dieser Chemikalien erhöhen den Östrogenspiegel, der als Hormonstörer bekannt ist. Die Pubertätsrate in Amerika beginnt jetzt im Alter von 10 bis 13 Jahren - das ist sechs Jahre früher als vor hundert Jahren. Amerika hat die früheste Pubertätsrate aller Kontinente der Welt. Wir vergiften alle unsere Kinder massenhaft! Und unsere Erwachsenen!“ „Warum lassen wir das mit unseren Kindern geschehen?“ Unsere chemisch verseuchten Nahrungsmittel durch echte, gesunde Lebens mittel zu ersetzen und unsere Umwelt von Toxinen zu befreien, will Kennedy eine weitaus höhere Prorität einräumen als ineffektiven Maßnahmen zu schlecht begründeter CO2-Reduktion : „Der Fokus muss weggehen von der Fixierung auf Kohlenstoff.“ Gegen Big Pharma und ihre schmutzigen Komplizen Worum es Kennedy geht, hatte er am 28. August, fünf Tage nach seinem offiziellen Schulterschluss mit Trump, zur Prime Time im amerikanischen Fernsehen ausgeführt (1) – in der Talkshow des beliebten Moderators Dr. Phil McGraw . „ Als ich ein Kind war, hatten etwa 6 % der amerikanischen Kinder chronische Krankheiten. Heute sind es 60 %“, beklagte er. Was ist die Ursache dafür? Kennedy wies auf eine entscheidende Veränderung Mitte der 1980er Jahre hin, als „ etwas mit unseren Kindern geschah “. Das heikle “V”-Wort – vaccines – vermied Kennedy hier, wies aber die Genetik als Hauptschuldigen zurück, denn „ Gene verursachen keine Epidemien. Sie mögen für die Anfälligkeit sorgen, aber man braucht eine Umweltexposition, ein Umweltgift“. Die meisten Zivilisationskrankheiten hält Kennedy für vermeidbar – ohne teure Schulmedizin. Zum Beispiel könne man „Diabetes verschwinden“ lassen, und zwar für einen „winzigen Bruchteil“ der Kosten, die entstehen würden, wenn man jeden fettleibigen Amerikaner auf Ozempic setzen würde. Und wie? „ Geben Sie jedem Amerikaner drei Mahlzeiten pro Tag mit Bio-Lebensmitteln. Diabetes ist mit rnährung und Bewegung behandelbar, genauso wie Fettleibigkeit “, erklärte Kennedy. Warum würde ein solcher Vorschlag auf Ablehnung stoßen? Weil die medizinische Industrie, die uns gesünder machen soll, „ in Wirklichkeit mehr Geld verdient, wenn wir kränker werden“. Mainstream-Medien wirft Kennedy eine schmutzige Partnerschaft mit Big Pharma vor. Bei Arzneimittelwerbung im Fernsehen gehe es nicht nur darum, Produkte anzupreisen, sondern auch darum, “ den Inhalt zu diktieren, eine bestimmte Linie sicherzustellen ”. Kennedy hat dies aus erster Hand erfahren. Roger Ailes, der Gründer von Fox News , gab ihm gegenüber zu, dass ein Familienmitglied durch ein quecksilberhaltiges medizinisches Produkt geschädigt wurde. Trotzdem könne er Kennedy keine Plattform geben, um über das Thema zu sprechen, weil „ 70 % unserer Einnahmen von Pharmaunternehmen stammen. Wenn einer meiner Moderatoren Sie im Fernsehen auftreten ließe, müsste ich ihn feuern. Und wenn ich das nicht täte, würde ich von Rupert [Murdoch] hören “. In den letzten Minuten des Interviews mit Dr. Phil ging Kennedy darauf ein, warum er beschlossen hat, aktiv für Donald Trump zu werben. Zum einen habe er Angst vor einer möglichen Walz-Harris-Regierung, die seiner Meinung nach in allen Fragen, die er für existenziell hält, “auf der falschen Seite“ steht. Zum anderen überzeugte ihn Trumps Vision, eine „Einheitspartei“zu gründen, die sich auf vier entscheidende Themen konzentriert: Beendigung endloser Kriege, Sicherung der Grenze, Schluss mit Zensur – und Bekämpfung der Epidemie chronischer Krankheiten. Im engen Rennen um die Präsidentschaft könnte Kennedys Unterstützung tatsächlich den Ausschlag geben. Kurz bevor er seine Kandidatur zurückzog, lag er in einigen der Swing States – sieben US-Bundesstaaten, in denen der Wahlausgang auf der Kippe steht - bei 5 bis 7 %. Falls seine Anhänger ihm mehrheitlich folgen, „ist es viel wahrscheinlicher, dass Präsident Trump gewählt wird“, so erwartet er. Speziell was Impfstoffe betrifft, scheint Kennedy bei Trump nicht erst noch mühsame Überzeugungsarbeit leisten zu müssen. Zwar hatte Amerikas mächtigster Egomane - gedrängt von der grauen Gesundheitseminenz des Weißen Hauses, seinem pharmanahen Chef-Einflüsterer Anthony Fauci (2) – 2020 mit 18 Milliarden Dollar an Steuergeldern eine “ Operation Warp Speed ” in Gang gesetzt, um mit hochriskanten, neuartigen Gentherapeutika ein Virusseuche zu bekämpfen, von der sich schon damals abzeichnete, dass sie nicht tödlicher als eine mittelschwere Grippewelle ausfällt. Doch jüngste Äußerungen Trumps deuten darauf hin, dass sich seine Impfskepsis inzwischen erheblich verstärkt hat. Wie ein in den sozialen Medien weitverbreites Video belegt, sprach Trump Mitte Juli in einem Telefonat mit Kennedy unter anderem über die große Anzahl der Impfdosen, die Kinder erhalten; dadurch würden sie sich verändern. "Wenn man einem Baby eine Impfung mit 38 Wirkstoffen verabreicht, die aussieht, als wäre sie für ein Pferd und nicht für ein 10 oder 20 Pfund schweres Baby", so Trump. "Dann beginnt das Baby sich plötzlich radikal zu verändern. Ich habe das zu oft gesehen.” Trump äußerte auch Zweifel an den Aussagen von Gesundheitsexperten, die die Sicherheit und Wirksamkeit des empfohlenen Impfplans für Kinder betonen: «Und dann hörst du, dass es keinen Einfluss hat, richtig?» Kennedys Programm: eine Kampfansage an Big Business Niemand muss Kennedy erst noch darüber aufklären, dass er vorhat, sich in einer US-Regierung mit mehrere der mächtigsten Industrien und deren Investoren anzulegen. Mit größtenteils denaturierten Produkten wird die Lebensmittelindustrie allein im laufenden Jahr 2024 über zehn Billionen US-Dollar umsetzen . Der weltweite Jahresumsatz mit Chemikalien in der Landwirtschaft – Pestizide, Dünger, Wachstumsregulatoren, Boden-Desinfektionsmittel – betrug im vergangenen Jahr knapp eine Viertelbillion Dollar, 244 Milliarden. An ihrer gefährlich strahlenden Kommunikationstechnik, welche die Gehirne und Fortpflanzungsorgane unserer Kinder angreift, verdient die Mobilfunkbranche 1,1 Billionen Dollar pro Jahr. (3) Und die Pharmaindustrie? Ihr Jahresumsatz lag zuletzt bei astronomischen 1,6 Billionen US-Dollar, bei traumhaften, in keinem anderen Wirtschaftszweig realisierbaren Gewinnspannen bis zu 40 %. (4) Prognosen zufolge wird er bis 2033 auf über 2,8 Billionen US-Dollar anwachsen . Allein mit Krebsmitteln setzte die Branche zuletzt 190 Milliarden US-Dollar pro Jahr um, mit Antidiabetika 88 Milliarden, mit Statinen - um den Cholesterspiegel zu senken und Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorzubeugen – über 20 Milliarden (5), mit Biphosphonaten gegen Knochenabbau bei Osteoporose über 4 Milliarden (6), mit Pillen und Spritzen zum Abnehmen 12 Milliarden – bis 2032 könnten es 83 Milliarden werden. (7) Der globale Markt für Impfstoffe lag zuletzt bei 78 Milliarden US-Dollar, bis 2031 soll er auf über 150 Milliarden US-Dollar anwachsen (8); zu einträglichen Pandemiezeiten dürfte er sich mindestens verdoppeln, wie die Coronajahre zeigten. Welchen Totalschaden in Big Pharmas Bilanzen würde eine von Kennedy inspirierte US-Gesundheitspolitik anrichten, die darauf aus wäre, den Tsunami chronischer Erkrankungen an seinen Ursprüngen zu bekämpfen: Fehlernährung und zuwenig Bewegung, bedingt durch einen Mangel an Gesundheitserziehung und öffentlichem Bewusstsein sowie 1001 Fehlanreizen im Gesundheitssystem? Was würde aus dem hochlukrativen Impfbusiness, wenn eine aufgeklärte Bevölkerung begänne, für jedes einzelne Vakzin Nutzen und Risiko kritisch gegeneinander abzuwägen? Damit eine solche Politik niemals Mehrheiten findet, setzen Big Pharma und ihre Investoren seit eh und je riesige, weltweit tätige Marketing-Agenturen ein, um den Ruf von lästigen Kritikern wie Kennedy zu ruinieren, sie lächerlich zu machen. (9) So soll Kennedy zu den zwölf gefährlichsten Fake News-Verbreitern („ Desinformation Dozen “) zählen – jedenfalls laut dem einflussreichen Gutachten eines angeblich gemeinnützigen, aus dubiosen Quellen gesponserten Center for Countering Digital Hate (10); das Weiße Haus , Altmedien wie The Guardian und Social Media wie Twitter und Facebook nutzten den Bericht, um die Personen auf der Liste zu zensieren und zu verleumden. Wikipedia macht mit. Aber falls Rufmord nicht genügt? John Waynes Hilfe „Bobby Kennedy ist einer der mutigsten, kompromisslosesten und ehrlichsten Menschen, die ich je getroffen habe“, sagt der ehemalige Fox News -Moderator Tucker Carlson, der ihn am 27. August interviewte . „Eines Tages wird er die Anerkennung dafür bekommen.“ Womöglich bleibt Kennedy jedoch nicht mehr viel Zeit dafür. In welch immenser Gefahr ein prominenter Querdenker wie er, aber auch sein Förderer Trump schweben, ahnt ein deutscher Medizinprofessor – vorsichtshalber versteckt er sich hinter dem Pseudonym „Peter Yoda“ (11) - seit einer erschütternden Begegnung, die er in einem Frankfurter Gesprächskreis machte. Als Gastreferent trat dort „Timothy“ auf: ein hochbezahlter PR-Profi, der für weltweit tätige Agenturen Propagandaaufträge einiger der größten Phamakonzerne erledigt. (12) Wie Timothy ausführte, gehört dazu, „sogenannte Quacksalber-Jäger zu unterstützen. Es gibt immer enttäuschte Freaks, die gerne etwas bekämpfen wollen. Leider haben diese jedoch in der Regel kein Geld. Sollen unsere Auftraggeber doch über dritte Personen diesen ein paar Dollar aus ihrer Portokasse zukommen lassen – und sie werden dann all die Drecksarbeit übernehmen, für die sich unsere Geldgeber selber zu schade sind.“ Solche Dreckwerfer muss Kennedy aushalten, seit er unerschrocken gegen den Mainstream schwimmt. Dank ihrer Handlangerdienste „sind wir gar nicht erst auf John Waynes Hilfe angewiesen und bleiben schön sauber.“ (13) „John Waynes Hilfe“? Was Timothy damit andeutete, war seinen Zuhörern klar: Gelegentlich bedurfte es eines diskreten Helfers mit der Lizenz zum Töten. Mord im Konzernauftrag? Industriemanagern solche Skrupellosigkeit zu unterstellen, scheint völlig abwegig – ehe man sich mit der haarsträubenden Kriminalgeschichte des Arzneimittelsektors zu befassen beginnt. (14) Wie Gerichtsprozesse reihenweise aufdeckten, werden routinemäßig Nebenwirkungen verschwiegen, Daten gefälscht, Ärzte, Wissenschaftler und Behördenvertreter gekauft, missliebige Studien unterdrückt, unzählige arzneimittelgeschädigte Invaliden und Tote kaltblütig in Kauf genommen. „Schlimmer als die Mafia“ nennt sie der dänische Medizinprofessor Peter Gøtzsche in seinem Bestseller Tödliche Medizin und organisierte Kriminalität . Als „Schwerkriminelle, die ins Gefängnis gehören“, bezeichnet Kennedy ihre Vorstände. Die Liste der rechtskräftig verurteilten Arzneimittelhersteller, die für Bußgelder und Schadensersatz mehrere hundert Millionen Dollar, teilweise sogar Milliarden aufwenden mussten, liest sich wie das Who Is Who der Branche. Wirtschaftsethik erweist sich dabei als scheinheilige Imagepflege, eine bodenlose Heuchelei machtgeiler, grenzenlos profitgieriger Psychopathen, die sich über jedem Gesetz wähnen. Erschütternde Einblicke in ihre seelischen Abgründe eröffnet die literarische Lebensbeichte eines ehemaligen Topmanagers des Pharmariesen Eli Lilly, John Virapen: „Ich habe den Tod von Menschen mit zu verantworten“, bekannte er rückblickend. „Ich habe sie nicht eigenhändig getötet. Nein, ich war ein williges Werkzeug der Pharmaindustrie.“ (15) Um für absehbare Strafzahlungen und Haftungsrisiken gewappnet zu sein, nehmen Arzneimittelkonzerne von vornherein hohe Rückstellungen vor. Justizbedingte Ausgaben lassen sie cool unter „Betriebskosten“ fallen, setzen sie gar von der Steuer ab, preisen sie von vornherein in ihre Produkte ein. Da dürften in der Portokasse bestimmt auch noch ein paar Dollars für einen treffsicheren „John Wayne“ übrig bleiben. Hinterher wird es ein verwirrter Einzeltäter gewesen sein, selbstverständlich. Alles andere wäre ja Verschwörungstheorie, nicht wahr? ( Harald Wiesendanger ) Anmerkungen (1) https://x.com/DrPhil/status/1828848142713766099 ; https://www.meritstreetmedia.com/show/dr-phil-primetime/one-on-one-with-robert-f.-kennedy-jr (2) Siehe Robert F. Kennedy Jr.: Das wahre Gesicht des Dr. Fauci (2023) (3) Nach ChatGPT, 7. September 2024. (4) Siehe Harald Wiesendanger: Das GesundheitsUNwesen , Schönbrunn 2019, Kap. 3: „Das Billionengeschäft mit der Krankheit“, S. 98 ff. (5) https://www.databridgemarketresearch.com/reports/global-statin-market ; https://www.imarcgroup.com/statin-market ; https://www.globenewswire.com/news-release/2023/03/02/2619166/0/en/Statins-Market-Size-To-Hit-US-22-Billion-By-2032-Owing-To-Increasing-Investments-in-Healthcare-Sector-Globally-Persistence-Market-Research.html (6) https://www.fortunebusinessinsights.com/industry-reports/osteoporosis-treatment-market-101034 ; https://www.gminsights.com/industry-analysis/osteoporosis-drugs-market , https://www.cognitivemarketresearch.com/bisphosphonate-drug-market-report (7) https://www.fortunebusinessinsights.com/anti-obesity-drugs-market-104783 ; https://www.globalmarketestimates.com/market-report/weight-loss-drugs-market-4562 ; https://blog.marketresearch.com/u.s.-weight-loss-industry-grows-to-90-billion-fueled-by-obesity-drugs-demand (8) https://www.fortunebusinessinsights.com/industry-reports/vaccines-market-101769 ; https://www.who.int/publications/i/item/B09022 (9) Siehe Harald Wiesendanger: Das GesundheitsUNwesen , Schönbrunn 2019, Kap. 12: „Wir müssen sie vernichten“ – Wie Big Pharma Kritiker mundtot macht und Alternativmedizin in Verruf bringt“, S. 455 ff. (10) https://childrenshealthdefense.org/defender/dark-money-center-countering-digital-hate-disinformation-dozen-report/ ; https://childrenshealthdefense.org/defender/disinformation-dozen-funding-ties-hollywood-corporate-dems/?utm_id=20231003 (11) Prof. Dr. Peter Yoda: Ein medizinischer Insider packt aus , Kernen o.J. (12) a.a.O., S. 123-142. (13) a.a.O., S. 136. (14) Siehe Harald Wiesendanger: Das GesundheitsUNwesen , Schönbrunn 2019, Kap. 14, S. 603 ff. (15) John Virapen: Nebenwirkung Tod. Korruption in der Pharma-Industrie – Ein Ex-Manager packt aus , 4. Aufl. 2008.
- 640.000 Kinder vor Lähmung gerettet?
Weil in Gaza Polioviren aufgetaucht sind, lässt die WHO 640.000 palästinensische Kinder impfen. Was nach einer großartigen humanitären Hilfsaktion aussieht, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als haarsträubender Skandal. Im Juni 2024, im neunten Monat eines weiteren Kriegs zwischen der Hamas und Israel, tauchte in Abwasserproben im Zentrum des Gazastreifens ein Poliovirus auf. Bei vier Kindern wurde eine „schlaffe Lähmung“ festgestellt, mutmaßlich ausgelöst durch dieses Virus. Im Nu stand für die WHO fest: Um eine drohende Katastrophe abzuwenden, bedarf es einer sofortigen Impfkampagne, die sämtliche Kinder im Gazastreifen einbezieht. Hierfür bewegte sie die beiden Kriegsparteien dazu, täglich eine achtstündige Waffenruhe an jenen rund 400 Orten einzuhalten, an denen die Impfstoffe verabreicht werden sollen: in Gesundheitszentren, Kliniken und Feldlazaretten. Anfang September lief die Aktion in Feuerpausen an, zunächst bei über 187.000 Kindern unter zehn Jahren im zentralen Gazastreifen. Vom 5. September an folgte die südliche Region, in der zweiten Septemberwoche die nördliche. Mit einem Monat Abstand sollen alle einbezogenen Kinder eine zweite Dosis erhalten. Insgesamt 1,7 Millionen Dosen werden verabreicht. Unter den Teppich gekehrt Ein leuchtendes Beispiel für sofortige, vorzüglich organisierte, hochwirksame Hilfe in höchster Not? Über mehrere brisante Aspekte gehen die meisten Mainstream-Medien stillschweigend hinweg: 1. Was in Gazas Abwasser auftauchte, war nicht irgendein Poliovirus, sondern ein durch Impfung übertragenes vom Typ 2. Ein abgeschwächter Erreger, der zur Herstellung von Schluckimpfstoffen verwendet wird, hatte offenbar seine Virulenz wiedererlangt und begann zu zirkulieren. 2. Nur bei einem einzigen der vier gelähmten Kinder, einem 10 Monate alten Baby, konnte das Poliovirus tatsächlich nachgewiesen werden. Es war die erste festgestellte Polio-Infektion seit 25 Jahren in dem Küstengebiet. Genügt das, um prompt “ extrem besorgt ” zu sein, wie die WHO? 3. Eine Poliomyelitis ist eine Entzündung des unteren, grauen („ polio “ = grau, daher der Name) Teil des Rückenmarks; sie schädigt Nervenzellen, die Muskeln kontrollieren, und lähmt Gliedmaßen, insbesondere die Beine. Eine schlaffe Lähmung können allerdings mehrere Mikroben verursachen, nicht bloß das Poliovirus: Bakterien wie Clostridium botulinum , das die Botulismus-Erkrankung hervorruft – eine lebensbedrohliche Vergiftung, etwa durch verdorbenes Fleisch -, und Corynebacterium diphtheriae , Erreger der Diphtherie; oder Viren wie das West-Nil-Virus und das Zika-Virus , ebenso einige Stämme des Coxsackie - und des Echovirus , häufigen Verursachern von Erkältungen, Hirnhaut- und Herzmuskelentzündungen. Auch das Guillain-Barré-Syndrom (GBS), eine Autoimmunerkrankung, die oft nach Infektionen auftritt, kann zu aufsteigenden Lähmungen führen. (GBS gilt als ernste Komplikation bei Covid-19, ist aber auch eine berüchtigte Nebenwirkung von Corona-Impfungen, welche in Palästina ebenfalls stattfanden . All diese möglichen sonstigen Auslöser verfehlt ein aktionistisches Drauflos gegen Polioviren von vornherein. 4. Zu den typischen Symptomen einer Poliomyelitis führt das Polio-Wildvirus nur bei 0,1 bis 1,0 % der Infizierten. (1) Bloß bei 5 % kommt es zu einem grippalen Infekt, der allerdings nach wenigen Tagen abklingt. Bei 90 bis 95 % treten leichte bis gar keine Symptome auf. Eine Erkrankung fördern Bedingungen, wie sie mitten im Krieg zu herrschen pflegen: mangelhafte hygienische Verhältnisse, Unterernährung, kein oder verseuchtes Trinkwasser, nicht zuletzt andauernder Angststress. 5. Falls Lähmungen auf eine Polio-Infektion folgen, sind diese keineswegs „meist dauerhaft“, wie Leitmedien verbreiten (2) – bei 50 bis 70 % der Betroffenen bilden sie sich nach wenigen Monaten spontan zurück, teilweise bis vollständig, manchmal sogar schon innerhalb von Wochen. (3) Wäre dies nicht auch bei dem betroffenen palästinensischen Kind zu erwarten gewesen? Hätte es fürs erste nicht genügt, es zu isolieren, physiotherapeutisch zu behandeln und abzuwarten? Nur bei jedem vierten Betroffenen bleiben dauerhaft schwere Schäden zurück – bei 0,025 bis 0,25 % aller Infizierten. 6. Vor allem Toxine sind es, die Poliomyelitis auslösen. Indem sie Funktionen der Zellmembranen stören, schaffen sie einen direkten Weg vom Darm zum unteren Teil des dahinter befindlichen Rückenmarks, auf dem sich Viren und Bakterien festsetzen können. Die ersten Fälle von Kinderlähmung wurden in den 1800-er Jahren aktenkundig, als gängige medizinische Behandlungen für jede Krankheit Quecksilber einbezogen, um den Darm zu reinigen; selbst Zahnungspulver für Säuglinge enthielt es. Für die Polio-Epidemien seit Ende des 19. Jahrhunderts haben in erster Linie aggressiv versprühte Pestizide gesorgt. Sie traten vor allem in ländlichen Gebieten auf, die mit Pflanzenschutzmitteln besprüht wurden. Und sie endeten in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts, nachdem man aufhörte, das Insektizid DDT einzusetzen; dieses verheerende Nervengift war nach dem Zweiten Weltkrieg überall zum Einsatz gekommen – selbst das Essen, die Kleidung, das Bettzeug ihrer Kinder besprühten Eltern damit, “ to follow the science ”. (4) Aber wenn Kinderlähmung tatsächlich in erster Linie darauf beruht, dass Giftstoffe die Darmintegrität sabotieren: Warum sind dann ausgerechnet Säuglinge und Kleinkinder am häufigsten betroffen? Weil bei ihnen das untere Ende des Rückenmarks, das die Beine steuert, unmittelbar hinter dem Darm liegt. Bei Erwachsenen befinet es sich, im Verhältnis zum Darm, vielhöher – außer Reichweite der meisten Angriffe durch Toxine und Mikroben. (5) Toxinen aller Art sind die Kinder im Gazastreifen ausgesetzt, seit Israels Militär auf den Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 mit einer umfassenden Luft- und Bodenoffensive reagierte. Abgeworfene Bomben ließen Baustoffe und Plastik schmelzen, setzten Chemikalien frei – ganz abgesehen davon, was in den Bomben steckte. Fallen sie auf Fabriken, die Pestizide herstellen und lagern, so könnten die emittierten Dämpfe genügen, um massenhaft Lähmungen hervorrufen. 7. Polio-Lebendimpfstoffe, wie sie in Gaza zum Einsatz kommen, sind unzuverlässig. Es bleibt das Risiko, dass sie eine sogenannte vakzinassoziierte Poliomyelitis (VAPP) auslösen und sich impfstoffabgeleitete Polioviren („ vaccine‐derived polioviruses “, VDPVs) verbreiten. Deshalb empfiehlt sie das Robert-Koch-Institut schon seit 1998 nicht mehr. (6) 8. Bei dem in Gaza verabreichten Vakzin handelt es sich um nOPV2 ( novel oral polio vaccine type 2 ): einen neuartigen,von der Gates Foundation finanzierten oralen Impfstoff, der sich auf Polio Typ 2 konzentriert. (7) Das Erbgut dieses Typs sollen Gentechniker an fünf Stellen verändert haben, um zu verhindern, dass das Virus mutiert und wieder ansteckend wird. (8) 9. nOPV2 ist noch gar nicht vollständig zugelassen. Zumindest als „ Notfallimpfstoff “ gab ihm die WHO aber bereits im November 2020 grünes Licht. Als „ wirksam und sicher “ preist sie ihn seither an („ top-quality protection “) – eine aus Coronazeiten vertraute Gebetsmühle dreht sich da. 10. Seit März 2021 wurde der nOPV2-Impfstoff mehr als 650 Millionen Kindern in 30 Ländern verabreicht. Nigeria und die Demokratische Republik Kongo bestätigten daraufhin bereits vier Fälle von Rückmutationen, die den Erreger wieder virulent machten, wie das Wissenschaftsmagazin Nature berichtet . Wegen der Quote an Impfversagern halten Experten die „Ausrottung von Polio“ mittels nOPV2 für unrealisierbar. (9) 11. Nebenwirkungen von nOPV2 sind weitgehend unerforscht. Eine Studie in Sierra Leone deckte allerdings bei 528 Kindern schwerwiegende unerwünschte Ereignisse nach der Immunisierung mit nOPV2 auf, darunter Erbrechen (42 Fälle), Anaphylaktische Reaktionen (2), Lähmungen (11), Krampfanfälle und Myalgie (12), Bewusstseinsverlust. Eher heraufbeschworen als ausgerottet Aus diesen vernachlässigten Aspekten ergibt sich ein niederschmetterndes Bild: Ein einziger (!) Fall eines Kindes, bei dem sowohl eine Lähmung als auch eine Polio-Infektion festzustellen war – eine Korrelation wohlgemerkt, nicht unbedingt eine Kausalität -, galt als ausreichend, um in Gaza eine „Notlage“ auszurufen, die angeblich eine sofortige massenhafte Impfkampagne erfordert. Bekämpft werden soll dabei ein Virustyp, den es ohne vorherige Impfungen gar nicht gegeben hätte – mit einem Vakzin, das seinerseits für weitere Impfpolio sorgen wird. Wen erfreut, wem nützt so etwas wohl? Ein weiteres Mal zeigt sich der Irrwitz des missionarisch eifrigen „Kampfs um die Ausrottung des Virus“: Im ersten Halbjahr 2024 wurden in Afghanistan und Pakistan nur noch fünf Wildvirus-Poliofälle gemeldet; im gesamten Jahr 2023 waren es bloß sechs, aus denselben beiden Ländern. Hingegen fielen im vergangenen Jahr 665 Fälle von durch Impfung übertragener Polio in 23 Ländern auf, bei unbekannter Dunkelziffer. Laut Global Polio Eradication Initiative (GPEI) waren sämtliche sechs Fälle 2023 von Poliovirus-Infektionen des Wildtyps bei Kindern aufgetreten, die bereits mit dem neuartigen Impfstoff nOPV2 geimpft waren. Mit anderen Worten: Die Impfversager-Quote erreichte unübertreffliche 100 Prozent. Mit einem solchen Pseudo-Medikament (das lateinische Wort medicare bedeutet “heilen”) “die Kinderlähmung auszurotten”, in Palästina und weltweit, ist eine datenferne Illusion, die nur einem nützt: Big Pharma und ihren Investoren. “Follow the Science”? Follow the Money. Davon abgesehen: Wo bleibt in Gaza das ethische Grundprinzip der informierten Zustimmung? Kein einziges der 640.000 Kinder kann sich dagegen wehren, ein experimentelles Gentechnikprodukt eingeflößt zu bekommen. Wie viel Aufklärung erhalten und kapieren ihre Eltern, ehe sie ihr Einverständnis erklären? „Das gleiche alte Schema“ Zu Nebenwirkungen welchen Ausmaßes könnte der massenhafte Einsatz von nOPV2 im Gazastreifen führen? Kein größeres Medium hinterfragt Risiken. Und nirgendwo wird öffentlich diskutiert, wer auf welche Weise eigentlich solche Nebenwirkungen fortan mit der gebotenen Sorgfalt dokumentiert und Impfschäden feststellt. Gesundheitsbehörden in Rafah, Khan Yunis und Gaza-Stadt haben momentan, und bis auf weiteres, ganz andere Sorgen, als die Schicksale Hunderttausender von Impflingen nachzuverfolgen. Dass Gates kritische Nachforschungen vor Ort sponsert, ist eher unwahrscheinlich. Auch wartet man bisher vergeblich auf seine Ankündigung, einen Entschädigungsfonds für Impfopfer einzurichten. Dass hierfür nicht alsbald ein dringender Bedarf bestehen wird, glaubt ernsthaft niemand. „Es ist das gleiche alte Schema“, beklagt die Ärztin und Impfstoffexpertin Dr. Suzanne Humphries: „Ein Krieg oder eine Krise wird genutzt, um einen neuen, kaum getesteten Impfstoff auf den Markt zu bringen.“ Ist auszuschließen, dass die WHO/Gates-Initiative in Gaza am Ende für weitaus mehr gelähmte Kinder gesorgt haben wird, als dem Virus zum Opfer gefallen wären, wenn man ihm freien Lauf gelassen hätte? Um wie viel besser stünde es um die Gesundheit der Kinder im Gazastreifen, wenn Gates und die WHO ihren Einfluss und ihr Geld lieber dafür investiert hätten, den jüngsten wehrlosen Kriegsopfern gesundes Essen, sauberes Trinkwasser, Gasmasken und bessere Wundversorgung zu spendieren? Zensiert KI jegliche Impfkritik demnächst in Echtzeit? Wer für solche Impfkritik im Internet noch Leser finden will, muss sich womöglich beeilen – zumindest wenn es nach Bill Gates geht. In seiner jüngsten Medienkampagne plädiert er für eine KI-gestützte Zensur in Echtzeit, um angebliche Fake News zu unterdrücken – und dazu zählt ganz besonders jegliches Hinterfragen von Impfstoffen. Im verfassungsmäßigen Recht auf freie Meinungsäußerung sieht Gates dabei eher ein Hindernis – er will die öffentliche Diskussion kontrollieren, umfassend und lückenlos. Eine KI soll entscheiden, welche Informationen verbreitet werden dürfen. Unter dem Vorwand, uns vor falschen Informationen zu „schützen“, hält dann eine totalitäre Überwachung Einzug. Denn „ dieses Zeug muss weg .“ ( Harald Wiesendanger ) Anmerkungen (1) Dr. Gerhard Buchwald: Impfen – Das Geschäft mit der Angst , 5. Aufl. Lahnstein 2008, S. 121. (2) siehe z.B. https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ausland/gaza-polio-who-impfung-kinder-israel-100.html (3) Dr. Buchwald geht bei der Mehrzahl der Patienten von einer Rückbildung der Symptome „innerhalb eines Jahres“ aus, Dr. Humphries nennt einen Zeitraum von „60 Tagen“. (4) Siehe Forrest Maready: The Moth in the Iron Lung , 5. Aufl. 2018, und den zusammenfassenden Essay „ Die Kinderlähmung ist eine vom Menschen verursachte Vergiftung “; Suzanne Humphries: Dissolving Illusions : Diseases, Vaccines, and The Forgotten History , mit einer ausführlichen Geschichte der Kinderlähmung . Zur Kritik der Pestizidtheorie von Polio siehe hier , hier und hier . (5) Siehe Siehe Forrest Maready: The Moth in the Iron Lung, a.a.O. (6) Robert Koch-Institut, 10. Juli 2020: „RKI - Impfungen A - Z - Schutzimpfung gegen Poliomyelitis: Häufig gestellte Fragen und Antworten“, https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/Poliomyelitis/FAQ-Liste_Poliomyelitis_Impfen.html?nn=2375548 . (7) https://childrenshealthdefense.org/defender/polio-vaccine-gates-funded/ ; https://childrenshealthdefense.org/defender/who-gates-polio-vaccine-united-kingdom/ ; https://polioeradication.org/wp-content/uploads/2022/10/nOPV2-FAQ-August-2022-EN.pdf (8) Deutsches Ärzteblatt , 30. Dezember 2020: „ Polio: Neuer oraler Impfstoff soll Ausbreitung von pathogenen Impfstoffviren stoppen “. (9) T. J. John u.a.: „ Novel OPV is Still not the Right Tool for Polio Eradication “, Indian Pediatrics 61(4) 2024.
- Macht Impfen gesünder?
Sorgen Impfstoffe tatsächlich für mehr Gesundheit? Mit fadenscheinigen Ausflüchten weigern sich Behörden seit eh und je, dem behaupteten Zusammenhang wissenschaftlich sauber nachzuforschen. Doch inzwischen belegen hunderte Studien: Geimpfte tragen ein weitaus höheres Risiko für vielerlei chronische Krankheiten. Es wächst, je häufiger, je früher „gepikst“ wird. Eltern muss klar sein, was sie ihrem Kind womöglich antun, wenn sie diese Tatsache ignorieren. Ja, ein Großteil der Impfstoffe scheint weitgehend sicher – innerhalb der sechs Wochen, oft aber auch bloß während zwei bis vier Tagen, in denen ihre Nebenwirkungen in klinischen Studien kontrolliert werden. Ausschließlich Einzelimpfungen kommen dabei auf den Prüfstand, obwohl Säuglinge inzwischen bis zu neun Vakzine auf einmal erhalten. (1) Wozu führt das auf längere Sicht? Was richten Impfstoffe Monate, Jahre, Jahrzehnte nach den „Piksen“ an? Es gibt nur einen Weg, das festzustellen: mittels eines Vergleichs von Geimpften mit Ungeimpften. Doch bis heute weigern sich Gesundheitsbehörden, entsprechende Untersuchungen zu veranlassen. Neugierigen, couragierten Wissenschaftlern ist es zu verdanken, dass solche Studien trotzdem längst vorliegen. Nicht bloß ein paar. Es sind Hunderte – methodisch hochwertig, mit Peer-Review, veröffentlicht in angesehenen Fachzeitschriften. Übereinstimmend und glasklar belegen sie: Impfstoffe erhöhen das Risiko, chronisch zu erkranken – nicht bloß ein statistisches Bisschen, sondern hochsignifikant. Geradezu dramatisch. Eine der angeblich „größten Errungenschaften in der Geschichte der Medizin“ (2) entlarven sie als schreckliches Debakel – mehr noch, als ein monströses Verbrechen, soweit Verantwortliche es bewusst in Kauf nehmen. Zu den Augenöffnern zählen sechs neuere Studien, erschienen zwischen 2017 und 2022. Mit unterschiedlichen Forschungsansätzen kommen sie, unabhängig voneinander, zu ein und demselben Ergebnis: Sogenannte „Schutzimpfungen“ schützen unsere Gesundheit mitnichten. Im Gegenteil. Die beiden Mawson-Studien: Ungeimpft sind Sechs- bis Zwölfjährige eindeutig besser dran Was man Kindern antut, wenn man offizielle Impfkalender gnadenlos an ihnen abarbeitet, brachte im Jahr 2017 Anthony Mawson zum Vorschein, Professor am Institut für Epidemiologie und Biostatistik der Universität von Jackson, Mississippi. Sein Forschungsteam befragte die Eltern von 666 sechs- bis zwölfjährigen Kindern, die zu Hause unterrichtet wurden. Von ihnen waren 197 vollständig geimpft, 208 teilweise, 261 überhaupt nicht. (3) Unter den Geimpften traten Windpocken und Keuchhusten zwar auffallend seltener auf. Dafür zahlten sie gesundheitlich aber einen hohen Preis: Weitaus häufiger als Ungeimpfte waren sie von allergischer Rhinitis betroffen (30-mal höheres Risiko), von Lernbehinderungen (5,2-mal), von ADHS und Autismus (jeweils 4,2-mal), von Allergien (3,9-mal), von neurologischen Entwicklungsstörungen (3,7-mal), von Dermatitis (2,9-mal). Auch bei Lungenentzündungen (6,4 % gegenüber 1,2 %) und Ohrentzündungen (19,8 % gegenüber 5,8 %) waren die Gruppe der vollständig Geimpften krass im Nachteil. Teilweise geimpfte Kinder erreichten in der Regel „eine mittlere Position“. Im selben Jahr bestätigte Mawson diese Ergebnisse in einer Folgestudie. (4) Die Hooker/Miller-Studien: „Pikse“ im ersten Lebensjahr sind besonders fatal An wissenschaftlichem Sachverstand dürfte es Brian Hooker schwerlich mangeln. Immerhin ist er emeritierter Professor für Biologie an der Simpson University in Redding, Kalifornien. Gemeinsam mit dem Wissenschaftsautor Neil Miller untersuchte er Erkrankungsraten von 2047 Kindern aus drei amerikanischen Arztpraxen. (5) Zwischen 2005 und 2015 geboren, waren die Kleinen zum Zeitpunkt der Studie 3 bis 12 Jahre alt. 69 % waren im ersten Lebensjahr gegen eine beliebige Krankheit geimpft worden, 31 % nicht. Um sicherzugehen, dass eine Störung oder Erkrankung tatsächlich der Impfung folgte – und ihr nicht etwa vorausging -, bezogen die Autoren nur solche ein, die nach dem ersten Geburtstag des Kindes auftraten. Bei ausnahmslos allen Diagnosen, zu denen aussagekräftige Daten vorlagen, stellte das Forscherteam fest: Kinder, denen in ihren ersten zwölf Lebensmonaten „Pikse“ erspart geblieben waren, erkrankten weitaus seltener. Im Alter von fünf Jahren war die Wahrscheinlichkeit von Entwicklungsverzögerungen und Ohrentzündungen bei den früh Geimpften mehr als doppelt so hoch; von Asthma 4,5-mal höher. Ein Jahr später, 2021, ließen Hooker und Miller eine zweite Studie folgen, diesmal mit Daten von 1565 Kindern. (6) Von diesen waren 8,7 % vollständig geimpft – d.h. „korrekt“ nach Impfkalender -, 30,9 % teilweise, 60,4 % gar nicht. Vollständig Geimpfte litten mit einer weitaus höheren Wahrscheinlichkeit an Asthma (17,6 % gegenüber 4,9 %), an Magen-Darm-Erkrankungen (13,8 zu 2,5 %), an chronischen Ohrenentzündungen (27,8 % zu 2,13 %). Auch schwere Allergien, Autismus und AD(H)S traten bei ihnen viel öfter auf. Die Lyons-Weiler/Thomas-Studie: Geimpfte Kinder sind viel häufiger beim Arzt Gemeinsam mit dem Wissenschaftler James Lyons-Weiler führte Dr. Paul Thomas, Facharzt für Pädiatrie aus Portland im US-Bundesstaat Oregon, eine Studie über 3.324 kleine Patienten durch, die er im Laufe von über zehn Jahren in seiner Praxis betreute. (7) Dabei verglichen sie die Anzahl der Arztbesuche bei geimpften und ungeimpften Kindern. Wie oft bekam der Thomas sie wegen bestimmter Diagnosen zu sehen? Ob wegen Asthma, Heuschnupfen oder allergischer Rhinitis – einer Entzündung der Nasenschleimhaut -, Ekzeme, Dermatitis, Urtikaria (Nesselsucht), Bindehautentzündung, Gewichts-/Essstörungen, Anämie, Infektionen der Atemwege, ADHS, Autismus: Mit all diesen Problemen erschienen geimpfte Kinder deutlich häufiger beim Arzt. Alles in allem ließen die Daten nur einen Schluss zu: “Ungeimpfte Kinder sind in der Regel gesünder als geimpfte”. Erstaunlicherweise fand der Arzt eine angesehene Fachzeitschrift, die seine Ergebnisse nach Peer-Review veröffentlichte . Doch nur fünf Tage nach Erscheinen verlor er seine ärztliche Zulassung – er stelle eine “Bedrohung” für die öffentliche Gesundheit dar. Prompt wurde sein Studienbericht zurückgezogen . Die „Control Group“-Studie: Völlig Ungeimpfte sind bei weitem gesünder Eine fünfte hochspannende Studie (8) stammt von The Control Group , einer amerikanischen Bürgerinitiative, die sich zum Ziel gesetzt hat, „realistische und kontrollierte Forschung und Dokumentation über die Auswirkungen von Impfungen zu betreiben – auf der Suche nach der Wahrheit über die Gesundheit und das Wohlergehen unserer Kinder, unserer Familien, unserer Freunde und von uns selbst“. Nicht weniger als 99,74 % der US-amerikanischen Bevölkerung sind geimpft. Lediglich 0,26 % - schätzungsweise 832.000 US-Amerikaner – haben bislang keinerlei Vakzine im Körper. Aus dieser Minderheit zogen die Forscher eine Stichprobe von 0,178 % - insgesamt 1.482 Kinder und Erwachsene aus 48 US-Bundestaaten. Die Fragestellung lautete: Wie häufig kommen unter diesen vollständig Ungeimpften schwere Erkrankungen vor, verglichen mit der geimpften Mehrheit? Wie es um deren Gesundheit steht, ist öffentlich zugänglichen nationalen Statistiken zu entnehmen. Erneut zeigte sich zweifelsfrei: Ungeimpfte, gleich welchen Alters, sind gesünder - bei weitem. Unter geimpften Kindern leidet mittlerweile jedes Zweite an chronischen Gesundheitsstörungen; im Jahr 2010 waren es erst 27 % gewesen. Um ein Vielfaches häufiger treten bei ihnen auf: Asthma, Ekzemen, Nahrungsmittelallergien, Ohrensausen, Augenfehlstellungen, ADHS, Autismus, Epilepsie, zerebrale Lähmung, Mukoviszidose. Die Wahrscheinlichkeit für mindestens eine solche Diagnose liegt 3,5 Mal höher als bei ungeimpften Kindern. Die Wahrscheinlichkeit, von mehreren chronischen Krankheiten betroffen zu sein, ist sogar 5,7 Mal so hoch. Weil Impfungen Erwachsene im Laufe des Lebens kumulativ belasten, stellt sich ihre gesundheitliche Situation noch viel beunruhigender dar. Sie tragen ein 9,5-mal höheres Risiko, an chronischen Krankheiten wie Asthma und Arthritis sowie an einigen der führenden Todesursachen wie Diabetes, Krebs, Herz- und Atemwegserkrankungen zu leiden. 43-mal häufiger haben sie zwei chronische Erkrankungen. 12 % von ihnen sogar fünf. Bei Geimpften im allgemeinen, über alle Altersklassen hinweg, traten 44 Mal häufiger Verdauungsstörungen auf, 207-mal häufiger chronische Sinusitis oder Infektionen der Nasennebenhöhlen. Besonders erstaunlich ist das Spektrum der Krankheiten, die bei den ungeimpften Probanden überhaupt nicht festzustellen waren. Kein einziges Baby in den untersuchten Familien war an Plötzlichem Kindstod (SIDS) verstorben, kein einziges an Krebs erkrankt. Bei ungeimpften Erwachsenen trat kein ADHS auf, kein Asthma, keine Arthritis, keine Diabetes, keine Herzerkrankungen, keine bösartigen Tumoren. „Was bedeuten also all diese Daten?“, fragt der US-Arzt Peter McCullough in einer hervorragenden, von Facebook und YouTube prompt wegzensierten Videodokumentation , in der er die erwähnten Studien zusammenfassend vorstellt. “Ganz einfach: Sie deuten darauf hin, dass Impfstoffe insgesamt zu einem kränkeren Leben führen. Tatsächlich sind es die Ungeimpften, deren Leben in der Regel mit hervorragender Gesundheit und wenigen Arztbesuchen gesegnet ist.“ Das RKI lügt – es vertuscht eigene Erkenntnisse Welch hohes Risiko von Impfungen ausgeht, belegte – unfreiwillig - ausgerechnet Deutschlands oberste Gesundheitsbehörde, das Robert Koch-Institut (RKI). Von 2003 bis 2006 führte es eine aufwändige Langzeitstudie („ KiGGS “) zur körperlichen und seelischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zwischen 0 und 17 Jahren durch. Die 17.641 Studienteilnehmer bzw. ihre Eltern füllten dazu einen umfangreichen Fragebogen aus, Ärzte führten Interviews mit ihnen, Blut- und Urinproben wurden analysiert – und Impfpässe kopiert, soweit vorhanden. Bereits ein Jahr nach Abschluss des Datensammelns präsentierte das RKI die Ergebnisse im Bundesgesundheitsblatt auf über 900 Seiten. Die Rohdaten stellte es Interessenten als „ public use file “ zur Verfügung, gegen eine Schutzgebühr von 90 Euro. (9) So viel war Angelika Müller die Sache wert. Akribisch nahm die Informatikerin, vierfache Mutter und Leiterin der Interessengemeinschaft „ Eltern für Impfaufklärung “, das RKI-Material – rund 1500 Datenwerte pro Teilnehmer – unter die Lupe . Dabei stieß sie auf „ grob fehlerhafte Auswertungen “, manipulierte Zahlen, verschwiegene Zusammenhänge. Was aus den RKI-Rohdaten in Wahrheit hervorgeht, übertraf ihre schlimmsten Befürchtungen. Geimpfte Kinder leiden fast doppelt so häufig an Neurodermitis und Heuschnupfen, fünf Mal häufiger plagt sie eine Nickelallergie. (Siehe unten, Abb. 1.) ADHS wird ihnen öfter diagnostiziert. Sie sind anfälliger für Infekte, benötigen öfter eine Brille sowie Sprachtherapie bei einem Logopäden (Abb. 2, 3). Mittelohr- und Lungenentzündungen treten bei ihnen häufiger auf. (Abb. 4) Bei keinem einzigen ungeimpften Kind, aber bei 5,3 % der geimpften ist die Wirbelsäule verdreht oder verkrümmt (s. Abb. 4). Was könnten Impfungen mit einer Skoliose zu tun haben? Zu den möglichen Mitursachen, die in fast allen Beipackzetteln von Impfstoffen als Nebenwirkung erwähnt wird, zählen Nervenerkrankungen, sogenannte Neuropathien. Durch andauernd falsch gesteuerte Anspannungen der Muskeln nahe des Rückgrats könnte sich im Laufe der Zeit eine Fehlstellung der Wirbel ergeben. Verblüffenderweise sind geimpfte Kinder erheblich anfälliger für Windpocken und Scharlach – also ausgerechnet für jene Infektionskrankheiten, vor denen sie ein „Piks“ schützen sollte (Abb. 5). Masern, Mumps und Röteln treten bei Geimpften zwar etwas seltener auf (Abb. 6) – aber dürften sie überhaupt vorkommen? Von hundert MMR-Geimpften erkranken trotzdem 10 an Masern, vier an Mumps, acht an Röteln. Entsprechend eindeutig fällt Angelika Müllers Fazit aus: „Ungeimpfte Kinder sind in jeder Hinsicht gesünder als geimpfte.“ (10) Wie dreist Wissenschaftler und Behörden tricksen, um genehme Statistiken zu liefern, führte das Robert-Koch-Institut bald darauf, zwischen 2005 und 2008, ein weiteres Mal vor: mit der TOKEN-Studie zur Sicherheit von Babyimpfungen. Ihr vollmundiger Anspruch: Lückenlos sollte sie sämtliche ungeklärten Fälle von „Plötzlichem Kindstod“ (SIDS) zwischen zwei und 24 Monaten erfassen, die zwischen Sommer 2005 und Sommer auftraten – und prüfen, ob diese Tode mit vorausgegangenen Impfungen zusammenhängen. Schon die Finanzierung der Studie machte stutzig: Für einen Sponsorbetrag von 2,5 Millionen Euro erkauften sich die Hersteller zweier zu testender Impfstoffe, Sanofi Pasteur und GlaxoSmithKline, das Recht, „unverzüglich über relevante Ergebnisse oder Bewertungen unterrichtet zu werden“ – und „Gelegenheit zur wissenschaftlichen Stellungnahme zu den zur Publikation vorgesehenen Texten zu erhalten“, ehe diese veröffentlicht werden. In die Auswertung einbezogen wurden nur 254 Fälle, in denen betroffene Eltern bereit waren, einen umfangreichen Fragebogen auszufüllen. Von 667 Müttern und Vätern, deren Kind im Untersuchungszeitraum verstarb, verweigerten aber zwei Drittel ihre Teilnahme, trotz mehrfacher Kontaktnahme. Warum wohl? Wer ist nach einem derart schmerzlichen Verlust noch erpicht darauf, die Neugier von Datensammlern zu befriedigen? Zu schlechter letzt gelang der TOKEN-Studie das Kunststück, gleichzeitig zwei diametral entgegengesetzte Erkenntnisse zu liefern: die offizielle sowie eine, die erst bei Analyse der Basisdaten zum Vorschein kam – das RKI versteckte sie in der 160-seitigen Langfassung des Studienberichts, den sie nur auf Englisch zur Verfügung stellte. Die deutsche Kurzversion gab erwartungsgemäß Entwarnung: Die Impfstoffe seien ungefährlich – schuld an den Todesfällen scheinen demnach vielmehr unaufmerksame, sorglose Eltern. Dabei rückte das RKI nichtsignifikante, aber genehme Details in den Vordergrund seiner Berichterstattung; und statt SIDS-Fälle einfach auszuzählen, „gewichtete“ es sie, bis sich politisch korrekte Schlussfolgerungen ergaben. Bei genauerem Hinsehen belegen die RKI-Daten in Wahrheit: - In den ersten 14 Tagen nach einer Impfung ist ein SIDS-Fall drei Mal wahrscheinlicher als in den darauffolgenden Wochen. - Drei Tage nach einer Sechsfachimpfung ist das Sterberisiko um das 2- bis 3-Face erhöht, nach einer Fünffachimpfung sogar um das 8,1-Fache. - Während des zweiten Lebensjahrs steigt die Wahrscheinlichkeit, binnen 72 Stunden nach einer Impfung zu sterben, um beinahe das 14-Fache. „Fakt“ ist es laut RKI, dass „Impfungen besonders bei Säuglingen und Kleinkindern wichtig sind“, weshalb sie „ zum frühestmöglichen Zeitpunkt “ stattfinden sollen. Zumindest die Aktionäre von Vakzinherstellern dürften da ohne weiteres zustimmen. Wie machen Impfstoffe krank? Wie wirken Vakzine? Das Prinzip scheint einfach und logisch. Bei der „aktiven Impfung“ erhält der Körper abgeschwächte, noch vermehrungsfähige Erreger (“Lebendimpfstoffe”), abgetötete Erreger oder lediglich Bruchstücke davon (“Totimpfstoffe”). Beide Vorgehensweisen sollen ihn anregen, Antikörper dagegen zu bilden. Bei der “passiven Impfung” wird ein Serum injiziert, das solche Antikörper bereits in hoher Konzentration enthält. Auf diese Weise, so heißt es, trainieren Impfungen das Immunsystem für den Ernstfall: eine Infektion mit gefährlichen Bakterien oder Viren. Falls es dazu kommt, kann es sie abwehren, weil es über die dafür nötigen Antikörper schon verfügt. Eltern lassen ihr Kind “piksen”, weil ihnen diese Erklärung einleuchtet. Aber sie kennen bloß die halbe Wahrheit. Zum einen bergen Impfstoffe die Gefahr, eben jene Erkrankung heraufzubeschwören, vor der sie schützen sollen. (Dies geschieht regelmäßig z.B. bei Polio-Impfkampagnen.) Zum anderen geraten mit Vakzinen noch viele weitere Inhaltsstoffe in den Körper – ins Blut, ins Gehirn, in alle übrigen Organe. Über sie pflegen Ärzte im Aufklärungsgespräch hinwegzugehen. Allenfalls im Beipackzettel tauchen die fragwürdigen Substanzen auf. Sie stehen im dringenden Verdacht, für einen Großteil der Impfschäden verantwortlich zu sein, die Hersteller und Behörden unter den Teppich kehren. Was tatsächlich in den Spritzen steckt, ließ die “Arbeitsgemeinschaft Bürgerrecht und Gesundheit” (AGBUG) zwischen 2017 und 2019 von unabhängigen Laboren untersuchen. 83 Vakzine, ein Großteil immer noch im Handel, kamen dabei unter die Lupe. Die Befunde sind haarsträubend: Fast alle Impfstoffe enthalten in Spuren Aluminium und Quecksilber. Hinzu kommen artfremde Eiweiße, Hormone und Stoffwechselprodukte aus Herstellungsprozessen, bei denen nichtmenschliche Zellkulturen, Hühnereier oder Versuchstiere infiziert werden. Auch Antibiotika, Pestizide und nichtdeklarierte Nanopartikel fanden sich schon darin. Häufig erweisen sie sich als verunreinigt mit Viren aus jenen Zellkulturen, auf denen sie gezüchtet worden sind: von Varianten des Schweinevirus über SV-40 – aus Nierenzellen von Rhesusaffen – bis zu Viren aus Hühnerzellen, die bei Vögeln Leukämie auslösen können. Wie harmlos sind diese Ingredienzien auf längere Sicht? Sicherheitskontrollen stehen aus, es fehlen Vorschriften hierfür. Von besorgten Eltern abgesehen, scheint niemand interessiert, näher hinzuschauen. Im Verdacht, krank zu machen, stehen unter anderem sogenannte “Wirkverstärker” (Adjuvantien, von lat. adiuvare : unterstützen”): künstliche Substanzen, ohne die eine Abwehrreaktion zu schwach ausfiele, um anhaltende Immunität aufzubauen. Weiterhin am häufigsten als Adjuvans dient hochgiftiges Aluminium . Es macht die Blut-Hirn-Schranke durchlässiger, verursacht vielfältige neurologische Erkrankungen, chronische Entzündungen und Autoimmunerkrankungen; es kann zur sogenannten Makrophagischen Myofasziitis (MMF) führen, einer besonders heimtückischen Muskelerkrankung. Neuere Adjuvantien wie “AS04” oder “MF59” enthalten Squalen und Polysorbat 80. Im Laborversuch erzeugen sie MS-Symptome, fördern Tumore, lassen die schützenden Myelinhüllen um Nervenzellen ebenso degenerieren wie die Schleimhäute des Darms. Nicht anders als Aluminium lösen sie Autoimmunerkrankungen wie Arthritis und Lupus erythematodes aus.Sie lassen Sexualorgane beschleunigt reifen, gleichzeitig beeinträchtigen sie deren Funktion. (11) Auch Konservierungsmittel in Impfstoffen sind höchst bedenklich. Als Ersatz für das früher übliche Quecksilber kommt neuerdings Phenoxyethanol zum Einsatz: eine Chemikalie, mit der Fische eingeschläfert, Körper- und Schönheitspflegemittel länger haltbar gemacht werden. Wie aus Datenbanken von Kosmetikherstellern ersichtlich, kann Phenoxyethanol Allergien, Hautausschläge, neurologische Erkrankungen, Immundefizite und Organschäden auslösen. In Tierversuchen führt es zu Gendefekten und Krebs. Laut Sicherheitsdatenblatt darf es weder in den Hausmüll noch ins Grundwasser geraten. In so “minimalen” Mengen wie in Vakzinen, bei denen geltende Grenzwerte weit unterschritten werden, seien die erwähnten Zusatzstoffe völlig “ unbedenklich ”, so wiegeln Gesundheitsbehörden ab. Um nachvollziehen, wie dreist man uns etwa über die Gefährlichkeit von verimpftem Aluminium täuscht, genügt ein Taschenrechner. Laut EFSA, der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, liegt die tolerierbare wöchentliche Aufnahmemenge (TWI) von Aluminium bei einem Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht. (12) Nahrungsmittel nehmen wir aber oral auf, darin enthaltenes Aluminium resorbiert unser Körper nur zu 0,1 % - hingegen zu 100 %, wenn wir es in einen Muskel oder direkt ins Blut gespritzt bekommen. Demnach müsste der Grenzwert eher 0,001 mg betragen. Der Aluminiumgehalt der in Europa zugelassenen Vakzine liegt zwischen 0,125 und 0,82 mg pro „Piks“. Bei einer Injektion von 0,8 mg nimmt ein fünf Kilo schwerer Säugling also rund das 160-fache (0,8 : 0,005) der zulässigen wöchentlichen Höchstdosis auf. Aufs ganze Jahr hochgerechnet – 1 mg mal 52 Wochen mal 7 kg (durchschnittliches Körpergewicht) -, wird der Grenzwert schon mit einer einzigen Sechsfach-Impfung um mehr als das Doppelte überschritten. Kein Grund zur Sorge? Warum wohl gilt “ASIA”, das “ autoimmune/inflammatory syndrome induced by adjuvants ”, in der Medizin inzwischen als eigenständiges Krankheitsbild? Je früher, je mehr – desto schlimmer Noch im Jahr 1970 empfahl das Robert-Koch-Institut für die ersten zwölf Monate eine einzige Impfdosis, bis zum sechsten Lebensjahr weitere fünf. Dreieinhalb Jahrzehnte später, im Jahr 2006, waren daraus 30 vor dem ersten Geburtstag geworden, weitere zehn in den fünf darauffolgenden Jahren. Und heute? Gegen 17 verschiedene Infektionskrankheiten soll ein Kind in Deutschland inzwischen geimpft werden, „zum frühestmöglichen Zeitpunkt“. Hinzu kommen, „Auffrischungen“ eingerechnet, bis zur Volljährigkeit sage und schreibe 53 Impfdosen – davon 37 im ersten Lebensjahr. Noch impfwütiger geht es in den Vereinigten Staaten zu. Dem Impfkalender der Seuchenschutzbehörde CDC zufolge (13) sollen Kinder mindestens 73 Impfungen gegen 17 verschiedene Krankheiten erhalten; allein bis zu ihrem ersten Geburtstag sind ihnen 28 Injektionen zu verabreichen. Bereits mit zwei Monaten blühen einem Säuling bis zu sechs Impfungen gegen acht Krankheiten. Noch 1962 hatte der Impfkalender für die gesamte Kindheit bloß fünf Impfdosen vorgesehen: gegen Polio, Pocken, Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten. (14) Über hundert weitere Vakzine hat die Pharmaindustrie allein in Europa momentan in der Pipeline (15) – von dieser Art „ präventiver Medizin “ träumt sie. Was derartiger Gesundheits“schutz“ anrichtet, führen zahlreiche Studien jedem, der sehen will, überdeutlich vor Augen: Je früher, je öfter Kinder „gepikst“ werden, desto größer ist ihr Risiko für gesundheitliche Einschränkungen, schwere chronische Erkrankungen und vorzeitigen Tod. (16) Diese Tendenz zeigt sich seit langem in allen Industrieländern . Warum liegt der Impfweltmeister USA bei der Kindersterblichkeit weit abgeschlagen auf Platz 55, noch hinter den Malediven, Russland und Kuba? (Deutschland belegt Rang 25.) Spitzenreiter, mit der niedrigsten Quote, ist ausgerechnet Montenegro : Dort sterben pro Jahr unter 1000 Neugeborenen im statistischen Mittel 1,46, in den USA sind es 6,3. (In Deutschland 3,6.) In Montenegro glaubt nicht einmal jeder zweite Einwohner, Vakzine seien wirksam und sicher – in den Vereinigten Staaten tun es hingegen drei Viertel. Obwohl die USA bei weitem das meiste Geld für Kindergesundheit ausgeben, ist die Wahrscheinlichkeit für ein Baby, in seinem ersten Lebensjahr dem “Plötzlichen Kindstod” (SIDS) zum Opfer zu fallen, dort um 76 % höher als in 19 anderen wohlhabenden Ländern. (17) Ausgerechnet im März und April 2020, als wegen Corona-“Lockdowns” kein Baby in Arztpraxen zum “Piksen” vorstellig wurde, fiel die SIDS-Rate in den Vereinigten Staaten um rund 35 %. Was geschieht mit solchen Informationen? Facebook blockiert sie. Twitter löscht sie. Google versteckt sie. YouTube verbannt sie. Medien schweigen darüber – oder brandmarken sie als Verschwörungstheorie. Talkshows plappern über sie hinweg, Nachrichtensendungen klammern sie aus. Das nährt den Verdacht, dass sie stimmen. Warum schweigen Ärzte? Warum klären impfende Ärzte ihre Patienten nicht darüber auf? Weil sie selber aufklärungsbedürftig sind. Weshalb? Weil sie während ihres Studiums, in Vorlesungen von Professoren auf Honorarlisten von Pharmakonzernen, ebensowenig von Risiken und Gefahren des Impfens erfahren wie aus Lehrbüchern, die pharmafinanzierte Autoren verfasst haben; weder in pharmagesponserten Fortbildungsveranstaltungen und Kongressen noch aus pharmafinanzierten Fachzeitschriften, Online-Infoportalen und Verlautbarungen von Standesorganisationen. (18) Falls ein Arzt Sie wieder einmal bedrängt, Ihr Kind schleunigst impfen zu lassen: Empfehlen Sie ihm die folgenden beiden Bücher – und versprechen Sie ihm, dem „Piks“ zuzustimmen, sobald er die darin vorgestellten rund 500 Studien zur Kenntnis genommen und überzeugend widerlegt hat: Robert F. Kennedy Jr./Brian Hooker: Geimpft versus ungeimpft – Jetzt spricht die Wissenschaft! (2023) Neil Z. Miller: Der Große Impfreport – 400 kritische Studien für Eltern und Forscher (2021) Eigentlich müsste jeder Arzt sie bereits kennen, ehe er sich über das Grundrecht seiner Patienten auf körperliche Unversehrtheit hinwegsetzt. Wie kann er Ihre „informierte Zustimmung“ einholen, solange es ihm selber an entscheidenden Informationen mangelt, die er ihnen zu bedenken geben müsste? Scheuen Sie sich nicht, respektlos seine Kompetenz zu testen – schließlich steht nichts Geringeres auf dem Spiel als die Zukunft Ihres Kinds. Wer hinterfragt, erscheint ahnungslos. Wer darauf verzichtet, bleibt es. Lassen Sie ihn die „Ärztliche Impferklärung“ unterzeichnen, die das schweizerische „Netzwerk Impfentscheid“ entworfen hat – ein Arzt, der sich seiner Verantwortung bewusst ist, dürfte nicht zögern. Schaden von der Bevölkerung abzuwenden, ist im übrigen nicht bloß Ärztesache. Der Bundespräsident, der Kanzler und jedes Regierungsmitglied leistet seinen Amtseid darauf, insbesondere der Gesundheitsminister. Wo bleiben staatliche Forschungsinitiativen, um endlich Klarheit zu schaffen? Weshalb sperren sich Gesundheitsbehörden dagegen, allen voran das Robert-Koch-Institut? Faule Ausreden Aufwändige Nachforschungen anzustellen, sei überflüssig, so macht man uns weis – denn die Wahrscheinlichkeit schwerer Nebenwirkungen liege ja bekanntlich bei gerade mal „eins zu einer Million“. Um uns diese Beruhigungspille zu verabreichen, setzen Behörden die Gesamtheit der Geimpften ins Verhältnis zu jenem Personenkreis, dessen Impfschäden staatliche Anerkennung gefunden und zu Entschädigungszahlungen geführt haben. Das ist tatsächlich eine verschwindende Minderheit – was niemanden verwundert, der weiß, welch schikanösen, zeitaufwändigen, nervenaufreibenden Hürdenlauf Impfopfer bewältigen müssen, um zu ihrem Recht zu kommen. Seriöse Studien schätzen die Rate unerwünschter Nebenwirkungen eher auf 1 zu 38 (19), ja auf 1 zu 10. (20) Um Risiken abzuschätzen, fänden die hochwertigsten aller wissenschaftlichen Untersuchungen statt, so versichert man uns: randomisierte kontrollierte Studien (RCT). Dabei werden Versuchspersonen nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt: Die eine erhält das Medikament („Verumgruppe“), die andere bloß ein Placebo („Kontrollgruppe“). Um Erwartungseffekte auszuschließen, werden alle Teilnehmer „verblindet“: Sie bleiben im Ungewissen darüber, welcher Gruppe sie angehören. Damit der Vergleich aussagekräftig ist, schreibt das RCT-Design vor, dass ein Placebo „inert“ sein muss, also ohne pharmakologische Wirkung, beispielsweise neutrale Kochsalzlösung. Bei den meisten Impfstoffstudien kommen in den Kontrollgruppen aber skandalöserweise gar keine echten Placebos zum Einsatz, sondern andere Vakzine. Oder das Placebo enthält die gleichen Inhaltsstoffe, außer den jeweiligen Antigenen, d.h. ohne die Viren oder Bakterienbestandteile, gegen die Antikörper gebildet werden sollen: von Aluminium über Formaldehyd bis Polysorbat 80. So war es bei Gardasil, einem Impfstoff gegen das humane Papillomavirus, das vermeintlich Gebärmutterhalskrebs auslöst: Es durfte gegen AAHS antreten, einen hochtoxischen Wirkverstärker („Adjuvans“). (Adjuvantien sind Substanzen, die Impfstoffen zugesetzt werden, um eine „robustere Immunantwort“ hervorzurufen, als das Antigen allein zustande brächte.). Zur „Kontrolle“ eines Grippeimpfstoffs bei Schwangeren kam ein Meningokokken-Vakzin zum Einsatz. (21) Ein solch hanebüchener Griff in die Trickkiste, im Grunde ein plumper Betrug, führt regelmäßig dazu, dass das Schadensprofil der getesteten Substanz vergleichsweise harmlos erscheint, weil auch die Placebogruppe vergiftet wird – zur nachvollziehbaren Freude der Hersteller, die derartige Pseudostudien zumeist finanzieren. Im übrigen stehen andere Analysemethoden zur Verfügung, die nicht minder zuverlässige Ergebnisse liefern: seien es prospektive, auf künftige Gesundheitsfolgen ausgerichtete, oder retrospektive, die schon vorliegende medizinische Daten auswerten. (22) Mit solchen Verfahren arbeiten Gesundheitsbehörden routinemäßig. Nur wenn es ums Impfen geht, ergreifen sie schlagartig Berührungsängste. Oft heißt es, Vergleichsstudien mit Geimpften und Ungeimpften seien „unethisch“. Denn zur Placebokontrolle müsste man einem Teil der Versuchspersonen ein Medikament vorenthalten, das „womöglich eine schwere, nicht behandelbare oder tödliche Infektion verhindern kann“, wie es auf der Website einer Kinderklinik heißt. (23) Dies könne man keinesfalls verantworten. Doch genauso argumentieren lässt sich doch bei allen Arzneimitteltests: Wie kann man es unterlassen, Patienten der Kontrollgruppe ein neues Herz- oder Krebsmittel zu geben, das möglicherweise ihr Leben rettet? Dass Impfbefürworter nur bei Vakzinstudien plötzlich ganz arg moralische Bedenken plagen, deutet auf eine Agenda hin, die herzlich wenig mit Wissenschaft und Logik zu tun hat. Absurd ist das Ethik-Argument auch deshalb, weil man vor Beginn einer RCT-Studie ja noch gar nicht weiß, wie ein Impfstoff wirkt. Bedeutet er für die Verumgruppe eher Segen als Fluch? Wäre es für die Kontrollgruppe daher eher nützlich als schädlich, ihn ebenfalls verabreicht zu bekommen? Eben dies gilt es ja erst herauszufinden. Geimpfte und ungeimpfte Kinder seien allein schon deshalb nicht miteinander vergleichbar, weil sie in unterschiedlichen sozialen Milieus großwerden, die ihre gesundheitliche Entwicklung maßgeblich mitbeeinflussen. Wenn Ungeimpfte seltener krank sind, verdanken sie das womöglich weniger der Impfskepsis ihrer Eltern als vielmehr deren Erziehungsverhalten. Womöglich machen sie sich mehr Sorgen um ihren Nachwuchs, nehmen Symptome ernster, betreuen sie im Krankheitsfall aufmerksamer, bringen sie notfalls rascher zum Arzt, achten auf bessere Ernährung und mehr Bewegung. An Kuriosität ist dieses Argument kaum zu überbieten. Legt es nicht vielmehr die Empfehlung nahe?: „Liebe Mamas und Papas, wenn ihr gesunde Kinder wollt – nehmt euch impfkritische Eltern zum Vorbild!“ Ausgerechnet von Anthony Fauci, Amerikas Impfpapst und jahrzehntelanger Big-Pharma-Darling, stammt die eindringliche Warnung: Falls Zulassungsbehörden es versäumen, längerfristige Auswirkungen von Impfungen zu kontrollieren, „dann könnte sich herausstellen, dass es zwölf Jahre dauert, bis die Hölle richtig losbricht – und was hat man dann angerichtet?“ (24) Recht hat er. „Die Hölle“ ist aber längst da. „Seit 225 Jahren wiederholt sich immer wieder dieselbe Geschichte“, wie die amerikanische Internistin Dr. Suzanne Humphries feststellt (25): „Impfstoffe kommen auf den Markt und verschlimmern Krankheiten, die früher eigentlich nicht sehr problematisch waren. (…) Die Erzählung von der ‚sicheren und wirksamen‘ Impfung ist eine sorgfältig fabrizierte Illusion. (…) Es ist eine dunkle Nacht der Seele, wenn du aufwachst. Deine ganze Welt gerät aus den Fugen, weil du erkennst, dass das gesamte medizinische System korrupt ist.“ Der US-Ganzheitsmediziner Joseph Mercola pflichtet ihr bei: „Die Impfstoffindustrie täuscht uns absichtlich über die Risiken und Vorteile von Impfstoffen, um Profit zu machen, ohne Rücksicht auf menschliches Leid und die Zerstörung der öffentlichen Gesundheit im Laufe der Zeit.“ (26) „Manchmal fragen mich die Leute: 'Was ist der Antrieb? Warum tun sie das?'“, so Humphries. „Meine Antwort ist, dass ich das Warum nicht vollständig beantworten kann. Sicherlich spielt Gier eine Rolle, aber ich denke, es sind wahrscheinlich noch viel schlimmere Dinge im Spiel.“ (27) Von der Pharmalobby gesponsert (28), sieht die Weltgesundheitsorganisation in Impfgegnern wie Humphries und Mercola eine „ globale Bedrohung “. Sie zählt Impfzurückhaltung zu den „zehn schwerwiegendsten Gefahren für die Gesundheit der Menschheit“. Im Ernst? Der Forschungsstand legt vielmehr die Vermutung nahe: Weitaus gefährlicher wäre es, Impfzurückhaltung aufzugeben. Zumeist überwinden Infektionen nicht das Immunsystem, sondern stärken es. Am ehesten fürchten muss sie, wer es hartnäckig vernachlässigt. Spätestens seit der Coronakrise wissen wir: Angst gefährdet die Gesundheit, Wissen stärkt die Abwehrkräfte. ( Harald Wiesendanger ) Anmerkungen 1 Zur Sechsfach-Impfung - gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Poliomyelitis, Haemophilus influenzae Typ b und Hepatitis B - kommen neuerdings Impfungen gegen Rotaviren, Meningokokken und Pneumokokken. 2 https://www.unicef.de/informieren/aktuelles/blog/-/elf-dinge-ueber-impfungen-zur-weltimpfwoche/275230 ; https://www.ardalpha.de/wissen/gesundheit/gesund-leben/die-erfolgsgeschichte-des-impfens-impfung-100.html 3 Anthony R. Mawson u.a.: „ Pilot Comparative Study on the Health of Vaccinated and Unvaccinated 6- to 12-year-old U.S. Children “, Journal of Translational Science 3 (3) 2017, S. 1-12, DOI: 10.15761/JTS.1000186, 4 Anthony R. Mawson u.a.: „ Preterm Birth, Vaccination and Neurodevelopmental Disorders: A Cross-Sectional Study of 6- to 12-Year-Old Vaccinated and Unvaccinated Children “, Journal of Translational Science 3 (3) 2017, S. 1-8, DOI:10.15761/JTS.1000187 5 Brian Hooker/Neil Z. Miller: „ Analysis of Health Outcomes in Vaccinated and Unvaccinated Children: Developental Delays, Asthma, Ear Infections and Gastrointestinal Disorders “, SAGE Open Medicine 8/2020, DOI:10.1177/2050312120925344 6 Brian Hooker/Neil Z. Miller: „ Health Effects in Vaccinated versus Unvaccinated Children “, Journal of Translational Science 7/2021, S. 1-11, DOI:10.15761/JTS.1000459 7 James Lyons-Weiler/Paul Thomas: “ Relative Incidence of Office Visits and Cumulative Rates of Billed Diagnoses along the Axis of Vaccination ”, International Journal of Environmental Reseach and Public Health 17 (22) 2020, 8674, DOI:10.3390/ijerph17228674, 8 Joy Garner: „ The Control Group: Pilot Survey of Unvaccinated Americans. Statistical Evaluation of Health Outcomes in the Unvaccinated: Full Report “, 9. Februar 2021 9 Public-Use-File KiGGS, Kinder- und Jugendgesundheitssurvey 2003-2006, Robert-Koch-Institut, Berlin 2008 10 https://efi-online.de/wp-content/uploads/2014/01/UngeimpfteGesuender.pdf , S. 6. 11 Siehe zusammenfassend Harald Wiesendanger: Das Gesundheitsunwesen , a.a.O, S. 334 ff. und die dort zitierten Quellen. 12 Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), EFSA-Beratung zur Sicherheit von Aluminium in Lebensmitteln, 15. Juli 2008, abrufbar unter https://www.efsa.europa.eu/de/news/efsa-advises-safety-aluminium-food . 13 Centers for Disease Control and Prevention: „ Birth-18 Years Immunization Schedule “ 14 Siehe Robert F. Kennedy Jr./Brian Hooker: Geimpft versus ungeimpft – Jetzt spricht die Wissenschaft! (2023), S. 20, 15 https://web.oevih.at/unser_fokus/forschungsausblick-impfstoff-pipeline/ ; https://pharma-fakten.de/grafiken/rsv-grippe-covid-19-und-co-neue-loesungen-dank-impfstoffforschung-in-sicht/ 16 Siehe Robert F. Kennedy Jr./Brian Hooker: Geimpft versus ungeimpft – Jetzt spricht die Wissenschaft! (2023), S. 34-61 17 https://www.klartext-online.info/post/damit-sein-tod-nicht-sinnlos-war ; https://www.klartext-online.info/post/blo%C3%9F-ein-piks-zwei-tage-sp%C3%A4ter-tot 18 Siehe Harald Wiesendanger: Das Gesundheitsunwesen - Wie wir es durchschauen, überleben und verwandeln (2019) sowie die zehnteilige Serie „Dressierte Halbgötter “ in seinem Blog „Klartext“ 19 Ross Lazarus u.a.: „ Electronic Support for Public Health-Vaccine Adverse Event Reporting System (ESP: VAERS), The Agency for Healthcare Research and Quality (AHRQ), Mech2011 20 Kennedy/Hooker: Geimpft versus ungeimpft , a.a.O., S. 6. 21 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4985566/ , DOI.10.1016/S1473-3099(16)30054-8 22 DOI:10.1002/14651858. MR000034.pub2, https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8191367/ 23 The College of Physicians of Philadelphia: „ Vaccines 101: Ethical Issues and Vaccines “ 24 Nova, PBS, „ Surviving AIDS “, 2. Februar 1999. 25 Suzanne Humphries/Roman Bystrianyk: Die Impf-Illusion. Infektionskrankheiten, Impfungen und die unterdrückten Fakten (2015) 26 Joseph Mercola in mercola.com , 25. Februar 2024 27 Elizabeth Humphries im Interview mit Joseph Mercola: „ Dissolving Illusions About Vaccine Safety “ 28 Wolfgang Wodarg: Falsche Pandemien , 2. Aufl. 2021, S. 314 ff.
- Hyperinflation des Seltenen
„Selten“: das klingt nach vernachlässigbar wenig. Doch zumindest im Gesundheitswesen trügt dieser Eindruck gewaltig. Auch wenn jede „seltene Krankheit“ höchstens 0,05 % der Bevölkerung heimsucht, explodiert ihre Artenvielfalt neuerdings regelrecht: Über 17.000 sind es inzwischen. Und immer mehr Menschen sind betroffen: vier Millionen allein in Deutschland, bis zu einer halben Milliarde weltweit. Dafür verantwortlich sind in erster Linie Lebensverhältnisse, die systematisch krank machen. Eine Mitschuld tragen Politiker, die dabei tatenlos zusehen. Es war am 15. August 2015, als ich Kim zum ersten Mal begegnete: einem achtjährigen Mädchen, das ihre Eltern zu einem Therapiecamp meiner Stiftung Auswege begleiteten. Im Mai 2007 kerngesund zur Welt gekommen, waren bei ihr nach vier Monaten erste heftige Krämpfe aufgetreten, wie sie für das „West-Syndrom“ charakteristisch sind, eine besonders schwer zu behandelnde Form von Epilepsie. Die Diagnose, bestätigt durch eine DNA-Analyse, lautete auf „tuberöse Sklerose“ (TSC): eine seltene Erbkrankheit, die zu Wucherungen und Fehlbildungen von Gewebe in nahezu allen Organen führt, häufig an der Haut, aber auch im Gehirn. Nur eines von 6000 Kindern ist betroffen . Aus der Hirnrinde können „Tubera“ wachsen, beulenartige Vorwölbungen, welche Anfälle auslösen und die geistige Entwicklung beeinträchtigen. Kim wies autistische Züge auf. Sie sprach kein Wort. Ein Jahr zuvor, in einem weiteren „Auswege“-Therapiecamp , lernte ich den 18-jährigen Marvin kennen. Sein Risiko, mit einem Gendefekt in den Abschnitten q1.2 bis q11.13 auf Chromosom 15 zur Welt zu kommen, hatte bei 1 zu 20'000 gelegen – aber was nützt Betroffenen wie ihm eine statistische Unwahrscheinlichkeit? Der junge Mann leidet am „ Angelman-Syndrom “, benannt nach dem britischen Arzt Harry Angelman (1915-1996). Happy-Puppet-Syndrome heißt es auch, anspielend auf einen seltsam puppenhaften, unentwegt freudigen Gesichtsausdruck, grundloses Lachen, regelrechte Lachanfälle. Diese Erkrankung äußert sich unter anderem in geistiger und körperlicher Behinderung - vor allem einer stark zurückgebliebenen Sprachentwicklung -, Wahrnehmungsstörungen sowie Hyperaktivität. Als seine Diagnose endlich feststand, war Marvin schon sieben Jahre alt. Er ist geistig stark behindert, kann nicht sprechen, hat Schwierigkeiten beim Gehen, ist inkontinent. Seine Bewegungskoordination ist gestört. Aus seinem Mund, den er nicht schließen kann, tropft unentwegt Speichel. Seit März 2013 treten epileptische Anfälle auf, bei denen beide Arme minutenlang zucken. Oft steigern sie sich zu stundenlangen Myoklonien, unwillkürlichen Zuckungen der Muskulatur in allen vier Extremitäten. Ausnahmen als Massenphänomen Mysteriös häufen sich neuerdings derartige „Seltene Krankheiten“, definitionsgemäß mit jeweils weniger als fünf Betroffenen pro 10.000 Einwohnern. (1) Manchmal leiden weltweit bloß eine Handvoll Menschen unter einem bestimmten Typus. In 27 Jahren wurde bloß bei vier Patienten der Ribose-5-Phosphat-Isomerase-Mangel festgestellt: Genetisch bedingt fehlt ein bestimmtes Enzym, was für eine schwere Stoffwechselstörung sorgt, die sich vor allem auf die weiße Substanz des Gehirns auswirkt; die Entwicklung verläuft verzögert, die Motorik ist nur eingeschränkt kontrollierbar. Noch seltener ist die „ Fields-Krankheit “: ein Muskelschwund, mit dem bisher bloß zwei Zwillingsschwestern aus Südwales aufgefallen sind, Kirstie und Catherine Fields. Mit vier Jahren setzten Bewegungsstörungen ein. Mit 9 benötigten sie Gehhilfen. Mit 14 verloren beide ihre Stimme. Mittlerweile sitzen sie im Rollstuhl. Pro Tag erleiden die unglückseligen Mädchen mehr als 100 unkontrollierbare, schmerzhafte Muskelkrämpfe. In der Summe belasten solche medizinischen Raritäten Abermillionen. Insgesamt 17.000 verschiedene derartige Erkrankungen listet die Fachliteratur inzwischen auf, für 5000 bis 8000 sind Fälle in Deutschland bekannt (2) – ein wahres Horrorkabinett. Nach Angaben des Global Genes Project weisen weltweit 350 Millionen Menschen eine seltene Krankheit auf – also rund fünf Prozent der Weltbevölkerung. (3) Die Europäische Organisation für seltene Krankheiten (EURORDIS) schätzt , dass zwischen 3,5 und 5,9 % der gesamten Menschheit betroffen sind; das entspräche 263 bis 446 Millionen. Und in Europa? Die EU geht davon aus, dass zwischen 6 und 8 % der Bevölkerung irgendwann in ihrem Leben von einer seltenen Krankheit betroffen sein könnten. (4) Zwischen 27 und 36 Millionen sind es aktuell. In Deutschland sollen es drei bis vier Millionen sein (5), jüngste Schätzungen gehen von 4,3 Millionen Bundesbürgern aus. (6) Damit sind seltene Krankheiten zum Massenphänomen geworden. Aus dem nüchternen Zahlenwerk, den lieblosen Prävalenz-Nullen vor dem Komma, springen jedem Empathiefähigen nicht bloß biologische Kuriositäten entgegen – es geht um unsägliche, herzzerreißende Tragödien. Viele Betroffene – zu 75 % Kinder - erleben ihre Einschränkungen, ihr Anderssein bei vollem Bewusstsein mit, für den Rest ihres Lebens unentrinnbar eingesperrt im Gefängnis eines genetisch verunstalteten Körpers. Zwar ist, mit intensiver Behandlung und reichlich Geduld, beim einen oder anderen Symptom durchaus Linderung möglich, wie ich in den Therapiecamps meiner Stiftung staunend miterleben durfte. Doch nur für etwa 400 „seltene Krankheiten“ gibt es überhaupt irgendwelche Therapien. (7) Diese dämpfen allenfalls Begleiterscheinungen. Vollständige Heilung bleibt eine Illusion. Fast immer. Zu diesen düsteren Aussichten trägt bei, dass die Entwicklung von „ Orphan Drugs “, wie Medikamente gegen seltene Krankheiten heißen, für die Pharmaindustrie aufgrund der winzigen Zielgruppen wirtschaftlich weitaus unattraktiver ist, als beispielsweise Krebspatienten, Hypertoniker, Diabetiker und Rheumatiker anzuvisieren. Also müssen Wucherpreise für Ausgleich sorgen: Orphan Drugs sind durchweg so irrwitzig teuer, dass sie für so gut wie alle Betroffenen unerschwinglich bleiben, falls ihre Ersparnisse nicht ausreichen und keine Krankenkasse einspringt. Für wenig therapeutischen Ertrag fließt trotzdem üppig Geld: So schätzten Marktforscher von Evaluate Pharma den Umsatz mit Arzneimitteln gegen seltene Krankheiten 2021 auf 156 Milliarden US-Dollar - das entspricht rund 16 Prozent des Marktes für verschreibungspflichtige Arzneimittel; bis 2024 wurden daraus 217 Milliarden. Nicht nur die Patienten selbst, auch ihre Familien belastet die trostlose Perspektive immens. Mit der Schwere der Krankheit nimmt die Bedrückung zu. Stets gibt es Angehörige, die ohnmächtig mitfühlen, vergeblich Therapiechancen erkunden, sich im Betreuen und Pflegen aufopfern, dafür eigene Lebenspläne über den Haufen werfen, der Sinnfrage sinnlos nachgrübeln. Bedrückt malen sie sich eine Zukunft aus, in der sie ihr zeitlebens gehandicapptes Kind fremden Händen anvertrauen müssen, weil sie mit ihren Kräften am Ende sind, irgendwann auch mit ihrer Lebenszeit. Zermürbende Odyssee Ehe die Hoffnung stirbt, treibt sie zur verzweifelten Suche. Mit den ersten rätselhaften Beschwerden beginnt für die Betroffenen und ihre Angehörigen zumeist eine zermürbende Odyssee von Praxis zu Praxis, Klinik zu Klinik; bis zu acht Ärzte suchen sie auf. Findet sich keine organische Erklärung, unterstellen ahnungslose Schulmediziner allzu oft ein psychosomatisches Problem. 40 Prozent der Patienten erhalten mindestens einmal eine Fehldiagnose. Bis endlich die richtige Diagnose gefunden ist, verstreichen im Schnitt 4,8 Jahre. (8) Mit durchschnittlich 147.000 Euro übertreffen die Behandlungskosten von seltenen Leiden jene des Durchschnitts chronischer Erkrankungen um rund das Fünffache. (9) Vier von fünf seltenen Krankheiten sind genetisch bedingt, rühren also von Schäden am Erbgut her, die körpereigene Reparaturmechanismen nicht mehr beheben können. Je nachdem, in welchen Chromosomenabschnitten und DNA-Sequenzen die Anomalien auftreten, sind Erscheinungsbild, Organe und Körperfunktionen aufs Sonderbarste beeinträchtigt: von kognitiven Einschränkungen über Veränderungen des äußeren Erscheinungsbilds bis hin zu Erblindungen. So leiden weltweit drei Millionen Menschen – in Deutschland etwa 30.000 bis 40.000 – an Retinitis pigmentosa (RP): Während Netzhautzellen allmählich absterben, verengt sich das Gesichtsfeld, bis es völlig ausfällt. LHON, die „Lebersche Hereditäre Optikus-Neuropathie“, beginnt bei rund 80 Deutschen pro Jahr damit, dass in der Mitte des Gesichtsfelds dauerhaft schwarze Flecken auftreten. Binnen weniger Wochen und Monate weitet sich diese Sehstörung fast immer auf das zweite Auge aus. Nach kurzer Zeit fällt die Sehkraft unter zehn Prozent. Auch unheilbar fortschreitende Lähmungen kommen vor. Bei 3600 bis 6000 deutschen Kindern mit Duchenne-Muskeldystrophie (DMD) beispielsweise wird kein funktionsfähiges Muskelprotein Dystrophin mehr gebildet. Es kommt zu einem unaufhaltsamen Muskelabbau, zunächst im Bewegungsapparat, dann in der Atmung und im Herz. Häufig handelt es sich um exotische Stoffwechselstörungen. Die Ahornsirupkrankheit beispielsweise - Maple Syrup Urine Disease , MSUD -, die bei einem von 140.000 bis 200.000 Neugeborenen vorliegt, verdankt ihren Namen dem würzig-süßlichen Geruch von Urin und Atem. Bei ihr führt die verminderte Aktivität eines Enzyms dazu, dass die Aminosäuren Leuzin, Isoleuzin und Valin nicht ausreichend abgebaut werden; stattdessen reichern sie sich im Blut und Gewebe stark an. Betroffene Kinder wirken schläfrig bis apathisch oder lethargisch; sie leiden an Trinkschwäche, neigen zu Durchfall und Erbrechen, ihre Muskelspannung ist zu niedrig, ihre Reflexe sind geschwächt. Schlimmstenfalls führt MSUD zu Krampfanfällen, Koma und lebensbedrohlichen Atmungsstörungen. Ein Gendefekt auf Chromosom 8 beschwört bei drei von einer Million Menschen ein „Werner-Syndrom“ herauf, auch Progeria adultorum genannt. Erst Anfang dreißig macht es sich bemerkbar, dann aber Schlag auf Schlag: Die Haut wird faltig, wirkt dünn und durchscheinend; die Stimme klingt schwach und hoch; die Haare ergrauen und fallen aus, die Muskeln bilden sich zurück, der Gang ist gekrümmt statt aufrecht. Man sieht nicht nur aus wie ein 60-jähriger, man benimmt sich auch so. Mit vierzig sieht man aus wie achtzig. Die meisten Erkrankten erleben ihren 50. Geburtstag nicht mehr. Erst 1965 fiel zwei amerikanischen Neurologen eine Erbkrankheit auf, die seither ihren Namen trägt: das Flynn-Aird-Syndrom: Einer unter einer Million Menschen wird gegen Ende des Jugendalters schwerhörig, die Muskelmasse schwindet, Gelenke versteifen; die Augenlinse trübt ein, Bewegungen werden unkoordiniert, die Zähne stark kariös, Knochen osteoporös; Epilepsie oder Demenz treten auf. Mutationen im ABCA 12-Gen auf Chromosom 2, Genort q35 verursachen eine Harlekin-Ichthyose. Bei einem von 300.000 Menschen sorgen sie dafür, dass er langsam zu Stein zu werden scheint. Bei dieser Krankheit erneuert sich die oberste Hautschicht sieben Mal schneller als normal. Dies führt dazu, dass sie sich abschält; dicke Narben bilden sich. Schließlich verhornt die Haut so sehr, dass sie panzerartig aussieht - wie die Oberfläche eines Steins. Von wegen schicksalhaft Überwiegend treten die genetischen Abweichungen in den Familien der Betroffenen erstmalig auf. Demnach war mindestens ein Elternteil oder sie selbst, womöglich noch im Mutterleib, genotoxischen Einflüssen ausgesetzt, die auf vorherige Generationen kaum bis überhaupt nicht einwirkten. Die allermeisten seltenen Erkrankungen tauchten in der medizinischen Fachliteratur erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf, zuvor waren sie unbekannt. Um die katastrophale Entwicklung kleinzureden, finden rhetorische Winkelzüge statt, wie man sie aus der Autismusdebatte zur Genüge kennt: „Keine Bange, es trügt der Schein“, so macht man uns weis – in Wahrheit würden Fälle bloß öfter erkannt, weil Ärzte sie häufiger diagnostizieren, Daten besser gesammelt werden, Eltern sensibilisiert sind, Definitionen sich geändert haben, Journalisten vermehrt berichten, das öffentliche Bewusstsein dafür gewachsen sei. Schließlich gibt es seit 2008 ja den Internationalen „ Tag der seltenen Krankheiten “, begangen an jedem letzten Februartag. Alberner an der Nase herumführen geht kaum. Hat der Tag der Jogginghose am 21. Januar, der Tag der Geschwister am 10. April, der Tag des Baumes am 25. April, der Tag der Hängematte am 22. Juli etwa erheblich mehr Aufmerksamkeit für gewisse Kleidungsstücke, Verwandtschaftsverhältnisse, Pflanzen und Ruhegelegenheiten erzeugt? Seltene Krankheiten haben tatsächlich inflationär zugenommen – im selben Maße, wie sich die unnatürlichen Belastungen des menschlichen Organismus vervielfachten. Nie zuvor in seiner sechs Millionen Jahre langen Entwicklungsgeschichte musste er mit mehr Einflüssen fertig werden, die das Erbgut schädigen – und zugleich die körpereigenen Reparaturmechanismen für solche Defekte schwächen. Künstliche Strahlung aus immer mehr Quellen, Schadstoffe in Luft, Wasser und Boden, Chemikalien in Nahrungsmitteln, Pestizide, Mikro- und Nanoplastik, mutagene Arzneimittel: Kaum mehr als ein halbes Jahrhundert verschlafenen Umwelt- und Verbraucherschutzes haben ausgereicht, die Lebensbedingungen von Homo sapiens so unentrinnbar pathogen werden zu lassen, dass allenfalls Cyborgs und Roboter sie schadlos überstehen werden. Zumindest sie bleiben von „seltenen Erkrankungen“ zuverlässig verschont. Passt die Agenda von Transhumanisten nicht vortrefflich zu solchen Aussichten? ( Harald Wiesendanger ) Dieser Beitrag enthält Auszüge aus dem 2019 erschienenen Buch von Harald Wiesendanger: Das Gesundheitsunwesen – Wie wir es durchschauen, überleben und verwandeln , dort S. 32-35. Anmerkungen (1) Dieses Prävalenzkriterium verwenden EU-Behörden in ihrer Definition einer „seltenen Krankheit“. In den USA wird von 7,5 pro 10.000 Einwohnern ausgegangen. (2) RARE List, https://globalgenes.org/rarelist , 15. April 2016. (3) https://globalgenes.org/rarelist (4) Nguengang Wakap u.a.: "Estimating cumulative point prevalence of rare diseases: analysis of the Orphanet database" . European Journal of Human Genetics. 28 (2) 2020, S. 165–173. doi : 10.1038/s41431-019-0508-0 . (5) Public Health – European Commission. https://ec.europa.eu/health ; Deutsches Ärzteblatt, 19. November 2010, S. A 2272. (6) Plus Drei, No. 52, Februar 2019, S. 8. (7) Ana Sanfilippo/Jimmy Lin: Rare Diseases, Diagnosis, Therapies, and Hope, St. Louis, MO 2014, S. 6. (8) Nach Shire Deutschland, zit. in Plus Drei, a.a.O., S. 11. (9) Nach Evaluate, Statista; zit. in Plus Drei, a.a.O., S. 9.
- Raumschiff Erde: ein Lazarett
Falls Außerirdische tatsächlich seit langem den blauen Planeten umschwirren: Warum landen sie nicht endlich? Bestimmt fürchten sie die Infektion mit einem Hirnvirus, das Befallene anscheinend in den Irrsinn treibt: sich einem Gesundheitswesen auszuliefern, das von Krankheit lebt. Das eine oder andere Ufo bestaunten schon die alten Ägypter und Römer, die Azteken und Mayas. Doch massenhaft am Himmel tummeln sich die flinken Dinger seltsamerweise erst seit der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts – just als die terrestrische Gesundheitskrise einsetzte, die immer mehr Erdbewohner in chronisch Kranke verwandelt. Kann dieser zeitliche Zusammenhang Zufall sein? Gewiss fand die Erde damals Aufnahme in den UWHTA-Reisekatalog (Universal Worm Hole Travel Agency) – als Hauptattraktion des intergalaktischen Ferntourismus, denn sie dürfte der einzige bewohnte Planet im Universum sein, dessen Bewohner (a) gelegentlich zwar ansatzweise Intelligenz erkennen lassen, jedoch (b) seit Jahrzehnten anscheinend ein Gesundheitszerstörungsprogramm verfolgen, worin sie (c) unverdrossen wissenschaftlich-technischen Fortschritt erkennen. Aber wieso landen neugierige Außerirdische nicht scharenweise bei uns, für Sightseeings und Shakehands? Warum schwirren sie weiterhin in sicherem Abstand über unseren Köpfen herum, um nach einer kurzen Weile beinahe lichtgeschwind wieder das Weite zu suchen? Vermutlich weil die ET-Touristen befürchten, sie könnten sich mit jenem Hirnvirus infizieren, das unser unsägliches Medizinsystem hervorgebracht hat und aufrechterhält: eine monströse Maschine, die umso besser funktioniert, je schlechter wir es tun – je mehr wir verlieren, was wir für unser höchstes Gut erachten. Diese Medizin hat so gewaltige Fortschritte gemacht, dass in ihren Hochburgen, westlichen Industrieländern, inzwischen jeder Zweite chronisch krank ist – Tendenz steigend. Schon 20 bis 30 Prozent leiden an mehreren Krankheiten gleichzeitig. (1) Und je älter, desto öfter und schlimmer: In Deutschland beispielsweise liegen bei 76 Prozent der Frauen und 68 Prozent der Männer in der Altersgruppe der 65- bis 74-Jährigen zwei und mehr chronische Erkrankungen gleichzeitig vor. Ab 75 Jahren steigt der Anteil auf 82 Prozent bei Frauen und 74 Prozent bei Männern. (2) In der Altersgruppe der 65- bis 74-jährigen liegen bei jeder vierten Frau und jedem fünften Mann fünf und mehr chronische Erkrankungen gleichzeitig vor; ab 75 Jahren sind 35 Prozent der Frauen und 26 Prozent der Männer betroffen. Je mehr Multimorbide es gibt, desto häufiger werden Arztbesuche (3) und Klinikaufenthalte. Desto häufiger ist der Arzt überfordert – denn ein Patient mit mehreren Diagnosen ist nicht das gleiche wie mehrere Patienten mit jeweils einer. Oft beeinflussen sich die Krankheiten gegenseitig. Gleiches gilt für die Behandlungen. Und je mehr Krankheiten auftreten, desto mehr Rezepte und Überweisungen werden ausgestellt. (4) Desto mehr Kosten fallen an. (5) Desto öfter sorgt Polypharmazie, der gleichzeitige Einsatz mehrerer Arzneimittel, für unkontrollierte, gefährliche Nebenwirkungen, über jene hinaus, die jedes einzelne Präparat ohnehin schon mit sich bringt. Ein Medikament kann Effekte von anderen verstärken oder abschwächen. Neuartige Effekte können auftreten, die keines der Präparate aufgewiesen hätte, wenn es einzeln eingesetzt worden wäre. Mit der Multimedikation steigt in der Regel auch die psychische Belastung. Raumschiff Erde ist dabei, sich in ein Lazarett zu verwandeln. Die meisten Passagiere sind schon drinnen, der Rest steht anscheinend kurz davor. Wo bleibt der allgemeine Aufschrei des blanken Entsetzens über solche grauenvollen Zustände und Aussichten? Warum finden von New York bis Tokio, von London bis Sydney nicht längst Massenproteste statt – gegen eine offenkundig verfehlte Gesundheitspolitik, gegen unterlassene Aufklärung, gegen mangelhaften Schutz vor alledem, was uns und unsere Liebsten krank macht? Wenn Schüler weltweit den Unterricht schwänzen, um für den Klimaschutz an „Fridays for Future“ auf die Straße zu gehen – müssten sie ihrem eigenen Gesundheitsschutz zuliebe dann nicht schleunigst ganze „Weeks for Future“ stattfinden lassen? Und wo bleibt die Empörung ihrer Eltern darüber, welche medizinische Zukunft ihrem Nachwuchs blüht? Warum schweigen die Lämmer? Sie lassen sich ablenken, einlullen und täuschen. Es ist ihnen lästig, Verantwortung zu übernehmen. Sie versäumen es, die richtigen Fragen zu stellen – beispielsweise nach den wahren Ursachen des weltweiten Gesundheitsnotstands. Die Wahrheit ist einfach „Die Wahrheit ist einfach“, lehrte Buddha. An das moderne Gesundheitswesen dachte er dabei eher nicht, hätte aber auch hierbei goldrichtig gelegen. Die simple Wahrheit lautet: An Gesunden gibt es nichts zu verdienen. An Toten ebensowenig. Lukrativ sind die dazwischen: die chronisch Kranken. Das Geschäft mit ihnen läuft umso besser, je mehr es davon gibt. Je früher sie es werden. Je länger sie es bleiben. Je mehr medizinische Waren und Dienstleistungen sie währenddessen konsumieren. Dem Geschäft abträglich sind: Wissen um den wahren Nutzen dieser Güter, um das tatsächliche Ausmaß ihrer Nebenwirkungen und Risiken; effektive Vorsorge; und bewährte, preiswerte Behandlungsalternativen. Was folgt aus alledem logisch über das wahre, oberste Ziel der irdischen Gesundheitsökonomie? Über Behörden, die deren Profiteure gewähren lassen? Über Politiker, die nichts ändern? Über Wähler, die solchen Politikern ihre Stimme geben? Über Medien, die schweigen? Über Ärzte, die Beihilfe leisten? Und über Patienten, die mitspielen? Unter solchen Umständen kann niemand es ET verübeln, dass er sich nähere Begegnungen mit Homo insapiens möglichst ersparen will – und seine Neugier lieber auf sichere Distanz befriedigt, vom schwebenden Ufo aus. (Harald Wiesendanger) Auszüge aus Harald Wiesendanger: Das Gesundheitsunwesen - Wie wir es durchschauen, überleben und verwandeln (2019), S. 7, 9, 38 und 42-45. Anmerkungen 1 „Multimorbidität: Wenn Krankheiten interagieren“, Deutsches Ärzteblatt 114 (20) 2017, A-998/B-830/C-812, https://www.aerzteblatt.de/archiv/188825/Multimorbiditaet-Wenn-Krankheiten-interagieren 2 J. Fuchs u.a.: „Prevalence and patterns of morbidity among adults in Germany. Results of the German telephone health interview survey German Health Update (GEDA) 2009“. Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 55(4) 2012, S. 576-586, https://link.springer.com/article/10.1007%2Fs00103-012-1464-9. 3 A. Hessel u.a.: „Inanspruchnahme medizinischer Leistungen und Medikamenteneinnahme bei über 60-Jährigen in Deutschland – gesundheitliche, sozialstrukturelle, soziodemographische und subjektive Faktoren.“ Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 33/2000, S. 89–99; G. Laux u.a.: „Co- and multimorbidity patterns in primary care based on episodes of care: results from the German CONTENT project“,BMC Health Services Research 8/2008, S. 14–21. 4 T. Kühlein u.a.: „Kontinuierliche Morbiditätsregistrierung in der Hausarztpraxis. Vom Beratungsanlass zum Beratungsergebnis“, München 2008. 5 G. Anderson u.a.: „The growing burden of chronic disease in America“, Public Health Report 119/2004, S. 263–270, https://journals.sagepub.com/doi/reader/10.1016/j.phr.2004.04.005
- Hat Alternativmedizin Zukunft?
Je wirkungsvoller Alternativmedizin hilft, je mehr Zulauf sie findet, desto eher ist ihr Fortbestand bedroht. Denn ihr Erfolg gefährdet Profite eines übermächtigen Gegenspielers, der sie vernichten kann. Ihre bescheidene Zukunft liegt in der gesundheitsökonomischen Nische, zu der Mundpropaganda führt – unter dem Radar von Big Business. Positivdenkern droht ein böses Erwachen. Hat Alternativmedizin Zukunft? „Selbstverständlich! Blöde Frage!“, empören sich Anwender – erleben sie in ihren Praxen nicht Tag für Tag, wie viel Natur- und Erfahrungsheilkunde, ganzheitliches, energetisches, spirituelles Heilen erreichen kann? „Ja, blöde Frage!“, stimmen dankbare Patienten zu. Denn erst dort fanden sie, worauf sie vergeblich hofften, solange sie ausschließlich konventionellen Ärzten vertrauten. Dürfen sie sich durch Umfrageergebnisse nicht bestätigt fühlen? Demnach findet Alternativmedizin in der Bevölkerung wachsenden Zuspruch. Inwischen bezeichnet sich eine deutliche Mehrheit als aufgeschlossen für unkonventionelle Heilverfahren, hat sich schon auf mindestens eines eingelassen und wünscht sich, dass sie ins öffentliche Gesundheitswesen einbezogen werden. Bereits 2002 hatte der Gesundheitsmonitor ergeben, dass weniger als ein Drittel der Bevölkerung noch gar nicht mit alternativer Medizin in Berührung gekommen war; schon damals erklärten 37 %, einem guten Freund mit anhaltenden Gesundheitsbeschwerden würden sie alternative Heilverfahren “ganz sicher” oder “wahrscheinlich” weiterempfehlen. (1) Im Jahr 2010 erhob das Institut für Demoskopie Allensbach: 70 % der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland haben schon einmal Naturheilmittel benutzt - 1970 waren es erst 52 % gewesen. Lediglich 8 % halten Naturheilmittel generell für unwirksam. Als das Meinungsforschungsinstitut Kantar im Frühjahr 2018 eine repräsentative Stichprobe von 1050 Deutschen zwischen 16 und 64 Jahren befragte, ergab sich: 75 % der Befragten befürworten das Miteinander aus Schulmedizin und „ergänzenden Therapien wie Naturmedizin und Homöopathie“. Immerhin 65 % aller Bundesbürger würden sich notfalls sogar auf Geistiges Heilen einlassen, die wohl umstrittenste, am übelsten beleumundete alternative Heilweise. (2) Selbst künstliche Intelligenz verbreitet Zuversicht. Als ich mit der Überschrift dieses Artikels kürzlich die gefeierte KI „ChatGPT“ fütterte, legte diese sich sekundenschnell fest: „Alternativmedizin hat definitiv eine Zukunft, bleibt ein wichtiger Bestandteil des Gesundheitswesens“ und werde „weiterhin an Bedeutung gewinnen“. Wieso? Weil „viele Menschen nach ganzheitlichen Ansätzen zur Behandlung von Krankheiten oder zur Verbesserung ihres allgemeinen Wohlbefindens suchen“. (3) Ärzteschaft steuert um – so scheint es. Seit Jahrtausenden bilden Ärzte die Eliteeinheit des öffentlichen Gesundheitsschutzes. Hat nicht gerade in ihren Reihen ein bemerkenswerter Gesinnungswandel stattgefunden? Strenge "Schulmediziner" befinden sich in Wahrheit innerhalb der deutschen Ärzteschaft bereits in der Minderheit. (4) 95 Prozent aller niedergelassenen Allgemeinärzte wenden bereits sogenannte "alternative" Verfahren an: im Durchschnitt vier. Das Spektrum reicht von Homöopathie über Neuraltherapie und Akupunktur bis zu anthroposophischen Heilmethoden. Drei von vier Ärzten arbeiten mit solchen Verfahren bereits seit mindestens zwei Jahren, knapp die Hälfte sogar schon seit über fünf Jahren. Nur 41 Prozent bezeichnen sich selbst noch als reine "Schulmediziner". 48 Prozent sehen sich eher als "Schulmediziner mit alternativer Tendenz", acht Prozent sogar als ausgesprochene "alternative Mediziner". Mehr als die Hälfte erachtet Kritik an der Schulmedizin für notwendig, weitere 43 Prozent halten sie zumindest im Einzelfall für angebracht. Drei von vier Ärzten bemängeln, ihre Ausbildung sei einseitig naturwissenschaftlich ausgerichtet gewesen. 83 Prozent meinen, bei der Fortbildung durch die Ärztekammern kämen alternative Behandlungsmethoden zu kurz. (5) In den benachbarten Niederlanden überweisen neun von zehn Allgemeinärzten ihre Patienten an Alternativtherapeuten (6); ebenso verfahren immerhin schon 59 Prozent ihrer britischen Kollegen. (7) Diese Umfragewerte stammen vom Ende des vorigen Jahrhunderts. Dürfte Alternativmedizin inzwischen unter Ärzten nicht noch auf ausgeprägtere Sympathie stoßen? Wird ihr Umdenken nicht zwangsläufig hohe Wellen schlagen? Schließlich genießen Ärzte seit eh und je ein überragendes Ansehen – rund 90 Prozent der Bevölkerung haben eine hohe Meinung von ihnen. Allein Feuerwehrleute übertreffen ihr Sozialprestige. Von wegen Kehrtwende. Zunächst gilt es zu berücksichtigen: Die zitierten Umfragen fanden unter niedergelassenen Ärzten statt. Dirigiert wird das öffentliche Gesundheitssystem aber von den Universitäten und angeschlossenen Kliniken aus. Seit eh und je stehen dort die Festungen einer materialistischen, technophilen, pharmalastigen Schulmedizin. Und daran hat sich in den vergangenen Jahrzehnten herzlich wenig geändert, im Gegenteil. Wer dort ausschert, riskiert einen Karriereknick. Lehrstühle für Alternativmedizin, großangelegte „alternative“ Forschungsprojekte haben weiterhin Seltenheitswert. Wer sich dort zum Arzt ausbilden ließ, findet in der Regel völlig normal und alternativlos, wie sein Berufsstand in sogenannten Krankenhäusern mit Hilfesuchenden umgeht. Er neigt dazu hinzunehmen, dass sich die moderne Medizin von der Heilkunst zur Industrie entwickelt hat, die mit immer höherem Technikeinsatz und Materialverbrauch das Produkt "Symptomfreiheit" zu erzeugen versucht - und dabei immer häufiger an ihre Grenzen stößt. Ein modernes Krankenhaus ähnelt heute eher einer Fabrikanlage, die sich von Großbetrieben der Gebrauchsgüterindustrie nur noch im Erzeugnis, nicht aber grundsätzlich in der Arbeitsorganisation unterscheidet. In dieser Produktionsmaschine wird der Arzt zum kleinen, fremdgetriebenen Rädchen mit begrenzter Funktion; häufiger ist er mit der Kontrolle bürokratischer und technischer Abläufe befasst als mit den Menschen, an denen sie sich vollziehen. Flieht er davor in eine eigene Kassenpraxis, so muss er nicht mehr nur seine Sprechstundenhilfen, sondern vor allem seine Maschinen ernähren. Der Zwang, immer teurere Geräte zu amortisieren, wird zum nervenaufreibenden Kostenjoch - und handlungsleitend für Diagnostik und Therapie. Solche Verhältnisse begünstigen einen Typ von Arzt, der die Befindlichkeit seiner Patienten aus der Quersumme von Vitaldaten, Laborwerten und digitalen Indizes abliest - und alles durch das Raster fallen lässt, was sich nicht als messbare, in Zahlen darstellbare Abweichung von der Datennorm festmachen lässt. Nichts verstört einen solchen Arzttypus mehr als der Aspekt eines Leidens, den er nur im Gesicht seines Patienten erkennt, nicht aber auf dem Computermonitor wiederfindet. Auf der Strecke bleibt dabei ausgerechnet jene Tätigkeit, die sich als einzige nicht industrialisieren und an Automaten delegieren lässt: das geduldige, einfühlsame, anteilnehmende Gespräch mit dem Kranken. Mit der Stoppuhr stellte der Hamburger Mediziner Dr. Stephan Ahrens in drei Praxen von Kollegen fest, dass die "vom chronisch kranken Patienten dominierte Gesprächsphase durchschnittlich 0,11 Minuten" betrug - sieben Sekunden. (8) Nur 28 Prozent der Ärzte gehen auf die Anliegen, die ihre Patienten zu schildern versuchen, überhaupt ein - und unterbrechen nach durchschnittlich 23 Sekunden. (9) Kaum ein Kassenarzt genießt solche Arbeitsbedingungen. Die Mehrheit ächzt darunter, sieht jedoch keine andere Wahl, fügt sich – und tröstet sich damit, wie stattlich sie verdient. Unter solchen Umständen kann es mit dem „Praktizieren von Alternativmedizin“ nicht weit her sein. Allzu oft erschöpft es sich daran, hin und wieder natürliche Wirkstoffe gegenüber synthetischen zu bevorzugen: beispielsweise bei innerer Unruhe und Schlafstörungen erst mal Baldrian und Melatonin zu verordnen statt Benzodiazepine, bei fiebrigen Erkältungen Pulsatilla statt Paracetamol, bei Bluthochdruck Kiefernrindenextrakt statt eines ACE-Hemmers. Nein, das ist noch längst keine andere Medizin – bloß eine gelegentliche Präferenz für ein anderes Produktsegment. “Für eine Medizin mit mehr Geist und Seele”: Das plakative Motto meiner Stiftung Auswege trifft sicherlich ein Hauptanliegen der allermeisten Ärzte, einschließlich der niedergelassenen Vertragsärzte und der klinisch tätigen. Ohne Hirn und Herz arbeitet keiner. Die meisten geben wahrlich ihr Bestes – aber sie dienen einem abartigen ökonomischen System, dem es umso besser geht, je schlechter es Hilfesuchenden geht. Um nicht daran zu verzweifeln, abzustumpfen und auszubrennen, flüchten viele davor in die relative Freiheit einer Privatpraxis. Was sie ebenso schmerzlich vermissen wie wir, ist der Geist des Helfens und Heilens – und „Seele“ im Sinne von Mitgefühl und Empathie, Wertschätzung und Fürsorge. Einem Therapeuten, der sich beides bewahrt, geht es nicht bloß um Symptome, sondern in erster Linie um deren Träger. Das Befinden ist ihm wichtiger als der Befund. Er ist nicht nur darauf aus, eine defekte Biomaschine möglichst profitabel zu reparieren – er sieht und achtet im kranken Mitmenschen die ganze Person, als gestörte Einheit von Körper, Geist und Seele, die es wiederherzustellen und zu bewahren gilt. Und dabei macht er die Humanmedizin nicht bloß humaner, sondern auch effektiver. Werden es demnach in erster Linie ganzheitlich orientierte Privatärzte sein, welche die Alternativmedizin in eine rosige Zukunft führen, im Bund mit erfahrenen, erfolgreichen Heilpraktikern, Heilern und anderen unkonventionellen Therapeuten? Umfragen täuschen Wunschdenker Der beachtliche Zuspruch, den Alternativmedizin seit längerem in demoskopischen Erhebungen findet, täuscht darüber hinweg, dass Begegnungen mit Alternativmedizin in der Regel oberflächlich und flüchtig bleiben. Viele Hilfesuchende schlucken Globuli in derselben Geisteshaltung wie eine Tablette; sie lassen sich Akupunkturnadeln stechen, wie sie sich eine Injektion verpassen lassen – ohne tieferes Verständnis, was da geschieht, allerdings in der Erwartung, dass es Symptome umgehend zum Verschwinden bringt. Bleibt die blitzschnelle Linderung aus, wendet sich ein Großteil rasch wieder ab. Auch Monetäres trübt alsbald die Begeisterung. Alternative Heilverfahren sind Teil einer Zwei-Klassen-Medizin: Weil Krankenversicherungen nur ausnahmsweise und bei teuren Zusatztarifen für sie aufkommen, bleibt Patienten zumeist nichts anderes übrig, als sie aus eigener Tasche zu bezahlen. Und das überfordert einen Großteil über kurz oder lang. Denn gerade bei chronischen Leiden ist es kaum je mit ein, zwei Sitzungen getan. Rasch werden Rechnungsbeträge vierstellig. Nur Wohlhabende lässt das kalt. Die ernüchternde Lektion der Corona-Jahre Wer sich trotzdem weiterhin Illusionen über das Wachstumspotenzial der Natur- und Erfahrungsheilkunde macht, hat noch zuwenig aus drei unsäglichen Corona-Jahren gelernt. In der Pandemie lag die Chance, ein neues Kapitel in der Geschichte der Medizin aufzuschlagen: die weltweite Heilung kranker Gesundheitssysteme. Denn sie bot bietet reichlich Gelegenheit, sich darauf zurückzubesinnen, was Gesundheit eigentlich bedeutet, was sie bewahrt und wiederherstellt. Sie hätte der Menschheit vor Augen führen können, wie töricht und teuer, wie unergiebig und gefährlich es sein kann, einseitig auf die industriegesteuerte, pharmalastige Schulmedizin zu setzen. Denn Naturheilkundige wussten immer schon, was uns vor Infektionskrankheiten aller Art schützt – und wie sie hochwirksam zu behandeln sind, falls sie uns erwischen. Dass wir dem vermeintlichen „Killerkeim“ aus Wuhan „schutzlos ausgeliefert“ waren, solange es keine Impfstoffe gab, hätten sie als hirnrissige Phrase enttarnen können – mit dem Hinweis, dass unsereins durchaus weiterhin über ein Immunsystem verfügt, das sich auf längst bekannte Weise stärken lässt, um Abwehrkämpfe gegen Erreger aller Art zu gewinnen. Doch Alternativmediziner kamen erst gar nicht zu Wort. Stattdessen wurden sie zensiert, verhöhnt, denunziert, mundtot gemacht. Zur traurigen Wahrheit der coronoiden Krisenjahre gehört das nüchterne Eingeständnis, welch erschütternd unbedeutende Rolle Politik und Medien einer ganzheitlichen, auf Prävention und ganzheitliches Heilen ausgerichteten Medizin mittlerweile beim Gesundheitsschutz der Bevölkerung zutrauen und gewähren. Sie bleibt im Abseits, ausgesperrt von maßgeblichen Expertenkommissionen und TV-Diskussionsrunden, belächelt als evidenzferner Placebo-Glaube, ja als Gefahr für die Volksgesundheit. Das Wort führten Andere. Ab Frühjahr 2020 rollte über den Erdball eine Propagandawalze, die gnadenlos alles plattmachte, was sich ihr in den Weg stellte. Du empfiehlst allen Ernstes Vitamin D und Zink gegen eine SARS-CoV-2-Infektion? Desinformant! Fake-News-Produzent! Schwurbler! War es vorher anders? Könnte man daran künftig etwas ändern? In der alternativen Gesundheitsszene kursieren rührend naive Vorstellungen darüber. Manche meinen, man müsse halt lernen, wie man einen professionellen Pressetext aufbaut, mit pfiffiger Überschrift und knackigem Lead, mit weniger Fachchinesisch und Satzbandwürmern. Andere sind dafür, sich mal ein teures Inserat zu leisten, eine PR-Büro einzuspannen, Flyer zu verteilen, Plakate aufzuhängen, Infoveranstaltungen durchzuführen, fleißig Leserbriefe zu schreiben, hübsche Newsletter zu versenden, eine ansprechende Website designen zu lassen. In Wahrheit gleicht man dabei jemandem, der einen herannahenden Tsunami aufzuhalten versucht, indem er ihm am Strand mit vollen Backen entgegenpustet. Bei dem Goliath, gegen den der David der Alternativmedizin antritt, handelt es sich um eine der mächtigsten Industrien dieses Planeten, mit Jahresumsätzen weit jenseits der Billionenmarke, traumhaften Gewinnspannen – und schier unbegrenzten finanziellen Möglichkeiten, sich alles gefügig zu machen oder beiseite zu räumen, was die Marktchancen ihrer Produkte beeinflussen könnte: von den Meinungsführern der Ärzteschaft über Fachgesellschaften und Leitlinienkommissionen bis hin zu Fachzeitschriften, Kongressveranstaltern und Medienhäusern, Ministerien und Behörden. Eine Armee von Lobbyisten arbeitet ihr zu, wie auch global agierende Marketingkonzerne, allen voran die berüchtigten „Big Four“: WPP, Omnicon, IPG und Publicis. (10) Längst ist daraus ein weltumspannendes Netz der Korruption entstanden. Nach Einschätzung des dänischen Medizinprofessors Peter Goetzsche sind ihre skrupellosen Strippenzieher „schlimmer als die Mafia“. (11) Um Gewinne zu maximieren, geht sie buchstäblich über Leichen. (12) Dieser Mafia ist eine „komplementäre“ Medizin, oder gar eine „integrative“, selbstverständlich zuwider. Wie könnte sie eine „Ergänzung“ hinnehmen oder gar „einbeziehen“, die ihre Profite gefährdet? Ihr Geschäftsmodell funktioniert umso besser, je mehr Menschen zu Patienten werden, je früher sie es werden, je länger sie es bleiben. Ihr grandioser Gewinnbringer ist der chronisch Langzeitkranke, der aufwändig diagnostiziert und operiert, medikamentös und medizintechnisch versorgt werden kann. Alternativmedizin sabotiert dieses Business: Sie setzt auf Prävention, auf die Stärkung von Selbstheilungskräften, auf das Aufdecken und Beseitigen zugrundeliegender Ursachen, auf nachhaltiges Gesundwerden und Gesundbleiben. Was gäbe es daran am Ende für den medizinisch-industriellen Komplex und seine Investoren noch zu verdienen? So ein ökonomisches Debakel gilt es zu verhindern. Mit allen Mitteln. Eine fatale Schlüsselrolle dabei spielt eine käufliche Institution namens „die“ Wissenschaft. „Definitiv eine Zukunft“ sieht ChatGPT, den szientistischen Zeitgeist widerspiegelnd, für Alternativmedizin nämlich nur, falls sie „auf soliden wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert“. Deshalb sei es „wichtig, dass Forschung und Studien durchgeführt werden, um die Wirksamkeit dieser Therapien zu bewerten“. (13) Die Maßstäbe für „Wissenschaft“ zu setzen, beansprucht die Mafia freilich für sich, wie auch die Deutungshoheit darüber, was als verlässliche „Evidenz“ und „Wirksamkeitsnachweis“ gelten darf. Die Heilige Kuh der Medizinforschung ist die randomisierte kontrollierte Studie (RCT), am besten multizentrisch und mit mehreren tausend Probanden. Die horrenden Kosten dafür kann Big Pharma locker aufbringen. Doch kaum ein „Alternativer“ stemmt sie jemals. Ohne üppige Forschungsgelder aber keine Forschung. Und daraus ergibt sich das Totschlagargument, Alternativmedizin mangle es an „Evidenzbasierung“ – so als sei der gesammelte Wissenschatz jahrhundertealter Heiltraditionen, ärztliche Erfahrung, das Befinden von Behandelten, umfangreiche Fallsammlungen von vornherein minderwertige „Evidenz“. (14) Wenngleich zuletzt: Die Hoffnung stirbt. Auch wenn, einem Lieblingsmotto von Positivdenkern zufolge, „die Hoffnung zuletzt stirbt“, spricht unter solchen Umständen herzlich wenig dafür, dass sie unbeschadet überlebt. Wir steuern auf eine Welt zu, in der jegliche Kritik an der pharmagesteuerten Schulmedizin, jeder Hinweis auf alternative Behandlungsmöglichkeiten als „Fake News“, als „Desinformation“ verfolgt wird. Wer sie vertritt, wird am Veröffentlichen gehindert, diskreditiert, der Lächerlichkeit preisgegeben, ausgegrenzt, existentiell bedroht. Die Kontrollinstrumente hierfür sind weitgehend vorhanden. Teilweise kamen sie bereits während der Pandemie zum Einsatz. Wie selbstverständlich finden sie weiterhin Anwendung – und werden systematisch ausgebaut. Nachrichtenagenturen, große Printmedien, öffentlich-rechtliche Sender: Einst Vierte Gewalt im Staat, agieren sie inzwischen überwiegend wie auf Linie gebracht, zum Fremdschämen für kritische Journalisten, die sich weiterhin ihrer Standesethik verpflichtet fühlen. Und außerhalb, im Internet? Nach wie vor fallen gekaufte „Faktenchecker“ über bekennende Alternativmediziner und ihre Fürsprecher her; Wikipedia und Online-Dreckschleudern wie „Psiram“ ruinieren ihren Ruf; Facebook, YouTube, Instagram machen missliebige Beiträge unsichtbar, verhindern ihre Weiterverbreitung. Aufmüpfige Accounts werden mit einem „Shadow Ban“ belegt, der Posts aus dem Newsfeed ihrer Follower verschwinden lässt und oder überall, wo sie auftauchen, kilometerweit nach unten schiebt, wohin kaum jemand mehr scrollt, der noch ganz bei Trost ist. Google platziert Links zu nichtkonformen Websites so weit hinten, dass sie bei Suchanfragen erst irgendwo zwischen dem hundertsten und tausendsten Treffer auftauchen. In Arbeit sind Upload-Filter, die dafür sorgen, dass „böse“ Inhalte erst gar nicht ins Netz geraten; Schnüffel-KI, die das Web unentwegt nach anrüchigen Stichworten und Wortkombinationen absucht, um Urheber von „irreführenden“ Beiträgen aufzuspüren, jegliche Information zu markieren und zu tilgen, die nicht aus „vertrauenswürdigen“, sprich systemkonformen Quellen stammt; Überwachungssysteme sogar für private E-Mails, Handynachrichten und Chats (15). Führende Politiker fordern „verwirkbare Lizenzen“, die Social-Media-Nutzern zugeteilt, aber auch entzogen werden können, sobald sie „gegen Recht und Gesetz“ verstoßen. Deutschlands Innenministerin will eine zentrale „Beratungsstelle“ schaffen, an die sich Bürger vertrauensvoll wenden können, die bei Familienmitgliedern, Freunden oder Kollegen «eine Radikalisierung aufgrund eines wachsenden Verschwörungsglaubens beobachten beziehungsweise vermuten». (16) EU-weit sorgt der Digital Services Act (DSA) dafür, dass Netzbetreiber jeglichen Content, der als „Desinformation“, „Hassrede“ oder „Hetze“ gilt, unerbittlich entfernen müssen, sonst drohen ihnen drakonische Geldbußen. Um den DSA auch in Deutschland durchzusetzen, entsteht innerhalb der Bundesnetzagentur gerade eine „Koordinierungsstelle“, die ein „benutzerfreundliches Beschwerdemanagement-System“ einrichten wird – mit anderen Worten: eine Anlaufstelle für Denunzianten. Etliche davon bestehen seit längerem, so etwa „Respect“, Jugendschutz.net, die Internet-Beschwerdestelle, der Jugend-Support, das „Kompetenznetzwerk Hass im Netz“ und „HessenGegenHetze“. (17) Auf anonyme Anzeigen hin, die bei solchen Sammelstellen eingehen, finden gelegentlich bereits polizeiliche „Gefährder-Ansprachen“ und Hausdurchsuchungen statt; dazu genügt es, in einem sozialen Medium eine mutmaßliche „Desinformation“ zu posten oder auch nur zu teilen. Wer gegen Regierung und Justiz allzu vernehmlich wettert – beispielsweise weil er in der Gesundheitspolitik der Coronajahre wohlbegründet ein Staatsverbrechen sieht -, kann wegen „Delegitimierung staatlicher Organe“ zum Fall für den Verfassungsschutz werden. Bis zu drei Jahren Gefängnis und Geldstrafen bis zu 45.000 Euro drohen in Frankreich neuerdings Impfgegnern und Verfechtern der Alternativmedizin. Am 14. Februar 2024 verabschiedete die Nationalversammlung den Gesetzesentwurf 2157, der die medizinische Informations- und Meinungsfreiheit faktisch beendet: Er verbietet jegliche Kritik an „medizinischen Behandlungen“, die „nach dem Stand der Wissenschaft offensichtlich geeignet“ sind, Krankheiten zu behandeln bzw. „schwerwiegende Folgen für die physische oder psychische Gesundheit“ abzuwenden. „Der „Kampf gegen sektiererische Abweichungen“ müsse „verstärkt“ werden („Renforcer la lutte contre les dérives sectaires“). Dieses Pariser Zensurmonster, von Kritikern „Pfizer-Gesetz“ getauft, lässt das Schlimmste befürchten, denn es könnte international Schule machen. Darauf arbeiten die Vereinten Nationen (18), die WHO, das Weltwirtschaftsforum (19), milliardenschwere, sendungsbewusste Menschheitsbeglücker wie Bill Gates (20) zielstrebig hin. Die globale Kontrolle des Informationsflusses, auf die sie aus sind, bedroht jeden, der die Schulmedizin, Nutzen und Sicherheit ihrer Maßnahmen und Medikamente noch zu hinterfragen wagt, auf ihre Risiken und Gefahren hinweist, von ihnen abrät. Wird in Kürze zum „sektiererischen Abweichler“, wer unkonventionelle Heilverfahren lobt? Steht mit einem Bein im Gefängnis, wer sich noch zu warnen traut, dass ein neuer Impfstoff weniger wirksam und gefährlicher sein könnte, als der Gesundheitsminister, der RKI-Präsident und willfährige Experten behaupten? Und falls solches Fehlverhalten mit einem Social-Credit-System nach chinesischem Vorbild verbunden (21) wird – wovon etliche westliche Technokraten träumen -, dann riskieren penetrante Querdenker Aus- und Zugangssperren, Reiseverbote, den Entzug von Kommunikationsmitteln; sie riskieren, keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr benutzen zu dürfen, keinen Kredit, Sozialleistungen und Subventionen zu bekommen, bei der Wohnungssuche den kürzeren zu ziehen. Ganz zu schweigen von gesellschaftlicher Ächtung. Von solchen Entwicklungen werden alternative Ärzte nicht verschont bleiben, sobald sie den Mund aufmachen. Und ein weiteres Mal werden ihre Standesorganisationen keinen Finger für sie rühren. In Arbeit sind Richtlinien, die einschränken, was sie online sagen dürfen. (22) Falls sie Gesundheitsbehörden zu widersprechen wagen, soll ihnen künftig der Verlust der Zulassung drohen. Vorerst bestehen wachsende Kontrollmöglichkeiten. Doch haben uns die Coronajahre nicht hinlänglich vor Augen geführt, wie zügig ein mit Biosicherheitserfordernissen begründeter Totalitarismus über uns hereinbrechen kann – zu 90 Prozent mitgetragen von erfolgreich verängstigten, aufgehetzten Mitbürgern? Ist ausgeschlossen, dass sie sich erneut dazu verführen lassen, als Mitläufer, Claqueure und nützliche Idioten voll blindem Hass und bodenlos dumm auf “Maskenmuffel”, “Impfmüde” und sonstige “Sozialschädlinge” loszugehen? (23) Werden Politiker, Journalisten, Wissenschaftler, Mediziner und sogar Kirchenvertreter und Künstler dann nicht nochmals gemeinsame Sache mit Regierung und Pharmaindustrie machen? Was, bitteschön, werden Ärzte und Therapeuten, die anders vorbeugen und heilen, dieser Übermacht entgegenzusetzen haben? Mehr als während der Fauci-Grippe? Die nächste Pandemie ist bloß eine Frage der Zeit. Wer rechnet denn ernsthaft damit, dass Alternativmedizin von da an eine bedeutendere Rolle spielen wird? „Leave it.“ Bloß wohin? Was tun? In jeder misslichen Lage, so machte mir ein weiser Freund klar, gibt es genau drei Optionen: „Change it. Leave it. Or love it.“ Versuche die Situation zu ändern. Wenn das nicht geht, versuche ihr zu entkommen. Wenn auch dies unmöglich ist: Versuche sie zu lieben. Das chronisch kranke Gesundheitssystem revolutionieren, ihre Profiteure und Strippenzieher entmachten, einer wahrhaft heilsamen, mitmenschlichen Medizin den Stellenwert verschaffen, den sie verdient? Luftschlösser. Sollen wir uns demnach besser mit der traurigen „neuen Normalität“ abfinden, sie gar „lieben“? Ausgeschlossen. Wer kann sich schon selbst dazu überreden, Masochismus zu frönen? Entkommen? Zumindest im räumlichen Sinne gab es keines, während Coronoia wütete: Die Hygienediktatur herrschte überall, von Madeira bis Alaska, von Neuseeland über Südafrika bis Bolivien. Und sie könnte bloß ein Vorspiel gewesen sein. Am Horizont zeichnet sich der permanente Pandemienotstand ab, ausgerufen und gemanagt von der WHO – völkerrechtlich verbindlich für all ihre Mitgliedsstaaten. Und wenn nicht? Um alternatives Heilen zu marginalisieren, müssen die Marketingprofis von Big Business nicht erst eine Pandemie abwarten. Welcher Ausweg bleibt dann überhaupt noch? Keine Flucht nach Weiß-nicht-Wo, sondern strategischer Rückzug – in eine kulturelle Nische, in der Systemverweigerer weitgehend in Ruhe gelassen werden. Öffentliche Aufmerksamkeit, wachsender Zulauf, reichlich Medienpräsenz - die Top Drei auf der Wunschliste von Fans der Alternativmedizin - wären das Schlimmste, was den Nischenbewohnern passieren könnte. Dann nämlich würden sie für Goliath eine Bedrohung darstellen, weil sie seine Profite nennenswert schmälern. Vielleicht werden Alternativmediziner bald aufhören müssen, öffentlich im Geringsten aufzufallen – immer auf der Hut vor einer neuen, unheiligen Inquisition, ihren Schergen und Anschwärzern. Vielleicht werden neun von zehn Praxen dichtmachen müssen, weil Rufmordpropaganda ihre Wartezimmer leert. Vielleicht wird ein Großteil die Zulassung verlieren, gar im Gefängnis sitzen, sofern sie nicht aufhören, idiotische Desinformationen über Grenzen und Gefahren der Schulmedizin zu verbreiten. Vielleicht werden Hilfesuchende zu den übrigen bald nur noch über Flüsterpropaganda finden – wie einst, im finstersten Mittelalter, zu Hexen, die bekanntlich Fake News über die Heilkraft von Kräutern und aufgelegten Händen verbreiteten. Wer die Zukunft rosiger sieht, der träumt sie sich zurecht. Es gilt aufzuwachen. Wann war Gesundheitswirtschaft jemals ein Wunschkonzert? (Harald Wiesendanger) Anmerkungen 1 SwissLight, PDF; 62 kB, https://web.archive.org/web/20071218204712/http://www.forum-gesundheitspolitik.de/dossier/PDF/AlternativmedizinBilanz.pdf. Vgl. G. Marstedt: “Die steigende Popularität alternativer Medizin – Suche nach medizinischen Gurus und Wunderheilern?”, in: J. Böcken/B. Braun/M. Schnee (Hrsg.): Gesundheitsmonitor 2002 – Die ambulante Versorgung aus Sicht von Bevölkerung und Ärzteschaft, Gütersloh 2002, S. 130-149. 2 Nach Harald Wiesendanger: Geistheiler – Der Ratgeber, 5. erw. Aufl. 2007. 3 Die Frage „Hat Alternativmedizin Zukunft?“ stellte ich ChatGPT, Version 3.5, am 25. April 2024. 4 Die Studienlage Ende des vorigen Jahrhunderts fasst zusammen: Walter Andritzky, "Unkonventionelle Heilweisen in der ärztlichen Praxis", Zeitschrift für Allgemeinmedizin 74/1998, S. 608-614. 5 Gunter Haag u.a., "Unkonventionelle medizinische Verfahren. Verbreitung bei niedergelassenen Ärzten - Ergebnis einer Fragebogenumfrage", Zeitschrift für Allgemeinmedizin 68/1992, S. 1184-1187. Eine Studie des Sozialmediziners Dr. Horst Haltenhof von der Universität Marburg stelle ich vor in H. Wiesendanger, "Jeder zweite Arzt heilt ‚alternativ'", Der Heiler 1/1996, S. 35. 6 G. J. Visser / L. Peters, "Alternative medicine and general practitioners in the Netherlands: towards acceptance and integration", Family Practitioners 7/1990, S. 227-233. 7 E. Anderson / P. Anderson, "General practitioners and alternative medicine", Journal of the Royal College of General Practitioners 37/1987, S. 52-55. 8 Hans Halter: Vorsicht, Arzt! Krise der modernen Medizin, Reinbek 1981, S. 219. 9 Gesundheit 5/2000, zit. nach Pulsar 5/2000, S. 28: “Ärzte sind schlechte Zuhörer”. 10 https://www.klartext-online.info/post/die-hohe-kunst-der-panikmache; Siehe H. Wiesendanger: Das GesundheitsUNwesen - Wie wir es durchschauen, überleben und verwandeln (2019). 11 Siehe Peter Goetzsche: Tödliche Medizin und organisierte Kriminalität - Wie die Pharmaindustrie das Gesundheitswesen korrumpiert (2014). 12 John Virapen: Nebenwirkung Tod. Korruption in der Pharma-Industrie – Ein ex-Manager packt aus, 4. Aufl. 2008; Peter Yoda: Ein medizinischer Insider packt aus (2008), Kap. „Timothys Story“, S. 123-142; Harald Wiesendanger: Das GesundheitsUNwesen (2019), S. 603 ff. 13 Laut ChatGPT 3.5 am 25. April 2024 auf die Frage hin „Hat Alternativmedizin Zukunft?“ 14 Siehe hierzu Harald Wiesendanger: Außer Kontrolle. Warum die Stiftung Auswege "unwissenschaftlich" vorgeht - und dazu steht (2016). 15 Siehe https://netzpolitik.org/2023/staendige-vertreter-eu-staaten-wollen-chatkontrolle-trotz-warnung-ihrer-juristen/; https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/gesetzentwurf-zur-chatkontrolle-eu-will-alle-privaten-chats-durchleuchten; https://www.zeit.de/digital/2021-11/chatkontrolle-eu-kommission-kindesmissbrauch-ueberwachung-nachrichten-messenger-anbieter-faq; https://reclaimthenet.org/the-eu-wants-to-scan-all-chat-messages/ 16 https://weltwoche.ch/daily/probleme-mit-der-meinung-von-nachbarn-oder-kollegen-kein-problem-innenministerin-nancy-faeser-schafft-eine-beratungsstelle-fuer-denunzianten/; https://blaulichtblog.de/12352-2 17 Im Februar 2022 startete das Bundeskriminalamt eine „Zentrale Meldestelle“ für „Hass“postings (“Gemeinsam gegen Hass und Hetze im Internet”). Damit soll “eine effektive Strafverfolgung der dort begangenen Straftaten wie Propagandadelikten, Volksverhetzungen oder Bedrohungen ermöglicht” werden 18 https://reclaimthenet.org/un-provides-platforms-with-guidelines-for-regulating-online-speech; https://reclaimthenet.org/un-works-with-tech-media-and-government-to-tackle-misinformation/; https://reclaimthenet.org/the-uns-ominous-ai-misinformation-control-tool; https://reclaimthenet.org/un-official-condemns-health-misinformation-advocates-for-digital-integrity-code 19 https://childrenshealthdefense.org/defender/wef-schlaegt-globalen-plan-zur-ueberwachung-von-online-inhalten-durch-kuenstliche-intelligenz-vor/?lang=de&eType=EmailBlastContent&eId=040a285d-23d6-479f-8c3c-7a8ebdaa61a5; https://reclaimthenet.org/wef-calls-definitions-of-hate-speech-misinformation 20 https://www.klartext-online.info/post/dieses-zeug-muss-weg; https://www.naturalblaze.com/2022/05/bill-gates-wants-to-create-a-3000-person-social-media-unit-to-quash-vaccine-misinformation.html 21 https://www.heise.de/tp/features/Sozialkredite-als-Zukunftstrend-6120666.html?wt_mc=rss.red.tp.tp.atom.beitrag.beitraghttps://reitschuster.de/post/auf-dem-weg-ins-digitale-umerziehungslager/; https://transition-news.org/wie-von-zauberhand-sozialkreditsysteme-in-europa 22 https://reclaimthenet.org/federation-of-state-medical-boards-introduces-misinformation-policy/; https://reclaimthenet.org/uks-general-medical-council-to-restrict-what-doctors-can-say-online/ 23 Gegen das Vergessen empfehle ich das gleichnamige Buch von Werner Reichel. Es versammelt 400 Zitate, die Lügen, Hass und Hetze während der Coronakrise dokumentieren. Titelbild: geralt/Pixabay
- Durch die Nase!
Ein. Aus. Es geschieht über 20.000 Mal pro Tag, gedankenlos, unwillkürlich, instinktiv. Vielleicht aber falsch. Wie wir Luft holen, beeinflusst unser Gehirn nämlich weitaus mehr, als wir ahnen. Eine bahnbrechende Studie zeigt auf: Ständiges Atmen durch den Mund beeinträchtigt unsere geistigen Fähigkeiten, während Nasenatmung für einen neuronalen Schub sorgt. 30 bis 50 Prozent aller Erwachsenen atmen überwiegend durch den Mund, sei es wegen einer verstopften Nase, stressbedingt oder einfach aus Gewohnheit. Na und? Wie wir Luft holen, wirkt sich ganz erheblich auf unsere Hirnfunktionen aus, insbesondere auf Gedächtnis und Denkleistung, Aufmerksamkeit und Konzentration. Zu diesem Schluss kommt eine Forschergruppe der Gachon University in Südkorea. In der angesehenen Fachzeitschrift Healthcare berichtet sie, wie sie darauf kam: 22 gesunde Teilnehmer sollten eine Übung zum Arbeitsgedächtnis durchführen, das dafür zuständig ist, Informationen lediglich vorübergehend zu speichern. Zu lösen war die sogenannte „Zwei-Zurück“-Aufgabe („2-back“): Die Versuchspersonen betrachteten nacheinander eine Reihe von Zahlen – und sollten entscheiden, wann eine aktuell gesehene Zahl mit der übereinstimmt, die ihnen zwei Schritte zuvor präsentiert worden war. Dabei atmeten sie entweder durch die Nase oder den Mund. Währenddessen verfolgte das Forscherteam ihre Gehirnaktivität mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT); dieses Verfahren misst Veränderungen der Gewebsdurchblutung in den verschiedenen Hirnregionen, die vom Energiebedarf aktiver Nervenzellen herrühren. Mundatmung schadet dem Gehirn Die fMRT-Scans offenbarten Erstaunliches: Während fortgesetzter Mundatmung waren mehrere Hirnregionen, in denen das Arbeitsgedächtnis sitzt, weniger aktiv – so der Nucleus caudatus und der Gyrus occipitalis inferior. Im Gegensatz dazu führte die Nasenatmung zu einer höheren Aktivität in 15 Bereichen - darunter das Kleinhirn, die Insula und der Gyrus parietalis inferior -, die allesamt eine wichtige Rolle bei Erinnerung, Aufmerksamkeit und Informationsverarbeitung spielen. (1) Außerdem waren verschiedene Hirnareale bei der Nasenatmung deutlich stärker als bei der Mundatmung miteinander funktionell verbunden. Der linke und rechte inferiore parietale Gyrus, zwei wichtige Gedächtniszentren, wiesen nur während der Nasenatmung eine erhöhte Konnektivität zu anderen Regionen auf. Dies deutet darauf hin, dass Nasenatmung die neuronale Kommunikation und Synchronisation optimiert, die dem Erinnerungsvermögen zugrunde liegen. Woran könnte das liegen? Wie die koreanischen Forscher vermuten, liefert die Sinnesempfindung des Luftstroms durch die Nasengänge dem Gehirn wichtige Rückmeldungen, welche ihm kognitives Verarbeiten erleichtern. Dass diese nasale Stimulation bei der Mundatmung fehlt, könnte umgekehrt die beobachteten Defizite bei der Hirnaktivierung und Konnektivität erklären. Dass eine gelegentliche Mundatmung, beispielsweise bei einer Erkältung oder Allergie, bleibenden Schaden im Gehirn anrichtet, halten die Wissenschaftler für unwahrscheinlich. Allerdings deuten ihre Ergebnisse darauf hin, dass eine chronische Mundatmung die Hirnfunktion auf Dauer beeinträchtigen könnte. Weitere Pluspunkte für Nasenatmer Und nicht nur geistig profitieren wir davon, durch die Nase zu atmen. Darüber hinaus bietet es uns mehrere weitere Vorteile. Als natürlicher Filter fängt die Nase mit winzigen Härchen und Schleim Staubteilchen, Keime, Allergene und andere schädliche Partikel ab, bevor sie die Lunge erreichen. "Die Nase ist unsere erste Verteidigungslinie gegen Bakterien und Viren", betont der US-Wissenschaftsjournalist James Nestor in seinem Buch Breath (2021). Indem die Nasengänge die eingeatmete Luft befeuchten, schützen sie das empfindliche Gewebe der Atemwege und der Lunge vor Trockenheit. Diese Funktion ist besonders wichtig in Klimazonen, in denen trockene und kalte Luft die Lunge und die Atemwege reizt und für Infektionen anfälliger machen kann. Auch spielen die Nasengänge eine Rolle dabei, die aufgenommene Luftauf Körpertemperatur zu erwärmen. Außerdem hilft die Nasenatmung, die Menge an Sauerstoff und Kohlendioxid, die in den Blutkreislauf gelangt, besser zu regulieren. Dem Luftstrom setzt Nasenatmung einen um 50 Prozent höheren Widerstand entgegen als die Mundatmung, was das Lungenvolumen vergrößert und die Sauerstoffaufnahme um 10 bis 20 Prozent erhöht. Dieser Widerstand optimiert den Sauerstoff-Kohlendioxid-Austausch und sorgt dafür, dass die lebenswichtigen Organe effizienter mit Sauerstoff versorgt werden. Das wirkt sich positiv auf die allgemeine Gesundheit und Ausdauer aus. Auch wird bei der Nasenatmung Stickstoffmonoxid freigesetzt, ein gefäßerweiternder Stoff, der die Sauerstoffversorgung im Körper verbessert. Gelangt dieses Gas durch die Nase in den Körper, so vergrößern sich die Lungenbläschen; somit kann mehr Blut durch die Gefäße strömen und mehr Sauerstoff aufgenommen werden. Ferner optmimiert Stickstoffmonoxid die Funktionen des Nerven- und Immunsystems, unterstützt Schutz und Reparatur von Zellen, lindert Schmerz, hemmt Entzündungen, verbessert die Verdauung. Sogar zum biologischen Reinigungssystem des Mundes trägt Nasenatmung bei. "Die Nasenatmung schafft eine feuchte Umgebung im Mund”, erklärt der Zahnarzt Dr. Kyle Gernhofer in der Zeitschrift Epoch Times. “So kann der Speichel seine Aufgabe erfüllen und verhindern, dass sich schädliche Bakterien auf deinen Zähnen und deinem Zahnfleisch ansammeln. Die Nasenatmung hilft auch, abnormales Kieferwachstum bei Kindern zu verhindern", Manche Studien bringen orales Atmen mit einem erhöhten Säuregehalt im Mund in Verbindung, der Zahnschmelz erodieren lässt und zu Karies beiträgt. Umgekehrt weisen Nasenatmer, dank der schützenden Rolle des Speichels, eine bessere Mundgesundheit auf. Auf Nasenatmung umzustellen, könnte darüber hinaus der Schlüssel zu mehr Schlafqualität sein. Mundatmung im Schlaf führt oft zu einem trockenen Hals und stört die Erholung. Im Gegensatz dazu fördert die Nasenatmung einen ununterbrochenen und tieferen Schlaf, indem sie für einen optimalen Sauerstoff- und Kohlendioxidspiegel im Blut sorgt. Dass Mundatmung mit Schlafapnoe zusammenzuhängen scheint, macht sie sogar gefährlich. Nasenatmung hilft, Stress abzubauen. Wenn wir durch die Nase atmen, tun wir es langsamer und tiefer. Dies aktiviert das parasympathische Nervensystem und führt zu einem ruhigeren, entspannteren Zustand. Einer Studie der Florida State University in Tallahassee zufolge wirkt sich Nasenatmung auch auf den Blutdruck und andere Faktoren aus, die mit Herzkrankheiten zusammenhängen: Die komplexe Dynamik zwischen dem Herz-Kreislauf- und dem Atmungssystem des Körpers beeinflusst gängige Marker für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Blutdruck, Herzfrequenzvariabilität, Blutdruckvariabilität und Veränderungen des arteriellen Drucks. Verblüffend: Wie Menschen atmen, spiegelt sich sogar in ihrem Aussehen. Vor allem in jungen Jahren spielt Nasenatmung eine entscheidende Rolle dabei, die Gesichtsstruktur zu gestalten, wie die Cleveland Clinic erklärt: "Die Mundatmung kann die Gesichtsentwicklung von Kindern beeinträchtigen und ein sogenanntes ‚Mundatmungsgesicht‘ verursachen“ – es ist „oft schmal, mit einem fliehenden Kinn oder Kiefer." Wie Studien belegen, trägt die Nasenatmung zu einem breiteren Gaumen und einem ausgewogeneren Gesichtsausdruck bei. Neuronaler Schub für geistige Höhenflüge Müssten uns all diese Zusammenhänge nicht Anlass genug bieten, uns bewusst darum zu bemühen, so oft wie möglich durch die Nase zu atmen? Gewohnheitsmäßige Mundatmer sollten mögliche zugrundeliegende Ursachen wie Nasenpolypen oder eine Nasenscheidewandverkrümmung ärztlich überprüfen und beseitigen lassen. (Dabei gilt es die Vorteile einer solchen Maßnahme abzuwägen gegen die Risiken und unbeabsichtigten Nebenwirkungen, die mit jedem chirurgischen Eingriff verbunden sind.) Sich den Mund vor dem Schlafen zuzukleben - das trendige „Mouth Taping“ -, ist nicht jedermanns Sache, erst recht tagsüber. Yoga-Übungen wie die „Wechselatmung“ können dazu beitragen, den Körper auf die Nasenatmung umzustellen. (Dabei hält man sich ein paar Minuten lang abwechselnd ein Nasenloch zu und atmet durch das andere. Dazu nutzt man den Daumen und Ringfinger einer Hand.) „Wenn du dich das nächste Mal auf eine geistig anstrengende Aufgabe vorbereitest, kann es sich lohnen, auf deinen Atem zu achten“, rät der Online-Infodienst GreenMedInfo. „Wenn du den Mund schließt und durch die Nase einatmest, könnte das den neuronalen Schub geben, den du brauchst, um Höchstleistungen zu vollbringen. Auf der Suche nach einer besseren Gehirnfunktion scheint die Nase am besten Bescheid zu wissen.“ Wer fortan auf Nasenatmung umstellt, dürfte kognitiv davon auf längere Sicht profitieren – mit umgehenden geistigen Höhenflügen sollte er allerdings nicht rechnen. Auch dies macht die koreanische Studie klar: Unter den Versuchspersonen lösten Nasenatmer die gestellte 2-back-Aufgabe nämlich weder korrekter noch schneller als Mundatmer. Keine Regel ohne Ausnahme Manchmal ist Mundatmung unvermeidlich, etwa wenn wir uns intensiv körperlich betätigen, oder bei bestimmten Erkrankungen. „Es gibt auch Momente, in denen das Atmen durch den Mund dein Leben retten kann", erklärt der Atemexperte Stuart Sandeman. „Wenn du unerwartet vor ein entgegenkommendes Auto gerätst, löst ein scharfes Einatmen durch den Mund eine schnelle Durchblutung deiner Beinmuskeln aus, so dass du dich schnell in Sicherheit bringen kannst.“ Ausgerechnet dann mit zugeklebtem Mund herumzulaufen, ist eher keine gute Idee. (Harald Wiesendanger) Anmerkungen 1 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3079584/; https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1053811911011992 2 James Nestor: Breath - Atem: Neues Wissen über die vergessene Kunst des Atmens | Über das richtige Atmen und Atemtechniken, Gebundene Ausgabe 2021. Titelbild: Element Nase: Von LHOON - Eigenes Werk, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=658211; Element Mund: Freepik.com.
- Einsam? Ein guter Arzt fragt danach.
Einsamkeit macht auf Dauer krank – nicht bloß psychisch, auch körperlich. Studien belegen: Sie schadet gesundheitlich sogar mehr als Fettleibigkeit und Rauchen. Kein guter Arzt unterlässt es, nach ihr zu fragen, wenn er erkundet, woher bestimmte Symptome kommen. „Was fehlt dir?“ Eigentlich sind das zwei Fragen in einer. Und stets müssten sie gemeinsam gestellt werden. Die eine zielt auf gesundheitliche Beschwerden. Die andere erkundigt sich nach einem Defizit: Woran mangelt es dir? Oft lautet ein wesentlicher Teil der Antwort: an sozialer Nähe und Wärme, an Beachtung, Verständnis und Wertschätzung, an Zugehörigkeit und Einbezogensein, an Freundschaft, an Liebe. Kurzum: Man ist einsam. Wie viele Ärzte machen sich die Mühe zu erkunden, ob ein solcher Mangel vorliegt – und wie sehr er den Patienten belastet? Sie sollten es. Denn Einsamkeit macht auf Dauer krank. Solange sie anhält, nützen Pillen und Spritzen zuwenig. Dabei geht es nicht um bloßes Alleinsein, soziale Isolation: Manche Menschen sind gerne für sich, gelegentlich oder meistens, und genießen es geradezu. „Um die Einsamkeit ist’s eine schöne Sache, wenn man mit sich selbst in Frieden lebt und was Bestimmtes zu tun hat“, befand Goethe. (1) Franz Kafka bekannte: „Ich muß viel allein sein. Was ich geleistet habe, ist nur ein Erfolg des Alleinseins.“ (2) Umgekehrt fühlen sich viele einsam, obwohl sie in ein großes soziales Netzwerk eingebunden scheinen. Entscheidend ist etwas Emotionales: der Leidensdruck, der entsteht, wenn man seine sozialen Beziehungen als zutiefst ungenügend empfindet. Sich insofern mindestens einmal pro Woche einsam zu fühlen, bekennt in den Vereinigten Staaten fast jeder dritte Erwachsene. 72 Prozent taten es schon mindestens einmal in ihrem Leben. (3) In Deutschland gibt jeder Zehnte an, sich einsam zu fühlen. (4) Zumeist verflüchtigt sich das Elend so zügig, wie es kommt. Doch falls es anhält? Mit zunehmendem Alter wächst die Zahl der Betroffenen: 20 bis 40 % der über 55-Jährigen bezeichnen sich als ständig einsam. Dann drohen chronische Belastungen, von Depressionen über Alkoholmissbrauch bis Drogensucht. Das Suizidrisiko wächst. (6) Aber Einsamkeit, wie jede negative Emotion, beinträchtigt unweigerlich auch das körperliche Wohlbefinden. (7) Im Gehirn von Menschen, die unter sozialer Isolation leiden, stellen Neurologen bereits nach 24 Stunden den Beginn struktureller Veränderungen fest. (8) Die innere Anspannung steigt (9) - Einsamkeit sei „gleichbedeutend mit permanentem Stress”, konstatiert das Deutsche Ärzteblatt. (10) Man schläft schlechter. (11) Entzündungswerte steigen. (12) Das Immunsystem schwächelt. (13) Den Blutdruck kann Einsamkeit um bis zu 14 Punkte erhöhen - umso mehr, je länger sie anhält. Damit steigt das Risiko für Herzkrankheiten. Es kommt eher zu Herzinfarkten und Schlaganfällen. (14) Aber auch eine Demenz wird wahrscheinlicher (15), einschließlich Alzheimer. (16) Von 2002 an beobachteten amerikanische Forscher vier Jahre lang 823 ältere Menschen aus Seniorenheimen in Chicago und Umgebung. Anfangs war kein Beteiligter an einer Alzheimer-Demenz erkrankt. Im weiteren Verlauf jedoch kam es bei denjenigen, die sich einsam fühlten, wesentlich rascher zu einem geistigen Abbau als bei den sozial Aktiveren. Ja, Einsamkeit ist sogar lebensbedrohlich. Das zeigen zwei Meta-Analysen (17), die 2017 auf der Jahrestagung der American Psychological Association vorgestellt wurden. Zusammengenommen erfassten sie 218 Studien mit mehr als 3,7 Millionen Personen. Einsamkeit korrelierte mit einem bis zu 50 % erhöhten Risiko, vorzeitig zu sterben. Damit ist sie nicht weniger tödlich als Fettleibigkeit oder das Rauchen von 15 Zigaretten pro Tag. (18) Bei Brustkrebspatientinnen verringert Einsamkeit die Überlebensrate (19), ebenso bei Herzoperierten. (20) Lektion von Methusalems Worin besteht das Geheimnis von Methusalems? Wie gelingt es manchen Menschen, bei verblüffend guter Gesundheit über hundert Jahre alt zu werden – ohne Ärzte, ohne Medikamente, ohne Operationen? Alternsforscher sind sich einig: Solche Greise haben nicht bloß in der Genlotterie das große Los gezogen, ernähren sich gut, sind körperlich aktiv, meiden Umweltgifte, trinken und rauchen allenfalls in Maßen. Darüber hinaus sind so gut wie alle Langlebigen bis zuletzt eingebunden in soziale Netzwerke: die Familie, der Freundeskreis, die Nachbarschaft, der Verein. Sie pflegen und genießen Kontakte. Sie fühlen sich nicht abgeschoben, ausgegrenzt, alleingelassen – sondern beachtet, gebraucht und wertgeschätzt, beliebt und geliebt. Befragt, worauf sie selber ihre Langlebigkeit zurückführen, hört man von ihnen besonders häufig: Sie haben sich nie längere Zeit einsam gefühlt. (21) Seit 1938 sammeln Forscher der amerikanischen Elite-Universität Harvard Daten zur Frage: Was ist der Schlüssel zu einem guten Leben? Wie muss es sein, damit es Menschen erfüllt und glücklich macht? Als wichtigster Faktor haben sich funktionierende Beziehungen erwiesen. Menschen seien soziale Wesen, deswegen bedeuten ihnen Freundschaften, Familie und Partnerschaft besonders viel, so erklärt Robert Waldinger, Professor für Psychiatrie an der Harvard University und derzeit Leiter der Harvard Study of Adult Development, in seinem Zwischenbericht The Good Life. (22) Was ihn besonders erstaunte: Beziehungen haben einen emormen Einfluss auf die Gesundheit. Und mehr als das: "Für mich war überraschend, wie stark die Herzlichkeit von Beziehungen vorhersagt, wie lange wir gesund sind, wie lange wir leben und wie glücklich wir sind." (23) Epigenetik liefert Erklärungen – und lässt hoffen Jedes Erlebnis, jeder Gedanke, jede Überzeugung, jedes Gefühl, jede Aktion, die Einsamkeit bannt, wirkt auch auf der körperlichen Ebene heilsam. Wie ist das überhaupt möglich? Immer mehr Wissenschaftler finden Hinweise darauf in der Epigenetik: einem noch jungen Forschungsbereich, der überraschende Erkenntnisse darüber verspricht, wie Umweltfaktoren - aber auch die Art und Weise, wie wir sie verarbeiten - unsere Zellen und die Aktivität unserer Gene beeinflussen. Diesem hochspannenden Zusammenspiel hat der amerikanische Bewusstseinsforscher und Wissenschaftsautor Dawson Church, Gründer und Leiter des National Institute for Integrative Healthcare, ein erhellendes Buch gewidmet: The Genie in Your Genes: Epigenetic Medicine and the New Biology of Intention. Gestützt auf Hunderte von Studien erklärt er, wie Überzeugungen und Emotionen die Expression von DNA-Strängen beeinflussen können. Dabei konzentriert er sich auf eine besondere Klasse von Genen, die sogenannten Immediate Early Genes, kurz IEGs: Diese schalten sich innerhalb weniger Sekunden nach einem Stimulus ein. Auch durch Gedanken oder Gefühle lassen sie sich aktivieren. („Über das unerwartete Geschenk meines Nachbarn habe ich mich sehr gefreut“ oder „Es macht mich traurig und wütend, was meine Schwester auf der Weihnachtsfeier gesagt hat".) Viele IEGs sind regulatorisch: Sie schalten andere Gene an, die bestimmte Aspekte unseres Immunsystems beeinflussen, beispielsweise die Produktion von weißen Blutkörperchen, die angreifende Bakterien und Viren zerstören. Womöglich können wir jahrelange Therapien, schädliche Medikamente und invasive Operationen vermeiden, umgehen können, indem wir die Kontrolle über unser Bewusstsein übernehmen und es nutzen, um unsere genetische Ausprägung zu beeinflussen – und somit unseren eigenen Körper kontinuierlich genetisch verändern. Dies kann sowohl zu einer sofortigen Linderung langjähriger Ängste und Neurosen führen als auch zu einer geradezu wundersamen Heilung anhaltender körperlicher Beschwerden. Was fehlt dem Patienten, den der Arzt vor sich hat? Was benötigt er am dringendsten? Auf dem Rezept müsste in vielen Fällen stehen: Begegnungen. Verbindungen. Miteinander. Gemeinschaft. Den Rest hilft dann Epigenetik zu erledigen. (Harald Wiesendanger) Anmerkungen 1 J. W. Goethe: Briefe. An Charlotte von Stein, Dornburg, 4. März 1779. 2 Franz Kafka: Tagebücher, 21. Juli 1913. 3 Nach dem Harris Poll, einer US-Umfrage aus dem Jahr 2016, siehe American Osteopathic Association, 11. Oktober 2016, https://osteopathic.org/2016/10/11/survey-finds-nearly-three-quarters-72-of-americans-feel-lonely/ 4 Theresa Eyerund, Anja Katrin Orth: Einsamkeit in Deutschland: Aktuelle Entwicklung und soziodemographische Zusammenhänge. IW-Report, Nr. 22. Institut der deutschen Wirtschaft (IW), Köln 2019, https://www.econstor.eu/bitstream/10419/198005/1/1667352865.pdf 5 M. Aartsen, M. Jylhä: „Onset of loneliness in older adults“, European Journal of Ageing 8 (3) 2011, S. 31–38; C. Luanaigh, B. Lawlor: „Loneliness and the health of older people“, International Journal of Geriatric Psychiatry 23 (12) 2008, S. 1213–1221. 6 American Osteopathic Association, 11. Oktober 2016, https://osteopathic.org/2016/10/11/survey-finds-nearly-three-quarters-72-of-americans-feel-lonely/ 7 G. Miller: „Why loneliness is hazardous to your health“, Science 331 (6014) 2011, S. 138–140, https://www.science.org/doi/10.1126/science.331.6014.138; A. Shankar u.a.: „Loneliness, social isolation, and behavioral and biological health indicators in older adults“, Health Psychology 30 (4) 2011, S. 377–385, https://lateadulthoodstage.weebly.com/uploads/1/5/0/5/15050912/biological_health_indicators_pdf.pdf 8 New York Times, 5. September 2016, https://www.nytimes.com/2016/09/06/health/lonliness-aging-health-effects.html 9 Psychology Today 9. Juni 2016, https://www.psychologytoday.com/articles/200308/the-dangers-loneliness; Psychological Bulletin 140 (6) 2014, S. 1464-1504, https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/25222636/ 10 “Einsamkeit – Einfluss auf den Therapieerfolg”, www.aerzteblatt.de. PP 1/2012, https://www.aerzteblatt.de/pdf.asp?id=118236 11 Social Science and Medicine, 74 (6) März 2012, S. 907-914, https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0277953612000275 12 PNAS 19. Januar 2016; 113 (3), S. 578-583, https://www.pnas.org/content/113/3/578.abstract 13 Washington Post, 31. Januar 2016, https://www.washingtonpost.com/national/health-science/loneliness-grows-from-individual-ache-to-public-health-hazard/2016/01/31/cf246c56-ba20-11e5-99f3-184bc379b12d_story.html?utm_term=.2ddaa25cc6df 14 The Telegraph 24. August 2016, https://www.telegraph.co.uk/science/2016/08/24/having-no-friends-could-be-as-deadly-as-smoking-harvard-universi/ 15 Archives of General Psychiatry, Februar 2007;64, S. 234-240, https://archpsyc.ama-assn.org/cgi/content/abstract/64/2/234 16 Medical News Today, 2. November 2016, https://www.medicalnewstoday.com/articles/313858.php 17 Business Insider, 7. August 2017, https://www.businessinsider.com/loneliness-greater-public-health-hazard-than-obesity-2017-8; APA.org, 5. August 2017, https://www.apa.org/news/press/releases/2017/08/lonely-die.aspx 18 Forbes, 18. Januar 2017, https://www.forbes.com/sites/quora/2017/01/18/loneliness-might-be-a-bigger-health-risk-than-smoking-or-obesity/ 19 Medical News Today, 12. Dezember 2016, https://www.medicalnewstoday.com/articles/314675.php 20 Nach Dawson Church: The Genie in Your Genes: Epigenetic Medicine and the New Biology of Intention (2007). 21 Näheres in Dan Buettner: Das Geheimnis der 100-Jährigen: Entdeckungsreise in die Blue Zones der Welt. Wie man es schafft gesund und länger zu leben (2023). 22 Robert Waldinger/Marc Schulz: The Good Life ... und wie es gelingen kann: Erkenntnisse aus der weltweit längsten Studie über ein erfülltes Leben (2023). 23 Zit. nach dem Podcast "The Written Word” der Harvard-Universität, siehe https://magazine.hms.harvard.edu/articles/good-life: "The Good Life: Lessons from the World’s Longest Scientific Study of Happiness by Robert Waldinger, MD, and Marc Schulz, PhD" Titelbild: Freepik.
- Hochstapler unter Hochstaplern
Jede Wette: Begabte Laienhelfer brächten psychotherapeutisch noch weitaus mehr zustande als ohnehin, wenn sie in einen weißen Kittel schlüpfen, sich einen hochtrabenden Titel zulegen und bedrückte Seelen in Räumlichkeiten empfangen dürften, die wie eine Praxis aussehen. Jedem, der sehen will, führten erfolgreiche Hochstapler dies eindrücklich vor Augen. Die triftigsten Anhaltspunkte für diesen frechen Verdacht stammen von besonders erfolgreichen Hochstaplern: pfiffigen Zeitgenossen, die jahrelang unerkannt als vorgebliche Psycho-Profis praktizierten. Enttarnt wurden sie nicht etwa, weil sie versagten, Patienten mangelhaft versorgten oder gar schädigten, ihre Aufgaben erkennbar schlechter erledigten als „echte“ Psychologen, Psychotherapeuten und Psychiater. Sie flogen auf, weil irgendwann eher zufällig auffiel, dass sie Urkunden gefälscht oder gar nicht erst vorgelegt hatten. Der „maßgeschneiderte Begleiter“ von Hessisch Oldendorf Am 26. Februar 2015 wurde in Hessisch Oldendorf der 47-jährige Stefan Brandt verhaftet: Als falscher Diplom-Psychologe und Psychotherapeut hatte er ein knappes Jahr lang im Sana-Klinikum in Hameln, einem Akademischen Lehrkrankenhaus der Medizinischen Hochschule Hannover, als freier Mitarbeiter rund 180 Patienten, nachdem sie ihm als psychisch auffällig gemeldet worden waren, untersucht, Diagnosen gestellt, Beratungen durchgeführt und sie begutachtet – auf der Grundlage eines „Kooperationsvertrags“. In seinem Heimatort betrieb Brandt zudem jahrelang eine gutgehende „Praxis für ganzheitliche Psychotherapie und Lebensberatung“. Deren Schwerpunkt war die „Maßgeschneiderte Begleitung an Lebenswendepunkten“. (1) Sogar Ausbildungskurse bot er an. Auch für Zeitungsredakteure stand Brandts Fachkompetenz recherchefrei außer Frage. So zitierten ihn die Schaumburger Nachrichten als Experten für psychische Hintergründe von Ernährungsgewohnheiten. („Tiefenpsychologisch gesehen ist das Essen am stärksten mit unserem jeweiligen Lebensgefühl verbunden.”) Das Stadtmagazin Rintelner präsentierte ihn als “Psychotherapeut, Systemischer Coach und Transformationspsychologe. Außerdem verfügt er über eine Ausbildung als Supervisor (DGSv) und Mediator, Coach für gewaltfreie Kommunikation und Meditationslehrer.” (1) Über Patienten erstellte er Gutachten für Krankenkassen. Auf die Schliche kam man dem gerissenen Möchtegern keineswegs aufgrund offenkundiger Kunstfehler, im Gegenteil: Weder seine Patienten noch Leitung und Kollegenkreis der Sana-Klinik schöpften den geringsten Verdacht. Vorzüglich schien Brandt dem online betonten Klinikanspruch zu genügen, „in den Mittelpunkt die bestmögliche Diagnostik und Therapie für eine qualifizierte medizinische Versorgung der uns anvertrauten Patienten“ zu stellen, gewährleistet „durch interne und externe Qualitätssicherung“. (2) Zum Verhängnis wurden dem dreisten Großtuer, nach Angaben einer Kliniksprecherin, vielmehr „Hinweise aus der Bevölkerung über die fehlende berufliche Qualifikation“. (3) Die Staatsanwaltschaft warf ihm gewerbsmäßigen Betrug und Titelmissbrauch vor: „Insgesamt werden dem Mann 188 Straftaten zur Last gelegt“, sagte ein Sprecher. (3) 23 Jahre als falsche Psychiaterin 23 Jahre lang arbeitete Zholia Alemi, eine eingewanderte Neuseeländerin, mit einem gefälschten Diplom als Psychiaterin in englischen Kliniken. Darüber hinaus war sie Direktorin einer Firma namens Healthy Minds and Wellbeing Limited in Huddersfield, die Privatpatienten aufnahm. In Wahrheit hatte sie 1992 ein Medizinstudium bereits im ersten Jahr abgebrochen, nachdem sie bei Prüfungen durchgefallen war; bis dahin konnte sie allenfalls ein paar einführende Vorlesungen über Grundlagen der Psychologie mitgekriegt haben. Ihr einziger Abschluss war ein Diplom in Humanbiologie. Trotzdem kümmerte sich Alemi offenbar so gut um Abertausende von psychisch Kranken, dass niemand den geringsten Verdacht schöpfte: kein Arzt, kein Patient. Sie galt als hochintelligent und charmant. Als Zholia Alemi im Herbst 2018, inzwischen 56-jährig, endlich aufflog, war ihr nicht etwa ein Kunstfehler zum Verhängnis geworden – sondern eine weitere dreiste Urkundenfälschung: Das Testament einer 84-jährigen Demenzpatientin, deren Vertrauen sie gewonnen hatte, änderte sie allzu plump ab, um sich als Alleinerbin von 1,3 Millionen englischen Pfund einzusetzen. Wie reagierte das General Medical Council (GMC) darauf, die britische Aufsichtsbehörde für Ärzte? Aus dem Skandal zog sie nicht etwa den naheliegenden Schluss, dass begabte Laien wie Alemi die Psychiatrie zur allseitigen Zufriedenheit bereichern können, ohne Schaden anzurichten, und eine unbürokratische Zulassung verdienen. Nein, die Kammer beschloss, umgehend die Urkunden aller 3000 ausländischen Ärzte auf Echtheit zu überprüfen. (4) Was lehrt uns das über die Art der Qualifikationen, auf die es in der Psychiatrie ankommt? Peinlich, bezeichnend: Wie ein Postbote die Psychiatrie blamierte Die Köpenickiaden eines Stefan Brandt sind vergleichsweiser Pipifax, wenn wir sie an jenem schier unfassbaren Skandal messen, der zwei Jahrzehnte zuvor Deutschlands wissenschaftliche Seelenheilkunde aufs Beschämendste bloßstellte: die Postel-Affäre. Mit gefälschten Urkunden ergatterte Gert Uwe Postel, ein gelernter Postbote mit Hauptschulabschluss, zwischen 1980 und 1997 mindestens sechs Anstellungen als Psychiater, zum Teil in leitenden Positionen. Auf seine Rolle als falscher Arzt vorbereitet hatte sich der ehrgeizige Sohn eines Kfz-Mechanikers und einer Schneiderin, geboren 1958 in Bremen, indem er ein paar Vorlesungen besuchte, Fachbücher las und sich mit psychiatrischem Expertensprech vertraut machte. Stattliche 1,94 Meter groß, schlank, selbstsicher auftretend, sprachlich gewandt, einfühlsam, mit schmalrandiger Brille und flinker Auffassungsgabe: Mehr brauchte er nicht, um in der deutschen Seelenheilkunde fast zwei Jahrzehnte lang eine imposante Karriere hinzulegen. Sie beginnt Anfang 1981 in einem Fachkrankenhaus für Psychotherapie nahe Oldenburg. Dort stellt er sich als junger Arzt frisch von der Uni vor, legt eine getürkte Approbationsurkunde vor, macht Eindruck und wird eingestellt. Ein Vierteljahr lang behandelt er dort zur allseitigen Zufriedenheit, ehe es ihn in seine Heimatstadt Bremen zurückzieht. Dort gibt er ein kurzzeitiges Gastspiel als leitender Arzt in einem Reha-Zentrum. Dann liest er in einem Ärzteblatt, die Stadt Flensburg habe im Gesundheitsamt eine Stelle frei. Daraufhin bewirbt er sich als „Dr. med. Dr. phil. Clemens Bartholdy, Sohn eines Medizinalrats und einer Medizinaldirektorin“. Prompt wird er, gerade mal 24 Jahre alt, zum stellvertretenden Amtsarzt in der drittgrößen Stadt Schleswig-Holsteins – übrigens mit dem Internisten, späteren Bundestagsabgeordneten und Europaratsmitglied Dr. Wolfgang Wodarg als unmittelbarem Vorgesetzten. (5) Von September 1982 bis April 1983 reüssiert Postel dort. Unter seiner Leitung und Aufsicht sinkt die Quote der psychiatrischen Zwangseinweisungen von über 95 auf zehn Prozent. (6) Legt irgendwer Beschwerde dagegen ein, wie er entscheidet, bestätigt das Landgericht seinen Befund. Die Arbeit bei der Behörde empfindet Postel bald als zu anstrengend, hier will er nicht versauern. Er bewirbt sich bei der psychiatrischen Klinik der Universität Kiel – und erhält einen Anstellungsvertrag. Nächste Station ist die Privatklinik von Julius Hackethal in Riedering bei Rosenheim. (6) Als psychiatrischer Sachverständiger ist Postel unter anderem für das Berliner Berufsförderungswerk und die Stuttgarter Landesversicherungsanstalt tätig; er erstellt Gerichtsgutachten, unter anderem in Mordprozessen, und tritt in Hauptverhandlungen auf. (7) Die Postel-Affäre: schallende Ohrfeige für Psycho-Profis Im November 1995 tritt er im sächsischen Zschadraß eine Stelle als Oberarzt im dortigen Fachkrankenhaus für Psychiatrie mit 140 Betten an. Er ist Vorgesetzter von 28 Ärzten, bestimmt über Entlassungen und Einstellungen. Obendrein ist er Weiterbildungsbeauftragter, Gutachter und Vorsitzender der fachärztlichen Prüfungskommission. Die weiterhin gültigen Zeugnisse einiger Fachärzte tragen bis heute seine Unterschrift. Seine Kompetenz bleibt unbestritten. Keinem einzigen Patienten habe Postel geschadet, wie der Chefarzt der Klinik, Dr. Horst Krömker, im nachhinein als Zeuge vor Gericht betonte. (8) Vielmehr bewährt sich Postel dort mit „überdurchschnittlichen Leistungen“ (9) dermaßen, dass ihm, von Sachsens Sozialminister Dr. Hans Geißler (CDU) persönlich unterstützt, eine C4-Professur als Chefarzt in der forensischen Abteilung am Sächsischen Krankenhaus Arnsdorf im Landkreis Bautzen angeboten wird. Von seinem Chefarzt nach dem Thema seiner Dissertation befragt, gibt Postel an: „Die Pseudologia phantastica am literarischen Beispiel der Figur des Felix Krull nach dem gleichnamigen Roman von Thomas Mann.“ Pseudologia phantastica? Das bedeutet: pathologisches Lügen. Wie dick hätte der Zaunpfahl denn noch sein müssen, damit der Chefarzt den Wink damit nicht übersieht? Wie damalige Arztkollegen berichten, habe sich Postel hin und wieder arrogant und aufbrausend benommen. Seine Exzellenz scheint er in Weißkittelkreisen damit eher unterstrichen als beschädigt zu haben. Zwanzig Monate hält sich Postel in Zschadraß in der Position eines Oberarztes. Zielfahnder schnappen Postel am 12. Mai 1998 in einer Telefonzelle am Stuttgarter Hauptbahnhof. Am 22. Januar 1999 wird er wegen mehrfachen Betrugs, Urkundenfälschung, Täuschung und Missbrauchs von akademischen Titeln zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Zuvor hatte kein einziger Fachkollege, kein Vorgesetzer, kein Patient, kein Richter den leisesten Verdacht geschöpft. Dieser gewitzte Zeitgenosse überflog das Kuckucksnest nicht bloß – er inszenierte sich darin perfekt. Nie ist er eines Fehlers überführt worden – vielmehr gingen seine Diagnosen, seine Einweisungen, seine Behandlungen, seine Gutachten überall durch, unbeanstandet und vielgelobt. Postel, charmant und eloquent, galt als hochkompetenter „Artist der Einfühlung“ (10), der niemandem Schaden zufügte und allenthalben brillierte. Lob kam selbst vom Vorsitzenden Richter des Ersten Strafsenats des Bundesgerichthofs, Armin Nack: „Postel war Obergutachter und ich sage Ihnen eines: Der war der beste Gutachter, besser als die beiden gelernten Psychiater.“ (11) Allein während seines Oberarzt-Auftritts in Sachsen strich Postel über 200.000 Mark an Gehalt ein – inflationsbereinigt wären dies heute rund 160.000 Euro. Die zusätzlichen knapp 44.000 Mark, die er für psychiatrische Gerichtsgutachten in 23 Strafverfahren einstrich, durfte er behalten. Zwar prüfte das sächsische Justizministerium eine Rückforderung, leitete jedoch kein Verfahren ein. Denn um das Geld einzuklagen, hätte es nachweisen müssen, dass die Gutachten fehlerhaft waren. Doch kein einziges Gericht hat irgendeine von Postels Expertisen jemals zurückgewiesen oder angefochten. (12) Ehre, wem Ehre gebührt: Postels Geschichte wurde verfilmt (13), bis heute widmen ihm Fans eine eigene Website. In der Antipsychiatriebewegung genießt Postel bis heute Kultstatus. Was es über seine Doktorspiele gedruckt und online zu erfahren gibt, stellt hinsichtlich seines antidepressiven Werts vermutlich hundert Lachyoga-Stunden locker in den Schatten. Auf „X“, vormals Twitter, ist Postel seit August 2023 nach längerer Pause erneut präsent: „Es ist an der Zeit, Twitter wieder mit meinen geistreichen Tweets zu erfreuen. Dieser niveaulose Ort braucht wieder einen eloquenten Menschen wie mich.“ (14) Mit „Schwafelkunst“ den Spiegel vorgehalten „Gert Postel ist für die Psychiatrie, was Jürgen Schneider für die Banken und das Geschäft mit Immobilien darstellt - ein Alptraum, ein Gespenst”, schrieb Der Spiegel 1997. (15) Dass der vermeintlich wissenschaftliche Seelenheilbetrieb über diesen haarsträubenden Fall am liebsten den Mantel des Schweigens ausbreitet, ist ihr ohne weiteres nachzufühlen. In kaum einem anderen Berufszweig wäre es dem Hochstapler möglich gewesen, derart lange unbehelligt zu arbeiten. „[Alle] diese Leute müssen konkret etwas können, um ihrem Beruf zu genügen“, ätzt der Kulturkritiker Burkhard Müller. „Die Psychiatrie […] beglaubigt sich hinlänglich in einem gewissen Auftreten und einem bestimmten Jargon.“ (16) Postel selbst meinte zum Berufsbild des Seelendoktors abfällig: "Auch eine dressierte Ziege kann Psychiatrie ausüben.“ Wörter machen Leute: „Wer die psychiatrische Sprache beherrscht, der kann grenzenlos jeden Schwachsinn formulieren und ihn in das Gewand des Akademischen stecken.“ Es herrsche ein unermessliches „Genügen an Worten“, samt einer unstillbaren „Sehnsucht nach Etikettierung“. Psychiatrie sei “Schwafelkunst”, “Sprachakrobatik plus ein wenig Inszenierung“ – hohles Wortgeklingel. Sie “lebt vom Hin- und Herwerfen leerer, das heißt keiner Anschauung entnommener Begriffe. Ich kann mit Hilfe der psychiatrischen Sprache alles beweisen, jeweils auch das Gegenteil und das Gegenteil vom Gegenteil. Das ist alles sehr unseriös.” Das begrenzte Fachidiom sei schnell erlernt. Wer sich auffällig lebhaft gebärde, leide halt an einer „akuten Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis“, wer sich still verhalte, an einer „symptomschwachen autistischen Psychose“. In einem Vortrag vor Psychiatern führte Postel unsinnigen Fachbegriff ein, die bipolare Depression dritten Grades – es wird unwidersprochen geschluckt. (17) (“Ich wollte ausreizen, wie weit ich gehen kann.”) Im Anschluss daran “fragte ich einen Universitätsprofessor, den damaligen ärztlichen Direktor der Universitätsklinik Münster, ob er die bipolare Depression dritten Grades im universitären Alltag häufig erlebe. Er sagte mit einem überheblichen, ordinarientypischen Gestus, das sei nicht häufig, aber es komme mitunter vor. Damit war mir klar: Ich bin als Hochstapler unter Hochstaplern gelandet.” (18) Als Ex-Oberarzt sei er "sehr seltsamen" Personen unter den Ärzten begegnet, sagt Postel: "Einer stellte die Diagnose für einen Patienten, ohne mir die Symptome nennen zu können. Da verliert man jeden Respekt, ich habe die Ärzte alle verachtet“, und das beruht auf Gegenseitigkeit: Psychoprofis und ihre Interessenverbände empören sich einhellig über den Totalschaden, den der Pfiffikus ihrem Image zufügte. Denn dieser Till Eulenspiegel führte ihnen aufs Schmerzlichste die Narrheit ihrer Fachwelt vor: Was Profis Laien voraus haben, erschöpfte sich in seinem kuriosen Fall darin, im Besitz von Titeln, Urkunden und dem damit verbundenen Sozialprestige zu sein. In Postels Spiegel sahen sie hässlich aus – und so schlugen sie empört darauf ein. Doch was kann der Spiegel dafür, was er zeigt? Dieser Kaiser, der einer akademischen Scheinwelt seine neuen Kleider vorführte: Ist er ein Lügner? „Nicht jede unwahre Behauptung die sittliche Qualität einer Lüge”, findet Postel. (18) “Manchmal muss man der Wahrheit mit den Mitteln der ‘Lüge’ zum Durchbruch verhelfen. Es gibt jedenfalls höhere Güter als das Gut der Wahrhaftigkeit um jeden Preis. (…) Die Betrüger zu betrügen war schon immer eine List der Schwachen gegen die vermeintlich Starken.” Worauf beruht dann die Macht des Psycho-Experten? “Er spricht mit seinem Patienten in einem Hierarchieverhältnis”, erklärt Postel. Dieses erwächst daraus, “dass der Psychiater nach seiner Selbsteinschätzung der Gesunde ist, während der Patient die Rolle des Kranken zu spielen hat. Daraus ergibt sich die Macht des Psychiaters und seine Definitionshoheit über die emotionale Verfassung des ihm ausgelieferten ‘Patienten’.” (18) Einen Großteil seiner kriminellen Energie schöpfte Postel aus einer familiären Tragödie: Seine schwer depressive Mutter beging Suizid. Dem behandenden Psychiater warf er vor, ihr die falschen Medikamente verschrieben zu haben. (18) „Es gibt nur einen Beweis für das Können: das Tun.“ Hätte in den Strafprozessen gegen Brandt und Postel nicht auch die sogenannte „moderne Seelenheilkunde“ auf die Anklagebank gehört? Hätte den drakonisch Verurteilten nicht Lob und Anerkennung für ihre unbestrittenen Verdienste um die Volksgesundheit gebührt? Gehört bestraft, wer erfolgreich Geburtshilfe leistet, ohne staatlich anerkannte Hebamme zu sein – oder jemanden vor dem Ertrinken bewahrt, ohne ein Rettungsschwimmer-Diplom zu besitzen? Zum vermeintlichen Kompetenzvorsprung von Psychoprofis gegenüber Laien fällt mir kaum eine lehrreichere Diskussionsgrundlage ein als Postels eigene Rückblicke Die Abenteuer des Dr. Dr. Bartholdy – Ein falscher Amtsarzt packt aus (1985) und Doktorspiele – Geständnisse eines Hochstaplers (2001). Verlogenheit und Wichtigtuerei als Schlüssel zu gewissen Kreisen - damit fällt ein vernichtendes Urteil über diese Kreise. Was fähige Laienhelfer daran hindert, als vollwertige Psychotherapeuten tätig zu sein, ist demnach in erster Linie eines: die Rechtslage, welche Standesinteressen schützt. Denn damit würden sie sich einer seit 1999 geschützten Berufsbezeichnung bedienen, was sie teuer zu stehen käme: Nach § 132a des Strafgesetzbuchs und §1 des Psychotherapeutengesetzes riskieren sie beträchtliche Geldstrafen, im hartnäckigen Wiederholungsfall bis zu einem Jahr Gefängnis. Aber Psychotherapie ist vorrangig kein juristischer Sachverhalt, sondern ein allgegenwärtiges Geschehen im sozialen Raum: ein unterstützendes, fürsorgliches Miteinander in seelischen Nöten, so alt wie die menschliche Zivilisation. Über die notwendigen und hinreichenden Fähigkeiten dafür verfügt jener elitäre Personenkreis, dessen Standesorganisationen ihm die alleinige rechtliche Befugnis verschafft haben, sich entsprechend zu betiteln, weder ausschließlich noch garantiert. Die österreichische Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach (1830-1916) lag goldrichtig: „Es gibt nur einen Beweis für das Können: das Tun.“ (Harald Wiesendanger) Dieser Text ist ein Auszug aus Harald Wiesendanger: Psycholügen, Band 3: Seelentief: ein Fall für Profis?, Schönbrunn 2017, 2. erw. u. aktualisierte Aufl. 2024; 124 S., auch als PDF. Die Folgen dieser Serie („Helfen Psycho-Profis wirklich besser?“) 1 Reichlich erforscht: Viele Laien können mehr 2 Unter den Teppich gekehrt 3 Vogel Dodo beim Wettlauf der Psychotechniker 4 Wie viel bringt Psychotherapie wirklich? 5 Warum nützt Psychotherapie? 6 Warum manche Laien die besseren Therapeuten sind 7 Hochstapler unter Hochstaplern 8 Psychotherapie als Gefahrenherd 9 Nase vorn: Was viele Profis besser können – und weshalb 10 Pragmatismus statt Lobbyismus - Für eine weise Psycho-Politik Anmerkungen 1 https://der-rintelner.de/wp-content/uploads/2014/06/DR_03_12_LR.pdf, S. 22 2 Laut der Klinik-Homepage www.sana-hm.de/ueber-uns/qualitaetsbericht.html, abgerufen am 16.6.2016. 3 https://www.abendblatt.de/region/niedersachsen/article205192449/Falscher-Psychotherapeut-begutachtet-Klinik-Patienten.html 4 Näheres zum Fall Alemi: https://www.newsandstar.co.uk/news/17230748.doctor-who-faked-will-of-west-cumbrian-widow-led-life-of-deception/, https://www.bbc.com/news/health-46258687; https://www.bbc.com/news/uk-england-cumbria-45894587; https://www.bbc.com/news/uk-england-cumbria-45881079 5 Hamburger Abendblatt 4.3.2015: “Falscher Psychotherapeut begutachtet Klinik-Patienten”, https://www.abendblatt.de/region/niedersachsen/article205192449/Falscher-Psychotherapeut-begutachtet-Klinik-Patienten.html, abgerufen am 2.1.2023; MK Kreiszeitung, 4.3.2015: „Falscher Psychotherapeut begutachtet in Hameln Klinik-Patienten“; Hannoversche Allgemeine, 17.5.2015: „Falscher Psychotherapeut angeklagt“; DeWeZet: “Top 10 der Hochstapler”, https://www.dewezet.de/lokales/top-10-der-hochstapler-FZAFZFF5Z5CA76AY66D6FDECYD.html, abgerufen am 2.11.2023 6 „Dr. Clemens Bartholdy – als der falsche Doktor aufflog”, Flensburger Tageblatt, http://www.shz.de/lokales/flensburger-tageblatt/dr-clemens-bartholdy-als-der-falsche-doktor-aufflog-id11051411.html, 27. Oktober 2015, abgerufen am 2.11.2023. 7 Eckhard Rohrmann: Mythen und Realitäten des Anders-Seins – Gesellschaftliche Konstruktionen seit der frühen Neuzeit, 2. Aufl. Wiesbaden 2011, S. 192. 8 https://www.abendblatt.de/archiv/1999/article204569285/Die-Possen-des-Dr-Postel.html; „Die Possen des Gert Postel”, http://archiv.rhein-zeitung.de/on/99/01/20/topnews/postelhin.html, Rhein-Zeitung, 20. Januar 1999, abgerufen am 16. Januar 2016.) 9 So urteilte der damalige Klinikleiter über Postel während dessen Probezeit. 10 Der Spiegel 29/1997: „Ein Gaukler, ein Artist“, https://www.spiegel.de/politik/ein-gaukler-ein-artist-a-de8925d4-0002-0001-0000-000008742708 11 In einem Vortrag bei der juristischen Fakultät der Universität Passau am 31. Mai 2012, zit. nach www.zwangspsychiatrie.de/2013, abgerufen am 17.6.2016. 12 https://www.gert-postel.de/Buch%20Rezension%20Psychotherapie.htm 13 „Der Unwiderstehliche – Die tausend Lügen des Gert Postel“ (2002), https://www.tvspielfilm.de/kino/filmarchiv/film/der-unwiderstehliche-die-tausend-luegen-des-gert-postel,1302172,ApplicationMovie.html 14 https://twitter.com/Postel_X 15 https://www.spiegel.de/politik/ein-gaukler-ein-artist-a-de8925d4-0002-0001-0000-000008742708 16 Burkhard Müller: „Postel - Die Einsamkeit des Hochstaplers“, Merkur - Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken 801 (70) 2016, S. 21-23. 17 https://www.gert-postel.de/clinicum.htm 18 Zit. in https://www.rhetorikmagazin.de/?p=4408 Titelbild: Erzeugt von Microsofts KI „Bing Image Creator“ nach meiner Vorgabe “Münchhausen leitet eine psychiatrische Klinik”.
- Wenn schon Gendern, dann gnadenlos!
Bewusstseinserweiternde Maßnahmen zu geschlechtergerechter Sprachbereinigung fordert die Woke-Akademie für Antisexistische Genderlinguistik (WAAGL) in einem verdienstkreuzwürdigen öffentlichen Aufruf, der vom 1. April nicht allzu weit entfernt ist. „Liebe Erwachtinnen und Erwachte, lasst uns feiern! Haben wir nicht Großartiges, ja geradezu Revolutionäres erreicht, und das in atemberaubender Geschwindigkeit: das öffentliche Sprachbewusstsein auf ein ganz neues Niveau zu heben? Immer mehr Mitmenschinnen und Mitmenschen gendern immer konsequenter, mit Sternchen und Doppelpunkten, mit Schräg- und Unterstrichen, mit Gerundiven und Sprechpausen – wie wundervoll! Welcher Mann traut sich noch, männerzentriert zu sprechen? Vom Schuldirektor über den Pfarrer, den Richter, den Bürgermeister, den Hochschuldozenten und den Nachrichtensprecher bis zum Abgeordneten, zum Minister, zum Kanzler, zum Bundespräsidenten: Inzwischen machen fast alle mit. Wer in Betrieben und Behörden, bei der Polizei oder der Bundeswehr etwas werden will, kommt kaum noch drum herum. Vom Pressetext über den Toast auf einen Jubilar, die Festrede bei der Hochzeit bis zum Nachruf beim Begräbnis: Kaum jemand wagt es noch, sich diskriminierend querzulegen. Er riskiert befremdete Blicke, deutliche Zurechtweisungen, ja einen Karriereknick. Der Druck wächst, und das natürlich völlig zurecht. Je mehr sich staatliche Organe um geschlechtergerechte Formulierungen bemühen, desto unerbittlicher muss jeglicher Versuch, sie deswegen lächerlich zu machen, als „verfassungsschutzrelevante Delegitimierung“ verfolgt werden. Keine Gnade mit ewig Gestrigen, die mittels sprachsexistischer Hassrede Volksverhetzung betreiben! Die Anti-Gender-Szene, wie jedes Querdenker-Milieu, hat zweifellos Berührungspunkte zum Antifeminismus und anderen Ideologien der Ungleichwertigkeit. Das verbindet sie mit dem Rassismus, dem Antisemitismus und sonstiger gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit – auch Hitler genderte bekanntlich nicht. Aber das ist erst der Anfang! Seht euch heutige Stellenangebote an – was fällt euch auf? Auf ein „m“ und ein „w“ folgt: ein „d“! Es steht für „Diversgeschlechtliche“, für „Queers“. So muss es sein. Doch wie wir momentan gendern, vernachlässigen wir diese Gruppe rücksichtslos. Eine Schande! Das muss sich schleunigst ändern. Um Nichtbinäre in gesprochenes und geschriebenes Deutsch gebührend einzubeziehen, empfiehlt das Institut für transformative Sexuallinguistik (ITSL), die Endsilbe „-qui“ zu verwenden, in Anspielung auf die Phonetik des Wortes queer, „kwiiiier“. Folglich muss eine gendertechnisch unbedenkliche Rede künftig ungefähr so beginnen: „Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger und Mitbürgequi“. Kürzer geht´s halt nicht. Doch hierbei können wir es unmöglich bewenden lassen. Setzt sich besagtes „qui“ nicht unsensibel hinweg über die ganze Vielfalt von nichtheterosexuellen Orientierungen und nichtbinären Geschlechtsidentitäten? Welcher Asexuelle will schon mit Schwulen und Lesben, mit Bi- und Pansexuellen in einen Topf geworfen werden? Welcher gewöhnliche Homosexuelle mag sich über einen Kamm scheren lassen mit Leuten, deren sexuelle Vorlieben auf Kinder, Tiere oder Leichen zielen? Laut Medical News Today gibt es über 25 verschiedene Sexualitäten. Höflichkeit und Empathie gebieten es, sie alle separat anzusprechen, damit sich niemand ausgeschlossen, niemand in seiner besonderen Diversität unbeachtet und mit Andersartigen in dieselbe Schublade gepfercht fühlen muss. Zugegeben, Reden und Texte werden dadurch ein bisschen länger als gewohnt – aber so viel Zeit sollte uns ein höheres, genderpolitisch korrektes Bewusstsein doch wert sein, nicht wahr? Im nächsten Schritt müssen wir uns den bestimmten Artikel vorknöpfen: eine schier unerschöpfliche Quelle von sexistischen Herabwürdigungen. Ist es nicht eine ungeheuerliche Zumutung, dass der Mut, der Verstand männlich sein soll, die Schwäche, die Dummheit hingegen weiblich? Lasst uns von den Engländern lernen! Wozu eine hirnrissige „der-die-das“-Dreifaltigkeit, wo doch ein einziger Artikel vollauf genügt! Die Akademie für antidiskriminierende Grammatikoptimierung (AAGO) schlägt dafür ein geschlechtsneutrales „sus“ vor – „sus Mitbürger, sus Mitbürgerin, sus Mitbürgequi-lesb, sus Mitbürgequi-pan, sus Mitbürgequi-pädo“ undsoweiter. Schluss mit Schriftzeichensexismus! Auf einen noch haarsträubenderen Skandal hat uns dankenswerterweise das Institut für sublimen Schriftzeichensexismus (ISSS) aufmerksam gemacht. Wie ISSS-Forschende in hochwertigen kontrollierten Studien herausfanden, neigen weibliche Leser:innen dazu, den Buchstaben „l“, wie auch ein großgeschriebenes „I“, über kurz oder lang mit einem erigierten Penis zu assoziieren – und zwar umso häufiger und intensiver, je mehr Zeit sie haben, die Möglichkeit dieses Zusammenhangs ungestört zu bedenken. Die Kombination eines obszön steilgestellten Strichs mit einem daraufgesetzten Punkt – wie im „i“ -, ließ 74,39 Prozent aller derart sensibilisierten Betrachterinnen innerhalb eines 60-minütigen Kontemplationszeitraums unwillkürlich an eine Ejakulation denken; im Ausrufezeichen „!“ erkannten 58,12 Prozent einen pinkelnden Schniedel. Weniger ausgeprägt zeigten sich derartige Phänomene auch bei Buchstaben, in denen sich ein emporgereckter Strich mit weiteren Elementen verbindet, etwa im „B“, im „D“, im „H“, im „K“, im „L“, im „M“, im „N“, im „P“ oder im „T“. Vom „V“ und „W“ war es nach weiteren 30 Minuten Bedenkzeit für 17,32 Prozent nur ein imaginativer Katzensprung bis zur grässlichen Vorstellung, von zwei bis drei Tätern exhibitionistisch bedrängt zu werden. Männliche Probanden wiederum tendieren dazu, nach ausreichender Bedenkzeit bei einem kleinen oder großen „O“ an eine Vagina zu denken, wie das ISSS an minimalen Größenveränderungen gewisser Schwellkörper messtechnisch hochsignifikant verifizieren konnte. Am ausgeprägtesten trat dieser Effekt bei jenen Versuchspersonen auf, die generell dazu neigen, beim Anblick von offenen Kreisen und Halbkugeln binnen weniger als 120 Sekunden an weibliche Geschlechtsteile zu denken. Somit besteht zweifelsohne die Gefahr, dass die Konfrontation mit Schriftsprache bei weiblichen Lesern permanent Vergewaltungsängste oder –erinnerungen mikrotriggert und Minitraumata heraufbeschwört, während sie bei männlichen Lesern ein latentes Sexismuspotential der widerlichsten Sorte weckt. Mit solchen sprachimmanenten Versuchungen muss endlich Schluss sein! Weg mit all den subtil obszönen „l“s und „i“s, „D“s, „H“s „K“s und „T“s, mit kleinen und großen „O“s! Lasst uns das Alphabet entsexualisieren! Somit, liebe Erwachtinnen, Erwachte und Erwachqui, lesen sich die ersten beiden Sätze dieser Rede in der final entsexualisierten Fassung folgendermaßen: „Ass uns feern aen wr nch Grßarges, ja geraezu evouonäres errec, un as n aemerauener Gescwnge: sus ffenche Sracewusssen auf en ganz neues veau zu een?“ In diesem Sinne: Packen wir´s an! Let´s Woke the World!“ (Harald Wiesendanger) P.S.1: Wer meint, meine Glosse übertreibe, der ist vermutlich noch nicht über das Lebenswerk des nichtbinären Sprachwissenschaflers Lann Hornscheidt gestolpert: Er schlägt vor, Endungen mit “-x” zu bilden, anstelle der beiden geschlechtsspezifischen Endungen -er und -in: einx gutx Lehrx (ein guter Lehrer/eine gute Lehrerin). Der Wiener Aktionskünstler und Kolumnist Hermes Phettberg verwendet die geschlechtsneutrale Wortendung „-y“ in Verbindung mit dem grammatischen Geschlecht Neutrum: das Lesy für „Leser/Leserin“, mit Plural-s bei die Lesys. (Entsprechend: “das Lehry” statt Lehrer/Lehrerin.) Für Bezeichnungen, die nicht auf -er enden, fügt er das -y dem ganzen Wort hinzu: das Ingenieury, die Köchys, die Studentys. Nein, das ist kein Aprilscherz. P.S.2: Warum wird in diesem Blog nicht gegendert? Weil ich seit meiner Schulzeit weiß, dass grammatikalisches und natürliches Geschlecht nichts miteinander zu tun haben, verzichtet KLARTEXT auf woke Sternchen, Doppelpunkte, Schräg- und Unterstriche. Auch das neuerdings inflationär missbrauchte Gerundiv, um dem vermeintlich männlichen Plural zu entkommen und Geschlechtsneutralität herzustellen (“Lesende”, “Studierende”, “Lehrende”, “Richtende”, “Fußgehende”, “Kochende”, “Radfahrende”), vermeide ich. Bloß von "Lesern" zu schreiben, bedeutet selbstverständlich keineswegs, dass man weibliche ausschließt – das Maskulinum ist geschlechtsübergreifend. Wer sich von so viel Zeitgeistlosigkeit psychisch destabilisiert fühlt, ist in den Therapiecamps meiner Stiftung Auswege herzlich willkommen, falls ihm die folgende Lektüre nix nützt: Alexander Glück: Gendern wird nichts ändern - Fünfzig wertschätzende Argumente gegen die gewaltsame Deformierung unserer Sprache - in reformneutraler Rechtschreibung (2023).
- Antistar mit Riesenherz
Kein Schicksal ist schlimm genug, sich davon unterkriegen zu lassen. Und Reichtum verpflichtet. Für beide Maximen steht der Schauspieler Keanu Reeves ebenso glaubwürdig wie bewundernswert. Du vermisst Vorbilder? Hier wäre eines. Er war drei, als sein Vater ihn verließ. Mit drei verschiedenen Stiefvätern wuchs er auf – bis zur nächsten Scheidung dauerte es nie länger als vier Jahre. Bis er vierzehn war, hatte ihm der unstete Lebensweg seiner Mutter drei große Umzüge beschert: von Beirut über Sydney nach New York, von dort nach Toronto. Vier verschiedene High Schools besuchte er, von einer flog er wegen mangelhafter Disziplin. Er leidet an Legasthenie. Aus seinem Jugendtraum, Eishockeyspieler zu werden, wurde nichts. Mit siebzehn brach er die Schule ab, um Schauspieler zu werden; doch statt auf der Bühne zu brillieren, schlug er sich als Schlittschuhschleifer, Koch, Gärtner und Manager einer Pasta-Bude durch. Als er endlich die ersten Rollen erhielt, fiel er bei vielen Kritikern durch – sie bezeichneten seine Darbietungen als hölzern und ausdruckslos. Seine Tochter wurde tot geboren, vier Wochen vor dem errechneten Entbindungstermin; die Mutter kam 14 Monate später bei einem Autounfall ums Leben. Sein bester Freund starb 23-jährig an einer Überdosis Drogen; er brauchte Jahre, um diesen Verlust zu verkraften. Seine jüngere Schwester erkrankte an Leukämie. An alledem hätte Keanu Reeves verzweifeln können. Sich gehenlassen. An der bösen Welt verzweifeln, mit dem ungerechten Schicksal hadern. Zum Verzweifeln? Aber er ließ sich nicht unterkriegen. Hartnäckig bemühte er sich um Engagements. Schließlich bot ihm das Stadttheater von Toronto die Chance, Bühnenerfahrung zu sammeln. Mit 22 verließ er seine kanadische Heimat – mit 3000 US-Dollar, einem alten Volvo und der Adresse seines ersten Stiefvaters, eines Regisseurs. Es folgten erste Fernseh- und Kinoauftritte in Low-Budget-Produktionen. Mit der Science-Fiction-Komödie „Bill & Teds verrückte Reise durch die Zeit“, in der Rolle des trottelig-faulen Teenagers Ted, gelang ihm 1989 der Durchbruch in Hollywood. Weltbekannt machte ihn 1994 der Blockbuster „Speed“, als waghalsiger Polizist an der Seite von Sandra Bullock. Fortan erhielt er Gagen in Millionenhöhe. Die Rolle des Computerhackers Neo in der mit vier Oscars ausgezeichneten „Matrix“-Trilogie, 1999 bis 2003, machte Keanu Reeves zu einem der bestbezahlten Filmstars des Planeten. Auch als Auftragskiller John Wick in der gleichnamigen vierteiligen Filmreihe, als Familienvater in dem Erotikthriller „Knock Knock“ wurde er von der Fachpresse gelobt, von Fans enthusiastisch gefeiert. 2020 setzte ihn die New York Times auf Platz vier ihrer Liste der 25 größten Schauspieler des 21. Jahrhunderts. Anfang 2005 erhielt Reeves den Stern Nummer 2277 auf dem berühmtesten Gehweg der Filmwelt, dem Hollywood Boulevard, dem „Walk of Fame“. 2021 wurde ein Asteroid nach ihm benannt: „Keanureeves“. Auch in der Biologie fungierte er schon als Namensgeber: „Keanumycin“ heißt seit 2023 eine chemische Verbindung, die aus Vertretern der Bakteriengattung Pseudomonas isoliert wurde und für Pilze tödlich ist. Seine atemberaubende Karriere hätte Keanu Reeves längst gewaltig zu Kopf steigen können. Seinen aberwitzigen Reichtum könnte er sinnlos verprassen. Einer wie er könnte sich alles leisten. Eine eigene Karibikinsel mit riesiger Villa drauf. Eine protzige Yacht. Bodyguards und Hauspersonal in Truppenstärke. Seine Garage könnte er sich mit Luxusschlitten vollstellen. In einem Privatjet jedes noch so ferne Event der High Society ansteuern. Auf 380 Millionen US-Dollar wird sein Vermögen geschätzt. „Von dem, was ich bereits verdient habe, könnte ich die nächsten Jahrhunderte leben“, sagt er. „Geld ist das Letzte, woran ich denke“ Aber „Geld ist das Letzte, woran ich denke“. Allüren sind Keanu Reeves fremd und zuwider. Stattdessen hat er sich für ein bescheidenes, bodenständiges Leben entschieden, in dessen Mittelpunkt etwas Unkäufliches steht. Etwas, das keinen Preis hat, aber unendlichen Wert: ein guter Mensch zu sein. Oft zeigt sich das bloß in kleinen Gesten der Mitmenschlichkeit. Eines frühen Morgens im Jahr 1997 spürten ihn Paparazzi auf, wie er in Begleitung eines Obdachlosen in Los Angeles ein paar Stunden lang spazierenging, Essen mit ihm teilte, ihm zuhörte und an seinem Leben Anteil nahm. Am 2. September 2010, seinem 46. Geburtstag, kaufte Keanu Reeves in einer Bäckerei eine Brioche, steckte eine Kerze darauf und aß sie vor dem Laden. Als Passanten anhielten, um mit ihm zu sprechen, bot er ihnen Kaffee an. Ein paar Tassen Kaffee auszuschenken, dürfte ihn nicht viel mehr als zehn, zwanzig Dollar gekostet haben. Auf mehr als 50 Millionen Dollar hingegen belief sich seine spontane Spende an die Mitwirkenden im Hintergrund der „Matrix“-Produktion, die für Kostüme und Spezialeffekte gesorgt hatten – „die wahren Helden der Trilogie“, wie er sie nannte. Jedem Stunt (Wo)Man von „Matrix Reloaded“ schenkte er ein 15.000 Dollar teures Harley-Davidson-Motorrad, was ihm zusammengerechnet weitere Millionen Dollar wert war; alle 800 Mitwirkenden am Set erhielten von ihm eine teure Flasche Champagner – die Gesamtrechnung hierfür belief sich auf 50.000 Dollar. Einem Kulissenbauer, von dessen Geldnöten er erfahren hatte, überreichte er als Weihnachtspräsent 20.000 Dollar. Für mehrere erfolgreiche Filme verzichtete Reeves auf bis zu 90 Prozent seines Honorars, damit die Produzenten weitere Stars engagieren konnten. So konnte Al Pacino an dem Mystery-Thriller „The Devils´s Advocate“ erst mitwirken, nachdem Reeves den Produzenten dafür zwei Millionen Dollar abtrat. Der Überlebenskampf seiner leukämiekranken Schwester Kim bewegte Reeves dazu, eine eigene Krebsstiftung ins Leben zu rufen, die Kinderkrankenhäuser und Forschung unterstützt. (1) 80 Millionen US-Dollar – dieser Betrag entspricht 70 Prozent seiner „Matrix“-Gage -, verwendete Keanu Reeves bislang dafür. Aber „ich mag es nicht, meinen Namen damit zu verbinden, ich lasse die Stiftung einfach tun, was sie tut", erklärte Reeves im Interview mit dem Ladies Home Journal 2009. Darüber hinaus spendet Reeves an SCORE (Spinal Cord Opportunities for Rehabilitation Endowment), eine Wohltätigkeitsorganisation, die Eishockeyspieler mit Wirbelsäulenverletzungen unterstützt. Kranke Kinder liegen Keanu ganz besonders am Herzen. Millionen Dollar ließ er unter anderem der kanadischen SickKids Foundation zukommen, um ein hochmodernes Krankenhaus zu bauen, das neue Heilmethoden erforschen und kleinen Patienten eine optimale Versorgung bieten soll. Reeves soll sich vorgenommen haben, für die SickKids 1,5 Milliarden Dollar zu sammeln. Auch für die Rechte von Tieren setzt sich Keanu Reeves ein. Immer wieder betont er, wie sehr er Tiere liebt - und wie sehr sie es verdienen, freundlich behandelt zu werden. Über eine Million Dollar spendete er deswegen der Tierschutzorganisation PETA. Am liebsten hilft er stillschweigend Mit alledem will er kein gefeierter Gutmensch sein, der darauf aus ist, möglichst lauten Applaus für demonstrative Mildtätigkeiten einzuheimsen. Er bestellt keine Reporter und Kamerateams ein, um seine gemeinnützigen Gesten öffentlichkeitswirksam zu inszenieren. Als „Hollywoods ultimativen Introvertierten“, als „entsetzlich schüchternen“ Workaholic und „undurchschaubar“ charakterisiert ihn das Time Magazine: „Könnte er als einer der reichsten Menschen in einer Stadt, in der Ruhm und Geld die wichtigsten natürlichen Ressourcen sind, auch einer der einsamsten sein?“ (2) Sein Manager und Produzent Erwin Stoff, der Reeves seit dessen 13. Lebensjahr kennt, rätselt immer noch über ihn: "Er hat für sich selbst eine Art und Weise perfektioniert, sich von Menschen fernzuhalten.“ Keanu Reeves mag es nicht, interviewt zu werden, weil es für ihn darauf hinausläuft, "mit Fremden über mein Privatleben reden" zu müssen. „Ich bin nicht daran interessiert, jemandem zu zeigen, was hinter dem Vorhang ist. Ich sehe mir gerne eine gute Dokumentation darüber an, wie etwas gemacht wurde - ich will nur nicht, dass es mein Leben ist." Beim Anblick eines Wandgemäldes in Santiago de Chile, das ihn zum zweiten Jesus verklärt (s.o.), dürften ihm eher die Haare zu Berge stehen. Am liebsten hilft er stillschweigend. Er tut dies, weil es sich für ihn gut und richtig anfühlt. Wie Keanu Reeves lebt, so schreibt er. Sein Buch Ode to Happiness (2012), zur Zeit nur noch zum irren Preis von 198 Euro bzw. 944,67 Euro erhältlich (Stand 13.2.2024), ist keine biografische Selbstbeweihräucherung – es soll undogmatisch Weisheiten vermitteln, die zum Nachdenken anregen. Der Autor erläutert darin, wie man mit schwierigen Lebensumständen umgehen kann – und alles nicht so ernst nehmen sollte. Dazu führt Reeves einen melancholischen inneren Dialog, den er subtil auf die Schippe nimmt. (3) Zwar gehört er keiner Religion an, bezeichnet sich aber als „sehr spirituell“ und fühlt sich zum Buddhismus hingezogen. „Die meisten Dinge, die ich vom Buddhismus mitgenommen habe, sind menschlicher Natur - das Verstehen von Gefühlen, von Vergänglichkeit, wie auch das Bemühen, andere Leute zu verstehen und zu wissen, woher sie kommen." (4) Der Name Keanu kommt aus dem Hawaiianischen (ke anu), er bedeutet „der Kühle“ – womit er ganz und gar nicht zur Herzenswärme seines prominentesten Trägers passt. Es sind großzügige, empathische Mitmenschen wie Keanu Reeves, die meiner Stiftung Auswege das Helfen überhaupt erst ermöglichen. (Harald Wiesendanger) Anmerkungen 1 https://www.buzzfeed.at/buzz/popkultur/wick-keanu-reeves-bester-mensch-charity-leukaemie-matrix-john-91215993.html , aufgerufen am 13. Februar 2024; https://www.gala.de/stars/news/keanu-reeves--er-spendet-hohe-gagensumme-fuer-schicksal-seiner-schwester-22577074.html , aufgerufen am 13. Februar 2024 2 Lev Grossman: "Keanu Reeves: The Man Who Isn't There". Time 14.2.2005, abgerufen am 13.2.2024. 3 Im Jahr 2016 folgte Shadows. Darin philosophiert Reeves über das Wesen des Schattens – als projizierte Figur, aber auch als Metapher für die dunklen, unbewussten Abgründe eines Menschen, in denen er Geheimnisse verbirgt oder verdrängt. 4 "Keanu Reeves on the small screen". Foundation for the Preservation of the Mahayana Tradition, Mandala Publications. Juni 2001. Bildnachweis Titelbild: Collage aus Porträtfoto Keanu_Reeves_2013_(10615146086)_(cropped)By Anna Hanks from Austin, Texas, USA - Keanu Reeves & Tiger Chen & Tim League, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=83644147 + Foto krebskrankes Kind (Freepik). Im Text: Collage aus Porträtfoto Reeves (By Governo do Estado de São Paulo - Reunião com o ator norte-americano Keanu Reeves, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=83910220) und dem Foto eines Wandgemäldes von Keanu Reeves in Santiago de Chile (By Carlos Teixidor Cadenas - Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=114124986)
- Der Scharlatan Seiner Majestät
Englands König hat Krebs. Prompt treibt Leitmedien einhellig die Sorge um: Wird Alternativmedizin ihn umbringen? Schließlich schwört er auf sie, sein Leibarzt ebenfalls. Am Montag, 5. Februar 2024, ließ der Buckingham-Palast die Bombe hochgehen: König Charles III. ist an Krebs erkrankt. Womöglich die Prostata? Die Klatschpresse weiß nichts Genaues. Eines jedoch meint sie auf jeden Fall zu wissen: Ihre Majestät schwebt in allerhöchster Gefahr. Denn seit den achtziger Jahren tritt er als entschiedener Befürworter der Alternativmedizin auf, insbesondere der Homöopathie. (1) Diese sollte ins National Health System (NHS), das staatliche Gesundheitssystem Großbritanniens, einbezogen werden, so forderte er wiederholt. (2) 2019 übernahm er die Schirmherrschaft der „Londoner Fakultät für Homöopathie“. (3) Der Schulmedizin steht Charles eher distanziert gegenüber. Er sei stolz darauf, als „Feind der Aufklärung“ beschimpft zu werden, so bekannte er 2010. (4) 2004 hatte er sich öffentlich für Kaffee-Einläufe und reichlich Fruchtsaft bei Krebs ausgesprochen – „bizarr“, wie die Bild-Zeitung findet. (5) Ab 2008 vermarktete Charles Duchy Herbals Detox Tincture, ein Nahrungsergänzungsmittel mit Artischocke und Löwenzahn, das einer „Entgiftung “ dienen sollte. (6) Britische Gesundheitsexperten bezeichneten die Wirkung als „nicht plausibel, unbewiesen und gefährlich“, ja als „Quacksalberei“. (7) In seinen „esoterischen“ Extravaganzen bestärken lässt sich der König von einem Arzt, den er seit 22 Jahren zu seinen engen Beratern zählt: Dr. Michael Dixon. 2022 ernannte Charles ausgerechnet ihn zum Leiter des medizinischen Teams der Königsfamilie, der „Palast-Praxis“. Auch Dixon befürwortet Homöopathie, hält viel von Aromatherapie und Heilkräutern. Wie der journalistische Boulevard herausgefunden haben will, schreckt Dixon nicht einmal davor zurück, mit Teufelskralle und Ziegenkraut zu therapieren. Ja, skandalöserweise arbeitet er sogar mit Geistheilern zusammen. Für die Journaille ein gefundenes Fressen Als bekannt wurde, wen der König da zu seinem persönlichen Leibarzt auserkoren hatte, hagelte es geharnischte Kritik. Der Guardian zitierte Wissenschaftler und Ärzte, welche die Personalie „besorgniserregend und unangemessen“ fanden. Doch Charles ließ sich nicht beirren. „Dr. Dixon glaubt nicht, dass Homöopathie Krebs heilen kann“, so bezog das Königshaus öffentlich Stellung. „Aber er vertritt die Position, dass komplementäre Therapien eingesetzt werden können, vorausgesetzt, sie sind sicher, angemessen und evidenzbasiert.“ Wie viel Erfahrung und Sachkenntnis Dr. Dixon für seine Leitungsposition im Royal Medical Household mitbringt, hat bisher keine Redaktion gewürdigt – dass er ein Scharlatan sein muss, stand von vornherein fest. Seit vierzig Jahren leitet er in Cullompton, Grafschaft Mid Devon, eine große hausärztliche Praxisgemeinschaft, in der er gemeinsam mit sieben Ärztekollegen ein Gebiet von 1600 Quadratkilometern mit rund 13’500 Patienten medizinisch betreut. Hier machte er sich einen Namen als Pionier des Social Prescribing: des „sozialen Miteinanders auf Rezept“, um nichtmedizinischen, aber für die körperliche und psychische Gesundheit von Patienten bedeutsamen Bedürfnissen gerecht zu werden. Die Care Quality Commission des Nationalen Gesundheitsdienstes (NHS) zeichnete Dixons Praxis als „exzellent“ aus. Achtzehn Jahre lang, von 1998 bis 2015, war Dixon Vorsitzender der NHS Alliance. Deren Aufgabe ist es, bei der Planung von Krankenhäusern und kommunalen Gesundheitsdiensten den Allgemeinmedizinern und ihren Patienten „eine Stimme zu geben“. Darüber hinaus war Dixon Honorary Research Fellow an den Universitäten Exeter und Birmingham, mit Komplementärmedizin als Forschungsschwerpunkt. Sein anregendes Buch The Human Effect in Medicine. Return of the Physician Healer - Theory, Research and Practice erschien 2000. Darin wirbt er für eine „patientenzentrierte Medizin“, welche den Selbstheiler im Kranken zu wecken versteht. Ab 1992 ließ Dixon in seinem Ärztezentrum stundenweise eine Geistheilerin mitarbeiten - insbesondere bei chronisch Kranken, denen anscheinend weder mit Schulmedizin noch mit unkonventionellen Maßnahmen anderer Art mehr zu helfen war. Vielbeachtete Berichte darüber veröffentlichte Dr. Dixon in angesehenen ärztlichen Fachzeitschriften wie dem British Journal of General Practice (45/1995 und 49/1999) sowie dem Journal of the Royal Society of Medicine (91/1988). Zu Harald Wiesendangers Anthologie Geistiges Heilen in der ärztlichen Praxis trug Dr. Dixon einen Essay bei, der bei unvoreingenommenen Lesern keineswegs den Eindruck hinterlässt, er stamme von einem esoterischen Spinner. (8) Würde Dr. Dixon Geistiges Heilen selbst bei Krebs empfehlen? Vermutlich ja, und er hätte gute Gründe dafür. (9) Zum 1001. Mal die Gebetsmühle gedreht Ist Dr. Dixons Ruf ruiniert, weil er Homöopathie ernstnimmt und einsetzt? Der aktuelle Forschungsstand blamiert eher die Rufmörder, einen gewissen Karl Lauterbach vorneweg. (Siehe KLARTEXT „Homöopathie ‚nutzlos‘?“) Erst kürzlich bestätigte der erste systematische Review (10) zu allen sechs vorliegenden Meta-Analysen von kontrollierten Homöopathiestudien: Globuli wirken besser als Placebos. Die methodische Qualität der ausgewerteten Studien stand schulmedizinischen keineswegs nach. (11) Homöopathika wirken im übrigen auch auf Zellen und Pflanzen, die eher nicht im Verdacht stehen, Überzeugungen über Arzneimittelwirkungen zu hegen und dazu zu neigen, auf Placebos hereinzufallen. (12) Und auch die 1001. Umdrehung der Gebetsmühle macht das vermeintliche Killerargument nicht durchschlagender: “Das kann unmöglich wirken, weil die Verdünnung viel zu hoch ist”. Das Prinzip, nach welchem Homöopathika wirken, hat Prof. Stephan Baumgartner vom Institut für Integrative Medizin der Universität Witten/Herdecke unlängst in Laborexperimenten eingehend untersucht, nach hohen wissenschaftlichen Standards: verblindet, randomisiert, kontrolliert, multizentrisch wiederholt. Mittels Kupferchlorid ließ er eine Lösung mit (D30) und ohne potenzierte Substanz auskristallisieren; dann analysierte er die entstandenen Muster mittels einer KI-Software. Die künstliche Intelligenz fand signifikante Unterschiede, selbst wenn keine Moleküle mehr nachweisbar waren. (13) Das “Potenzieren” – Verdünnen und Dynamisieren in regelmäßiger Abfolge – scheint die elektromagnetische Struktur von Wasser zu verändern. (14) Teufelskralle und Ziegenkraut: selbstverständlich Humbug? Wie abwegig ist, was Dr. Dixon ansonsten therapeutisch hilfreich findet, je nach Krankheitsbild? Aromatherapie setzt ätherische, leicht flüchtige Öle ein, die aus Pflanzenteilen gewonnen werden; sobald sie mit Luft in Berührung kommen, löst sich ihre Flüssigkeit im Nu auf, und ihr Duft verbreitet sich im Raum. Eingeatmet wirken sie unmittelbar aufs Gehirn – und wirken sich wohltuend aus, körperlich wie psychisch. Für Massageöle, Kräuter- und Blütenbäder, Umschläge und Inhalationen eingesetzt, lindern sie erfahrungsgemäß vielerlei Beschwerden – von Hautausschlag über Hämorrhoiden und Harnwegsinfekten, Menstruations- und Wechseljahresbeschwerden bis zu Schlafstörungen, Ängsten und Depressionen. Sowohl die alten Ägypter als auch traditionelle chinesische Ärzte nutzten sie schon vor Jahrtausenden. Im Grunde gehören sie in jede Hausapotheke. (15) „Teufelskralle“: das klingt wie aus einer mittelalterlichen Hexenküche, und diese lächerliche Assoziation ist natürlich beabsichtigt. Sie beim wissenschaftlichen Namen zu nennen - Harpagophytum procumbens –, klänge zu seriös, die billige Polemik liefe ins Leere. Dabei werden die Wurzeln des Sesamgewächses, das in den Savannen Afrikas gedeiht, seit langem medizinisch genutzt (16), etwa bei Arthrose und anderen Einschränkungen der Beweglichkeit, bei vielerlei Schmerzen, Geschwüren und Wunden. Ihre Bitterstoffe regen den Appetit an und fördern die Verdauung. (17) Zur Verwendung als traditionelles pflanzliches Arzneimittel hat selbst das Komitee für pflanzliche Medizinprodukte der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) die Teufelskralle offiziell anerkannt. (18). Vermutet man „Ziegenkraut“ nicht eher in Methusalix´ Zaubertranktopf als in einer modernen Apotheke? Auch sein Zweitname „Elfenblume“ eignet sich vortrefflich dazu, lächerliche Assoziationen zu wecken – und darüber hinwegzutäuschen, welch wertvolle therapeutische Dienste das Berberitzengewächs, dank seines Inhaltsstoffs Icarin, seit Jahrhunderten in der Volksmedizin leistet. Die traditionelle chinesische Medizin setzt es vor allem bei Rheumatismus ein, wie auch gegen hohe Cholesterinwerte und verstopfte Arterien; Frauen nach der Menopause hilft es gegen Bluthochdruck und Osteoporose. (19) Und ja, Artischocke und Löwenzahn, zwei altbewährte Heilpflanzen, sind der Gesundheit in der Tat förderlich, wie die Volksmedizin seit Jahrhunderten besser weiß als der Otto Normalversteher unter heutigen Medizinjournalisten. Insbesondere entgiften und schützen sie die Leber. Hat Seine Majestät eine Meise, wenn sie auf Kaffee-Einläufe schwört? Nein, sie weiß bloß Bescheid. Weil Kaffee entgiftet, eignet er sich zur Darmreinigung. Für Einläufe besorgt man ihn sich freilich nicht bei Tchibo, sondern verwendet den noch grünen, ungerösteten. Schon der deutsche Arzt Dr. Max Gerson (1881-1959) behandelte in den dreißiger Jahren auf diese Weise degenerative Erkrankungen wie Hauttuberkulose, Diabetes - und vor allem Krebs. Auch zur Entgiftung der Leber eignen sich Kaffee-Einläufe vorzüglich. Fruchtsäfte bei Krebs? Betroffenen liefern sie reichlich Vitamine, die das Immunsystem stärken, auch im Abwehrkampf gegen entartete Zellen - besonders C, D und E, entgegen anderslautender Gerüchte. Mit alledem therapiert Dr. Dixon nicht „alternativ“, sondern komplementär: Er will bewährte Schulmedizin keineswegs ersetzen, wohl aber undogmatisch ergänzen, wo dies erfahrungsgemäß nützt. Wie kommt das Königshaus dazu, so etwas „evidenzbasiert“ zu nennen? Es kann, weil es anscheinend besser verstanden hat als seine Kritiker, wie viel der Begriff der Evidenz umfasst: nicht nur, was erst klinische Studien zum Vorschein bringen, sondern ebenso den gesammelten Erfahrungsschatz von Ärzten und Behandelten. Was hat die Schulmedizin Seiner Majestät zu bieten? „Umstritten“ ist das Adjektiv, das in Pressetexten momentan mit Abstand am häufigsten vor Dixons Namen steht. Wäre es im Zusammenhang mit jener pharmalastigen, technophilen, profitorientierten Medizin, die unser Gesundheitswesen beherrscht, etwa weniger angebracht? (20) Kein einziges „Qualitätsmedium“, das den königlichen Leibarzt an den Pranger stellte, hat bislang auch nur ansatzweise hinterfragt, was Englands König denn zu erwarten hätte, falls er auschließlich auf Schulmedizin setzen würde. Dass diese garantiert die aussichtsreicheren, sichereren Waffen gegen Krebs zu bieten hätte, ist seit eh und je ein lukratives PR-Märchen, gestreut durch Heerscharen von Lobbyisten. Natürlich sind Operationen oftmals sinnvoll, weil dabei möglichst viel Tumormasse entfernt wird – aber nicht immer ratsam, falls sie zu Verstümmelungen führen, die Lebensqualität zerstören. Die Erfolgsaussichten einer Chemotherapie sind erfreulich gut bei Leukämie, lymphatischen Krebsarten und Hodenkrebs, bei vielen anderen Krebsarten hingegen erheblich niedriger als versprochen: nämlich bei den meisten Organtumoren wie Leberkrebs, Nierenkrebs, Lungenkrebs, Hautkrebs sowie bei Brustkrebs in fortgeschrittenem Stadium. Wirklich Verlass ist nur auf ihre üblen Nebenwirkungen. Intensive Bestrahlung führt oft zu schweren Spät- und Dauerschäden. Auch die sündhaft teuren Immunonkologika, als „neue Wunderwaffen“ gefeiert, können massive Kollateralschäden mit sich bringen. Trotzdem würde kein verantwortungsbewusster Komplementärmediziner - und Dr. Dixon ist wahrlich einer - dem König von konventioneller Krebsmedizin pauschal abraten. Im Unterschied zu seinen Verleumdern weiß so jemand allerdings, wie sie sich „alternativ“ ergänzen und unterstützen lässt. Um beispielsweise Nebenwirkungen einer Chemotherapie zu dämpfen, könnten Charles III. Bitterstoffe gegen Appetitlosigkeit helfen, das homöopathische Mittel Nux vomica gegen Übelkeit und Erbrechen. All dies und mehr würde Dr. Dixon wohl liebend gerne seinen Rufmördern erläutern, um ihre klaffenden Bildungslücken zu schließen. Wann darf er endlich zu Wort kommen? (Harald Wiesendanger) Anmerkungen 1 Sarah Boseley: “Prince Charles: I use homeopathy in animals to cut antibiotic use”, The Guardian, 12. Mai 2016, abgerufen am 10. Februar 2024; Brian Brady: “He’s at it again: Prince Charles accused of lobbying health secretary over homeopathy”, The Independent, 21. Juli 2013, abgerufen am 10. Februar 2024; Edzard Ernst: “What Prince Charles tells us about complementary medicine - an essay by Edzard Ernst”, British Medical Journal (Clinical research ed.), Band 376, 21. Februar 2022, S. o310, doi:10.1136/bmj.o310, PMID 35190373. 2 »Was er sich rauspickt, ist alles Quacksalberei« , Der Spiegel, 15. September 2022, abgerufen am 10. Februar 2024. 3 Haroon Siddique: “Prince Charles becomes patron of homeopathy group”, The Guardian, 25. Juni 2019, abgerufen am 10. Februar 2024. 4 “Prince proud to be 'enemy of Enlightenment'”, Yorkshire Post, 4. Februar 2010, abgerufen am 10. Februar 2024. 5 Bild, 8.2.2024, S. 3. 6 Sarah Boseley: “Make-believe and outright quackery”—expert’s verdict on prince’s detox potion”, The Guardian, 10. März 2009, abgerufen am 10. Februar 2024. 7 Sarah Boseley: “Make-believe and outright quackery …”, a.a.O. (s. Anm. 6); Robert Booth: “Prince Charles’s aide at homeopathy charity arrested on suspicion of fraud”, The Guardian, 26. April 2010, abgerufen am 10. Februar 2024. 8 Michael Dixon: „Was bringt Geistiges Heilen für chronisch Kranke? Erfahrungen aus einem englischen Ärztezentrum“, in Harald Wiesendanger (Hrsg.): Geistiges Heilen in der ärztlichen Praxis – Damit die Humanmedizin humaner wird, 5. erw. Aufl. 2005, S. 71-76. 9 Siehe dazu Harald Wiesendanger: Geistiges Heilen bei Krebs – Ein unkonventioneller Ausweg, Schönbrunn 2004. Zur „Evidenzbasis“ Geistigen Heilens allgemein s. H. Wiesendanger: Das Große Buch vom Geistigen Heilen - Möglichkeiten, Grenzen, Gefahren, 4. Aufl. 2004; H. Wiesendanger: Fernheilen, Band 2: Fallbeispiele, Forschungen, Einwände, Erklärungen, 2004 10 H. J. Hamre u.a.: „Efficacy of homoeopathic treatment: Systematic review of meta-analyses of randomised placebo-controlled homoeopathy trials for any indication“, Systematic Reviews 2023; 12(191). DOI 10.1186/s13643-023-02313-2; https://doi.org/10.1186/s13643-023-02313-2; als PDF: https://link.springer.com/content/pdf/10.1186/s13643-023-02313-2.pdf 11 Robert T. Mathie u.a.: „Randomised placebo-controlled trials of individualised homeopathic treatment: Systematic review and meta-analysis“, Systematic Reviews December 2014, 3(1):142, DOI:10.1186/2046-4053-3-142; Robert T. Mathie u.a.: „Clinical Evidence for Homeopathy“ (2017), NHS Specialist Pharmacy Service; Robert T. Mathie u.a.: „Model validity of randomised placebo-controlled trials of non-individualised homeopathic treatment“, Homeopathy 2017 Nov;106(4):194-202, doi: 10.1016/j.homp.2017.07.003, https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29157469/ 12 C. M. Witt/S: Baumgartner u.a.: „The in vitro evidence for an effect of high homeopathic potencies – a systematic review of the literature“, Complementary Therapies in Medicine 2007, 15(2):128-138, https://doi.org/10.1016/j.ctim.2007.01.011; A. Ucker u.a.: „Systematic review of plant-based homeopathic basic research: an update“, Homeopathy 2018, 107(2):115-129, DOI: 10.1055/s-0038-1639580; A. Ucker/S. Baumgartner u.a.: „Critical Evaluation of Specific Efficacy of Preparations Produced According to European Pharmacopeia Monograph 2371“, Biomedicines 2022, 10(3): 552, doi: 10.3390/biomedicines10030552 13 A. Ucker/S. Baumgartner u.a.: „Critical Evaluation of Specific Efficacy of Preparations Produced According to European Pharmacopeia Monograph 2371“, Biomedicines 2022, 10(3): 552, doi: 10.3390/biomedicines10030552 14 C. M. Witt/S: Baumgartner u.a.: „The in vitro evidence for an effect of high homeopathic potencies – a systematic review of the literature“, Complementary Therapies in Medicine 2007, 15(2):128-138, https://doi.org/10.1016/j.ctim.2007.01.011 15 Näheres: https://www.zentrum-der-gesundheit.de/bibliothek/naturheilkunde/aetherische-oele-uebersicht/aetherische-oele, https://www.naturheilkunde.de/naturheilverfahren/aroma-therapie.html 16 Volker Fintelmann/Rudolf Fritz Weiss: Lehrbuch der Phytotherapie, 11. Auflage, Stuttgart 2006, S. 276–277. 17 Näheres: https://www.medikamente-per-klick.de/apotheke/heilpflanze/teufelskralle/#:~:text=Die%20Teufelskralle%20(Harpagophytum%20procumbens)%20ist,verleiht%20Gerichten%20eine%20bittere%20Note; https://www.apotheken-umschau.de/medikamente/heilpflanzen/lindert-teufelskralle-gelenkschmerzen-733503.html; https://de.wikipedia.org/wiki/Afrikanische_Teufelskralle#Verwendung 18 “Teufelskrallenwurzel”, Sachverständigen-Ausschuss für Apothekenpflicht des Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, abgerufen am 10. Februar 2024. 19 Näheres siehe https://www.nq-online.de/anzeige-ziegenkraut-anbau-wirkung-wunderstrauches-id526748.html , https://de.wikipedia.org/wiki/Elfenblumen#Sonstige_Verwendung_und_Inhaltsstoffe 20 Siehe Harald Wiesendanger: Das Gesundheitsunwesen - Wie wir es durchschauen, überleben und verwandeln, Schönbrunn 2019. Porträtfoto Michael Dixon: By Issikkles - Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=46386184
- Lithium für alle?
Lithium, ein altbewährtes Antidepressivum, täte nicht bloß psychisch Kranken gut, so meint ein Fachmann für Nahrungsergänzungsmittel nach einem Selbstversuch. Einen Stimmungsaufheller könnte die bedrückte Republik wahrlich gut gebrauchen – vorausgesetzt, es drohen keine Nebenwirkungen. Gerade mal einen Millimeter lang und sieben Hundertstel Millimeter dick, bakterienfressend im Erdboden gemäßigter Klimazonen unterwegs, meistens schon nach 20 Tagen tot: So ein kurzlebiger Winzling scheint zu einem überaus belanglosen Dasein verdammt. Für Caenorhabditis elegans jedoch, einen Fadenwurm, gilt dies mitnichten. Seit über sechzig Jahren ermöglicht er als Modellorganismus forschenden Biologen und Medizinern bahnbrechende Erkenntnisse. Eine davon fesselte die Aufmerksamkeit von Lorenz Borsche, einem Hobbyforscher aus Heidelberg, dessen Neugier immer schon viel zu groß war, als dass ein einziger Tätigkeitsbereich ausgereicht hätte, sie zu befriedigen. Physik und Mathe hatte er zunächst studiert, dann Soziologie und Politologie. Bald darauf befasste er sich beruflich mit Energie- und Umweltforschung, Laborsoftware, Produktionsplanungs- und Steuerungssystemen, Internetshops und Marktforschung. Über ein Vierteljahrhundert Lebenszeit widmete er dem Verkauf des gedruckten Worts; er gründete und leitete die größte Genossenschaft im deutschen Sortimentsbuchhandel. Dann wechselte er in den erfüllten Unruhestand, machte Gesundheit zum Hauptthema, entdeckte sein Autorentalent, veröffentlichte 2018 ein erstes Buch über Zucker – Tödliche Versuchung. (1) Drei Jahre später folgte sein zweites: Nahrungsergänzung im Selbstversuch. (2) Und ab Seite 81 dieses Buchs wird klar, wie Caenorhabditis elegans, jenes unscheinbare Würmchen, es geschafft hat, für Lorenz Borsche bedeutsam zu werden. Das war 2017. Da stieß Borsche auf Studienergebnisse (3) einer Forschergruppe der Unis Jena und Potsdam aus dem Jahre 2011, die ihn verblüfften: Fadenwürmer der Gattung C. elegans lebten länger, wenn sie etwas Lithium ins Futter bekamen. Ohne diesen Zusatz im Nährmedium, in dem man sie hielt, segneten sie schon 12 Tage nach Versuchsbeginn das Zeitliche. Fünf Millimol Lithium verlängerten ihre Lebensspanne durchschnittlich um ein Viertel, zehn Millimol sogar um bis zu 45 %. Was schert dieser Zusammenhang einen Nichtwurm wie unsereins? Dieselben Forscher, gemeinsam mit japanischen Kollegen, zeigten in einer weiteren Studie auf: Je mehr Lithium das Trinkwasser von 19 japanischen Regionen enthielt, desto höher war dort die Lebenserwartung. Zugleich kam es dort zu weniger Suiziden. (4) Dasselbe Phänomen beschrieb eine österreichische Studie, ebenfalls im Jahr 2011. (5) Zehn Jahre später bestätigte diesen Zusammenhang eine iranische Metaanalyse von 13 Studien. Schon eine 1990 in den USA veröffentlichte Untersuchung hatte in Regionen mit erhöhten Lithiumkonzentrationen im Trinkwasser eine deutlich verringerte Suizidrate festgestellt. (6) Folgt aus alledem nicht: Die ständige Aufnahme von Lithium in niedriger Dosis kann menschliches Leben nicht bloß verlängern, sondern erheblich aufhellen? Lithium? Ausgerechnet jenes Leichtmetall, das die meisten von uns eher in Batterien, Röntgenfilmen und Kupferlegierungen, in Glas und Keramik vermuten würden als in nahrhaftem Essen? Borsche war fasziniert. Denn die Forschung, auf die er gestoßen war, betraf zwei seiner Hauptanliegen. Möglichst lange möglichst gesund leben – dazu befasste er sich schon seit längerem mit Ernährungsweisen und Nahrungsergänzungsmitteln. Und endlich besser drauf sein wollte er. Eine Frohnatur war er nämlich nicht unbedingt. Er neigte dazu, sich über Enttäuschungen und Misserfolge ausgiebig zu ärgern. Jahr für Jahr setzte ihm der “Winterblues” übel zu. Zur “dunklen Stunde”, zwischen drei und vier Uhr morgens, lag er allzu oft schlaflos im Bett, düstere Gedanken wälzend. Womöglich waren seine psychischen Tiefs familiär mitbedingt, denn “ich komme aus einer Familie, in der die bipolare Krankheit, also Manie und Depression, nicht unbekannt ist”. (7) Schon zu Borsches Jugendzeit war Lithium – in Form von Salzen wie dem Lithiumcarbonat - die Standardarznei gewesen, um bipolar schwer gestörte Patienten recht rasch, binnen weniger Wochen, aufzufangen und zu stabilisieren. Warum sollte sein Einsatz auf die Psychiatrie beschränkt bleiben? Könnte es nicht uns allen zugute kommen, gerade hierzulande? Nirgendwo ist das irdische Jammertal tiefer als zwischen Flensburg und Garmisch. Keine Bange vor Nebenwirkungen Wäre das nicht gefährlich? Eine Lithiumtherapie kann recht unangenehme Nebenwirkungen mit sich bringen: Sie reichen von Gewichtszunahme, Kreislaufproblemen, Zittern, Übelkeit und Erbrechen über Veränderungen des Blutbilds, Müdigkeit und Durchfall bis hin zu einer Unterfunktion der Schilddrüse. Eine überhöhte Dosis kann zu Herzrhythmusstörungen, Krämpfen, Nierenschäden, einem Koma führen. Schwangere, die mit zuviel Lithium behandelt wurden, brachten in seltenen Fällen Kinder mit Herzfehlern zur Welt. Aber wie überall in der Pharmazie ist es die Dosis, die das Gift macht. Für einen bipolar erkrankten 70-Kilo-Normpatienten liegt die therapeutische Tagesdosis nach einer Einschleichphase bei rund 200 Milligramm metallisches Lithium. Könnte nicht schon eine weitaus geringere Menge ausreichen, uns allen gut zu tun, und das risikofrei? Davon ist Lorenz Borsche überzeugt, seit er ängstlichen Zeitgenossen eines voraus hat: Gründlich recherchierte er den Forschungsstand. Seither weiß er: Lithium vollständig zu vermeiden, in Sorge wegen seines toxischen Potenzials, ist ohnehin ebenso unmöglich wie unnötig. Ein Liter Grundwasser enthält bis zu 500 Mikrogramm (= 0,5 mg) Lithium. In unseren Mineralwässern steckt fast immer Lithium, zumeist unter oder um ein Milligramm pro Liter, vereinzelt aber auch mehr als zehn Milligramm. Gar mit 21 Milligramm kann der Bonifaciusbrunnen im hessischen Bad Salzschlirf aufwarten. Auch über viele Nahrungsmittel nehmen wir Lithium auf. Am meisten steckt in Vollwertgetreide, Reis, Milch und Gemüse wie Zwiebeln, Knoblauch, Zuckerrüben und Kartoffeln, mit 0,5 bis 3,4 mg/kg. Wesentlich geringer ist der Lithiumgehalt von tierischen Lebensmitteln wie Fleisch, Eier und Butter; er liegt ungefähr bei 12 Mikrogramm (µg) = 0,012 mg pro Kilo. Lithium zu verteufeln, wäre folglich Humbug. Dieses Spurenelement steckt in jedem von uns, zeitlebens – offenkundig ohne uns zu schaden oder gar umzubringen. Welche Mengen wären nützlich und unbedenklich? Wie viel wäre zuviel? Das erkundet Lorenz Borsche in einem spannenden Selbstversuch: Seit fünf Jahren nimmt er täglich zehn Milligramm Lithium zu sich – ungefähr ein Zwanzigstel der Dosis, die in der Psychiatrie zum Einsatz kommt, somit fernab jeglicher Bedenklichkeit. Seither fühlt er sich wie verwandelt: ausgeglichener, gelassener, lebensfroher, viel öfter als früher in heiterer Grundstimmung. Depressive Episoden haben sich zwar nicht vollständig verflüchtigt – aber sie kommen seltener, kürzer, schwächer vor. Setzt Borsche da nicht voreilig seine Gesundheit aufs Spiel? Wie töricht ein Alltagseinsatz wäre, scheint sich bereits in den 1940-er Jahren in den USA herausgestellt zu haben. Weil Lithiumchlorid salzig schmeckt, wurde es dort als Ersatz für Kochsalz eingesetzt. Die Folge waren schwere, vereinzelt sogar tödliche Vergiftungen. Dieser Skandal verhinderte lange Zeit, dass Lithium als Psychopharmakon Karriere macht. (8) Über Langzeiteffekte einer niedrig dosierten Dauereinnahme von Lithium liegen tatsächlich so gut wie keine wissenschaftlichen Studien vor. Die braucht Lorenz Borsche aber auch nicht. Mehr als zehn Milligramm Lithium pro Tag: So viel könnten ihm bereits ein bis zwei Liter Mineralwasser liefern. Muss er davor Angst haben? In der Fachliteratur stieß Borsche auf die Einschätzung, der tägliche Lithiumbedarf des menschlichen Organismus liege bei etwa zehn Milligramm (9) – das entspräche exakt seiner gewählten Dosierung. Zugleich würde es bedeuten, dass die meisten von uns ganz erheblich unterversorgt mit diesem Spurenelement sind, wie auch mit Magnesium, Eisen, Selen, Vitamin D und B12, Folsäure (B9) und weiteren Mikronährstoffen. Im Durchschnitt nimmt ein Deutscher nämlich bloß 0,8 Milligramm Lithium auf. Das dürfte uns kaltlassen, falls Lithium “keine biologische Funktion hat”, wie Wikipedia behauptet. Doch hier streut unser “digitales Weltgedächtnis” womöglich Fake News, wie so oft, sobald es um Gesundheitsthemen geht. Unter Experten mehren sich Stimmen, die dieses Spurenelement, weil es auf vielfältige Weise unsere Gesundheit fördert, für ebenso “essentiell” erachten wie Eisen, Fluor, Jod, Kupfer, Mangan, Chrom, Molybdän, Selen und Zink. Selbst vor Demenz scheint es zu schützen. (10) “Wunderbarer Schutzschirm” – für 4 Cent pro Tag Wie kommt man an Lithium, wenn nicht als Patient? Schwer bis gar nicht, jedenfalls in den Ländern der Europäischen Union. Ein Anhang der EU-Richtlinie für Nahrungsergänzungsmittel Nem-RL, 2002/46/EG, listet alle erlaubten Vitamin- und Mineralstoffverbindungen auf – Lithium zählt nicht dazu. Internetrecherchen führen zu Versandhändlern in England, den USA und der Schweiz. Lithium aus dem Ausland zu beziehen, ist freilich teuer, obendrein riskant: Der Zoll fängt solche Warensendungen immer zuverlässiger ab. Nicht registrierte Arzneimittel zu importieren, ist zwar (noch) nicht verboten, zum persönlichen Bedarf dürfen sie in einer Drei-Monats-Dosis eingeführt werden. Bei argwöhnischen Zollbeamten vorzusprechen, ihnen die Sachlage zu erklären und den dringenden Eigenbedarf nachzuweisen, kann allerdings reichlich Nerven kosten. Auf absehbare Umstände will sich Lorenz Borsche gar nicht erst einlassen. Er beschafft sich das Mittel aus deutschen Apotheken auf Rezept, entgegenkommenderweise ausgestellt von einem verständigen Hausarzt, der Borsches Selbstversuch unbedenklich findet. Bis vor kurzem griff er zu “Lithiofor”; neuerdings ist es jedoch zumindest vom deutschen Markt verschwunden – “außer Handel” – und bloß noch in der Schweiz erhältlich, als Lithiumsulfat mit 83 mg Lithium. Hierzulande nach wie vor erhältlich sind hingegen “Quilonorm” und “Quilonum”, beide mit je 450 mg Lithiumcarbonat. Eine Tablette enthält rund 85 mg Lithium. Ein weiteres Präparat, “Hypnorex”, mit 400 mg Lithiumcarbonat, liefert 75 mg pro Tablette; bei “Neurolepsin”, mit 300 mg Lithiumcarbonat, sind es 56 mg je Tablette. (11) Mit einem Tablettenteiler stückelt Borsche die Pillen so, dass er auf täglich 10 mg kommt - das entspricht exakt jener Menge, die Forscher zum Grundbedarf erklärt haben (s.o.). Somit schluckt er nur ein Zwanzigstel der Dosis, die in der Psychiatrie zum Einsatz kommt - fernab der Gefahrenzone, aber offenbar in seiner Komfortzone, denn die dunklen Stunden, versichert er, gibt's nicht mehr. Mit umgerechnet ein paar Cent pro Tag “kaufe ich mir einen wunderbar wirksamen Schutzschirm gegen die dunklen Stunden und den immer lauernden Winterblues.” (12) Diesen “Schutzschirm” empfindet Lorenz Borsche keineswegs als pharmazeutisch-künstlich. “Für mich ist Lithium ein existenziell notwendiger Mikronährstoff”, stellt er klar. “Dessen Mangel hat nachweisliche Auswirkungen, ebenso wie ein Mangel an D3 bei Depressionen. Unser Grundzustand sollte heiter, optimistisch und empathisch sein, nicht misslaunig oder gar aggressiv. Unter Mikronährstoffmangel leiden einige Organe spezifisch. Auch unser Gehirn tut es, wenn ihm Lithium fehlt.” (13) Mit Lithium zur “Schönen neuen Welt”? Eine Psychodroge für alle? Dazu fällt einem unwillkürlich Huxleys Dystopie einer “Schönen neuen Welt” (14) im Jahr 2540 ein, in welcher die Massen mit der Glücksdroge “Soma” ruhiggestellt werden. Mit einer ähnlichen Idee fiel kürzlich der isaelische Zukunftsforscher Yuval Harari auf, ein Vordenker des Weltwirtschaftsforums: Er sagt voraus, die Vierte Industrielle Revolution, in der Künstliche Intelligenz bald so gut wie jegliche Arbeit besser erledigt als unsereins, werde Milliarden von “nutzlosen Essern” hervorbringen. Wie stellt man sie zufrieden, solange Euthanasie ausscheidet? Wie hält man sie davon ab, sinnentleert auf systemkritische Gedanken zu kommen und aufmüpfig zu werden? Mit Computerspielen und Drogen. Solche Hintergedanken einem Lorenz Borsche zu unterstellen, wäre allerdings ebenso gemein wie daneben. In Sachen Lithium, wie bei Nahrungsergänzungsmitteln allgemein, betont er bei jeder Gelegenheit, er habe keine Patentrezepte für jedermann – vielmehr beschreibe er seinen eigenen Weg. Was für ihn persönlich genau das Richtige war, muss es keineswegs für all seine Mitmenschen sein. “Ich bin weder ein Arzt noch ein Heiler, und ich werde tunlichst vermeiden zu sagen: ‘Sie müssen nur dies und jenes tun, dann wird ganz sicher …’ Ich erzähle meine Geschichte.” (15) Im übrigen macht anhaltendes psychisches Wohlergehen nicht zwangsläufig unkritisch, im Gegenteil: Erst wer sich überwiegend wohl in seiner Haut fühlt, ist stark genug, sich mit der unheilen Welt auseinanderzusetzen. Wen erfreut nicht diese Aussicht, abgesehen vom Fadenwurm? (Harald Wiesendanger) P.S.: Bitte beachten Sie auch bei diesem Artikel den Abschnitt „Haftungsausschluss und allgemeiner Hinweis zu medizinischen Themen“ im Impressum vom KLARTEXT. Anmerkungen 1 Braumüller: Wien 2018, https://www.braumueller.at/t?isbn=9783991002413 2 Braumüller: Wien 2021, https://www.braumueller.at/t?isbn=9783991003250 3 K. Zarse u.a.: “Low-dose lithium uptake promotes longevity in humans and metazoans”, European Journal of Nutrition 50/2011, S. 387-389, https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/21301855/ 4 H. Ohgami u.a.: “Lithium levels in drinking water and risk of suicide”, British Journal of Psychiatry 194/2009, S. 464-465, https://doi.org/10.1192/bjp.bp.110.091041 5 Nestor D. Kapusta u.a.: “Lithium in drinking water and suicide mortality”, British Journal of Psychiatry: The Journal of Mental Science, 198 (5) 2011, S. 346–350, doi:10.1192/bjp.bp.110.091041, PMID 21525518. 6 Gerhard N. Schrauzer, Krishna P. Shrestha: “Lithium in drinking water and the incidences of crimes, suicides, and arrests related to drug addictions”, Biological Trace Element Research 25, Mai 1990, S. 105–113, PMID 1699579. 7 Borsche: Nahrungsergänzung, a.a.O, S. 83 8 https://de.wikipedia.org/wiki/Lithiumtherapie, Abschnitt “Geschichte” 9 Reis 1960, nach Lutz Schneider: Lithium und Lithiumcarbonat (2019), S. 17, https://d-nb.info/1215942850/34 10 Sean M. J. McBride u. a.: “Pharmacological and Genetic Reversal of Age-Dependent Cognitive Deficits Attributable to Decreased presenilin Function”, The Journal of Neuroscience 30 (28) 2010, S. 9510–9522, doi:10.1523/JNEUROSCI.1017-10.2010; Lars Vedel Kessing u.a.: “Association of Lithium in Drinking Water With the Incidence of Dementia”, JAMA Psychiatry 74 (10) 2017, S. 1005, doi:10.1001/jamapsychiatry.2017.2362.) 11 Nach Angaben von Lorenz Borsche in einer privaten E-Mail vom 30. Januar 2024. 12 Borsche: Nahrungsergänzung, a.a.O, S. 91 13 Zit. Lorenz Borsche, aus einer privaten E-Mail vom 2. Februar 2024. 14 Aldous Huxley: Schöne neue Welt. Ein Roman der Zukunft, 7. Auflage Frankfurt a.M. 2018. 15 Borsche: Nahrungsergänzung, a.a.O, S. 13 Titelbild: Collage aus Bildern von Ajale/Pixabay und 8385/Pixabay
- Kompass verrutscht
Es mehren sich Stimmen, die Ukraine im Krieg gegen Russland nicht länger zu unterstützen. Nichts für ungut, liebe Friedensbewegte, aber euer moralischer Kompass ist gewaltig verrutscht. Auch Nichtstun ist Handeln. Verantwortung werden wir nicht los, indem wir schweigen, wegsehen, die Hände in den Schoß legen. Das gilt auch für Publizisten. Und so drängt es mich, zum Ukrainekrieg Stellung zu nehmen, auch wenn er außerhalb des üblichen Themenspektrums meines Blogs stattfindet. Ich tue es mit einem Gedankenspiel. Falls dir das zustieße 24. Februar, vier Uhr morgens. Du und deine Familie liegen nichtsahnend im Tiefschlaf. Da erschüttert eine gewaltige Explosion euer Haus: Ein Geschoss hat gerade euer Dach durchschlagen. Ihr hört, dass jemand eure Eingangstür aufbricht. In heller Aufregung eilst du dorthin. Da erkennst du P., einen Nachbarn, der dir schon seit längerem nicht wohlgesonnen ist. Schwerbewaffnete Männer begleiten ihn. Vor deinen Augen erschießen sie deinen Ehepartner. Sie vergewaltigen deine Schwester. Sie verschleppen eines deiner Kinder. Ein anderes zerren sie in den Keller und foltern es. Du hörst seine gellenden Schreie. Die Eindringlinge beschlagnahmen in deinem Haus mehrere Zimmer. In den übrigen richten sie größtmöglichen Schaden an. Sie zerschlagen Fensterscheiben, durchtrennen Stromkabel, kappen die Wasserzufuhr, sprengen euren Heizofen. Eure Wertsachen schaffen sie fort. Auch deinen Garten besetzen sie teilweise, nachdem sie deinen Zaun niedergerissen haben. Sie heben dort Gräben aus. Auf Schritt und Tritt verlegen sie Minen. Obst und Gemüse, das ihr angebaut habt, stehlen sie. Verzweifelt reißt du ein Fenster auf und rufst nach Hilfe, so laut du kannst. Wie du feststellst, hat der Lärm inzwischen sämtliche Nachbarn aufgeweckt. Neugierig verfolgen sie aus sicherem Abstand, was dir und deiner Familie gerade widerfährt. Manche schütteln den Kopf, falten die Hände zu einer Fürbitte oder ballen aufgebracht die Fäuste, rufen eurem Angreifer ein empörtes „Aufhören!“ zu. Jeder erklärt euch, er bedaure euer Schicksal zutiefst und nehme Anteil. Ihr Mitgefühl versichern euch manche auf eurem Anrufbeantworter, andere werfen eine Beileidskarte in euren Briefkasten. Alle hören, wie in eurem Haus Schüsse fallen. Alle hören euch weinen. Alle hören, wie ihr vor Schmerzen schreit. Alle sehen, wie P. und seine Leute zerstören, was euch gehört. Allen ist klar: Ihr seid die Schwächeren. Aber niemand eilt euch zu Hilfe. Kein einziger. Verzweifelt rufst du ihnen zu: „Bitte helft uns wenigstens, uns selber zu schützen!“ Unverzüglich geschieht daraufhin: nichts. Es vergehen Tage, Wochen, Monate, bis wenigstens ein paar Nachbarn deinem Aufruf folgen. Nach und nach spendieren sie euch einen Verbandskasten, damit ihr eure Wunden versorgen könnt. Einen neuen Heizofen. Einen Stromgenerator. Schusssichere Westen. Neue Fenster. Stahltüren, damit ihr es dem Angreifer schwerer machen könnt, in eure übrigen Zimmer einzudringen. Taschentücher, um eure Tränen zu trocknen. Ein paar Schwerter, Steinschleudern und Schrotflinten. „So kann ich P. aus meinem Haus, von meinem Grundstück aber nicht vertreiben“, lässt du deine Nachbarn wissen. „Dazu benötigen wir dringend bessere Waffen und mehr Munition. Ihr habt sie, und ihr benötigt sie zur Zeit nicht. Ich flehe euch an: Gebt sie uns.“ Schließlich ringen sich vereinzelte Nachbarn dazu durch, dir geeigneteres Material auszuhändigen – aber viel zu langsam, viel zu wenig, als dass du dein Zuhause damit befreien könntest. „Warum bekomme ich von euch nicht, was ich benötige?“, fragst du. „Weil du damit prinzipiell die Möglichkeit bekämst, P.´s Haus zu beschießen“, so hörst du. „So etwas könnte ihn stinksauer auf uns machen, und das möchten wir nicht riskieren.“ Manche Nachbarn haben sich von vornherein geweigert, dich beim Verteidigen zu unterstützen. Weshalb? Sie konfrontieren dich mit Unterstellungen: In Wahrheit seist du ein Nazi. Obendrein eine Marionette eines gewissen U. Angeblich hast du U. deinen Keller vermietet, um darin ein Labor einzurichten. Und dieser U. habe sich schon öfters ähnlich verhalten wie jetzt P. Eigentlich seist du ein Schauspieler, der bloß so tut, als könne er Oberhaupt seiner Familie sein. Es sei dir nicht recht, dass ein Mitbewohner deines Hauses weiterhin seinen Dialekt spricht. Außerdem gelte es zu bedenken, dass Ahnen des Angreifers einst den Grund und Boden bewohnten, dessen Eigentümer du jetzt bist. „Da plappert ihr doch bloß nach, was P. euch einflüstert“, gibst du zu bedenken. „Muss ein Verbrechensopfer in höchster Not denn erst alle kursierende Gerüchte entkräften und Unbedenklichkeitsprüfungen bestehen, ehe er Beistand verdient? Lautet eure Devise: ‚Jeden in Not retten wir selbstverständlich – es sei denn, er hat keine Rettung verdient, weil es uns so vorkommt, als sei er irgendwie mitschuldig‘?“ „Wozu dir noch beistehen? Du kannst sowieso nicht gewinnen!“, bekommst du zu hören. „Es verhält sich genau andersherum“, widersprichst du: „Ich kann unmöglich gewinnen, falls ihr mir nicht beisteht.“ „Das wird uns allmählich zu teuer“, so jammern deine Nachbarn. „Falls ihr P. jetzt gewähren lasst, könnte es für euch bald noch viel teurer werden“, erwiderst du. „Denn ihr könntet die nächsten sein, die er überfällt. Gedroht hat er manchen von euch ja schon.“ „Verhandle endlich!“, so wird dir zugerufen. Worüber denn? Um des lieben Friedens willen müssest du „Zugeständnisse machen“, heißt es. „Das bedeutet? Sollten wir demnach eures Erachtens Teile unseres Gartens abtreten?“, so empörst du dich. „Empfehlt ihr uns, künftig auf unser Wohnzimmer zu verzichten? Seid ihr dafür, dass wir P. unsere Küche überlassen? Unser Bad räumen? Oder ein Kinderzimmer, da es ja leer steht, seit P. unsere Jüngste entführt hat? Was fällt euch ein, euch darüber unseren Kopf zu zerbrechen? Wozu wärt ihr denn bereit, wenn es um euer Zuhause ginge?“ „Und wozu verzichten? Um den Konflikt mit P. vertraglich beizulegen? Mit einem, der jeden Vertrag zu brechen pflegt, wenn es ihm passt? Hatte er nicht schon längst schriftlich zugesichert, die Grenzen unseres Grundstücks zu respektieren?“ Betreten schweigt die Nachbarschaft. Und so bleibt dir nichts anderes übrig, als dich weiterhin alleine zu wehren, mit ungenügenden Mitteln. „Aber ich kämpfe doch letztlich auch für euch“, gibst du deinen Nachbarn zu bedenken. „Falls ich verliere, wird P. als nächstes über einen von euch herfallen.“ „Quatsch, das würde er sich niemals trauen.“ Vergeblich widerspricht du: „Habt ihr vergessen, was Adolf sich vor ungefähr achtzig Jahren alles traute, nachdem Leute wie ihr ihn gewähren ließen?“ Immerhin darfst du gewiss sein: Falls du und deine Liebsten den Überfall nicht überleben, werden eure Nachbarn euch feierlich zu Grabe tragen, üppige Kränze niederlegen, fromme Lieder singen und eurer salbungsvoll gedenken. Sind solche Aussichten nicht tröstlich? Und die Moral von der Geschichte? Nochmals: Auch Nichtstun ist Handeln. Nichts, aber auch wirklich gar nichts gibt dir das Recht, einen Mitmenschen anzugreifen, zu quälen oder gar umzubringen, der dich nicht im geringsten bedroht hat. Und nichts entlastet dich von der moralischen Pflicht, jemandem beizustehen, wenn er vor deinen Augen zum Opfer eines Angriffs wird, den er aus eigener Kraft nicht abwehren kann. Kurzum: Wer die überfallene Ukraine im Stich lässt, macht sich unterlassener Hilfeleistung schuldig – mit fadenscheinigen Ausflüchten, aus einem Mangel an Empathie und Geschichtsbewusstsein. Solch unverblümten KLARTEXT erlaube ich mir – an die Adresse aller Mitmenschen, die seit nunmehr fast zwei Jahren beharrlich meiner Frage ausweichen: Wie wäre es, wenn P. am 24. Februar über dich hergefallen wäre? Was würdest du von mir dann zurecht erwarten, wenn ich dein Nachbar wäre? Vor all den lautstarken Pazifisten hierzulande, welche die Ukraine lieber heute als morgen im Stich lassen würden, zöge ich erst dann den Hut, wenn sie heroisch prinzipientreu bereit wären, sich selbst und ihre Liebsten von bewaffneten Angreifern abschlachten zu lassen, ohne Gegenwehr, mit weißer Fahne in der einen Hand und einer weißen Taube auf der anderen. Andernfalls käme mir ihre inbrünstige Friedensliebe, zelebriert aus einer sicheren Entfernung von zweitausend Kilometern zum grässlichen Geschehen, reichlich verlogen vor. (Harald Wiesendanger) Illustration: Collage aus Bildern von Kellepics und MarandaP (beide Pixabay)
- Die Gedankenpolizei naht
Im Kampf gegen vermeintliche „Falschinformation“ und „Hassrede“ rückt eine weltweite Zensur des Internets immer näher: Was wir in sozialen Medien äußern, lesen und teilen dürfen, soll künftig umfassender Kontrolle unterliegen. Daran arbeiten zielstrebig die Vereinten Nationen mit ihren Unterorganisationen UNESCO und WHO, gemeinsam mit dem Weltwirtschaftsforum und der EU. Diesen Blog könnte es demnach bald nicht mehr geben, sein Herausgeber würde zum Straftäter. Es sei denn, er hält endlich die Klappe. „Unsere größte Sorge für die nächsten zwei Jahre“, so gab EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen soeben auf dem Weltwirtschaftsforum 2024 in Davos von sich, „sind Fehlinformationen und Desinformationen“. Hört, hört: Vordringlicher, als gegen Kriege und Klimawandel, gegen Armut und Hunger vorzugehen, ist demnach die Zerstörung der Meinungsfreiheit. Ist dieses Vorhaben nicht von vornherein aussichtslos, zumindest in entwickelten Demokratien der westlichen Welt? Scheitert es nicht an der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte? „Die Meinungsfreiheit“, so stellt Wikipedia klar, „ist ein Menschenrecht und wird in Verfassungen als ein gegen die Staatsgewalt gerichtetes Grundrecht garantiert, um zu verhindern, dass die öffentliche Meinungsbildung und die damit verbundene Auseinandersetzung mit Regierung und Gesetzgebung beeinträchtigt oder gar verboten wird. In engem Zusammenhang mit der Meinungsfreiheit sichert die Informationsfreiheit den Zugang zu wichtigen Informationen, ohne die eine kritische Meinungsbildung gar nicht möglich wäre. Das Verbot der Zensur verhindert die Meinungs- und Informationskontrolle durch staatliche Stellen. Im Unterschied zu einer Diktatur sind der Staatsgewalt in einer Demokratie die Mittel der vorbeugenden Informationskontrolle durch Zensur ausdrücklich verboten.“ Glasklar, oder? Spätestens die Coronakrise hat uns jedoch vor Augen geführt, wie rasch Demokratien Grundrechte opfern, wenn vermeintliche Bedrohungen dies erforderlich zu machen scheinen. Die Pandemie ist vorbei – die Einschränkungen des Informationsflusses jedoch, die zur Seuchenkontrolle angeblich nötig waren, setzen Internetgiganten wie Google, Facebook und YouTube nicht nur ungeniert fort. Die UNESCO, die Kulturorganisation der Vereinten Nationen, will sie schleunigst auf die Spitze treiben und zum weltweiten Dauerzustand machen. Missliebige Meinungen unterdrücken: Darum geht es. Daran lassen ihre „Leitlinien für die Verwaltung digitaler Plattformen“ keinen Zweifel. Sie umfassen eine Reihe von “Pflichten, Verantwortlichkeiten und Rollen für Staaten, digitale Plattformen, zwischenstaatliche Organisationen, die Zivilgesellschaft, Medien usw.”, um "Des- und Fehlinformationen, Hassreden und Verschwörungstheorien" den Garaus zu machen. (1) Dieses haarsträubende Dokument bedeutet einen weiteren Schritt hin zu einer Zensur und Kontrolle jeglicher Kommunikation im Internet. Würden die UNESCO-Leitlinien umgesetzt, so wären die Vereinten Nationen befugt, für das gesamte Internet weltweit zu bestimmen, was als “Fehlinformation” oder “Hassrede” einzustufen ist. Sie dürfte Ansichten und Informationen unterdrücken, die den Narrativen der UN oder der mit ihr zusammenarbeitenden Regierungen, Unternehmen und Organisationen widersprechen. “Im Wesentlichen”, warnt die Menschenrechtsinitiative CitizenGO, “wollen sie entscheiden, welche Informationen wir austauschen können, und diktieren, was wir online sagen dürfen und was nicht. Das ist nicht nur Meinungsmache - es ist ein gefährlicher Versuch, eine Ideologie durchzusetzen, die alle abweichenden Gedanken und Überzeugungen unterdrückt.” Dasselbe Ziel verfolgt die WHO mit der Neufassung der “Internationalen Gesundheitsrichtlinien” (International Health Regulations, IHR), auf die sie momentan ihre Mitgliedsstaaten hinter verschlossenen Türen, unter höchster Geheimhaltung, einzuschwören versucht. Ein früherer Entwurf hatte noch vorgesehen, dass jegliche Änderungen am Text “unter voller Achtung der Würde, der Menschenrechte und der Freiheit der Person" erfolgen müssen. Dieser Passus wurde inzwischen gestrichen. Die Grundrechte gelten selbstverständlich weiter, bloß anders Keine Bange, so versucht uns UN-Generalsekretär António Guterres zu beruhigen – fundamentalen Freiheitsrechten fühle er sich selbstverständlich weiterhin verpflichtet: Fein. Und wie gedenkt die UN das menschliche Grundrecht auf Information zu „schützen“? Indem sie die freie Meinungsäußerung einschränkt und uns jegliche Informationen vorenthält, die den Zensoren nicht passen. Es geht um absolute Kontrolle über das Narrativ – insbesondere in Bezug auf Gesundheit und Krankheit, Prävention und Therapie, Medikamente und Impfungen, wie der geplante Pandemievertrag vorsieht. „Die Grundrechte gelten weiter, bloß anders“, würde vermutlich Stefan Harbarth kommentieren, Bundesverfassungsgerichtspräsident von Merkels Gnaden: „Eine Beschränkung von Freiheitsrechten kann legitim sein.“ Überaus gelegen kommt der UN, dass niemand genau weiß, was denn eine „Desinformation“ ausmacht. Sie selbst stellt fest: "Es gibt keine allgemeingültige Definition von Desinformation. Angesichts der zahlreichen und unterschiedlichen Kontexte, in denen Desinformation eine Rolle spielt, wie z. B. bei Wahlen, im Gesundheitswesen, bei bewaffneten Konflikten oder beim Klimawandel, ist eine Definition allein nicht ausreichend." Dieses Manko kommt insofern wie gerufen, als die Meinungskontrolleure ihre eigenen Definitionen erfinden und sie nach Belieben anwenden können. Und natürlich wird dies zu unserem Besten geschehen. Wer kann schon etwas dagegen haben, dass ihm Lügen und Hass erspart bleiben? Den Gipfel der Heuchelei erklimmt der UN-Generalsekretär, wenn er ausgerechnet mit der Coronakrise zu belegen versucht, wie dringend nötig die Zensur ist: „Die COVID-19-Pandemie hat (…) die dunkle Seite der digitalen Technologie verdeutlicht: die blitzschnelle Verbreitung von Fehlinformationen, die Manipulation des Verhaltens der Menschen und vieles mehr.“ Zu besagter „Dunkelheit“ maßgeblich beigetragen haben die UN selbst, die WHO, Regierungen und Gesundheitsbehörden: mit einer manipulativen Flut von Fehlinformationen über den Ursprung und die Gefährlichkeit des SARS-CoV-2-Virus, die Sicherheit und Wirksamkeit von Impfungen, den Nutzen sonstiger staatlicher „Schutz“maßnahmen, die Aussagekraft der PCR-Diagnostik, den Wert von alternativer Vorsorge und Behandlung. Millionen von „Gepieksten“ hat diese Desinformation von oben das Leben gekostet. Europaweiter Kreuzzug gegen querdenkende Schädlinge Im Kreuzzug gegen Fake News marschiert die EU-Kommission vorneweg – kein Verfassungsgericht bremst sie bisher. Ab 17. Februar 2024 gilt in sämtlichen EU-Mitgliedsstaaten ihr Digital Services Act (DAS), der alle großen sozialen Netzwerke knebelt. Wer „hasserfüllte Inhalte“ und „ernste Gefahren“ nicht sofort löscht, dem drohen horrende Geldbußen, wenn nicht gar die Abschaltung. Denn “die heimtückische Verbreitung von Fehlinformationen und Desinformationen bedroht den Zusammenhalt der Gesellschaften” - so orakelte von der Leyen soeben in Davos - und gefährde ernsthaft “die globale Geschäftswelt”, die im Publikum hochkarätig vertreten war. Im Kampf gegen “Desinformation” müsse Big Business daher in eine “öffentlich-private Partnerschaft” eingebunden werden. Pfizer & Co. werden da uneingeschränkt zustimmen, die Gates-Foundation ebenfalls. Vor einem Ende der Meinungs- und Informationsfreiheit in Europa, eingeleitet vom Digital Services Act, warnt der ehemalige Richter Manfred Kölsch in der Berliner Zeitung. Nutzer von sozialen Medien würden dazu getrieben, ihre Beiträge so zu verfassen, dass sie «in den aktuellen politischen Meinungskorridor» passen. Alles andere könnte als «schädlich» definiert werden. Eine “Überwachungsbürokratie” werde Beiträge löschen, Nutzer sperren oder gar strafrechtlich verfolgen, weil sie allzu hartnäckig gegen den Mainstream schwimmen. Denunzianten werden gnadenlos Beihilfe leisten. “Damit Menschen besser miteinander auskommen” Künstliche Intelligenz soll die Zensur umfassend und lückenlos machen. Dies werde die Einheit in der Gesellschaft fördern, die globale Freundschaft stärken, geopolitische Polarisierung überwinden helfen und dazu beitragen, „dass Menschen besser miteinander auskommen“, so schwärmte WHO-Hauptsponsor Bill Gates in einem am 11. Januar 2024 ausgestrahlten Studiogespräch mit Sam Altman, dem Geschäftsführer des „ChatGPT“-Entwicklers OpenAI. Wahrlich genial: Wo keine zwei Meinungen mehr zulässig sind, kann es auch keinen Streit mehr darüber geben. Seinen friedenstiftenden Beitrag zu diesem wesentlichen Aspekt des Great Reset leistet Gates seit langem. Um „Desinformation“ weltweit noch wirksamer zu bekämpfen, schmiedete er ein Bündnis großer Medien- und Tech-Unternehmen. Microsoft, Adobe, Intel und Sony machen ebenso mit wie die BBC. Auch Publicis ist dabei, eines der übelsten Propaganda-Monster unseres Planeten, mit einem Jahresumsatz über zehn Milliarden Dollar, zu dem Großkunden aus der Pharmabranche beitragen. Gates´ Coalition for Content Provenance and Authenticity (C2PA) soll die technischen Voraussetzungen dafür schaffen, das Internet von Fake News und „Verschwörungstheorien“ zu säubern – umfassend und ein für allemal. Dieser vervollkommneten Zensur wird kein Querdenker mehr entkommen. (2) Womöglich erfährt man dann nicht einmal mehr von Initiativen wie der Westminster Declaration, in der sich 137 Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Kultur und Medien kürzlich “zutiefst besorgt über zunehmende Zensur” geäußert haben - solche Querdenkerei trägt schließlich zur “verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung” von Zensoren bei. Fehlinformationen stoppen – Ein Leitfaden Was sollten Regierungen vielmehr gegen Fehlinformationen tun? Der US-Blogger Steve Kirsch, Gründer der Vaccine Safety Research Foundation, hat am Beispiel der Covid-19-Impfstoffe einen kostenlosen Leitfaden hierfür zusammengestellt: "1. Hör auf, die Menschen anzulügen. 2. Sobald du bemerkst, dass du einen Fehler gemacht hast, gib ihn öffentlich zu. 3. Hör auf, die Daten zu verstecken. Datentransparenz ist der Schlüssel. Fordere eine glaubwürdige Opposition auf, alle verfügbaren Datenbanken abzufragen. Wenn die Regierungen die Wahrheit sagen, sollten sie nichts zu befürchten haben. 4. Beende die Zensur. 5. Sprich dich gegen jede Organisation aus, die Zensur oder Einschüchterungstaktiken einsetzt, um abweichende Meinungen zum Schweigen zu bringen. (…) 6. Ein wissenschaftlicher Konsens sollte niemals dadurch erreicht werden, dass abweichende Meinungen durch Zensur und Einschüchterungstaktiken zum Schweigen gebracht werden. Alle Fachleute in allen Bereichen sollten die Möglichkeit haben, sich frei und ohne Angst vor Repressalien an die Öffentlichkeit zu wenden. 7. Führe regelmäßig öffentliche Debatten mit qualifizierten Personen, die anderer Meinung sind als du, damit die Öffentlichkeit direkt sehen kann, wer die Wahrheit sagt und wer nicht. 8. Führe einen regelmäßigen öffentlichen Dialog mit Regierungsvertretern und den wichtigsten Verbreitern von Fehlinformationen, um die Differenzen offen zu diskutieren und herauszufinden, wie sie am besten gelöst werden können. 9. Setze dich für die Wahrheit ein und sprich öffentlich darüber, wenn der Wahrheit nicht nachgegangen wird. Es gibt zum Beispiel viele Whistleblower, die aussagen, dass klinische Studiendaten für den Impfstoff von Pfizer gefälscht wurden. Stimmt das? Das US-Justizministerium weigert sich, diese Whistleblower zu befragen. (…) 10. Arbeite mit den "Fehlinformationsverbreitern" zusammen, um gemeinsame Projekte zu entwerfen, bei denen beide Seiten zustimmen, um Unklarheiten zu beseitigen. Wie viele Haushalte (…) haben zum Beispiel ein oder mehrere Covid-impfgeschädigte Mitglieder? (…) 11. Schaffe den Haftungsschutz für Impfstoffhersteller ab - er ist lächerlich. Jeder Arzt weiß doch, dass Impfstoffe die sichersten Medikamente sind, die es gibt. Das wird ihnen im Medizinstudium beigebracht, also muss es wahr sein. Warum ist es also notwendig, dass Impfungen der einzige medizinische Eingriff sind, der einen Haftungsschutz benötigt? Die Behörden tun nichts von alledem. Das ist der Grund, weshalb Fehlinformationen immer noch ein Problem sind.“ (Harald Wiesendanger) Anmerkungen 1 Näheres: https://netzpolitik.org/2023/kampf-gegen-desinformation-unesco-veroeffentlicht-leitlinien-zur-regulierung-sozialer-plattformen/ und https://www.bakom.admin.ch/bakom/de/home/das-bakom/medieninformationen/bakom-infomailing/infomailing-60/regulierung-von-online-plattforme.html 2 Näheres im KLARTEXT “Dieses Zeug muss weg”. Titelbild: NoName_13/Pixabay
- Wie bestellt
Da hat die Bundesregierung endlich mal eine prima gesundheitspolitische Idee: Weniger Zucker, Salz und Fett sollen wir essen. Doch Focus widerspricht: Es mangele an „kausaler Evidenz“. Geht es nach Cem Özdemir, sollten wir weniger Zucker, Fett und Salz essen, um gesünder zu leben - vor allem Kinder. Dies erklärte der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft soeben bei der Vorstellung des „Ernährungsreports 2023“. Was fängt Deutschlands bekennender „Fakten-Fakten-Fakten“-Lieferant Focus mit diesem hehren Vorhaben an? Er lässt es zerpflücken. Dazu spannt das heruntergekommene Nachrichtenmagazin einen „Experten“ namens Uwe Knop ein, einen „evidenzfokussierten Ernährungswissenschaftler, Buchautor und Referent für Vorträge bei Fachverbänden, Unternehmen und auf Ärztefortbildungen“. Knop erklärt: „Der Begriff ‚ungesunde‘ Lebensmittel ist nicht offiziell definiert und wird oft ideologisch verwendet. (…) Es fehlt kausale Evidenz.“ Im übrigen „zeigen aktuelle Daten, dass der Großteil der deutschen Kinder nicht fettleibig ist“. Wie sich Özdemirs Vorschläge auf die Gesundheit der Bevölkerung auswirken, „weiß niemand", so verbreitet Knop, "und das wird auch niemals jemand herausfinden, denn: Es wird keine wissenschaftliche Evaluation ("Wirksamkeits-Analyse") geben, um die gesundheitlich relevanten Effekte zu bewerten (wie Auswirkungen auf Herzinfarkte, Schlaganfall, Krebs, Lebenszeit). Warum? Diese Analysen sind praktisch nicht durchführbar. (…) Die Ernährungswissenschaft kann keine Belege im Sinne von echter Kausalität liefern - weder für gesunde Ernährung im Allgemeinen noch ob Lebensmittel generell gesund oder ungesund sind. (…) Niemand weiß, ob und was eine solche staatliche Vorgabe bringen wird - weder in positiver Hinsicht noch ob sie vielleicht schadet.“ Zweifellos mangelt es an ausreichender kausaler Evidenz dafür, dass Ernährungswissenschaftlern, die weder mit Uwe Knop identisch sind noch auf der Honorarliste von Big Food stehen, wegen Knops Ausführungen sämtliche verbliebenen Haare zu Berge stehen. Und falls sich nach Jahrzehnten mit Pommes und Cola, Pizza und Gummibärchen irgendwann auch bei Knop, Jahrgang 1972, Arteriosklerose und Bluthochdruck, Diabetes und Krebs, Herzinfarkte und Schlaganfälle einstellen, würde er bestimmt der Versuchung widerstehen, da eine „unechte Kausalität“ hineinzudeuten. "Vielleicht schadet" es ja sogar, Junk Food abzusetzen. Dass Knop laut Wikipedia „als medizinischer PR-Berater für verschiedene Unternehmen aktiv“ ist - wozu er selbst die „Medizin- und Gesundheitsbranche” zählt -, tut nichts zur Sache? Welche Unternehmen haben ein Interesse daran, dass käufliche Schreibtischtäter dem Staat vorwerfen, er „zahle für die Verbreitung pseudowissenschaftlicher Phantasien”, und Sprüche klopfen wie “Iss, was du willst – alles andere ist Käse!”? Unterdessen investieren Lebensmittelkonzerne Milliarden, um die perfekte Mischung an Salz, Zucker und Fett zu finden, die uns süchtig macht. Diesen „evidenzfokussierten“ Kausalitätsguru zählt Focus allen Ernstes zur „besten und breitesten Auswahl an Experts“. (Experten für korrekte deutsche Pluralbildung hat die Redaktion anscheinend nicht auftreiben können.) Spätestens jetzt muss einem ob des Sachverstands von Deutschlands Fachleuten angst und bange werden, sofern jegliches Restvertrauen nicht schon während der Coronakrise verlorenging. (Harald Wiesendanger) Foto Özdemir: Von © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons), CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=86905057
- Der Irrsinn geht weiter
SARS-CoV-2 war kein Einzelfall: Mindestens 16 Krankheitserreger sind zwischen 2000 und 2021 aus Forschungslabors entwichen, wie eine neue Studie nachweist. Ein Großteil stammte aus Gain-of-Function-Experimenten, die Pathogene noch ansteckender, noch tödlicher machen sollten. Statt diese teuflische Perversion von Wissenschaft sofort zu beenden, fördern Regierungen, Militärs und Geheimdienste sie skrupellos weiter. Und Medien schweigen, die Bevölkerung schläft. Während sie sich vom „menschengemachten Klimawandel“ verängstigen lässt, könnte die menschengemachte Bio-Apokalypse schon morgen über sie hereinbrechen – mit der Corona-P(l)andemie als vergleichsweise harmlosem Vorspiel. Keine Fledermaus, sondern ein Biolabor in Wuhan brachte den Covid-19-Erreger in die Welt. Jeder, der hinsehen wollte, fand triftige Anhaltspunkte dafür bereits wenige Wochen nach dem offiziellem Ausbruch der Seuche; ich präsentierte sie in meinem im Juni 2020 erschienenen Buch Corona-Rätsel, das in den sozialen Medien prompt der Zensur zum Opfer fiel; Amazon sperrte es aus seinem Sortiment aus. Was der Öffentlichkeit damals verborgen blieb, enthüllt nun Robert F. Kennedy jr. in seinem Doku-Thriller The Wuhan Cover-Up. Doch das Laborleck von Wuhan war längst nicht das einzige, wie eine neue Studie verdeutlicht, die soeben in The Lancet Microbe erschienen ist. In begutachteten Artikeln und Online-Berichten, die zwischen 2000 und 2021 erschienen waren, fand das internationale Autorenteam Hinweise auf 16 Fälle, in denen ein Erreger aus einem Labor entwichen war. Darüber hinaus stießen die Forscher auf 309 Fälle von Infektionen, die als „im Labor erworben” eingestuft worden waren. Bakterien verursachten 77% Prozent davon, Viren 13,9%, Parasiten 7,1% durch, Pilze 1,6%, Prionen (1) verfügen weniger als 1%. Acht Fälle verliefen tödlich; sechs davon waren Bakterien wie Yersinia pestis, der Erreger der Pest, oder Neisseria meningitidis beteiligt – sie verursachen eine eitrige Hirnhautentzündung, seltener auch eine Blutvergiftung. Ein weiteres Mal war das Ebola-Virus der Auslöser. Die erschütterndsten Beispiele von Pannen in vermeintlichen „Hochsicherheit“slaboren schildere ich in Corona-Rätsel. (Kap. 15: „Die Uhr tickt“.) - Dazu zählte im Jahr 1976 ein Ausbruch der Schweinegrippe, die seit 1957 als ausgerottet galt, aus Fort Dix in New Jersey. - Auch das menschliche H1N1-Virus, das im darauffolgenden Jahr in Russland und China um sich griff, stammte aus dem Labor. - 1979 forderte ein Leck in einer Anthrax-Produktionsanlage in Swerdlowsk, UdSSR, rund 60 Todesopfer. - 1995 infizierte der Erreger der venezolanischen Pferdeenzephalitis nach einer Laborflucht 85.000 Menschen in Venezuela und Kolumbien, tötete 300, schädigte 3.000 und führte zu zehn Fehlgeburten. - Aus einer militärischen Forschungseinrichtung auf Taiwan entwich 2003 ein SARS-Virus. - Und es gibt stichhaltige Beweise dafür, dass der Ebola-Ausbruch 2014 bis 2016 in Westafrika ebenfalls von einem nahen BSL4-Labor ausging. (Näheres im KLARTEXT „Vertuscht: Auch Ebola kommt aus dem Labor“.) - 2019 trat aus einer biopharmazeutischen Anlage in Lanzou, China, der Brucellose-Erreger aus, der Fieber und Muskelschmerzen verursacht, welche wochen- und jahrelang anhalten können; mehr als 10.000 Menschen infizierten sich. - Im gleichen Verdacht stehen die Affenpocken, die 2022 plötzlich um sich griffen, mit 16.000 registrierten Fällen in 75 Ländern. Damit erübrigen sich zwei gängige Mythen: Weder entweichen Erreger bloß äußerst selten aus Labors. Noch sind die meisten Pandemien zoonotisch, d.h. beruhen darauf, dass ein Erreger auf natürlichem Weg von Tieren auf Menschen übergreift. Warum wohl treten Pandemien seltsam gehäuft und in immer kürzeren Abständen erst auf, seit immer mehr biologische Hochsicherheitslabore in Betrieb sind? Weltweit sollen es bereits 60 sein, geheimgehaltene Anlagen nicht mitgerechnet. Nur „die Spitze des Eisbergs“ Alle bekannt gewordenen Fälle repräsentieren „nur die Spitze des Eisbergs“, wie die Wissenschaftler vermuten: Zum einen gibt es keine standardisierten Meldevorschriften. Zum anderen sind die Labore und ihre Auftraggeber in der Regel darauf aus, Sicherheitspannen möglichst zu vertuschen. Der Anreiz dafür ist hoch: Es drohen Verluste von Investitionen und hohe Ausgaben für verschärfte Sicherheitsvorkehrungen, schlimmstenfalls die Laborschließung. Die ermittelten Infektionen rührten großteils von „Verfahrensfehlern” her: Es wurde gegen Biosicherheits- oder Risikominderungsvorschriften verstoßen, z. B. indem die falsche Schutzausrüstung verwendet wurde, eine unzureichende Schulung stattfand oder man Proben unsachgemäß handhabte. Zu den übrigen Infektionen kam es durch Nadelstichverletzungen, Verschüttungen, Spritzer, offene Fläschchen, Tierbisse, abgelaufene Desinfektions- und Reinigungsmittel oder aus „unbekannten Gründen”. Was hinter solchen Vorfällen steckt, liegt für den Biowaffen-Experten Francis Boyle, Professor für internationales Recht an der University of Illinois, auf der Hand. Im Online-Magazin The Defender erklärte Boyle, der 1989 in den USA den Biological Weapons Anti-Terrorism Act entworfen hatte: „Ganz allgemein deuten diese Lecks darauf hin, dass die beteiligten Labors an der Erforschung, Entwicklung, Erprobung und Lagerung von biologischen Angriffswaffen beteiligt sind und damit gegen internationale Übereinkommen verstoßen.” Sie versehen Pathogene mit einem “Zugewinn an Nutzen” (gain of function) – mit anderen Worten, sie machen sie noch gefährlicher für die Menschheit, als sie ohnehin schon sind. Gesundheitsbehörden pflegen die mit der Gain-of-Function-Forschung verbundenen Risiken herunterzuspielen. Es gehe darum, potenzielle Pandemieauslöser zu modifizieren, um dann Impfstoffe dagegen zu entwickeln, so heißt es. Boyle erkennt darin die „Standardpropaganda dieser Todesforscher. Wir alle wissen, dass ,Gain-of-Function’ ein Euphemismus für biologische Angriffswaffen wie Covid-19 ist.“ Das ganze Gerüst ihrer Argumentation sei irreführend, so Boyle, denn „sie setzten Gain-of-Function ein, um die biologische Angriffswaffe überhaupt erst zu entwickeln, und entwickeln sie dann zurück, um einen ,Impfstoff’ für den Fall eines Bumerangs zu entwickeln.“ Der Medizinhistoriker Dr. Martin Furmanski sieht darin eine „sich selbst erfüllende Prophezeiung“, bei der die Labors angeblich mit Krankheitserregern arbeiten, um genau die Ausbrüche zu verhindern, die sie letztlich verursachen. Der US-Mediziner Prof. Paul R. Goddard spricht von „MAD-Forschung“. Das Kürzel steht für Make Another Disease. Wie von Sinnen Es bedarf keiner überschäumenden Phantasie, um sich lebhaft auszumalen, welch irrwitziges Risiko davon ausgeht. Im März 2021, während die Welt vom Corona-Pandemiehorror ergriffen war, feierte ein 18-köpfiges Forscherteam der Universität Siena den wahnsinnigsten Durchbruch des Jahres: Im Labor erzeugten sie aus SARS-CoV-2 ein neues, noch viel gefährlicheres Coronavirus. Es entgeht den Antikörpern, die unser Immunsystem auf eine Infektion hin produziert. Das macht es extrem tödlich. (Näheres im KLARTEXT „Hurra, SARS-CoV-3 ist da!“) Und soeben melden chinesische Wissenschaftler ein weiteres Exempel von perverser Spitzenforschung – an Mäusen, die sie gentechnisch so verändert hatten, dass ihre Lungen den menschlichen eher ähneln. Mit einem mutierten Coronavirus erzielten sie bei diesen Versuchstieren eine 100%-ige Tötungsrate. In verschiedenen Organen, darunter in den Lungen und Augen, fanden sich bei der Obduktion hohe Mengen an viraler RNA – das meiste im Gehirn. Wen lässt die Aussicht kalt, dass solche Ausgeburten suizidalen Irrsinns bald ebenso rasant über die Menschheit herfallen könnten wie vor kurzem der Covid-19-Erreger? Wer mag nicht auf der Stelle alles unternehmen, um vorzubeugen? Mir fallen nur drei mögliche Profiteure ein: die Hersteller von Gegenmitteln. Deren Besitzer. Sowie alle, die ihrer Vision einer schönen neuen Welt näherzukommen meinen, indem sie eine verängstigte Bevölkerung mittels totaler Kontrolle „schützen“. Von der Pandemie zur Plandemie Glänzende Geschäfte mit der jüngsten Pandemie haben eine baldige nächste noch wahrscheinlicher gemacht. Bis 2027 werden sich die weltweiten Umsätze mit Corona-Impfstoffen auf 348 Milliarden Euro belaufen, wie IQVIA prognostiziert, ein führender Informationsdienstleister der Gesundheitsbranche; Covid-19-Therapeutika wie Paxlovid werden bis dahin mit weiteren 110 Milliarden Euro zu Buche schlagen. Zusammengerechnet knapp eine halbe Billion Euro: Macht ein derartiger Reibach nicht jegliches Verbrechen verlockend? Warum sollten Konzerne, die notorisch über Leichen gehen, däumchendrehend abwarten, bis der nächste hochansteckende Erreger versehentlich irgendeiner Forschungseinrichtung entweicht? Bei der Freisetzung nachzuhelfen, wäre mit Geld und Beziehungen ein Kinderspiel. Dazu genügt ein einziger korrupter Laborant. „All diese Labore sofort schließen!“ Für Boyle steht fest: Alle biologischen Hochsicherheitslabore weltweit „müssen sofort geschlossen werden, bevor es zu einer weiteren Pandemie kommt”. Ist es nicht zum Haareraufen? Da kommt es im März 2011 auf einer Pazifikinsel, die seit eh und je von Erdbeben und Tsunamis bedroht ist, in einem AKW eines bekanntermaßen unsicheren Typs zu einer Kernschmelze – und prompt beschließt 8750 km weiter westlich die panische Regierung einer ebenso tsunami- wie erdbebensicheren Republik, aus der Atomenergie auszusteigen (um sich anschließend Atomstrom von unmittelbaren Nachbarn zu besorgen). Die weltweite Katastrophe hingegen, die von Wuhan ausging, löst in derselben Republik bis heute keinerlei politische Initiativen aus, um das drohende Übel endlich an der Wurzel zu packen. Der Super-GAU von Fukushima forderte geschätzte 18.500 Todesopfer, jener von Tschernobyl rund 4.000. Bei einem versehentlich oder absichtlich freigesetzten Killervirus hingegen könnten es Milliarden sein. Tschernobyls „Todeszone“ erstreckt sich über einen Radius von etwa 30 Kilometern um den zerstörten Reaktor. SARS-CoV-X oder irgendein anderes teuflisches Biotech-Konstrukt hingegen könnte den gesamten Planeten unbewohnbar machen – oder in eine unmenschliche Hygienediktatur verwandeln, aus der es kein Entrinnen mehr gibt. Wen juckt dann noch ein „CO2-Fußabdruck“ und dergleichen? (Harald Wiesendanger) Anmerkung 1 Prionen sind entartete Eiweiße, die bei Menschen und Tieren Krankheiten auslösen können; anders als Viren, Bakterien oder Pilze verfügen sie über keine DNA bzw. RNA. Sie vermehren sich nicht durch Teilung, sondern dadurch, dass sie in benachbarten Molekülen Veränderungen induzieren. Titelbild: Freepik
- Ist bald Schluss mit Kinderkriegen?
Um rund 80 Prozent müsse die Geburtenrate weltweit bis zum Jahr 2100 sinken, so fordert ein einflussreicher “Think Tank” der Vereinten Nationen und des Weltwirtschaftsforums. Kein Problem: Die Menschheit ist ohnehin dabei, unfruchtbar zu werden. Sich fortzupflanzen, werden sich womöglich bald nur noch Reiche leisten können. Als der Club of Rome, eine interdisziplinäre Expertenrunde aus mehr als 30 Ländern, der Menschheit 1972 mittels Computermodellen “Die Grenzen des Wachstums” aufzeigte, sandte er eine Schockwelle rund um den Planeten. In naher Zukunft, so weissagte er, werde das System Erde kollabieren, wenn wir seine endlichen Ressourcen weiterhin ungebremst konsumieren. Ein halbes Jahrhundert später scheint diese düstere Zukunft da. So jedenfalls kommt es “Earth4All” vor, einem einflussreichen, aus dem Club of Rome hervorgegangenen Think Tank, der vom schweizerischen Winterthur aus für das Davoser Weltwirtschaftsforum und die Vereinten Nationen hochpreisige Konzepte für eine bessere, nachhaltige Zukunft entwickelt. “Viele Menschen waren schockiert von der Schlussfolgerung (des Club of Rome), dass das Überschreiten der Grenzen des Planeten zum Kollaps führen könnte”, so erklären die Vordenker. “In den letzten 50 Jahren ist die Welt dem Worst-Case-Szenario des Berichts gefolgt, und wir sehen nun tiefe Risse im System Erde und in den Gesellschaften.” Um fünf vor zwölf gegenzusteuern, wirbt Earth4All für nichts Geringeres als einen Giant Leap, einen “Riesensprung”. Statt auf weiteres Wirtschaftswachstum aus zu sein, um für eine weiterwachsende Weltbevölkerung genügend Arbeit, Einkommen und Nahrung sicherzustellen, müsse schleunigst “Degrowth” stattfinden: Um Ressourcen zu schonen, könnte es angebracht sein, dass “Menschen in den reichen Ländern ihre Ernährung ändern, in kleineren Häusern leben, weniger Auto fahren und reisen”, weniger Energie verbrauchen. (Ob diese Einschränkungen auch für die führenden Köpfe der UN, des Weltwirtschaftsforums sowie ihre Sponsoren gelten, lässt Earth4All unerwähnt.) “In den nächsten zehn Jahren muss der schnellste wirtschaftliche Wandel der Geschichte stattfinden, wenn wir die Menschheit vor einer sozialen und ökologischen Katastrophe bewahren wollen. Es ist an der Zeit, unser Wirtschaftssystem zu modernisieren.” (1) Unter anderem bedürfe es dazu einer drastischen Bevölkerungsreduktion. Earth4All schlägt Maßnahmen vor, um die Zahl der Geburten in den nächsten 70 Jahren um 81 % zu senken, von 130 auf 24 Millionen pro Jahr – ein Rückgang um das Fünffache. Wie wäre das hinzukriegen? Die Lösung sieht Earth4All, zur Enttäuschung von allzu argwöhnischen “Verschwörungsideologen”, weder in Impfstoffen noch giftigen Chemikalien, weder in 5G noch in Sterbehilfe für Hochbetagte und sonstige nutzlose Esser. Vielmehr sieht der Plan vor, die gewichtigsten Gründe fürs Kinderkriegen zu beseitigen. Ärmere produzieren reichlich Nachwuchs, um ihn in Familienbetrieben mithelfen zu lassen und das eigene Alter abzusichern – also müsse ein massiver Wohlstandstransfer von reichen zu Entwicklungsländern stattfinden. Überall sollen Frauen dazu “ermächtigt” (empowered) werden, sich erstrebenswertere Lebensziele zu setzen als Mutterschaft. Die Menschheit wird unfruchtbar Bis Winterthur hat sich anscheinend noch nicht herumgesprochen: Schon bald könnte sich das Schreckgespenst, vorbildlich ressourcenschonend, von alleine verflüchtigen, ganz ohne Aktionsplan. Während schwarzmalende Reset-Prediger weiterhin vor den schrecklichen Folgen der Überbevölkerung warnen, macht sich nämlich ein gegenläufiger, nicht minder fataler Trend immer deutlicher bemerkbar: Die Menschheit ist dabei zu schrumpfen. In Kürze wird das globale Bevölkerungswachstum ein Plateau erreichen und danach rückläufig sein; in “entwickelten Regionen”, zu denen Europa, Nordamerika, Australien, Neuseeland und Japan zählen, erwartet die UN schon ab etwa 2025 einen drastischen Rückgang. Weltweit ist bereits jeder Sechste im zeugungsfähigen Alter von Fruchtbarkeitsproblemen betroffen, in Deutschland jedes zehnte Paar, in den USA ebenfalls. Selbst bei gesunden Paaren unter 30 Jahren misslingt es dort 40 bis 60 %, innerhalb des ersten Vierteljahrs nach Beginn ungeschützten Geschlechtsverkehrs für eine Schwangerschaft zu sorgen. Schon heute haben die Geburtenraten weltweit ein Rekordtief erreicht. Zwischen 1960 und 2018 sank die Zahl der geborenen Kinder um 50 %. Der beispiellose Niedergang betrifft beide Geschlechter gleichermaßen, am ausgeprägtesten in wohlhabenden Ländern. Bei Männern befindet sich dort die Spermienmenge schon seit Jahrzehnten im statistischen Sinkflug. Wie die Epidemiologin Dr. Shanna Swan vom Mount Sinai Health System - einem Kliniknetzwerk in New York - feststellte, lag die Zahl im Jahr 2011 mit durchschnittlich 47 Millionen pro Milliliter bei weniger als der Hälfte des Werts von 1973 – damals waren es noch 99 Millionen/ml. Fällt die Kurve weiter im bisherigen Tempo, so läge sie im Jahre 2045 bei Null. So köstlich ließ die US-Epidemiologin Dr. Shanna Swan (Foto) zwei vorzügliche Aufklärungsvideos illustrieren: “A Global Fertility Crisis” und “Endocrine Disruptors - Common Chemicals That Severely Alter Your Hormones”. Swans erschütternden Befund teilt Hagai Levine, Professor für Epidemiologie an der Hebräischen Universität Jerusalem. Nach seiner im Frühjahr 2023 veröffentlichten Studie ist die Spermienzahl zwischen 1973 und 2018 um durchschnittlich 1,2 % pro Jahr gesunken. Dabei hat sich der Rückgang beschleunigt: Seit dem Jahr 2000 beträgt er 2,64% pro Jahr. "Wir stehen vor einer Krise der öffentlichen Gesundheit und wir wissen nicht, ob sie umkehrbar ist", erklärte Levine in einem Interview mit BBC News im März 2023. Bei 40 % der ungewollt kinderlosen Paare liegen die Ursachen allein bei der Frau. (Zu weiteren 20 % tragen beide Partner gleichermaßen zum Problem bei.) Am häufigsten sorgen hormonelle Störungen dafür. Schon bald wird Paaren mit Kinderwunsch nichts anderes übrigbleiben, als sich von ihrem Herzenswunsch zu verabschieden und sich mit einem Haustier zu begnügen – oder sich beim Fortpflanzen medizintechnisch helfen zu lassen. Das Online-Nachrichtenmagazin Salon kommentiert: „Wenn unsere durchschnittliche Spermienzahl weniger als 15 Millionen pro Milliliter beträgt, werden nur noch diejenigen Menschen in der Lage sein, sich fortzupflanzen, die sich teure medizinische Technologien wie die In-vitro-Fertilisation (IVF) leisten können.“ (Levine setzt die Schwelle für die nötige Spermienzahl bei 40 Millionen pro Milliliter an.) Könnten Zeugung, Schwangerschaft und Geburt auf eine verhältnismäßig kurze, recht unhygienische Frühphase der menschlichen Reproduktionsgeschichte beschränkt bleiben, die technologisch noch zu unterentwickelt war, um das Wesentliche außerhalb des Körpers stattfinden zu lassen? Zumindest Transhumanisten hätten kein Problem mit solchen Aussichten. Von EDCs bis PFAS: Chemikalien machen unfruchtbar Welche Faktoren die Krise heraufbeschworen haben und weiter zuspitzen, weiß jeder, der den Forschungsstand zur Kenntnis nimmt. Zu den Hauptverantwortlichen zählen endokrin wirksame Chemikalien (EDCs) wie Phthalate und Bisphenole, die in Kunststoffen, Körperpflegeprodukten, Kosmetika, verarbeiteten und verpackten Lebensmitteln vorkommen. Sie beeinträchtigen unmittelbar die Funktion unserer Steroidhormone: jener Botenstoffe, die Informationen zwischen Geweben vermitteln; die wichtigsten sind Testosteron und Östrogen, die männlichen bzw. weiblichen Geschlechtshormone. Viele EDCs ahmen diese natürlichen Hormone nach und ersetzen sie - leider alles andere als vollwertig. Zum einen drängeln sie sich bei deren Rezeptoren vor (von lat. recipere = aufnehmen): Proteine oder Proteinkomplexe, an die bestimmte Signalmoleküle andocken können, um Prozesse im Zellinneren in Gang zu setzen. EDCs binden an Androgen- oder Östrogenrezeptoren, wobei sie gleichgerichtet oder entgegengesetzt wirken. Dadurch erhöht oder verringert sich die Expression geschlechtsspezifischer Gene: die Art und Weise, wie ein Gen in Erscheinung tritt, um jene biologischen Strukturen und Funktionen auszubilden, die an der Fortpflanzung mitwirken. Betroffen sein können auch P450-Enzyme in der Leber, die Steroidhormone verstoffwechseln. Zudem manipulieren EDCs beteiligte Enzyme - unter anderem die Cytochrome P450 in der Leber, die Steroidhormone verstoffwechseln. Auch hemmen EDCs die Aktivität der 5-α-Reduktase; sie ist das wichtigste Enzym bei der Produktion von Dihydrotestosteron (DHT), der biologisch wirksamsten Form des männlichen Sexualhormons Testosteron. Somit reguliert 5-α-Reduktase die Vermännlichung der äußeren Genitalien und der Prostata. Wie Dr. Shanna Swan ausführt, drohen mehrere Probleme, wenn es an Testosteron mangelt, während sich ein männlicher Fötus entwickelt. Seine Genitalien können sich nicht richtig entwickeln. Wenn er älter wird, verfügt er womöglich nicht über genügend Spermien, um fruchtbar zu sein. Auch besteht ein erhöhtes Krebsrisiko. Für all diese negativen Auswirkungen ist die Beweislage längst erdrückend. "In mehreren Studien auf der ganzen Welt wurde ein Rückgang des Testosterons festgestellt”, so stellt Shanna Swan fest. “Wir sehen eine Zunahme der erektilen Dysfunktion. Wir sehen einen Anstieg der Raten von Genitalanomalien. Wir sehen einen Anstieg der Hodenkrebsraten." Damit nicht genug: EDCs können die DNA in Spermien fragmentieren, was zu frühen Fehlgeburten beitragen kann. Natürlich sind auch Frauen betroffen: Bei hoher EDC-Belastung bilden ihre Ovarien ungewöhnlich früh nicht mehr genügend Eizellen, um schwanger zu werden. Eine weitere Klasse von chemischen Übeltätern stellen per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) dar. Sie stecken in fett- und schmutzabweisenden Produkten wie Lebensmittelverpackungen, Kleidung, Kosmetika und Haushaltsgegenständen wie Kochgeschirr. Ziemlich treffend werden sie umgangssprachlich als „ewige Chemikalien“ bezeichnet: Extrem stabil, sind sie so gut wie gar nicht abbaubar. Deshalb verschmutzen sie nicht nur dauerhaft Wasser und Boden – über die Nahrung und Kontakt mit Verbraucherprodukten reichern sie sich auch in unserem Körper an. Eine 2022 veröffentlichte Studie fand "einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber einer Mischung von PFAS in der Frühschwangerschaft und einer geringeren Spermienkonzentration und Gesamtspermienzahl sowie einem höheren Anteil an nicht-fortpflanzungsfähigen und unbeweglichen Spermien" bei männlichen Nachkommen. Auch stören PFAS nachweislich die Fortpflanzungshormone. Sie verzögern den Beginn der Pubertät. Bei Frauen erhöhen sie das Risiko für Endometriose: Gewebeteile der Gebärmutterschleimhaut wachsen dann außerhalb des Uterus; dabei können sie Eileiter und Eierstock derart verstopfen, dass der Eisprung verhindert wird. Darüber hinaus fördern PFAS das polyzystische Ovarsyndrom, bei Frauen mit 5 bis 10 % die häufigste Hormonstörung im gebärfähigen Alter: Weil sie die Reifung der Eizellen beeinträchtigt, finden keine regelmäßigen Eisprünge statt, was den Eintritt einer Schwangerschaft erschwert. Sogenannte “Pflanzenschutzmittel” spielen ebenfalls mit. Organophosphate und N-Methylcarbamate, zwei gängige Insektizidklassen, verringern die Spermienzahl, wie die Fachzeitschrift Environmental Health Perspectives im November 2023 Erkenntnisse aus 20 Studien mit insgesamt 1774 erwachsenen Männern zusammenfasste. Mit einer verminderten Fruchtbarkeit bei Frauen sowie mit Störungen der Eierstöcke, Totgeburten, Frühgeburten und Entwicklungsanomalien werden Pestizide ebenfalls in Verbindung gebracht. Auch Elektrosmog steht im Verdacht Zum beobachteten Rückgang der männlichen Spermienzahl könnten Belastungen durch elektromagnetische Felder (EMF) ebenfalls beitragen. Einen bisher unbekannten Mechanismus, mit dem die von Mobiltelefonen und anderen drahtlosen Technologien ausgestrahlten Mikrowellen biologische Schäden anrichten können, entdeckte Martin L. Pall, Professor für Biochemie und medizinische Grundlagenwissenschaften an der Washington State University: Sie aktivieren spannungsgesteuerte Kalziumkanäle (VGCCs), die in den Zellmembranen eingebettet sind. Wenn das geschieht, werden innerhalb der Zelle im Nu rund eine Million Kalziumionen pro Sekunde freigesetzt. Dieser massive Überschuss an Kalzium führt dazu, dass sich Stickstoffmonoxid (NO) bildet – in der Zelle ebenso wie in den Mitochondrien. Gemeinsam mit Superoxid verwandelt sich NO in Superoxid. Diese hochreaktive Verbindung richtet nicht nur oxidative Verwüstungen an, sondern bildet auch freie Hydroxylradikale; diese zerstören die mitochondriale und nukleare DNA, ihre Membranen und Proteine. Das führt zu Dysfunktionen, die sich auf Menge und Funktion der Spermien auswirken, insbesondere auf ihre Beweglichkeit. Wie auf einem Expertengremium für Kindergesundheit im Jahr 2013 festgestellt wurde, ist "die Hodenschranke, die die Spermien schützt, das empfindlichste Gewebe im Körper“; deshalb setzt ihr Handystrahlung besonders stark zu. Je häufiger es zu einer Exposition kommt, je länger sie andauert, je stärker das EMF ist, desto schlimmer wirkt es sich aus. Wer weiterhin bestreitet, dass die Strahlung von Smartphones, Tablets, WLAN-Routern & Co. unserer Gesundheit schadet, hat vom aktuellen Forschungsstand keinen blassen Schimmer - oder er steht vermutlich auf der Honorarliste der Mobilfunklobby. 130 Studien und 13 Reviews belegen Auswirkungen auf die Konzentration, Vitalität, Form und Beweglichkeit der Spermien; die Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation diagnose:funk hat sich die Mühe gemacht, einen Großteil davon in einer Datenbank zusammenzutragen. Selbst der Technologiefolgen-Ausschuss des EU-Parlaments sieht den Zusammenhang mittlerweile als erwiesen an – nachzulesen in seinem Forschungsüberblick „Health Impact of 5G“. Kürzlich bestätigt hat ihn eine aufwändige Meta-Analyse von Wissenschaftlern der Elite-Uni Pusan in Südkorea. Politische Konsequenzen daraus wären überfällig. Wird der Notstand herbeigeimpft? Impfstoffe könnten den Unfruchtbarkeitstrend verstärken. Frühzeitig haben besorgte Ärzte und Wissenschaftler darauf hingewiesen, dass eben diese Gefahr von den Covid-Spritzen ausgeht: In Spermien, Eizellen und Plazenta könnten die Vakzine mit Syncytin – einem Protein, das bei der Entwicklung der Plazenta eine entscheidende Rolle spielt - und reproduktiven Genen in einer Weise reagieren, welche die Fortpflanzung behindert. Wie berechtigt die Warnung war, bestätigt inzwischen eine im Fachjournal Andrology veröffentlichte Studie (2): Die mRNA-Spritze von Pfizer beeinträchtigt die Konzentration und Beweglichkeit von Spermien rund ein Vierteljahr lang. Frauen aller Altersgruppen klagten über eine veränderte Menstruation nach der Impfung, was sich auf die Fruchtbarkeit auswirken könnte; allein in Großbritannien wurden über 30.000 entsprechende Berichte dokumentiert. Je häufiger sich Frauen „piksen“ ließen, desto öfter litten sie unter Fertilitätsproblemen. Es häuften sich Meldungen über Todesfälle bei Neugeborenen und gestillten Babys (3). Österreichische Hebammen berichteten über eine Zunahme von Komplikationen während der Schwangerschaft und Entbindung nach einer Covid-Impfung. Rund um den Globus fiel die Geburtenrate nach Beginn der Covid-Impfkampagne – ausgeprägter als je zuvor in den vergangenen hundert Jahren. Daten aus 19 Ländern Europas belegen für die erste Jahreshälfte 2022 ein mittleres Minus von 7 %: Das sind 110.059 Geburten weniger als im Durchschnitt der Jahre 2019 bis 2021. In fünf Ländern lag die Quote über 10 %. In Deutschland sank die Geburtenrate im ersten Quartal 2022 um 10 % (4), bis Jahresende um 12,2 %. In der Schweiz lag sie zwischen Januar und April 2022 um 15 % niedriger als erwartet, in Großbritannien um 10 %, in Taiwan um 23 %. In den Niederlanden sank sie um 11 %, in Schweden um 14 %, in Neuseeland und Australien um rund 15 %, in Ungarn um 22 %, auf Taiwan um 28 %. (5) Auch die meisten US-Bundesstaaten verzeichneten einen Rückgang der Lebendgeburten. Für North Dakota beispielsweise weisen Statistiken ein Minus von 10% im Februar 2022 aus, von 13% im März und von 11% im April, verglichen mit den entsprechenden Monaten im Vorjahr. In den fünf Ländern mit den höchsten Covid-Impfquoten ging die Geburtenrate im Durchschnitt um 15,2 % zurück. Hingegen sank sie in den fünf Ländern mit dem niedrigsten Bevölkerungsanteil Geimpfter im Durchschnitt nur um 4,66 %. Unfruchtbarkeit als Impfschaden: Handelt es sich da selbstverständlich um eine allerseits bedauerte, völlig unbeabsichtigte Nebenwirkung? Daran zweifeln lässt der erschütternde Dokumentarfilm „Infertility: A Diabolic Agenda“. Wie er 2022 aufdeckte, arbeitet die Weltgesundheitsorganisation seit den 1970er Jahren an Vakzinen, die unfruchtbar machen. Mitte der neunziger Jahre kam heraus, dass die UNICEF in Afrika einen Tetanus-Impfstoff verwendete, der mit “humanem Choriongonadotropin” versetzt war, kurz hCG. Die Ausschüttung dieses Hormons sendet dem Körper einer Frau das erste Schwangerschaftssignal. Er reagiert darauf, indem die Eierstöcke Progesteron produzieren, das die Schwangerschaft bis zum Ende aufrechterhält. Mit Tetanus-Toxin kombiniert, wurde dieses hCG vom Immunsystem der “Gepiksten” angegriffen und zerstört. So kam es zur massenhaften Sterilisation afrikanischer Frauen – ohne deren Wissen und Zustimmung. (6) Ein mutiger Arzt aus Kenia, Dr. Stephen Karanja, schlug damals verzweifelt Alarm: “Wenn sie mit Afrika fertig sind, seid ihr und eure Kinder dran.” Pflanzen sich bald nur noch Reiche fort? Das Fertilitätsgeschäft boomt. Bis 2030 wird es voraussichtlich ein Marktvolumen von rund 48 Milliarden Dollar erreichen, mit enormem weiteren Wachstumspotenzial. Denn Reproduktionsmedizin ist sündhaft teuer – ihre Anbieter profitieren umso mehr, je zaghafter Gesundheitsbehörden die Ursachen angehen. Ein einziger Zyklus der In-vitro-Fertilisation (IVF), bei der in einem Reagenzglas einzelne Eizellen mit aufbereiteten Spermien zusammengebracht werden, kann 2000 bis 3000 Euro kosten, aber auch zwischen 15.000 und 30.000 Euro. Und weil die Chance, dabei schwanger zu werden, nach dem ersten Zyklus nur 29 % beträgt und selbst beim sechsten Zyklus erst auf 43 % steigt, können schwindelerregende Beträge zusammenkommen. In Deutschland springen Krankenkassen ein, aber bloß unter bestimmten Voraussetzungen und meist nur anteilig. Lediglich Verheiratete können darauf hoffen; beide Ehepartner müssen mindestens 25 Jahre alt sein, die Frau aber höchstens 40, der Mann maximal 50. Im allgemeinen beteiligen sich die Gesetzlichen dann zur Hälfte an den Behandlungs- und Medikamentenkosten für insgesamt acht Zyklen einer Insemination ohne vorherige hormonelle Stimulation plus drei Zyklen einer Insemination mit hormoneller Stimulation plus drei Zyklen einer IVF oder einer Intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI), bei welcher ein einzelnes Spermium mit einer Mikropipette direkt in das Zytoplasma einer Eizelle injiziert wird. Private Krankenkassen verfahren nach dem „Verursacherprinzip“; ist beispielsweise der Mann steril, so bezahlen sie die gesamte Behandlung, auch wenn die Ehefrau gesetzlich versichert ist. Anderswo müssen Betroffene aus eigener Tasche bezahlen. Ein Großteil ist damit überfordert. Und es werden immer mehr. "Unsere Spezies steht vor einer Zukunft, in der nur noch die Reichen in der Lage sein werden, sich zu vermehren", befürchtet Salon. Wer sonst wird sich noch teure Reproduktionstechnik leisten können? Zwei neue soziale Klassen könnten entstehen: Wenigen vermögenden Fortpflanzern würde eine Masse finanziell minderbemittelter Steriler gegenüberstehen – mit enormem Konfliktpotential. Um für eine solche Zukunft vorzusorgen, kommen immer ausgefeiltere Technologien zur sozialen Kontrolle wie gerufen. (Harald Wiesendanger) Anmerkungen (1) Eingehend beschreibt Earth4All das “Riesensprung”-Szenario in seinem knapp 100-seitigen Konzept “People and Planet”. Noch ausführlicher präsentiert es die Ko-Präsidentin des Club of Rome, Sandrine Dixson-Declѐve, in ihrem Buch Earth for All – A Survival Guide for Humanity (2022); es fügt sich vorzüglich in die Great Reset-Vision des WEF-Lenkers Klaus Schwab ein. Weitgehend entspricht es zudem den “Sustainable Development Goals” der Vereinten Nationen, s. auch https://expose-news.com/2022/06/26/new-study-pfizer-docs-depopulation-infertility/ (3) Zu 60 gemeldeten Fällen aus Deutschland s. hier (4) https://expose-news.com/2022/07/18/germany-birth-rates-drop-dramatically-in-2022/; https://igorchudov.substack.com/p/dramatic-decrease-in-births-in-germany (5) Für das Gesamtjahr 2022 siehe die Tabelle in https://swprs.org/covid-vaccines-and-fertility/#foobox-5/0/birth-data-2022-july.png?ssl=1 (6) Siehe Auswege Infos Nr. 99 / 2. August 2022 Titelbild: Freepik.
- Homöopathie "nutzlos"?
Gesundheitsminister Lauterbach will Homöopathie als Kassenleistung streichen. Wieso? Weil "Leistungen, die keinen medizinisch belegbaren Nutzen haben, nicht aus Beitragsmitteln finanziert werden dürfen“. Es fällt schwer, ein derartiges Statement weder auf Inkompetenz noch auf Lobbysteuerung zurückzuführen. Eine „gefährliche Pseudowissenschaft“ sei die Homöopathie, so twitterte Karl Lauterbach 2022. Dabei hätte er robuste Belege dafür, wie wirksam diese Therapierichtung sein kann, spätestens sechs Jahre zuvor einer Metaanalyse entnehmen können, die placebo-kontrollierte, doppelblinde, randomisierte, kontrollierte Studien auswertete. Dabei ergab sich: Bei homöopathischen Arzneimitteln ist die Wahrscheinlichkeit um eineinhalb bis zwei Mal höher, dass sie im Vergleich zu Placebo eine Wirkung erzielen, wenn sie bei einer individuell abgestimmten Behandlung verschrieben werden. Mittlerweile liegen rund 170 hochwertige Studien über den medizinischen Nutzen der Homöopathie vor - in den meisten hat sie sich gegenüber einem Placebo als überlegen erwiesen. Keine davon berücksichtigte der „Nationale Gesundheits- und Forschungsrat“ (NHMRC), als er die Homöopathie „überprüfte“. Ebenso ignorierte sie der “Wissenschaftliche Beirat der Europäischen Akademien” (EASAC), der die EU-Kommission berät, in seiner skandalösen Stellungnahme zur Homöopathie. Unfassbar, ungefähr nach dem Motto: "Meine Augen sind zu, also ist es dunkel." Übrigens würde Lauterbach mit seiner Maßnahme die Gesetzlichen um gerade mal zehn Millionen Euro entlasten. Hätte er sich auf der Jagd nach “Leistungen ohne medizinisch belegbaren Nutzen“ nicht eher die „Schutz“masken und „Schutz“impfungen der Corona-Jahre vorknöpfen müssen? Allein damit hätte sich ein zweistelliger Milliardenbetrag einsparen lassen, mit dem man locker jedem deutschen Haushalt eine Wärmepumpe spendieren könnte – und jedem Bauernhof seinen Billigdiesel. Ebensowenig wie eine Krankheit mit Globuli - so konstruiert unser Gesundheitsminister den hinkendsten aller Vergleiche - "lässt sich der Klimawandel mit der Wünschelrute bekämpfen“ – oder eine virale Infektwelle mit der Gesichtswindel. Im übrigen dürfte es jeder Fan wissenschaftlicher Evidenzbasierung außerordentlich begrüßen, wenn das Kriterium des „medizinisch belegbaren Nutzens“ endlich einmal gnadenlos auf sämtliche Produkte und Leistungen der Schulmedizin angewandt würde. Geschähe das konsequent: Wo lägen dann wohl unsere Beitragssätze zur Krankenversicherung? Warum es Homöopathie weiterhin so schwer hat, Skeptiker zu überzeugen, brachte schon 1991 eine niederländische Forschergruppe auf den Punkt, nachdem sie 107 kontrollierte Studien ausgewertet hatte: „Wir sind von der Menge an positiven Nachweisen, sogar unter den besten Studien, überrascht. Aufgrund der Datenlage wären wir bereit, zu akzeptieren, dass Homöopathie wirksam sein kann, wenn nur der Wirkmechanismus plausibler wäre.“ Aber ist denn ausgeschlossen, dass ein Phänomen existiert, solange unklar ist, warum? Wer beides nicht auseinanderhalten kann, hat keine Ahnung von Wissenschaft. Dann wird er besser Pharmareferent als Gesundheitsminister. Worum es hier in Wahrheit gehen könnte, lässt ein Ausblick der US-Marktforschungsfirma Transparency Market Research ahnen. Der weltweite Umsatz von homöopathischen Produkten, der im Jahr 2021 bei 10,7 Milliarden US-Dollar lag, dürfte demnach bis Ende 2031 auf 32,4 Milliarden wachsen. Ist es nicht ärgerlich, dass Big Pharma dadurch Marktanteile verlorengehen? (Harald Wiesendanger) Titelbild: Collage aus Fotos von Bruno/Pixabay und Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons), CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=110143015
- Für immer jung – dank NMN?
Für Anti-Aging-Produkte kann man ein Vermögen loswerden – bei fraglichem Nutzen und ungewissen Nebenwirkungen. Eine rühmliche Ausnahme scheint NMN darzustellen. Je eingehender diese Substanz erforscht wird, desto deutlicher tritt ihr geradezu spektakuläres Potential zutage, uns auch in höherem Alter gesund und vital zu halten. „Ich möchte mit dir alt werden“, so heißt es auf einer witzigen Postkarte, die ein betagtes Paar beim gemächlichen Spaziergang auf einem Feldweg zeigt, Rollatoren vor sich herschiebend. „Es hat aber keine Eile.“ Alt werden will nämlich fast jeder – alt sein hingegen kaum jemand. Denn zumindest in westlichen Industrieländern gilt höheres Alter beinahe schon als Synonym für körperliche Einschränkungen und geistigen Abbau, für chronische Krankheit und Behinderung, für Krückstock, Pillendose und Hörgerät, für Freiheitsverlust und Pflegebedürftigkeit – mit scheinbar naturnotwendiger Unerbittlichkeit. „Altersbedingt“ eben. Bei solch trüben Aussichten beglückt umso mehr die frohe Botschaft des wohl berühmtesten Alternsforschers unseres Planeten: David Sinclair, in Australien geborener Biologe und Professor für Genetik an der Harvard Medical School in Cambridge, Massachusetts. Altwerden sei eine heilbare Krankheit, so lehrt er. (1) Den nahen Sieg über das vermeintliche Schicksal verkörpert niemand überzeugender als er selbst: Mit vollem, nicht einmal ansatzweise ergrauten Haar und nahezu faltenfreier Haut, schlank, energiegeladen und topfit wirkt der mittlerweile 54-Jährige mit dem verschmitzt grinsenden Lausbubengesicht, als sei er gerade erst Anfang Dreißig. Worin besteht Sinclairs Geheimnis? Er hat mehrere. Für eines stehen drei Buchstaben: NMN, eine Abkürzung für Nicotinamid-Mononukleotid. Einige hundert Milligramm davon schluckt er jeden Morgen, neben einer Handvoll Blaubeeren in hausgemachtem Joghurt. Wie kommt er dazu? NMN ist nichts Künstliches. Es handelt sich um ein Molekül, das in Pflanzen ebenso vorkommt wie in Säugetieren, einschließlich des Menschen – in jeder einzelnen Zelle. Als Nukleotid ist es der kleinste Baustein von Nukleinsäuren, chemischer Grundbestandteil der DNA und RNA. Unser Körper ist imstande, es selber zu bilden: aus Vitamin B3, aus der Aminosäure Tryptophan, auch mit Hilfe von Darmbakterien. Dieses NMN wandelt unser Organismus in Nicotinamid-Adenin-Dinucleotid um, kurz NAD+: einen sogenannten Cofaktor, das notwendige Nicht-Protein-Element eines Enzyms und unerlässlich für dessen Aufgabe, in uns biochemische Reaktionen auszulösen. Unser Organismus benötigt NAD für eine Vielzahl von Funktionen, unter anderem für die Energiegewinnung aus Nahrung. Als vielseitiges Informationsshuttle befördert es Protonen und Elektronen kreuz und quer durch jede Zelle. Es stärkt die Mitochondrien, die Kraftwerke unserer Zellen. Darüber hinaus hilft NAD, beschädigtes Erbgut zu reparieren, die Gene zu regulieren, die Abwehrsysteme der Zellen zu stärken und unsere innere Uhr einzustellen. NAD wirkt an der Tätigkeit von mehr als 500 Enzymen mit; ohne es wären wir binnen 30 Sekunden tot. Mit fortschreitendem Alter bildet sich in uns leider immer weniger NAD, und das wirkt sich fatal aus: Ein sinkender NAD-Spiegel beschleunigt den Alterungsprozess und trägt zu zahlreichen chronischen Erkrankungen bei, von Arteriosklerose über Typ-2-Diabetes bis zu Alzheimer. Was geschieht, wenn man den Mangel kurzerhand behebt – dem Organismus einfach mehr NAD zuführt? Das erforschte David Sinclair mit seinem Team von der Harvard Medical School in Cambridge, Massachusetts, anfangs an Mäusen. Dabei stellte sich heraus: Ein ausreichernd hoher NAD-Nachschub über das Futter kann die schädlichen Abbauvorgänge nicht bloß aufhalten, sondern zum Teil sogar rückgängig machen. Schon nach einer Woche bildeten sich die Anzeichen der Alterung zurück, ablesbar an Parametern wie Entzündungsreaktionen, Insulinresistenz und Muskelschwund. Die Zellen von zwei Jahre alten Mäusen glichen nach der NAD-Kur plötzlich jenen von sechs Monate alten Artgenossen. Mausgreise verwandelten sich in Renntiere, die Laufräder so rasant und ausdauernd drehten wie nie zuvor. Bei Vorträgen präsentiert Sinclair gerne Bilder zweier Labormäuse nebeneinander: die eine grau und struppig, die andere braun und keck – beide geboren am selben Tag. Seit Sinclairs bahnbrechenden Experimenten hat reichlich weitere Forschung an Mäusen und Ratten bestätigt, wie positiv sich die Gabe von NAD bzw. seines Vorläufers NMN auf deren Gesundheit auswirkt: Der Energiestoffwechsel steigt, die körperliche Aktivität nimmt zu; das Erbgut wird vor Mutationen geschützt, eine altersbedingte Gewichtszunahme vermieden, die Insulinsensitivität erhöht, das Risiko für Typ-2-Diabetes gesenkt. Entzündungen und degenerative Veränderungen im Nervensystem werden seltener. (2) Neue Blutgefäße bilden sich. Die Muskeln werden mit mehr Sauerstoff versorgt, Milchsäure und Giftstoffe daraus besser abtransportiert. Die Gebrechlichkeit verschwindet. Und nicht zuletzt: Die Lebensspanne der Versuchstiere verlängert sich erheblich. Von diesen Beobachtungen ermutigt, befassen sich Langlebigkeitsforscher zunehmend damit, NMN am Menschen zu testen – mit verblüffenden Ergebnissen. NMN macht allgemein gesünder In einer Ende 2022 veröffentlichten Studie erhielten 80 gesunde Erwachsene in mittleren Jahren, mit alterstypischen NAD-Werten, zwei Monate lang täglich 300 mg, 600 mg oder 900 mg NMN – oder ein Placebo. Im Vergleich mit der Kontrollgruppe waren NMN-Konsumenten bei Testende körperlich fitter – innerhalb eines Sechs-Minuten-Zeitraums bewältigten sie eine längere Gehstrecke. Ihren allgemeinen Gesundheitszustand bewerteten sie signifikant besser: Beispielsweise fühlten sie sich wohler in ihrer Haut, emotional stabiler, zufriedener, leistungsfähiger. Ihre Insulinresistenz, eine Hauptursache von Typ-2-Diabetes, war geringer ausgeprägt: Auf Signale des Hormons Insulin sprachen ihre Körperzellen eher an. Ihre biologische Alterung war verlangsamt, wie ihre Blutproben anhand von 19 Laborparametern verrieten, von Albumin und Hämatokrit über HDL- und LDL-Cholesterin bis hin zu Thrombozyten und Erythrozyten. Am ausgeprägtesten traten diese Vorteile bei NMN-Dosierungen von 600 und 900 mg auf. NMN bremst den Alterungsprozess Auch bei Menschen kann NMN das biologische Altern verlangsamen, womöglich sogar umkehren. Es wirkt über Sirtuine, eine Familie von Proteinen, die in allen Lebewesen vorkommen. Unter Stress wie zum Beispiel bei Nährstoffmangel, Kälte, körperlicher Anstrengung lassen sie sich von NMN aktivieren. Dann schalten sie Langlebigkeitsgene ein, die schützen, reparieren und erneuern. Sie „unterdrücken epigenetische Veränderungen und lassen das Jugendprogramm weiterlaufen“, wie Sinclair feststellte. (3) „NAD+ kommt einem Jungbrunnen am nächsten“, schwärmte er im Time Magazine. Unter anderem beeinflusst NMN die Länge der Telomere: der Endkappen unserer Chromosomen, die diese vor Schäden aller Art schützen, etwa durch oxidativen Stress und freie Radikale. Während wir altern, werden sie immer kürzer. In einer chinesischen Studie nahmen acht gesunde Männer, zwischen 45 und 60 Jahre alt, ein Vierteljahr lang täglich zum Frühstück 300 mg NMN ein. Bereits nach dem ersten Monat hatten sich die Telomere der Immunzellen im Blut erheblich verlängert. NMN schützt vor Diabetes In zwei Studien erhielten Versuchspersonen 10 bzw. 12 Wochen lang täglich 250 mg NMN. Am Ende hatte sich ihre Insulinsensitivität deutlich verbessert, ihr Blutzuckerspiegel reguliert. (4) NMN heilt den Darm Worauf Tierversuche hindeuteten, bestätigt sich mehr und mehr in Humanstudien: Die tägliche Einnahme von NMN über mehrere Wochen hinweg genügt, um chronisch entzündlichen Darmerkrankungen entgegenzuwirken und ihnen vorzubeugen, eine gestörte Darmflora zu sanieren, eine geschwächte oder durchlässiger gewordene Darmbarriere – beim Leaky-Gut-Syndrom – wiederherzustellen. Die Verdauung verbessert sich, und es wird vermehrt Gallensäure produziert. Außerdem sorgt NMN dafür, dass sich nützliche Darmbakterien vermehren, darunter Laktobazillen, Bifidobakterien, Firmicuten, Akkermansia. (5) Diese tun unserem Darm auf mehrerlei Weise gut: Sie produzieren eine Schleimschicht, die ihn auskleidet und die Darmbarriere schützt – diese wird stabiler und lässt weniger Schadstoffe durch. Indem die Bakterien die Darmwand besiedeln, hindern sie schädliche Keime daran, sich zu vermehren. Sie bilden kurzkettige Fettsäuren (SCFAs) wie Butter- und Propionsäure, die unter anderem die Zellen der Darmwand nähren. Über die Darmschleimhaut ins Blut aufgenommen, bekämpfen sie im ganzen Körper Entzündungen, ja sie schützen sogar die Blut-Hirn-Schranke. NMN schützt vor Demenz Wie sich die Darmflora zusammensetzt, wirkt sich über die sogenannte „Darm-Hirn-Achse“ – die Verbindung, die beide Organe neuronal vernetzt – auf das zentrale Nervensystem aus. Zumindest im Tierversuch zeigte sich bereits, dass nach NMN-Gaben mehrere Anzeichen von Alzheimer im Gehirn deutlich zurückgingen: weniger Entzündungen, eine verbesserte Funktion der Mitochondrien, eine effizientere Signalübertragung zwischen Nervenzellen, ein geringerer kognitiver Leistungsabfall. NAD-Booster als medizinische Universalwaffe Auf Sinclairs Homepage findet sich eine Grafik, die veranschaulicht, wie viel der Popstar der Longevity-Forschung mittels NAD-Boostern über die genannten Anwendungen hinaus für erreichbar hält: Mittels NAD-Gaben ließe sich die Leber dazu bringen, Fettsäuren besser abzubauen. Das Endothel, die Zellschicht an der Innenseite der Blut- und Lymphgefäße, könnte optimiert werden, wie auch die Insulinproduktion der Bauchspeicheldrüse und die Lipogenese in Fettgewebe. Herz und Nieren bekämen mehr Schutz. Verjüngte Fortpflanzungsorgane könnten die Phase der Fruchtbarkeit verlängern oder zurückbringen. Mitochondriale Funktionen könnten angekurbelt, Zellen verjüngt, das Immunsystem gestärkt, Krebs verhindert werden; Nerven könnten regenerieren, Wunden schneller heilen, Entzündungen rascher abklingen. Was auch immer in unserem Körper zunehmend schlechter funktioniert – die Ursache scheint zumeist ein und dieselbe: das Altern. Für Sinclair steht fest: Es gibt kein ärgeres gesundheitliches Risiko, als den zeitlichen Abstand zur eigenen Geburt zu vergrößern. „Meine Mutter war Raucherin“, sagt er. „Das erhöhte ihr Krebsrisiko um das Fünffache. Aber: Durch das Altern von 20 auf 70 Jahre erhöhst du dein Krebsrisiko um das Tausendfache. Wir müssen das Altern selbst anvisieren.“ (6) Wer den Schlüssel dafür findet, altersbedingten Verfall aufzuhalten oder gar rückgängig zu machen, der hat nicht bloß die eine oder andere chronische Krankheit besiegt, sondern das chronische Kranksein an sich. Sobald dies möglich ist, muss es geschehen. Denn „jeder Mensch“, so lautet Sinclairs Credo, „hat das Recht auf die beste medizinische Versorgung und eine maximale Lebenserwartung”. Anscheinend frei von Nebenwirkungen Keine Wirkung ohne Nebenwirkung? Zumindest hinsichtlich NMN scheint vielmehr zu gelten: Keine Regel ohne Ausnahme. Weder im Tierversuch noch in Humanstudien kamen bisher irgendwelche schädlichen Effekte zum Vorschein – jedenfalls nicht bei den üblicherweise verabreichten Mengen zwischen 250 und 900 Milligramm pro Tag. (David Sinclair bevorzugt für sich persönlich 1000 mg.) Bei Ratten traten Unverträglichkeitsreaktionen erst bei enorm hoher NMN-Zufuhr von 2000 Milligramm pro Kilo Körpergewicht auf: Dann fraßen sie weniger und verloren an Gewicht. Nach einem gängigen Umrechnungsverfahren, um die „humane Äquivalenzdosis“ (HED) zu ermitteln, entsprechen 2000 mg pro Kilo Rattenkörper 323 mg/kg menschliches Körpergewicht. Wer von uns 60 Kilo auf die Waage bringt, könnte demnach bedenkenlos bis zu 19.380 mg NMN pro Tag zu sich nehmen. In den erwähnten Studien lagen die wirksamen Dosierungen aber um ein Vielfaches niedriger. Was ist von den im Internet kursierenden Gerüchten zu halten, NMN erhöhe das Krebsrisiko? Keine Studie hat dies bisher belegt, im Gegenteil: Weil NMN bzw. das daraus gebildete NAD+ daran mitwirkt, DNA-Schäden zu beheben, beseitigt es zugleich eine wesentliche Ursache für die Entstehung von Krebs. Bei bereits erkrankten Tieren zeigte sich, dass NMN-Gaben das Tumorwachstum keineswegs fördern, sondern eher hemmen. Denn sie aktivieren natürliche Killerzellen. Warum nicht auf natürlichem Weg? Wenn wir in jüngeren Jahren unseren NMN-Bedarf weitgehend übers Essen decken: Könnte nicht eine konsequente Ernährungsumstellung genügen, wenn wir älter werden? Warum nehmen wir dann nicht einfach mehr Lebensmittel zu uns, die NMN enthalten – oder Vitamin B3 bzw. Aminosäure Tryptophan, woraus unser Körper anschließend NMN und NAD bilden kann? Ergiebige Quellen für Vitamin B3 sind Mungobohnen, Erdnüsse, Pilze, Hülsenfrüchte und Kartoffeln, Eier, Innereien, Fische wie Sardelle, Thunfisch, Lachs und Makrele. (7) NMN kommt besonders reichlich vor in Edamame, einer japanischen Sojabohne (bis 1,88 mg pro 100 Gramm), aber auch in Avocados (bis 1,60 mg), Brokkoli (bis 1,12 mg), Kohl (bis 0,9 mg), rohem Rindfleisch (bis 0,42 mg) und Tomaten (bis 0,3 mg). Täglich etwas davon auf den Teller zu bekommen, und das in üppigen Mengen, ist freilich nicht jedermanns Sache. Zudem deutet experimentell bisher nichts darauf hin, dass es Nachteile bringt, stattdessen NMN als Nahrungsergänzungsmittel zu sich zu nehmen. Ein kulinarischer Genuss ist damit allerdings nicht verbunden: Handelsübliches NMN ist ein feines, schneeweißes, nahezu geschmackfreies Pulver, das sich im Mund wie Haushaltsmehl anfühlt. Hervorragend bioverfügbar Was fängt unser Körper mit zugeführtem NMN an? Inwieweit kann er es überhaupt verwerten? Scheidet er es womöglich umgehend wieder aus – wie etwa das neuerdings gehypte Spermidin, ein Botenstoff, der als hervorragendes Anti-Aging-Mittel gilt. “Man kann es zwar einnehmen, aber es kommt gar nicht im Körper an”, wie eine Studie der Uni Lübeck nahelegt. Aber auch diese Bedenken scheinen zumindest bei isoliertem NMN unbegründet. Als Nahrungsergänzungsmittel geschluckt, wird es vom Darm binnen weniger Minuten aufgenommen und gelangt in den Blutkreislauf. In Tierversuchen zeigten sich schon nach 10 bis 30 Minuten erhöhte NMN-Gehalte im Gewebe. Nach nur einer Stunde war der NAD-Gehalt angestiegen. (8) Bei gesunden Menschen zwischen 20 und 65 Jahren ergab eine japanische Studie: Wer täglich 250 mg NMN zu sich nimmt, erhöht seinen NAD-Spiegel um stattliche 40 %. Sobald er das Präparat absetzt, kehren die Blutwerte wieder zum Ausgangspunkt zurück. Wie sollte man es einnehmen? Sinclair empfiehlt, es nicht sofort herunterzuschlucken, sondern ein, zwei Minuten lang unter der Zunge zu belassen. Dann kann bereits die Schleimhaut im Mundraum es teilweise aufnehmen und dem Blutkreislauf zuführen. Happiger Preis Zertifiziertes, durch akkreditierte Analyse-Labore laufend getestetes NMN in bester Qualität – mit einem Reinheitsgrad über 99 % - gibt es leider nicht in der Schnäppchenhalle. Bei einem vielgelobten Online-Händler, Age-Science, kosten 100 Gramm happige 129 Euro, inklusive Versand und Mehrwertsteuer. (Die kleinste Beutelgröße, mit 12,5 Gramm NMN-Pulver, war im November 2023 dort für 30 Euro zu haben.) Kühl und ungeöffnet gelagert, ist es mindestens zwei Jahre haltbar. Wer es deutlich billiger haben will, geht ins unkalkulierbare Risiko. Es häufen sich Klagen, dass Lieferanten aus Übersee und Billigstheimer ihr angeblich “reines” NMN mit Ascorbinsäure, Milchpulver oder sonstwie strecken. Im Herbst 2021 wurden in den USA 22 verschiedene Anbieter getestet – mit niederschmetterndem Ergebnis: Fast zwei Drittel boten kein echtes oder nur minderwertiges NMN an. Zum Abmessen verwendet man am besten eine Milligramm-Waage. Im Online-Handel sind Laborwaagen schon ab 15 Euro zu haben. Erst besinnen, dann kaufen Rund um den Globus erreichen Menschen bei guter Gesundheit, frei von allen gefürchteten Zivilisationskrankheiten, fit und vital ein geradezu biblisches Alter – ganz ohne NMN und sonstige angesagten Anti-Aging-Produkte. Anstatt schnurstracks in jeden vermeintlichen pharmazeutischen Jungbrunnen zu hüpfen, täten wir gut daran, dem Geheimnis der “Centenarians” nachzuspüren, der putzmunteren Hundertjährigen. (9) Es ist ebenso unoriginell wie zeitlos wahr: weniger und vollwertig essen, ausreichend reines Wasser ertrinken, an frischer Luft körperlich aktiv sein, gut schlafen, Genussgifte meiden, Stress abbauen, eingebunden sein in stabile soziale Netze, befasst mit einer Aufgabe, erfüllt von einem Sinn. (Siehe KLARTEXT: “Selbst Methusalems pfeifen auf Corona”.) All dies berücksichtigt David Sinclair durchaus, anstatt sich bloß ein ausgeklügeltes Pillengemisch einzuflößen, von dem noch längst nicht zweifelsfrei bewiesen ist, dass es das Leben wirklich bei jedem wohltuend verlängert, der keine Maus ist. (Neben NMN schluckt er immer nach dem Aufstehen auch ein Gramm Resveratrol - den mutmaßlichen Anti-Aging-Bestandteil von Rotwein - sowie ein Gramm Metformin, ein Diabetesmittel, das Studien zufolge auch gegen Demenz, Krebs und Herzerkrankungen wirkt.) (10) Er fastet regelmäßig, isst eher zuwenig als zuviel, verzehrt viel Gemüse und nur selten rotes Fleisch, lässt die Finger von Fertiggerichten. Zumeist lässt er die Mittagsmahlzeit ausfallen. Zucker und Kohlenhydrate meidet er. Er supplementiert Vitamin D und K2; zur Blutverdünnung verabreicht er sich jeden Abend 83 mg Aspirin. Er trinkt reichlich grünen Tee. Er raucht nicht. Für Sport fehlt ihm zwar meistens die Zeit – aber er lässt keine Treppe aus; am Wochenende trainiert er im Fitnessstudio und schwitzt in einer Sauna, bevor er in eiskaltes Wasserbecken steigt. Nicht nur nachts beim Schlafen, auch tagsüber ist er bemüht, sich in einer kühlen Umgebung aufzuhalten. Alle paar Monate lässt er sich Blut abnehmen, um Dutzende von Biomarkern zu checken; sind die Werte nicht optimal, so korrigiert er sie mittels Ernährungsumstellung und Sport. (11) Er ist stolzer Vater dreier Kinder, hat einen großen Freundeskreis und Charlie, einen verhätschelten Pudelmischling. Er genießt höchste Anerkennung in seinem beruflichen Umfeld. Nicht nur als Wissenschaftler, auch als Geschäftsmann brilliert er: Im Jahr 2008 verkaufte Sinclair seine Firma Sirtris Pharmaceuticals für sage und schreibe 720 Millionen US-Dollar an den Pharmariesen GlaxoSmithKline (12); bis heute leitet er fünf weitere selbstgegründete Biotech-Unternehmen. Er ist erfüllt von einer Arbeit, mit der er Bedeutsames, ja Bahnbrechendes leistet. Ewig jung bleibt man mit alledem gewiss nicht. Aber womöglich bis zuletzt wohlauf. Wie erstrebenswert wäre der wissenschaftliche Sieg über einen Tod, der einem solch erfüllten Leben ein sinnvolles Ende setzen könnte? (Harald Wiesendanger) Anmerkungen 1 Siehe David A. Sinclair: Das Ende des Alterns. Die revolutionäre Medizin von morgen, Köln 2019. 2 X. Zhu u.a.: „Nicotinamide mononucleotides alleviated neurological impairment via anti-neuroinflammation in traumatic brain injury. International Journal of Medical Sciences 2023;20(3):307-317, https://www.researchgate.net/publication/367969386_Nicotinamide_mononucleotides_alleviated_neurological_impairment_via_anti-neuroinflammation_in_traumatic_brain_injury; X. Zhao u.a.: „Nicotinamide mononucleotide improves the Alzheimer's disease by regulating intestinal microbiota“, Biochemical and Biophysical Research Communications 2023;670:27-35, https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0006291X23006538) 3 Das Ende des Alterns, a.a.O., S. 197. 4 T. Yamane u.a.: „Nicotinamide mononucleotide (NMN) intake increases plasma NMN and insulin levels in healthy subjects“ Clinical Nutrition ESPEN. 2023;56:83-86, https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2405457723001249; M. Yoshino u.a.: „Nicotinamide mononucleotide increases muscle insulin sensitivity in prediabetic women“ Science. 2021;372(6547):1224-1229, https://www.science.org/doi/10.1126/science.abe9985 5 P. Huang u.a.: „NMN Maintains Intestinal Homeostasis by Regulating the Gut Microbiota“, Frontiers in Nutrition 2021;8:714604. https://www.readcube.com/articles/10.3389/fnut.2021.714604; 26: Huang P, Wang X, Wang S, et al. Treatment of inflammatory bowel disease: Potential effect of NMN on intestinal barrier and gut microbiota“, Current Research in Food Science 2022;5:1403-1411, https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2665927122001289?via%3Dihub 6 Zit. nach Nach SZ-Magazin Heft 37/12.9.2019: “Für immer jung!”, https://sz-magazin.sueddeutsche.de/gesundheit/david-sinclair-harvard-alter-forschung-jung-bleiben-87755?reduced=true, leider nur hinter einer Bezahlschranke. 7 M. Hrubša u.a.: „Biological Properties of Vitamins of the B-Complex, Part 1: Vitamins B1, B2, B3, and B5“, Nutrients 2022;14(3):484, https://www.mdpi.com/2072-6643/14/3/484; siehe auch https://www.gesundheit.gv.at/leben/ernaehrung/vitamine-mineralstoffe/wasserloesliche-vitamine/niacin.html#wo-ist-niacin-enthalten 8 K. F. Mills u.a.: „Long-Term Administration of Nicotinamide Mononucleotide Mitigates Age-Associated Physiological Decline in Mice“, Cell Metabolism 2016;24(6):795-806, https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28068222/ ; J. Yoshino u.a.:N“icotinamide mononucleotide, a key NAD(+) intermediate, treats the pathophysiology of diet- and age-induced diabetes in mice“, Cell Metabolism 2011;14(4):528-536, https://profiles.wustl.edu/en/publications/nicotinamide-mononucleotide-a-key-nad-supsup-intermediate-treats- 9 https://www.spiegel.de/fotostrecke/langes-leben-hundertjaehrige-verraten-ihr-geheimnis-fotostrecke-143844.html; https://www.focus.de/gesundheit/longevity/langes-leben-das-steckt-hinter-dem-geheimnis-der-100-jaehrigen_id_193860574.html 10 Nach SZ-Magazin Heft 37/12.9.2019: “Für immer jung!”, a.a.O., https://sz-magazin.sueddeutsche.de/gesundheit/david-sinclair-harvard-alter-forschung-jung-bleiben-87755?reduced=true Siehe auch https://fastlifehacks.com/david-sinclair-supplements/ 11 Näheres über Sinclairs persönliches Gesundheitsprogramm in Das Ende des Alterns, a.a.O., S. 401. 12 Kate Holdsworth: Cosmos Bright Sparks: Australia’s top 10 young minds (Memento vom 26. Dezember 2013 im Internet Archive), Cosmos, 26. Juli 2006 Titelbild: Freepik. Porträtfoto Sinclair: Von Editor5627 - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=128703620 P.S.: Den allgemeinen Haftungsausschluss unterstreiche ich bei diesem Artikel. Verfasst habe ich ihn auf der Grundlage von Studien, die zur Zeit der Veröffentlichung aktuell waren. Er dient aber nicht zur Selbstdiagnose oder Selbstbehandlung, ersetzt also nicht den Besuch bei Ihrem Arzt. Besprechen Sie daher jede medizinische Maßnahme, um die es in diesem oder einem anderen Artikel meines Blogs geht, immer zuerst mit dem Arzt Ihres Vertrauens.
- Dieser Tsunami wird BILLIONEN kosten
Ein Tsunami von Autismusfällen bricht über die westliche Welt herein. Während er der Gesundheitswirtschaft rosige Wachstumsaussichten beschert, wird er die Gesellschaft unfassbar teuer zu stehen kommen: Die Ausgaben für medizinische Versorgung, Betreuung und Folgekosten könnten bis 2060 auf 5,5 Billionen Dollar pro Jahr ansteigen – allein in den USA, wie eine neue Studie vorrechnet. Wird die Katastrophe herbeigeimpft? Um ungefähr ein Jahrzehnt, so heißt es, sei Amerikas Entwicklung der übrigen Welt voraus. Soweit diese Vorreiterrolle im Gesundheitswesen ebenso gilt wie für soziale und kulturelle Trends, wird auch auf Deutschland und das restliche Europa zukommen, worin immer mehr Fachleute in den Vereinigten Staaten eine nahe Katastrophe ohnegleichen sehen: Die Zahl der Autismusfälle explodiert geradezu. Bis in die sechziger Jahre hinein war die Krankheit so gut wie unbekannt. Noch Anfang der Siebziger betraf sie in den USA erst eines von 10.000 Kindern, Ende der achtziger Jahre eines unter 2000. Als das Autism and Developmental Disabilities Monitoring Network (ADDM) - eine Einrichtung der CDC, der behördlichen “Zentren für Krankheitskontrolle und –prävention” – im Jahr 2000 damit begannen, entsprechende Daten zu erheben, wurde bei einem von 250 Kindern eine “Autismus-Spektrum-Störung” diagnostiziert. Bis 2021 stieg die Rate auf 1 von 44; bei 2,27 % der US-amerikanischen Achtjährigen lag Autismus vor. Die jüngste Statistikbericht von 2023 stellt fest: Schon 1 von 36 Achtjährigen, 2,8 %, sind betroffen. Allein rund um die Metropole New York haben die Diagnosen seit der Jahrtausendwende um 500 % zugenommen. Dieser haarsträubende Anstieg dürfte sich fortsetzen, so prognostizieren die US-Forscher Mark Blaxill, Cynthia Nevison und Toby Rogers in der jüngsten Ausgabe der Fachzeitschrift Science, Public Health Policy and the Law in einem peer-geprüften Artikel. Sein Titel spricht für sich: “Autism Tsunami: The Impact of Rising Prevalence on the Societal Cost of Autism in the United States”. Die drei Wissenschaftler erwarten, dass sich der aktuelle Horrortrend mittelfristig fortsetzt: 2024 wird die Autismusrate 6 % erreichen. Bis zum Jahr 2032 wird sie 7 % überschreiten. Auch danach wird sie voraussichtlich weiter ansteigen, wenn auch langsamer. Schlimmstenfalls könnte im Jahr 2060 jeder Zehnte ein Autist sein. (1) “Es droht ein Gesundheitsnotstand.” Welche Kosten entstehen daraus? Dabei geht es nicht nur um die medizinische Versorgung, sei es stationär in psychiatrischen, psychosomatischen und Rehabilitationszentren, sei es in Ambulanzen und Tageskliniken, sei es in Praxen von Ärzten und Psychotherapeuten, Logopäden, Physio- und Beschäftigungstherapeuten, sei es für Pflegedienste, sei es für Medikamente. Zu berücksichtigen gilt es darüber hinaus Ausgaben für Frühförderung, für Sonderschulen, auch Produktivitätsverluste seitens der zumeist erheblich beanspruchten Eltern. Werden autistische Kinder erwachsen, so kommen Faktoren wie Heimunterbringung und eigene Produktivitätsverluste hinzu. Sterben die Eltern, die zuvor einen Großteil der Pflege finanziert haben, so verlagern sich die Kosten auf den Staat. Geschieht nichts, um den Autismus-Tsunami aufzuhalten, so werden allein in den Vereinigten Staaten die gesellschaftlichen Kosten der Autismus-Spektrum-Störung bis zum Jahr 2030 auf 589 Milliarden Dollar ansteigen, bis 2040 auf 1,36 Billionen Dollar, bis 2060 auf 5,54 Billionen Dollar, schlimmstenfalls 7 Billionen – jeweils pro Jahr. Neben diesem “Basisszenario”, das von der Fortsetzung gegenwärtiger Trends ausgeht, rechnet die Forschergruppe allerdings auch ein “Präventionsszenario” durch; es geht davon aus, dass Gegenmaßnahmen möglich sind und ergriffen werden, um die Ursachen von Autismus einzudämmen. Doch selbst in diesem Fall würden die Gesamtkosten bis 2060 auf 3,7 plus/minus 0,8 Billionen Dollar pro Jahr anwachsen. Denn die enorme Anzahl von Autisten, die in den jüngsten Jahrzehnten geboren wurden, werden auch die effektivsten Maßnahmen nicht schlagartig verschwinden lassen; die demografische Dynamik dieser Bevölkerungsgruppe gilt es mitzuberücksichtigen. Weltweiter Albtraum In Deutschland könnte inzwischen mindestens ein Prozent der Bevölkerung betroffen sein. Das wären Hunderttausende. Pro Fall entstehen hierzulande derzeit Kosten von durchschnittlich 3287 Euro pro Jahr, wie eine Studie der Uni Bremen schätzt. Das entspräche einer Gesamtbelastung von 2,6 Milliarden Euro, womit die Bundesrepublik vorerst noch weitaus glimpflicher davonkäme als die Vereinigten Staaten. Und international? “Ungefähr seit dem Jahr 2000 ist weltweit eine steigende Prävalenz von Autismus-Spektrum-Störungen zu verzeichnen, von vormals Promille- und heute Prozentbereich", erklärt Sven Bölte, Leiter des Zentrums für Neuroentwicklungsstörungen und der Abteilung für Neuropsychiatrie am Karolinska-Institut in Stockholm. "Dabei gibt es teils große Unterschiede beim Tempo in den verschiedenen Regionen, aber es ist ein internationales Phänomen". Weltweit, so der Wissenschaftler, liege die Rate mittlerweile bei etwa ein bis drei Prozent. Nicht auszudenken, was aus der Menschheit nicht nur in finanzieller Hinsicht würde, falls sich der Planet früher oder später amerikanischen Verhältnissen annähert. “Ohne Interventionen, um die Prävalenzraten zu verlangsamen, wird die Zahl der Betroffenen so schnell wachsen, dass das System zusammenbricht”, erwartet Blaxill. Was tun? Was für Maßnahmen könnten den Tsunami eindämmen? Gentechnik, womöglich schon pränatal? Genetische Faktoren scheinen bei Autismus in der Tat mitzuspielen: Unter Achtjährigen sind in den USA 4 % der Jungen betroffen, aber nur 1 % der Mädchen. Doch allein Veränderungen im Erbgut erklären den Fall-Tsunami schwerlich – denn dieser begann erst seit den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts dramatisch anzuschwellen. Was setzte just zu jener Zeit ein? Immer mehr Schwangere griffen arglos zu gefährlichen Medikamenten, die ihnen Ärzte pharmagesteuert verordneten. Wie mehrere Studien belegen, erhöhen werdende Mütter, wenn sie Paracetamol einnehmen, das Autismusrisiko ihres Nachwuchses um bis zu 214 % (2) - und noch mehr, wenn sie es Babies und Kleinkindern verabreichen. Schwangere, die Antidepressiva schlucken, verdoppeln damit das Autismusrisiko ihres ungeborenen Kinds, wie die Universität von Montreal herausfand, als sie Daten von über 145.000 Frauen analysierte. (3) Auch mit Asthmamitteln und Antiepileptika gefährden sie ihr Ungeborenes. Selbst Medikamentenreste im Trinkwasser stehen in begründetem Verdacht, Autismus zu fördern. Auch Umweltgifte tragen zu Autismus bei. Dazu zählen Blei, Arsen und Kupfer, sogar in der Babynahrung, wie auch Phthalate, die häufig als Weichmacher in Polyvinylchlorid (PVC) und anderen Kunststoffen stecken, etwa in Bodenbelägen, Kinderspielzeug und Gummiprodukten. (4) Wird die Katastrophe herbeigeimpft? Blaxill, Nevison und Rogers erachten einen anderen Tsunami-Auslöser allerdings für noch viel schwerwiegender: ausufernde Impfkampagnen. Seit 2021 erhalten US-amerikanische Kinder 72 Impfstoffdosen, über 250 weitere sind in Vorbereitung. Bis heute stecken in Vakzinen Aluminium und Quecksilber, sei es als Wirkverstärker, als Konservierungsmittel oder als Verunreinigung aus dem Herstellungsprozess. Sie richten Gehirnschäden an. Im Hirngewebe von Autisten stellte eine Studie einen konstant erhöhten Aluminiumgehalt fest. (Siehe den tragischen Fall von Sawyer im KLARTEXT “Damit sein Tod nicht sinnlos war”.) Allein schon “der Aluminiumgehalt von Kinderimpfstoffen ist absurd hoch”, konstatiert Christopher Exley, Professor für Biochemie, in seinem Buch Imagine You Are an Aluminum Atom (2020). Dass Vakzine zurecht hauptverdächtig sind, verrät ein bemerkenswertes statistisches Detail: Während die Autismusraten für alle US-Kinder, die zwischen 1993 und 2000 zur Welt gekommen waren, stetig anstiegen, sind unter jüngeren Jahrgängen vor allem Kinder von ethnischen Minderheiten – Schwarze, Hispanics, Einwanderer aus dem asiatisch-pazifischen Raum – und von einkommensschwachen Eltern betroffen. Hingegen zeigt sich zumindest bei einer Bevölkerungsgruppe neuerdings erfreulicherweise ein gegenläufiger Trend: nämlich bei weißen Familien aus wohlhabenden Wohngegenden. Dort stagnieren die Raten, teilweise gehen sie sogar zurück. Warum? Vermutlich nahmen diese Familien Veränderungen vor, die das Autismusrisiko ihres Nachwuchses senkten: Sie vermieden Arznei- und Genussmittel während der Schwangerschaft, schützten ihre Kinder vor Umweltgiften, ließen seltener, später oder gar nicht impfen. Nur vereinzelt trauen sich Ärzte, die fatale Rolle der Vakzine öffentlich anzuprangern – wohlwissend, dass sie damit ihre Zulassung aufs Spiel setzen. Wie der pädiatrische Neurologe Dr. Andrew Zimmerman schätzt, haben 20 bis 30 % seiner Patienten aufgrund von Impfungen Autismus entwickelt. Nach Beobachtungen der Kinderärztin Dr. Elizabeth Mumper, Präsidentin des auf Autismus ausgerichteten Rimland Center For Integrative Medicine, liegt der Anteil bei 40 bis 45 %. Die gleiche Quote fand der Kinderarzt Dr. Douglas Hulstedt bei 150 Autismusfällen, mit denen er seit dem Jahr 2000 in seiner Praxis nach Impfungen tun bekam. Sogar von 80 bis 90 % geht Dr. Stephanie Cave aus, eine Hausärztin aus Louisiana, die 8000 Autismusfälle gesehen hat. Autismus-Industrie lässt die traurige Wahrheit zensieren Ihren brisanten Artikel über den “Autismus-Tsunami” hatten Blaxill, Nevison und Rogers schon 2021 veröffentlicht, damals im Journal of Autism and Developmental Disorders (JADD). Doch knapp zwei Jahre später machten Verlag und Herausgeber die Veröffentlichung rückgängig, wegen “Bedenken” aufgrund nicht offengelegter “nichtfinanzieller Interessen”. Und welche “Voreingenommenheit” wäre das? Die Impfskepsis der Autoren. "Dieser feige Akt der Zensur durch das JADD und den Verlag“, kommentiert Tony Rogers, „ist ein verblüffendes Schuldeingeständnis der Mainstream-Torwächter. Sie können einfach kein Gespräch über die Fakten führen, weil sie wissen, dass sie verlieren werden. Zensur ist alles, was ihnen bleibt." Dieser Meinungsterror wird weitergehen und zunehmen. „Das größte Hindernis bei der Bewältigung dieser Krise“, so erklärte Rogers gegenüber dem Online-Magazin The Defender, „ist nicht nur Big Pharma. Es ist eine ganze Autismus-Industrie entstanden, zu der auch Forscher, gemeinnützige Organisationen, akademische Fachzeitschriften und mehr gehören. Di ese Industrie ist mehr als eine Billion Dollar wert, und sie will keine Gespräche über die Ursachen oder die Prävention führen - sondern an der Krankheit verdienen." (Harald Wiesendanger) P.S.: Näheres zu diesem Thema in den KLARTEXT-Beiträgen „Autismus-Seuche – Big Pharma frohlockt“ und „Lästige Kurve – Echte Autismusforschung stört Geschäftsinteressen“. Anmerkungen (1) Siehe https://www.publichealthpolicyjournal.com/_files/ugd/adf864_231644ca239249dc9ac579b5d332d872.pdf, S. 238. (2) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31664451/, siehe auch https://www.zentrum-der-gesundheit.de/bibliothek/medikamente/nebenwirkungen-medikamente/autismus-paracetamol-schwangerschaft (3) (https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2016/daz-4-2016/autismus-durch-antidepressiva; https://www.zentrum-der-gesundheit.de/krankheiten/weitere-erkrankungen/autismus-uebersicht/autismus-antidepressiva (4) Neurotoxikologie 30 (5) September 2009, S. 822–831, https://translate.google.com/website?sl=en&tl=de&hl=en&u=https://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/eutils/elink.fcgi?dbfrom%3Dpubmed%26retmode%3Dref%26cmd%3Dprlinks%26id%3D19822263 Titelbild: Collage aus zwei Illustrationen von vecstock bei Freepik
- Für eine weise Psycho-Politik
Nie stand es um die psychische Volksgesundheit schlechter als heute. Warum sollten begabte Laienhelfer nicht dazu beitragen dürfen, den Notstand zu lindern? Dagegen hat der Rechtsstaat irrationale Barrieren errichtet, die Standesinteressen über Gemeinwohl stellen. Es wird Zeit für mehr Pragmatismus statt Lobbyismus. Nirgendwo scheint das irdische Jammertal tiefer als zwischen Flensburg und Passau. 69 % aller erwachsenen Deutschen sind “unruhig und aufgewühlt”, 69 % “können nicht mehr richtig abschalten”, 67 % “fühlen sich niedergeschlagen”, wie der Versicherer AXA für seinen Mental Health Report 2023 mittels einer Repräsentativumfrage unter 2000 Personen zwischen 18 und 74 Jahren herausfand. (1) Ferner geben 58 % an, dass sie sich “über nichts mehr freuen können”. 49 % haben “keine positiven Gefühle mehr”. 44 % verspüren “ohne erkennbaren Grund Angst”. Auf einer Skala von 0 bis 10 schätzen sie ihr persönliches Stresslevel im Schnitt auf 5,5, junge Erwachsene sogar auf 6,7. “Mitten in einer Mental-Health-Pandemie” Je bedrückter das Gemüt, desto eher entwickelt es, was Fachleute “psychische Störung” nennen. Zumindest in dieser Hinsicht zählt Deutschland weiterhin zur Weltspitze, wie Statistiken übereinstimmend belegen: Mit rasant steigenden Wachstumsraten strebt es hierbei immer neuen Allzeithochs entgegen. Inzwischen soll jedes Jahr schon rund ein Drittel der erwachsenen Bevölkerung von einer psychischen Erkrankung betroffen sein - die Angaben schwanken zwischen 28 und 32 % -, allen voran Ängste, Depressionen, Anpassungsstörungen und Süchte. (2) Neben Herz-Kreislauf-Erkrankungen, bösartigen Tumoren und Muskel-Skelett-Erkrankungen zählen sie zu den vier Hauptursachen für den Verlust gesunder Lebensjahre. „Menschen mit psychischen Erkrankungen”, so konstatiert die Deutsche Gesellschaft für Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), “haben zudem im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung eine um zehn Jahre verringerte Lebenserwartung“. (3) „Wir befinden uns mitten in einer Mental-Health-Pandemie, deren Auswirkungen erst nach und nach sichtbar werden“, erklärt Prof. Dr. med. Christoph Correll, Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie für Kinder und Jugendliche an der Berliner Charité. In bestürzendem Maße betrifft diese Pandemie schon junge Menschen. Bei 10- bis 17-Jährigen sind psychische Erkrankungen inzwischen der häufigste Grund für stationäre Krankenhausbehandlungen. Unter 15- bis 24-Jährigen werden sie jeden Fünften diagnostiziert. In der Arbeitswelt macht sich die Psycho-Seuche immer deutlicher bemerkbar. Zwei von drei Arbeitnehmern in Deutschland fühlen sich mittlerweile aufgrund psychischer Belastungen in ihrem Job eingeschränkt - 29 Prozent andauernd oder oft, weitere 34 Prozent zumindest manchmal. (4) Jedem fünften Berufstätigen ist schon einmal eine Depression diagnostiziert worden; weitere 19 % vermuten, schon einmal davon betroffen gewesen zu sein. (5) Rund 16 % aller Fehltage gehen auf psychische Erkrankungen zurück. Innerhalb eines Jahrzehnts, zwischen 2012 und 2022, stiegen sie um 48 %. (6) Die Fehlzeiten von Betroffenen am Arbeitsplatz summierten sich schon 2012 auf 60 Millionen Tage - ein Anstieg um über 60 Prozent innerhalb eines Jahrzehnts. In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Zahl der Krankheitstage wegen seelischer Nöte verdreifacht; seit Anfang der sechziger Jahre verfünffachte sie sich, ihr Anteil an sämtlichen Fällen von Arbeitsunfähigkeit liegt seither sieben Mal höher. Allein im ersten Halbjahr 2023 sind im Vergleich zum Vorjahreszeitraum die Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen um 85% gestiegen, die Anzahl der psychisch bedingten AU-Fälle um 32%. Während Seelenleiden noch vor drei Jahrzehnten statistisch kaum ins Gewicht fielen, bilden sie heute unter Frauen die häufigste Diagnosegruppe bei Krankschreibung und Arbeitsunfähigkeit, unter Männern die zweithäufigste, hinter Muskel-Skelett-Erkrankungen. (7) Diese Entwicklung ist umso besorgniserregender, als psychisch bedingte Krankheitsfälle mit durchschnittlich 39 Tagen dreimal länger andauern als andere (13 Tage). Bei Angststörungen sind es mehr als 43 Tage; bei Depressionen über 25. (8) Darüber hinaus sind psychische Störungen inzwischen der häufigste Grund, krankheitsbedingt in Frührente zu gehen: Seit Anfang der neunziger Jahre stieg der Anteil der Personen, die wegen eines seelischen Leidens vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden, von 14,5 auf 41,9 Prozent. (9). Dabei sind sie durchschnittlich erst 49 Jahre alt. (10) Haarsträubende Kostenfalle Die Bundesregierung geht mittlerweile davon aus, dass psychische Erkrankungen unsere Volkswirtschaft mit insgesamt 99,6 Milliarden Euro pro Jahr belasten. (11) Dazu rechnet sie einerseits die direkten Kosten für Behandlung, Vorsorge, Wiedereingliederung, Pflege sowie den Verwaltungsaufwand der Krankenkassen (28,6 Mrd. Euro) – und diese dürften sich bis zum Jahr 2030 mindestens verdoppeln. (12) Hinzu kommen indirekte Kosten aufgrund von Arbeitsunfähigkeit und dem dadurch bedingten Produktionsausfall (26 Mrd. Euro) sowie entgangener Bruttowertschöpfung in Höhe von weiteren 45 Mrd. Euro. (13) Europaweit gehen dadurch nach EU-Schätzungen drei bis vier Prozent des Bruttosozialproduktes verloren; allein Psychosen wie Schizophrenie belasten mit jährlich 207 Milliarden Euro die Gesundheitssysteme Europas. (14) Weltweit, so die düstere Prophezeiung von Wissenschaftlern, werden die Gesamtkosten für psychische Erkrankungen von 2,5 Billionen US-Dollar 2010 auf sechs Billionen 2030 steigen. (15) Es sind Laien, die den Kollaps des Systems verhindern Diese alarmierenden Zahlen aus dem gesundheitsökonomischen Horrorkabinett lägen bestimmt noch um ein Vielfaches höher, wenn nicht an allen Ecken und Enden der Republik ungesetzlicherweise Psychotherapie betrieben würde: durch unqualifizierte, titellose Bürger ohne Praxisräume, ärztliche Approbation, Psychologiediplom oder Heilpraktikerzulassung, die seelisch belasteten Mitmenschen mit Rat und Tat beistehen. Und das honorarfrei. Die Therapieorte, zugleich Trainingsstätten für Laienpsychologen, sind Kneipen und Friseursalons, Parkbänke und Spazierwege, Küchen und Wohnzimmer, Betten und Beichtstühle, Mensen und Kantinen, Busse und Zugabteile, Cafés und Kneipen. Es gibt sie überall, wo Menschen gelegentlich darüber reden, was sie bedrückt. Sind sie voneinander räumlich getrennt, finden Fernheilsitzungen oftmals über Telefon, Smartphones und Internet, über E-Mails und altmodische Briefe statt. Selbst in den USA suchen weiterhin 80 Prozent aller Menschen in Lebenskrisen zuallererst Hilfe bei Lebensgefährten, Freunden, Nachbarn, dem Hausarzt oder dem Pfarrer (16) - und das in einem Land, das als Hochburg professioneller Seelenhelfer gilt, in der man sich zumindest in Großstädten einen Therapeuten schon mit beinahe der gleichen Selbstverständlichkeit zulegt wie ein Haustier, eine Waffe oder ein Pay-TV-Abo, Einer Untersuchung Mitte der siebziger Jahre zufolge werden mehr als 95 Prozent aller psychischen Probleme ohne Fachleute therapiert. (17) Nach einer Schätzung Anfang der achtziger Jahre sind es Laien, die sich um 75 Prozent aller seelischen Erkrankungen kümmern. Nur jeder fünfte Betroffene geht lieber zum Arzt, nur jeder Zwanzigste in eine Klinik. (18) Psychotherapie war immer schon soziales Alltagsgeschehen, und das ist sie bis heute. Müssten Gesundheitspolitiker, zusatzmotiviert durch sparwillige Finanzminister und chronisch klamme Krankenversicherer, diese kostenfreie, flächendeckende Heilpraxis nicht geradezu euphorisch begrüßen? Sollten sie Forschungsergebnisse, die einhellig die annähernde Gleichwertigkeit laienhafter und berufsmäßiger Hilfestellung im psychischen Störungsfall belegen, nicht unverzüglich zum Anlass nehmen, Amateure in die Versorgung seelisch Belasteter intensivstmöglich einzubeziehen? Sänken die irrwitzigen Kosten, für die professionelle Honorarsätze sorgen, dadurch nicht gewaltig? Handlangerdienste für Standesinteressen Nichts dergleichen geschieht. Stattdessen bewerben sich Regierungsvertreter stets aufs neue eindrucksvoll um den Ehrenvorsitz der Interessenverbände, die ihnen mit Lobbyisten auf die Pelle rücken. Wie sonst haben wir jene unsägliche Aufklärungsbroschüre mit dem Titel „Seele aus der Balance“ aufzufassen, die das Bundesministerium für Bildung und Forschung in zwei Auflagen 2010 und 2011 hunderttausendfach unters Volk brachte? „Wenn die Seele krank ist“, so wird deren Inhabern darin nachgefühlt, „fällt es vielen Menschen schwer zu entscheiden, an wen sie sich am besten wenden“. Gottlob weist ihnen die Bundesregierung den rechten Weg, in den sie huldvoll „Einblicke gewährt“: natürlich zu „anerkannten und rechtlich geschützten (…) Profis für die Seele: Psychotherapeuten, Psychiater, Psychologen, Psychoanalytiker“. (19) Keine Werbeagentur hätte auftragsgemäßere Worte gefunden. Und keiner hätte für genehmere Rechtsverhältnisse sorgen können. Seit 1999 gilt in Deutschland das Psychotherapeutengesetz (PTG). Mit ihm schreibt der Gesetzgeber für Psychotherapie bestimmte Grundberufe und Ausbildungsgänge vor – bar jeglicher wissenschaftlichen Grundlage, wie schon beim zuvor geltenden „Delegationsverfahren“, demgemäß ausschließlich Ärzte Psychotherapie durchführen durften, Psychologen erst aufgrund ärztlicher Überweisung und nur dann, wenn sie dafür eine Zulassung nach dem Heilpraktikergesetz erlangt hatten. (20) Warum schufen Parlamentarier eine solche Rechtslage, obwohl ihnen der neuere Forschungsstand schwerlich verborgen geblieben sein konnte? Sie taten es im Gefühl, Psychotherapie könne nicht einfach so, von Hinz und Kunz, drauflospraktiziert werden. Nein, sie müsse auf wissenschaftlicher Grundlage erfolgen. Folglich definiert das PTG „Psychotherapie“ als psychologische "Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert" mittels "wissenschaftlich anerkannter Verfahren". (21) Doch in diesem Sinne ist Psychotherapie: inexistent. Was ihre diplomierten Anwender selbstgefällig mit Hilfesuchenden anstellen, entbehrt sowohl des empirischen Fundaments als auch des versprochenen Mehrwerts. Die geschilderten Fakten sprechen für sich. Der Kult um den Profi Wenn „professionelle Seelenheilkunde“ insofern tatsächlich ein Märchen, der daraus abgeleitete Expertenstatus eine dreiste Anmaßung darstellt: Wie können Politik und Gesellschaft blind dafür sein? Die Ansicht, kranke Seelen seien bei Profis gut aufgehoben, ergibt sich aus der vielfach bewährten Überzeugung, man könne etwas besser, wenn man es von Berufs wegen tut, nachdem man darin ausgiebig unterrichtet und geprüft worden ist. Eine Brücke konstruieren, ein Gebäude errichten, ein Flugzeug steuern, einen Impfstoff entwickeln lassen wir aus triftigen Gründen nur ausgebildete Ingenieure, Architekten, Piloten und Pharmakologen. Professionalisierung, so scheint uns, garantiert höhere Effizienz, mehr Sicherheit und bessere Qualität. Der neuzeitliche Trend hierzu erfasste immer mehr Tätigkeitsbereiche, nach und nach bezog er nicht nur Handwerk, Forschung und Technik ein, sondern griff auf Dienstleistungen aller Art über. Inzwischen darf ohne Lizenz niemand mehr für seine Mitbürger gegen Entgelt backen oder kochen, sie frisieren, ihre Kinder unterrichten, ein Haus für sie bauen. Und insbesondere vom Gesundheitswesen sind Laien mittlerweile vollständig ausgesperrt. Vom Masseur über die Krankenschwester und den Altenpfleger bis zum Arzt: In der westlichen Medizin gibt es keine unbefugten Akteure mehr, jegliche heilungsbezogene Tätigkeit hat inzwischen alle fünf Stadien der Verberuflichung durchlaufen (22): 1. Aufgaben, die man bisher privat oder ehrenamtlich erledigte, werden aus dem sozialen Alltagsgeschehen herausgelöst und zum Kern einer dauerhaften Erwerbstätigkeit. 2. Das dafür erforderliche Wissen und Können vermitteln spezielle Unterrichtsstätten in einer längeren, festgelegten Ausbildung. Nur wer diese erfolgreich abschließt, darf die betreffende Tätigkeit ausüben. 3. Die Ausgebildeten schließen sich in Berufsverbänden zusammen, um ihre Interessen wirksam zu vertreten und zu schützen, insbesondere vor unqualifizierten Wettbewerbern. 4. Für die Berufsausübung entstehen Regeln, deren Einhaltung Standesgerichte und Kammern überwachen. 5. Die Tätigkeit wird gesetzlich geregelt. Sie unerlaubt auszuüben, die Berufsbezeichnung unbefugt zu verwenden, wird zur Straftat. Sobald nur noch lizenzierte Heilberufler heilen dürfen, nutzt eine um sich greifende Furcht vor einer mutmaßlichen Epidemie ausschließlich ihnen. Je ärger die Seuche, desto willkommener. Denn ihnen allein gibt die gefühlte Bedrohung reichlich zu tun, nur sie sind berechtigt, sich darum zu kümmern. Je schlimmer die vermeintliche Gefahr, desto vordringlicher eine professionelle Abwehr. Also können Profis Sachzwänge beibringen, eine angebliche Unterbesetzung beklagen, eine zügige Erhöhung der Versorgungsdichte und mehr staatliche Mittel fordern. Und der Gesetzgeber spurt. Anstatt im Namen und zum Wohle seines angeblich psychopandemisch bedrohten Volkes zu entscheiden, macht er sich zum Handlanger von Interessengruppen. Ohne ihren Wissenschaftlichkeitsanspruch und ihre tatsächliche Leistung zu hinterfragen, überlässt er ihnen die Deutungshoheit über unsere seelische Gesundheit –und die Zuständigkeit für sie. Mustergültig führt das der Entscheidungsprozess vor Augen, den der Gesetzgeber im September 2014 für eine geplante Neufassung des Psychotherapeutengesetzes festlegte. (23) Wer sollte dabei gehört werden, wer durfte da alles zu Wort kommen, den Forschungsstand darlegen, Probleme aufzeigen, Bedenken vortragen oder entkräften, Vorschläge machen, mitreden und mitentscheiden? Jedenfalls keine Patienten, schon gar nicht Psychiatriegeschädigte und sonstige Therapieopfer; noch irgendwelche grundsätzlichen Kritiker der vorherrschenden Verhältnisse. Beteiligt wurden ausschließlich: die Bundespsychotherapeutenkammer, denn sie biete „die Gewähr für ausreichende Kenntnis der beruflichen Anforderungen in Theorie und Praxis“; außerdem die „Arbeitsgemeinschaft der Landeskammern der Psychologischen Psychotherapeut/innen sowie der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut/innen“. Sie weuden „ermächtigt, Empfehlungen festzulegen“. Dabei galt es als „erforderlich, die Expertise des Wissenschaftlichen Beirats Psychotherapie (WBP) sowie der ‚Deutschen Gesellschaft für Psychologie zu berücksichtigen. (24) Was die Genannten ausheckten, sollte dann von den beiden Bundesministerien für Gesundheit bzw. Bildung und Forschung genehmigt und durch Erlass einer Rechtsverordnung verbindlich gemacht werden. Wem oblag es anschließend, „sowohl regelmäßig als auch anlassbezogen (…) zu überprüfen“, ob die Empfehlungen weiterhin gelten sollen oder „erforderliche Anpassungen vorzunehmen“ sind? Der Bundespsychotherapeutenkammer, wem sonst? Hier kommt ein weiteres Lehrstück über Expertokratie zur Aufführung: eine Regierungsform, die der Sozialpsychologe Harald Welzer treffend kennzeichnet als „eine Kombination aus Verwaltung und Sachverständigen, in der unentwegt irgendwelche Strategiepapiere mit mundgerechten Informationen darüber verfasst werden, was aus Expertensicht die Politiker wissen müssten. Das politische Gemeinwesen, das sind die Bürgerinnen und Bürger, ist bei diesem Prozess völlig außen vor. Das Verhängnisvolle daran ist, dass auf der technischen Ebene alle parlamentarischen Verkehrsformen eingehalten werden - aber zugleich die Planungsprozesse immanent undemokratisch sind. (…) Am Ende heißt es dann: Was wir entschieden haben, war alternativlos.“ (25) Expertengläubige Einheitsfront Gegen die Einheitsfront von wissenschaftsgläubigen Volksvertretern, wehrhaften Verbänden, gewieften Lobbyisten, Vertretern des akademischen Establishments und Abertausenden von professionellen Nutznießern der Ausgrenzungsstrategie, mitgetragen von einer expertenhörigen Öffentlichkeit, sind Kritiker machtlos. Noch so triftige, wohlbegründete Argumente verhindern nicht, dass unter dem Vorwand, Qualität zu sichern, den Verbraucher zu schützen und die Einhaltung wissenschaftlicher Standards sicherzustellen, der Gesundheitsmarkt zugunsten seiner finanziellen Hauptprofiteure abgeschottet, deren Pfründe gesichert werden. Deutschland und ein Großteil der 26 weiteren EU-Staaten haben die Ausübung von Psychotherapie mittlerweile gesetzlich geregelt, die übrigen dürften in Kürze folgen. Überall dort haben Laien nicht die geringste Chance mehr, als psychologische Berater oder Psychotherapeuten tätig zu werden – auch dann nicht, wenn sie nachweisbare Erfolge erzielen. Wegen immer häufigerer Wohnungseinbrüche, die eine überforderte Polizei weder verhindern noch aufklären kann, schlug Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) im Juni 2016 eine ungewöhnliche Gegenmaßnahme vor: Er regte an, problembewusste, engagierte Bürger – nämlich Polizeianwärter, die an der Aufnahmeprüfung gescheitert sind -, als gering bezahlte Schutzleute uniformiert in Wohnvierteln auf Streife zu schicken. Vorausgegangen waren vielversprechende Modellversuche zweier Bundesländer; sie beschäftigen über 500 derartige Aufpasser, nachdem diese ein dreimonatiges Intensivtraining durchlaufen hatten. Die Erfahrungen damit waren prima. Müssten Gesetzeshüter nicht heilfroh darüber sein, derart entlastet zu werden? Mitnichten. Vielmehr regte sich prompt heftiger Widerspruch, am lautesten seitens der Standesvertretung der „richtigen“ Sicherheitskräfte, der Deutschen Polizeigewerkschaft. Aber auch Nordrhein-Westfalens Innenminister bemängelte, es sei „rückwärtsgewandt“, in „Amateure“ statt in „professionell ausgebildete“ zusätzliche Polizeibeamte zu investieren. Ebenso heftig unter Beschuss geriet, was das Bundesland Sachsen, um den Lehrermangel auszugleichen, berufserfahrenen Quereinsteigern anbot: ohne Lehramtsprüfung an Schulen zu unterrichten. (26) Jede Wette: Nicht minder vehement, und mit vergleichbaren Begründungen, würde jede Initiative abgewürgt, Laien in der psychotherapeutischen Versorgung einzusetzen. Mir fällt ein einziger triftiger Sachgrund ein, der dagegen spräche: Betroffene empfänden Laienhelfer nicht als „echt“. Dass Uni-Diplom und staatliche Anerkennung fehlen, nähmen sie als Beweis dafür, dass da keine „richtige“ Therapie stattfinden kann. Demselben Denkfehler erliegt der Gesetzgeber. Statt berufsständische Abgrenzung zu zementieren, müsste verantwortungsvolle Gesundheitspolitik darauf aus sein, Mauern einzureißen, Türen zu öffnen, Könner jeglicher Herkunft zusammenzuführen. Viele Laien, aber auch Nichtmediziner wie Sozialarbeiter, Lehrer und Erzieher, Ergotherapeuten, Pflegekräfte, Lebensberater, Seelsorger und andere Berufsgruppen verstehen sich nicht minder gut aufs Helfen und Heilen wie jene, die per Gesetz dazu befugt sind. Deshalb sollten schleunigst Formen des Beratens, Behandelns und Betreuens gefördert werden, in denen alle Beteiligten ohne Expertendünkel am selben Strang ziehen. Dazu muss einer wie der andere fähig und willens sein, jene allgemeinen Wirkfaktoren einzubringen, auf die es erwiesenermaßen weitaus mehr ankommt als auf Titel, Diplome und Sozialprestige. In unserem Gesundheitssystem steht für Abermillionen Patienten zuviel auf dem Spiel, als dass Volksvertreter wenigen mächtigen Akteuren willfährig gestatten sollten, es nach Gutsherrenart zu vereinnahmen, in penetranter Darbietung der hohen Kunst, mit niederen Lebensformen möglichst herablassend umzugehen. Am mühelosen Miteinander, das in den Therapiecamps meiner Stiftung Auswege Helfer und Hilfesuchende aller Art im Nu zu einer heilsamen Gemeinschaft zusammenschweißt, erweist sich, wie leicht es wäre, überfällige Schritte in eine andere Richtung zu tun. (Harald Wiesendanger) Dieser Text ist ein Auszug aus Harald Wiesendanger: Psycholügen, Band 3: Seelentief: ein Fall für Profis?, Schönbrunn 2017, 2. erw. u. aktualisierte Aufl. 2024; 124 S., auch als PDF. Die Folgen dieser Serie („Helfen Psycho-Profis wirklich besser?“) 1 Reichlich erforscht: Viele Laien können mehr 2 Unter den Teppich gekehrt 3 Vogel Dodo beim Wettlauf der Psychotechniker 4 Wie viel bringt Psychotherapie wirklich? 5 Warum nützt Psychotherapie? 6 Warum manche Laien die besseren Therapeuten sind 7 Hochstapler unter Hochstaplern 8 Psychotherapie als Gefahrenherd 9 Nase vorn: Was viele Profis besser können – und weshalb 10 Pragmatismus statt Lobbyismus - Für eine weise Psycho-Politik Anmerkungen 1 https://www.axa.de/presse/axa-mental-health-report-2023; https://www.axa.de/presse/mediathek/studien-und-forschung/mental-health-report-2023 2 DGPPN: Basisdaten – Psychische Erkrankungen, Stand: Januar 2023; DPtV: Report Psychotherapie 2021 und 2023; https://www.dgppn.de/_Resources/Persistent/f80fb3f112b4eda48f6c5f3c68d23632a03ba599/DGPPN_Dossier%20web.pdf 3 DGPPN: Basisdaten – Psychische Erkrankungen, Stand: Januar 2023. 4 Ärzteblatt, 23.10.2012: „Psychische Probleme schränken jeden Vierten im Job ein“. 5 Stiftung Deutsche Depressionshilfe: Deutschland-Barometer Depression https://www.deutsche-depressionshilfe.de/pressematerial-barometer-depression, November 2021. 6 DAK_Psychreport 2022 und 2023, https://www.rehadat-statistik.de/statistiken/behinderung/behinderungsarten/psychische-erkrankung/ 7 DAK Gesundheit, 27.1.2017: „Psychische Erkrankungen: Höchststand bei Ausfalltagen“; BKK Gesundheitsreport 2014 – Zahlen, Daten, Fakten der Betriebskrankenkassen BKK, online bei www.bkk-dachverband.de/publikationen/bkk-gesundheitsreport; M. Meyer/H. Weirauch/F. Weber: „Krankheitsbedingte Fehlzeiten in der deutschen Wirtschaft im Jahr 2011“, in B. Badura u.a. (Hrsg.): Fehlzeiten-Report 2012, Heidelberg/Berlin 2012, S. 291-467. 8 DAK Gesundheit, 27.1.2017: „Psychische Erkrankungen: Höchststand bei Ausfalltagen“; sowie nach Berechnungen des Gesundheitsökonomen Wolfgang Bödeker und des Mathematikers Michael Friedrichs: „Kosten der psychischen Erkrankungen und Belastungen in Deutschland“, in: Lothar Kamp/Klaus Pickshaus (Hrsg.): Regelungslücke psychische Belastungen schließen, Düsseldorf 2011. DAK_Psychreport 2022 und 2023, https://www.rehadat-statistik.de/statistiken/behinderung/behinderungsarten/psychische-erkrankung/ 9 Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.): Rentenversicherung in Zeitreihen, Berlin 2012; C. Hagen u.a.: Zugang in Erwerbsminderungsrente wegen psychischer Erkrankungen: Entwicklungen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede, Berlin 2012. 10 DAK_Psychreport 2022 und 2023, https://www.rehadat-statistik.de/statistiken/behinderung/behinderungsarten/psychische-erkrankung/ 11 In ihrer Antwort vom 30. April 2012 auf eine Anfrage mehrerer Abgeordneten der Fraktion Die Linke, veröffentlicht als Drucksache 17/9478 des Deutschen Bundestags, dort S. 12. 12 Nach http://psyga.info/psychische-gesundheit/daten-und-fakten/ 13 Unter Bruttowertschöpfung (BWS) verstehen Ökonomen den Gesamtwert aller erzeugten Waren und Dienstleistungen, abzüglich des Werts der Vorleistungen. 14 Nach Deutsches Ärzteblatt, PP Heft 1, Januar 2006, S. 25: „Psychische Erkrankungen in Europa – Lebenszeitrisiko mehr als 50 Prozent“, sowie www.pronia.eu. 15 World Economic Forum/Harvard School of Public Health: The Global Economic Burden of Noncommunicable Diseases. A Report, Genf, September 2011. 16 Nach Surin u.a. 1960, zit. bei Michael Dietrich: „Laien und/oder Profis in Psychotherapie und Seelsorge?“, Seelsorge 2/1999, S. 41-49; J. Veroff/R, Kulka/E. Douvan: Mental health in America: Patterns of help seeking from 1957 to 1976, New York 1981, S. 60. 17 M. L. Moeller: „Selbsthilfegruppen in der Psychotherapie“, Praxis der Psychotherapie 20/ 1975, S. 181. 18 F. Scheuch: Dienstleistungsmarketing, München 1982, S. 67. 19 Bundesministerium für Bildung und Forschung: Seele aus der Balance – Erforschung psychischer Störungen, 2. Aufl. Berlin 2011, S. 9, 11. 20 In der Schweiz hingegen dürfen Psychotherapeuten weiterhin nur tätig werden, wenn sie vom Psychiater „delegiert“ sind. Noch rigider verfährt Österreich: Ausschließlich Ärzte dürfen dort Psychotherapie ausüben. 21 Psychotherapeutengesetz der Bundesrepublik Deutschland, § 1, Abs. 3, Sätze 1,2. 22 s. H. L. Wilensky: „The Professionalization of Everyone?“, American Journal of Sociology 70 (2) 1964, S. 137 ff.; vgl. E. Stooß: „Die Systematik der Berufe und der beruflichen Tätigkeiten“, in Heinz Seifert u.a. (Hrsg.): Handbuch der Berufspsychologie, Göttingen 1977. 23 Im „Entwurf eines Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten“, http://dgpt.de/fileadmin/download/Aus-_Weiterbildung/2014-09-22_Bericht_ zur_aktuellen_Ausbildungsdiskussion/2014-10-15_Begruendung_Forschergruppe_fuer_Gesetzesentwurf-PsychThG.pdf 24 Auch die „Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaften“ und der „Fachbereichstag Soziale Arbeit“ sollten „eingebunden“ werden, siehe S. 3 des Gesetzesentwurfs. 25 In einem Interview mit der Tageszeitung taz vom 22. Oktober 2010. 26 Zit. nach Süddeutsche Zeitung Nr. 138, 17.6.2016: „Hilfspolizisten gegen Einbrecher“; welt.de, 20.12.2014: „Wenn der Quereinsteiger den Lehrermangel ausgleicht“, abgerufen am 8.11.2016.
- Nase vorn: Was manche Psycho-Profis besser können – und warum
Keine Frage: Viele Psychotherapeuten helfen seelisch Belasteten ganz hervorragend. Dank ihres wissenschaftlichen Hintergrunds? Eher beruhen ihre Erfolge auf ausgeprägten Fähigkeiten, die sie mit Laien gemeinsam haben – und schon besaßen, ehe sie zum ersten Mal ein Hochschulgebäude betraten. Es klingt fast schon zu banal, um der Rede wert zu sein: Beileibe nicht jeder Amateur eignet sich gleichermaßen als Stütze in seelischen Nöten. Kein Psychiatriekritiker, der noch recht bei Trost ist, versteift sich auf den himmelschreienden Unfug, alle Laien könnten genauso viel wie Profis. Selbstverständlich bringt ein Großteil von ihnen Defizite mit, und diese schränken ihre therapeutischen Möglichkeiten ein. Aber der springende Punkt ist doch: Bestehen diese Defizite zwangsläufig, mangels Fachstudium? Beruhen sie darauf, dass der Amateur von wissenschaftlichen Studien, Methodik und Theorien keine Ahnung hat? Werden sie an der Uni behoben, und nur dort? Wie professionelle Psychotherapeuten, so unterscheiden sich auch Amateure enorm hinsichtlich Eigenschaften und Fähigkeiten, von denen abhängt, ob ihre Hilfe gut tut: etwa in puncto Geduld, Aufmerksamkeit, Einfühlungsvermögen, Unvoreingenommenheit, Verzicht auf Wertungen, Offenheit, Freundlichkeit, Warmherzigkeit, Authentizität, geschickte Gesprächsführung - also in alledem, worauf es beim Beistehen entscheidend ankommt. Solche allgemeinen Wirkfaktoren zu handhaben, gelingt vielen Laien kaum besser als ein Klaviersolo oder ein sternewürdiges Fünfgangmenü, ein dreifacher Wurfaxel oder ein Roman. Andere hingegen bringen besagte Faktoren virtuos ins Spiel, ohne erst einiger hundert Vorlesungen, Seminare und Supervisionen zu bedürfen. Denn die Fähigkeiten dazu entwickeln sich in den beiden ersten Lebensjahrzehnten, im Zuge der Sozialisation. Sie harren nicht erst einer Immatrikulation, ehe sie zum Vorschein kommen und sich voll entfalten. Zu welchen Fehlern der Laie neigt Viele Laien verkennen, dass kein Fall dem anderen gleicht. Hinweise, Empfehlungen und Maßnahmen, die dem einen Belasteten gut tun, sind beim anderen, oder beim selben unter anderen Umständen, nutzlos bis schädlich. Wie lernt man, jeweils das Richtige zu tun? Im einfühlsamen Miteinander, bei dem im Gegenüber ein einmaliges Subjekt zum Vorschein kommt. Das geschieht im sozialen Raum unentwegt und überall, nicht erst auf dem Campus. Weitverbreitete Belastungen wie Ängstlichkeit, Niedergeschlagenheit, Trauer, Anspannung, Verbitterung, Antriebslosigkeit, Stimmungsschwankungen, Selbstzweifel, Unruhe und Erschöpfung kennen Laien aus leidvoller eigener Erfahrung, und bei Sozialkontakten begegnen sie ihnen ein ums andere Mal. Daraus kann sich ein tiefes Verständnis für solche Probleme entwickeln – und Erfahrung damit, was Betroffenen gut tun könnte. Doch was fängt unsereins mit extrem abweichendem Erleben und Verhalten an, das ihm noch nie begegnet ist? Da hört jemand auf zu essen, mutiert zum wandelnden Skelett – und will weiter abnehmen, um sich noch schöner zu finden. Ein anderer wäscht sich mehrere Dutzend Mal pro Tag die Hände, hört bedrohliche Stimmen aus dem Nichts, findet Tiere oder Leichen sexuell erregend, wähnt sich unentwegt verfolgt, ritzt sich lustvoll mit Scheren, Küchenmessern oder Rasierklingen. Ein Weiterer will sich ein Bein amputieren lassen, weil er es als fremd empfindet, nicht seinem Körper zugehörig (1). Jemand verabreicht seinem Kind Gift, um Krämpfe und Erbrechen zu erzeugen, oder drückt ihm die Hauptschlagader ab, um einen epileptischen Anfall auszulösen. (2) Unbekanntes verunsichert und erschreckt, hier stößt der Psychoamateur gewöhnlich an seine Grenzen. So ergeht es dem Profi übrigens häufig ebenfalls. Was er dem Laien in derart befremdlichen Fällen allerdings voraus hat, ist schlicht: Erfahrung. Mit äußerst Ungewöhnlichem bekamen er und seine Fachkollegen bereits zu tun, und allein dieser Umstand verschafft ihnen Vorteile: Sie bleiben gefasster, behalten eher kühlen Kopf, reagieren bedachter. Und sie wissen schon, was da manchmal geholfen hat. Das ist es, wovon sie und ihre Klienten gelegentlich profitieren - und nicht etwa von universellen Gesetzmäßigkeiten, einer alles erklärenden Theorie, einer stets durchschlagenden Technik. “Gesunder Menschenverstand” hat Grenzen Das psychologische Alltagswissen des Laien, von Profis verächtlich als „Küchen-“ oder „Stammtischpsychologie“ abgetan, deckt sich zwar in vielerlei Hinsichten damit, was wissenschaftliche Studien ergeben; daran liegt es, dass Laien ein Großteil psychologischer Forschung nichtssagend und überflüssig vorkommt. Andererseits steckt es voller verbreiteter Vorurteile, an denen vermeintlich gesunder Menschenverstand oftmals hartnäckig festhält, obwohl sie empirisch widerlegt sind (3). Beispielsweise an Thesen wie: „Frauen reden mehr als Männer“, „Die Pubertät ist immer eine Phase der Rebellion, der Konflikte mit Erwachsenen und erhöhter Risikobereitschaft“, „Intellektuell Hochbegabte haben mehr Probleme im Umgang mit Anderen“, „In der Handschrift spiegelt sich die Persönlichkeit“, „Stress verursacht Magengeschwüre“, „Wenn Kleinkindern regelmäßig Mozart vorgespielt wird, steigt ihre Intelligenz“, „Bei Vollmond werden mehr Gewalttaten begangen“, „Wenn Kinder gleich erzogen werden, entwickeln sie später auch die gleiche Persönlichkeit.“ (4) Dass nichts dergleichen stimmt, erfahren professionelle Psychologen während ihres Studiums. Das verschafft ihnen einen Informationsvorsprung. In einer neueren Studie erwiesen sich Experten – Personen, die Psychologie studieren oder ein solches Studium bereits abgeschlossen haben – im Vergleich mit Laien allerdings als kaum weniger anfällig für die oben erwähnten, inzwischen klar widerlegten Common-Sense-Ansichten. Andererseits erkannten mehr als die Hälfte der befragten Laien zehn von dreizehn Irrtümern als solche, 80 Prozent fünf und mehr, über 90 Prozent mindestens drei. (5) Der Laie hilft unflexibler Mit psychischen Nöten ihrer Mitmenschen konfrontiert, pflegen Laien überwiegend einen bestimmten Beratungs- und Behandlungsstil. In ihm spiegeln sich ihre eigenen Überzeugungen, Einstellungen, Erfahrungen und Gewohnheiten wider, aber auch ihr Naturell. Der eine gibt sich eher als hochempathischer Allesversteher (Typ „seelischer Mülleimer“), der andere eher als gewiefter Einflüsterer, als zupackender Verhaltensänderer, als funkensprühender Motivator. Ein Seelenhelfer erreicht aber umso mehr, je vielfältigere Strategien und Werkzeuge ihm zur Verfügung stehen, die er je nach Problem und Situation flexibel einsetzt. Hier haben Profis die Nase vorn. Denn im Laufe ihrer Ausbildung bekommen sie ein solches Instrumentarium an die Hand und üben es unter Aufsicht ein. Mit zunehmender Praxiserfahrung erweitert sich anschließend nicht nur die Bandbreite möglicher Vorgehensweisen. Zugleich wachsen Mut und Selbstvertrauen, sich ihrer zu bedienen. Lasse ich einen Hilfesuchenden reden und halte mich mit Kommentaren möglichst zurück? Löchere ich ihn mit Fragen, oder bin ich eher schweigsam? Konfrontiere ich ihn, womit, wie ausgiebig? Lasse ich ihn auf einem Berggipfel seine Wut herausschreien? Oder im Wald Bäume umarmen? Lasse ich ihn malen? In „Aufstellungen“ szenisch darstellen, welches Verhältnis er zu wichtigen Bezugspersonen hat? Duze ich ihn, oder beharre auf einem distanzierten „Sie“? Biete oder vermeide ich Körperkontakt? Lasse ich ihn liegen oder sitzen? Grabe ich in seiner Vergangenheit, oder richte ich seinen Blick aufs Hier und Jetzt sowie nach vorne? Provoziere ich ihn zwischendurch? Setze ich Humor ein? Wieviel Beachtung schenke ich seinen Träumen, seinen Versprechern? Gebe ich ihm Leitsätze vor? Lasse ich ihn ein Tagebuch führen? Einen Brief an sein künftiges Selbst schreiben? Bleibe ich betont sachlich und nüchtern, oder engagiere ich mich emotional? Wieviel Sympathie und Mitgefühl zeige ich? Wann breche ich ab? Setze ich ausschließlich auf Bewährtes, oder probiere ich ganz neue Wege aus - wie etwa jener Südkoreaner, der Selbstmordgefährdete ihre eigene Beerdigung vorbereiten, Abschiedsbriefe an ihre Lieben verfassen und im Sarg probeliegen lässt? Patentrezepte gibt es nicht. Wieviel eine Maßnahme bringt, erweist sich immer nur individuell und meist erst im nachhinein, vom Ergebnis her; dabei entpuppt sich die scheinbar abwegigste bisweilen als die hilfreichste. Die Sargtherapie vermittelt den Teilnehmern eine „derart schockierende Erfahrung“, dass sie danach für einen Neustart bereit seien, versichert ihr Erfinder Jeong Yong-mun vom Hyowon Healing Centre in Seoul. (6) Wann welche Strategie Sinn macht, entscheidet ein guter Therapeut eher intuitiv, keine Fachliteratur nimmt ihm das ab. Dass er um eine Vielzahl möglicher Vorgehensweisen weiß, verschafft ihm gegenüber Amateuren einen erheblichen Vorteil - allerdings keinen, der sich zwangsläufig aus höheren akademischen Weihen ergibt. Eine Begegnung flexibel zu gestalten, auf wechselnde Situationen kreativ reagierend, wird Studenten an der Uni eher ausgetrieben als beigebracht. Es bedürfte weniger Wochenendkurse, um engagierte Laien dafür fit zu machen, soweit sie es überhaupt noch nötig haben. Der Vorteil des Profis: ein voller Werkzeugkasten Wenn Profis hier kopfschüttelnd abwinken, verkennen sie, worin ihr Kompetenzvorsprung letztlich besteht. Auf ihrem Ausbildungsweg ist ihnen ein stattlicher Werkzeugkasten überreicht worden, prallgefüllt mit Dutzenden, wenn nicht Hunderten von unterschiedlichen Instrumenten. Der Laie hingegen, wie sie selbst vor Studienbeginn, kennt und nutzt im allgemeinen nur ein paar wenige. Jegliche allgemeinen Bedienungsanleitungen, wie sie wissenschaftliche Ausbildungen zu vermitteln vorgeben, erweisen sich im alltäglichen Gebrauch, beim Helfen und Heilen, freilich als weitgehend nutzlos. Denn die Instrumente müssen in einer Welt zum Einsatz kommen, in der verwirrenderweise kein Werkstoff, kein zu reparierender Gegenstand dem anderen gleicht. Im Laufe der Zeit dämmert manchen Profis, wie sinnfrei die Frage ist, welches Instrument denn nun das allerbeste sei. Ist ein Schraubenzieher besser als ein Hammer oder eine Feile, eine Säge oder ein Lötkolben? Im Handwerk wie beim Psychotherapieren lautet die Antwort: Kommt drauf an. Wirkliche Könner gehen nach und nach dazu über, ihr Werkzeug pragmatisch einzusetzen, je nach Einzelfall und Umständen - wie, lehrt sie nicht der Prof, das Lehrbuch und die Fachzeitschrift, sondern das pralle Leben. Erweist sich ein Instrument als ungeeignet, greifen sie undogmatisch zu einem anderen, oder sie kombinieren mehrere miteinander. Je ausgiebiger sie damit hantieren, desto sicherer, erfinderischer und spontaner werden sie darin. Dabei verdrängt Intuition zunehmend Deduktion. So, und niemals nach Schema-F-Methodik und Schema-G-Theorie, funktioniert Psychotherapie, die hilft - einerlei, ob ein Profi oder ein Amateur sie ausübt. Vielen Laien fällt es schwerer, objektiv zu sein Je näher Laien dem Hilfesuchenden stehen, desto eher sind sie voreingenommen und befangen, wenn sie einzuschätzen versuchen, was ihm aus welchen Gründen fehlt. Ihr Urteilsvermögen könnten Sympathien trüben, vielleicht auch ein handfestes Interesse daran, einen Gesunden für krank oder einen Kranken für gesund zu erklären. An einen Therapeuten wendet man sich in ähnlicher Erwartung, die man einem Richter entgegenbringt: Man sieht in ihm eine neutrale Instanz, frei von vorgefassten Meinungen (worin man sich hin und wieder täuscht). Therapeuten fehlt in der Regel ein Motiv, sich nicht um Objektivität zu bemühen. Jeder beliebige Befund kann ihnen gleichermaßen recht sein, es sei denn, sie haben zuwenig zu tun, weshalb sie Kundschaft an sich binden wollen. Aber auch manche Laien sind durchaus imstande, eine innere Notlage sachlich zu betrachten und Bindungen vorübergehend auszublenden. Profis nützt ein größerer Erfahrungsschatz Profis verbringen mehr Zeit mit seelisch Belasteten. So wahr wie banal: Je öfter und länger man sich mit einer Sache befasst, desto besser kennt man sich im allgemeinen mit ihr aus. Wer täglich stundenlang TV-Gekicke guckt, im Zoo vor dem Schimpansenkäfig hockt oder seine Briefmarkensammlung pflegt, weiß weitaus mehr über Fußball, Affen und Postwertzeichen als jemand, der das bloß gelegentlich oder niemals tut – auch ohne DFB-lizenzierter Fußball-Lehrer, Diplom-Zoologe oder Philatelist zu sein. Dem psychologischen Laien hat der Profi voraus, dass er mit seelisch Belasteten von morgens bis abends zu tun hat, nicht bloß ab und zu stundenweise. Kein Wunder, dass er aus einem weitaus größeren Erfahrungsschatz schöpfen kann. Und weil ihm psychische Einschränkungen vertrauter sind, geht er von vornherein gelassener mit ihnen um. Auf Überraschungen ist er eher vorbereitet, unabsehbare Gesprächsverläufe und plötzliche Gefühlsausbrüche bringen ihn weniger aus der Fassung, und so wirkt er souveräner. Profis kommt Expertengläubigkeit zugute Hilfesuchende öffnen sich eher für einen Helfer, in dem sie einen Experten sehen, ob zurecht oder voreilig. Man kennt das von Parties, man erlebt es in Reisegruppen: Kaum hat sich einer als Psycho-Profi geoutet, da legen Anwesende hemmungslos einen Seelenstriptease hin: Sie enthüllen intime Probleme, spitzen die Ohren, lauschen gebannt. Die Hemmschwelle, sich vor Fachleuten zu entblößen, liegt erheblich niedriger. Dem Gynäkologen zeigt man im Krankheitsfall ziemlich ungeniert seine Geschlechtsteile – wer würde das vor einem Bekannten, einem Kollegen, einem Nachbarn tun? Einem Psycho-Profi gewährt man im allgemeinen tiefere Einblicke ins eigene Innere, auch in Begebenheiten, Neigungen und Phantasien, derer man sich gewöhnlich schämt. Das verschafft ihm einen Informationsvorsprung - einen, der freilich nicht auf wahrer Wissenschaft beruht, sondern auf einem Statusgefälle und eingefleischten Rollenerwartungen. Dem Laien fehlt das Informationsnetz Unter Laienpsychologen überwiegen Einzelgänger. Begegnen sie fremdem Leid, so beraten und behandeln viele drauflos, auf eigene Faust, ausgehend von persönlichen Erfahrungen. Beim Helfen schöpfen sie vornehmlich aus sich selbst. Professionelle Psychologen, Psychotherapeuten und Psychiater hingegen werden im Laufe ihrer Ausbildung in eine gut vernetzte Großgruppe eingeführt, in der man rege Informationen austauscht und Rückmeldungen gibt: die scientific community. In Fachzeitschriften und Newslettern, auf Kongressen, Tagungen und Weiterbildungsveranstaltungen werden Erfahrungen berichtet, verglichen, zur Diskussion gestellt: Wie machen es Andere? Was hat bei einer bestimmten Störung geholfen, was nützte weniger bis nichts, was richtete eher Schaden an? Wissenschaft ist eine kollektive Lebensform. Von der Anbindung an sie zehren praktizierende Seelenheilkundige weiterhin, nachdem sie den Hochschulbetrieb hinter sich gelassen haben. Jede Wette: Würden psychologisch interessierte Laien in großer Zahl beschließen, gemeinsame Plattformen des Erfahrungsaustauschs zu schaffen – auch ohne akademische Vorbildung brächten sie noch weitaus mehr zustande als ohnehin. Eine organisierte, auf ständigen Austausch ausgerichtete Gemeinschaft hat noch einen weiteren Vorteil: Erworbenes Wissen kann sie systematisch anhäufen – und daran wachsen. Wissenschaft entwickelt sich kumulativ: Jede neue Generation baut darauf, was vorherige hinterlassen haben. Sie übernimmt deren Erkenntnisse, modifiziert oder erweitert sie, macht sich schon gefundene, bewährte Lösungen zunutze. Wer daran teil hat, gleicht dem Zwerg, der auf den Schultern von Riesen steht: Er sieht weiter. Brächte es die Multimillionenschar fähiger Laienpsychologen außerhalb des Wissenschaftsbetriebs zustande, ihre gesammelten Erfahrungen ebenso zu bewahren und daran anzuknüpfen: Im Wettbewerb mit akademischen Psychologen schnitte sie noch erheblich besser ab. Die meisten Profis waren von vornherein begabter Die Nase vorn haben Psycho-Profis durchweg bereits, ehe ihre akademischen Lehrjahre begannen. Im Kümmern um psychisch Belastete eine Berufung zu sehen und einen entsprechenden Beruf anzustreben, anstatt lieber Handwerker, Ingenieur oder Bankkaufmann, Chemiker, Dolmetscher oder Programmierer zu werden: das zeichnet junge Leute aus, die brennend daran interessiert waren, was in Anderen vorgeht, lange bevor sie ein Hochschulgebäude betraten. Immer schon fielen sie durch ein besonderes Geschick auf, ihre Mitmenschen aufmerksam zu beobachten und einzuschätzen, feinfühlig auf sie einzugehen, sich in sie hineinzuversetzen, sie aufzurichten. Immer schon konnten sie besonders achtsam zuhören und beobachten, sich einfühlen und kommunizieren. Es gelingt ihnen eher, sich selbst zurückzunehmen und Fehler zu vermeiden, die Verstehen erschweren: beispielsweise ein Anderssein abzuwerten, recht haben wollen, manipulieren, Respekt verweigern, vom eigenen Fall kurzschließen, sich von eigenen Vorurteilen, Abneigungen und Denkgewohnheiten beherrschen lassen. Die Befähigung hierfür, die ihnen angeblich erst ein Studium vermittelt, brachten sie bereits ins erste Semester mit. Kein Wunder, dass vortreffliche Menschenversteher unter ihnen häufiger vorkommen als im Bevölkerungsdurchschnitt. In Leistungstests zum sozialen Verstehen und Unterstützen würde ein Großteil der Diplom-Psychologen, psychiatrischen Fachärzte und staatlich anerkannten Psychotherapeuten vermutlich höher performen als andere Berufsgruppen - doch das täten sie auch, wenn solche Vergleiche schon vor Beginn ihrer akademischen Laufbahn stattfänden. Sollten wir eine Tauchschule für Fische loben, wenn ihre Absolventen unter Wasser klarkommen? Mehr Optionen Was geben jungen Leuten ein Hochschulstudium, psychotherapeutische und psychiatrische Zusatzausbildungen dann an die Hand? Keine zuverlässigen Bedienungsanleitungen, sondern günstigstenfalls weitere Handlungsoptionen, über jene hinaus, mit denen sie vorher schon vertraut waren. Keine schlüssigen Erklärungen, sondern eine Vielfalt von Deutungsmöglichkeiten – Schablonen, Textbausteine und Bilder für Geschichten, mit denen sie Unverstandenen Sinn vermitteln. Langjährige Berufstätigkeit beschert ihnen obendrein reichlich Erfahrungen damit, wie sich bestimmte Vorgehensweisen auswirken können; Gelegenheiten, eigene soziale Fähigkeiten weiterzuentwickeln; praktische Lektionen darin, Mitgefühl nicht in Mitleid abgleiten zu lassen, Nähe nicht in plumpe Vertraulichkeit, gegenseitige Sympathie nicht in eine Bindung, die abhängig macht. Außerdem zehren sie von dem erheblichen Vorsprung an Prestige und Autorität, den ihnen das Wissen Hilfesuchender um ihren akademischen Hintergrund verschafft. Das ist es, was sie den Laienhelfern in unseren Camps voraushaben. Wenn sie es Patienten zugute kommen lassen, dann weniger aufgrund ihrer universitären Ausbildung, sondern an ihr vorbei, über sie hinweg, ja gegen sie. Was Psychologen verstehen hilft, sind in erster Linie grundlegende psychosoziale Fähigkeiten, die im Wissenschaftsbetrieb nicht nur keine Förderung erfahren, sondern im Gestrüpp von „Varianzanalysen“ und „Signifikanztests“, „Kreuzvalidierungen“ und „Cronbachs Alpha“, „Intervallskalierungen“ und „kumulativen Verteilungsfunktionen“ eher verkümmern. Hochschulpsychologie ist der organisierte Versuch, angehende Psychologen vergessen zu lassen, worum es ihnen ging, als sie welche werden wollten, und ihnen auszutreiben, was sie dringend benötigen, um zu helfen. So löst sich ein vermeintlicher Widerspruch auf: Nicht die Psychologie, wohl aber manche Psychologen können seelisch Belasteten eine große Hilfe sein. Ein Psychologe, egal wie wissenschaftlich sein Selbstverständnis ausfällt, ist nicht fleischgewordene Wissenschaft. Er ist ein Subjekt wie wir. Er hatte ein Leben vor seiner Begegnung mit der universitären Psychologie. Er hatte eines während seines Studiums. Er hat es außerhalb seiner Praxis, aber auch während seiner Sprechstunden in jedem Moment, in dem er intuitiv und spontan agiert und reagiert, ohne sein Handeln lehrbuchkonform aus angelernten Studiendaten, Methoden und Theorien herzuleiten – also so gut wie immer. Über all die sozialen Fähigkeiten, die Laienhelfer in Beziehungen einzubringen haben, verfügt auch er – allerdings oft in erheblich höherem Maße als Vertreter anderer Berufsgruppen. Kurzum: Seine Praxis gestaltet er mittels Fähigkeiten, die ihn immer schon ausgezeichnet haben. Nun wird ein übereinstimmender Befund mehrerer Wirksamkeitsstudien verständlicher: Zumindest ein Teil der professionellen Therapeuten bringt erheblich zustande als üblich. Wie in jeder Berufsgruppe, so finden sich auch unter ihnen wenige herausragende Könner - Supershrinks, wie amerikanische Therapieforscher sie salopp getauft haben. Die Fähigsten erzielen bei ihren Klienten Besserungsraten, die zehnmal höher sind wie im Therapeutendurchschnitt (7), die Abbruchquoten sind in ihren Praxen weniger als halb so hoch. (8) Worin besteht ihr Erfolgsgeheimnis? Sie sind imstande, eben jene allgemeinen Wirkfaktoren geschickt ins Spiel zu bringen, dank derer auch manche psychologischen Amateure zu vortrefflichen Seelenhelfern werden. Nach Aristoteles sind Tugenden ideal ausgeprägt, wenn sie die Mitte zwischen den Extremen halten: die Freigebigkeit beispielsweise zwischen Geiz und Verschwendungssucht, die Tapferkeit zwischen Feigheit und Tollkühnheit. Mit dieser Richtschnur in Händen sollte es unterschätzten Laienpsychologen gelingen, die Waage zu halten, wann immer sie mit Psychoprofis zu tun bekommen: zwischen lächerlichem, respektlosen Größenwahn und vorauseilender Selbstverzwergung. Zur Ehrenrettung der Putzkraft „Ist das alles dein Ernst?“, entfuhr es meinem alten Bekannten, einem Psychologie-Dozenten, nachdem er sich die Gefälligkeit angetan hatte, das Manuskript dieses Buchkapitels mir zuliebe gegenzulesen. „Du würdest also eher zur Putzfrau gehen als zum Psychotherapeuten“, spöttelte er kopfschüttelnd, „und eher zum Stammtisch als in die psychiatrische Fachklinik, falls du aus einem seelischen Tief aus eigener Kraft nicht mehr herauskämst?“ Damit brachte er mich im Nu auf die Palme: „Zeugt es nicht eher von küchenpsychologischer Voreingenommenheit und der Arroganz des Akademikers als vom Geist der Wissenschaft, wenn du Reinigungskräfte und gesellige Lokalrunden pauschal abwertest? Wenn die Putzfrau mit mir so umzugehen verstünde, wie ich mir das von jemandem wie dir wünschen würde: Warum eigentlich nicht? Was sie dazu in erster Linie bräuchte, lernt man schließlich nicht erst und ausschließlich an der Uni.“ Weil ich dafür einen entgeisterten Blick erntete, fuhr ich fort: „Lass mich empirisch werden. Aus eigener Erfahrung kann ich unter Eid beschwören: Obwohl ich in den vergangenen vierzig Jahren bestimmt eine dreistellige Zahl von professionellen Seelenheilkundigen kennenlernte, verdanke ich einige der psychologisch tiefgründigsten, bewegendsten, hilfreichsten Begegnungen: einem Physiklehrer, einer Erzieherin, einer Sozialarbeiterin, einer Buchhalterin, einer Mathematikerin, einem Radiologen, einer Zahnarzthelferin sowie einer Werbefachfrau mit Hauptschulabschluss. Sie erreichten, berührten und bewegten mich – übrigens mehr als du, offen gestanden.“ Seither ist unser Kontakt abgerissen. (Harald Wiesendanger) Dieser Text ist ein Auszug aus Harald Wiesendanger: Psycholügen, Band 3: Seelentief: ein Fall für Profis?, Schönbrunn 2017, 2. erw. u. aktualisierte Aufl. 2024; 124 S., auch als PDF. Die Folgen dieser Serie („Helfen Psycho-Profis wirklich besser?“) 1 Reichlich erforscht: Viele Laien können mehr 2 Unter den Teppich gekehrt 3 Vogel Dodo beim Wettlauf der Psychotechniker 4 Wie viel bringt Psychotherapie wirklich? 5 Warum nützt Psychotherapie? 6 Warum manche Laien die besseren Therapeuten sind 7 Hochstapler unter Hochstaplern 8 Psychotherapie als Gefahrenherd 9 Nase vorn: Was viele Profis besser können – und weshalb 10 Pragmatismus statt Lobbyismus - Für eine weise Psycho-Politik Anmerkungen 1 Ein Merkmal der Body Integrity Identity Disorder (BIID). 2 Zu solch grausamen Methoden greifen Eltern mit sog. „Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom“, um die Aufmerksamkeit von Ärzten und Mitmenschen zu bekommen; rund 15 Prozent der betroffenen Kinder überleben solche Torturen nicht. 3 S. O. Lilienfeld u.a.: 50 Great Myths of Popular Psychology: Shattering Widespread Misconceptions about Human Behaviour, Chichester 2010. 4 Dreizehn nicht zutreffende Aussagen dieser Art, neben drei richtigen, bewerteten in einer 2013 veröffentlichten Studie 1688 Laien zwischen 16 und 82 Jahren sowie 142 psychologische Experten, s. U. P. Kanning/F. Rist/M. T. Thielsch: „Mythen der Alltagspsychologie – Was wissen Laien über (vermeintliche) Forschungsergebnisse?“, Skeptiker 26 (1) 2013, S. 10-15. 5 Kanning u.a., a.a.O., Anm. 108. 6 Südwest Presse, 15.12.2015: „Sarg-Schock soll vor Selbstmord schützen.“ 7 J. Okiishi u.a.: „Waiting for Supershrink: An Empirical Analysis of Therapist Effects“, Clinical Psychology and Psychotherapy 10/2003, S. 361-373. 8 Barry Duncan/Scott Miller: „Supershrinks: What is the secret of their success?“, Psychotherapy Networker, Nov/Dez 2007, https://www.researchgate.net/publication/284394201_Supershrinks_What_is_the_secret_ of_their_success Das Titelbild ließ ich von Microsofts KI „Bing Image Creator“ generieren.
- Psychotherapie als Gefahrenherd
Die Fachwelt ist sich einig, Medien hinterfragen sie nicht: Angeblich gehören psychisch Belastete unbedingt in die Hände von wissenschaftlich ausgebildeten Profis. Denn Laien könnten gewaltigen Schaden anrichten, so heißt es. Verschwiegen werden Risiken und Nebenwirkungen von Psychotherapie – oft macht sie alles nur noch schlimmer. „Kommt eine Psychotherapie für Sie in Betracht?“ Jeder Fünfte, den ernste seelische Nöte plagen, antwortet darauf mit einem „Nein“. Häufigste Begründungen: Man halte nichts von ihr, man habe Angst vor ihr. (1) „Die Dunkelziffer liegt hier wohl noch sehr viel höher“, vermutet die Psychologin Kirsten von Sydow von der Uni Hamburg, die 103 Studien über das öffentliche Image der Psycho-Berufe aus den Jahren 1948 bis 2006 auswertete. (2) Der Argwohn ist wohlbegründet, auch die restlichen vier Fünftel täten gut daran, ihn zu hegen. Denn vermeintliche Professionalität bewahrt sie nicht zuverlässig davor, Schaden zu nehmen. Fast jedem zweiten Patienten geht es, Studien zufolge (3), nach einer Psychotherapie nicht besser als vorher. (4) „Etwa zehn Prozent der Psychotherapie-Patienten erfahren schwerwiegende und länger andauernde Nebenwirkungen“, erklärt Michael Linden, Neurologe, Psychiater und Psychotherapeut an der Charité in Berlin. (5) Das gängige Stereotyp „Reden schadet nicht“ führt in die Irre. Die Risiken und Nebenwirkungen sind vielfältig. Seit Januar 2012 zwingt das neue Patientenrechtegesetz Therapeuten dazu, vor Beginn der Behandlung auf sie hinzuweisen, ausführlich und verständlich. Schiefgehen kann viel Weil Klienten immer auch Einkommensquellen darstellen, erliegen manche Therapeuten der Versuchung, sie an sich zu binden. Durch Versprechungen oder Drohungen üben sie auf Hilfesuchende mehr oder minder sanften Druck aus, eine Behandlung auch dann noch fortzusetzen und keinesfalls abzubrechen, wenn immer offenkundiger wird, dass sie nichts bringt. Oftmals versäumen sie es, mögliche körperliche Ursachen in Betracht zu ziehen. So ist nicht jede Depression psychischen Ursprungs. Dahinter können vielerlei körperliche Erkrankungen stecken: Stoffwechselstörungen der Schilddrüse und im Gehirn, chronische Entzündungen, Vitamin-B12/D3-Mangel, Hormonmangel und andere pathologische Prozesse. (6) Manche Psycho-Profis unternehmen zuwenig, um eine unnötig starke emotionale Bindung des Hilfesuchenden an sie zu verhindern. Gegen seinen Willen und Widerstand verfolgen sie Therapieziele, die ihnen erstrebenswerter erscheinen als ihm. Sie genießen die Machtstellung, die ihnen die Hilfsbedürftigkeit des Klienten verschafft: den Besserwisser geben, bloßstellen und dirigieren, Aufmerksamkeit gewähren oder entziehen. Oder sie reden ihm Phantasiegebilde ein. Vor allem in den neunziger Jahren liefen in den USA mehrere Gerichtsverfahren gegen Analytiker, deren Patienten nach bohrenden Suggestivfragen Verwandte fälschlicherweise des sexuellen Missbrauchs bezichtigt hatten. (7) Hierzulande berät der Verein False Memory Deutschland Menschen, die aufgrund einer Pseudoerinnerung des Missbrauchs beschuldigt werden. Freud selbst hatte sich auf die groteske Behauptung verstiegen, vermeintliche Erinnerungen von Patientinnen daran, in ihrer Kindheit sexuell missbraucht worden zu sein, würden niemals auf realen Geschehnissen beruhen, sondern grundsätzlich auf Hirngespinsten – zum Leidwesen unzähliger Frauen, denen tatsächlich Gewalt widerfahren war. (8) Sexuelle Übergriffe, fast immer gegenüber weiblichen Klienten, kommen in psychotherapeutischen Praxen weitaus häufiger vor, als Fachkreise wahrhaben wollen: Je nach Definition des Begriffs „sexueller Kontakt“ bleiben einem bis zwölf Prozent derartige Erfahrungen nicht erspart. (9) Manche Patienten verleitet Psychotherapie zu einem Egotrip. Womöglich erstmals in ihrem Leben lernen sie, auf die eigenen Bedürfnisse achtzugeben. Anschließend sind sie so sehr auf sich selbst bezogen, dass sie am Arbeitsplatz und zu Hause nicht mehr klarkamen: Sie trennten sich vom Partner, kündigten den Job, brachen Kontakt zu Familie und Freunden ab - und entwickelten Züge einer narzisstischen Persönlichkeit. (10) Je nach eingesetztem Verfahren drohen weitere üble Nebenwirkungen. Ein schweres Trauma - etwa bei Kriegsveteranen, Opfern von Unfällen, Gewaltverbrechen oder Katastrophen - durch Konfrontation mit dem schrecklichen Erlebnis anzugehen, kann extreme Reaktionen auslösen. Zusätzlich zur „posttraumatischen“ Störung entwickeln Patienten dann eine „dissoziative“: Erinnerung an einzelne belastende Erlebnisse oder ganze Teile ihrer Persönlichkeit, die mit diesen Erlebnissen verbunden sind, spalten sie ab. Symptome reichen von Amnesie über Wahrnehmungs- und Empfindungsstörungen bis hin zu Krampfanfällen und Lähmungserscheinungen. Häufiger kontraproduktiv als entlastend ist das sogenannte „Debriefing“, bei dem der Psycho-Profi Betroffene und Zeugen eines schrecklichen Geschehens vor einer Posttraumatischen Belastungsstörung zu schützen versucht, indem er es unmittelbar anschließend mit ihnen aufarbeitet. Tatsächlich erlebten derart Behandelte nach drei Jahren deutlich häufiger noch belastende Erinnerungen an die Katastrophe als unbehandelte Beteiligte. (11) Schiefgehen kann bei einer kognitiven Verhaltenstherapie auch eine „Exposition“: Um eine Angststörung zu überwinden, wird der Betroffene schrittweise der Situation ausgesetzt, die ihn peinigt. Michael Linden, Neurologe, Psychiater und Psychotherapeut an der Charité in Berlin, erinnert sich an einen Patienten, den offene Räume ängstigten. Im Verlauf der Behandlung lernte er, kurze Spaziergänge bis zur nächsten Straßenecke zu machen. Doch bei einer Autofahrt mit seinem Therapeuten erlitt er aus unerfindlichen Gründen eine Panikattacke. Fortan wagte er sich gar nicht mehr aus dem Haus. Die Therapie brach er ab. (12) Auch Gruppentherapien bergen ihre eigenen Risiken. Ansteckungsgefahr zählt dazu: Wer die bisweilen dramatischen Geschichten anderer hört, schöpft aus dem geteilten Leid nicht immer Kraft, sondern fühlt sich demoralisiert. Bloß ausnahmsweise? Therapeutenkreise lassen solche Mängellisten freilich kalt. Schwarze Schafe, Anfänger und Stümper, Nichts- und Wenigkönner tummeln sich schließlich in jedem Berufsfeld, wiegeln sie ab. Selbstverständlich, so räumen sie bereitwillig ein, leisten sich Psychotherapeuten, nicht anders als Ärzte, immer wieder mal schwerwiegende Patzer. Doch diese, beruhigen sie, lassen sich grundsätzlich abstellen: durch noch gründlichere Ausbildung und Supervision, durch eine noch strengere Standesgerichtsbarkeit, durch verschärfte Kontrollmaßnahmen, gerne auch dadurch, dass der Gesetzgeber Patientenrechte stärkt. Im übrigen gehören Risiken und Nebenwirkungen halt zu jeder effektiven Therapie; was nützt, kann immer auch schaden. Hauptsache, der Nutzen überwiegt. Dabei verkennen sie: Psychotherapie weist Merkmale auf, die sie grundsätzlich gefährlich machen. Sie droht immer Schaden anzurichten. Erstens: Psychotherapie brandmarkt. Als Teil des medizinischen Versorgungssystems stempelt sie Belastete zu Patienten. Wer sich ihr unterzieht, erklärt sich einverstanden damit, verschubladet zu werden: als Betroffener einer „psychischen Störung“. Dazu wird ihm eine Diagnose verpasst, andernfalls zahlt die Krankenkasse nicht. Diese Etikettierung grenzt ihn aus der Welt der Normalen aus, sie definiert ihn als therapiebedürftigen Symptomträger. Zweitens: Psychotherapie kann das Selbstbild beschädigen. Denn sie wertet ab. Ehe sie beginnt, fällt ein Urteil, das wissenschaftlich einzuordnen scheint, in Wahrheit aber geringschätzt: „Was du tust und erlebst, weicht von üblichem Erleben und Verhalten ab – es ist abnorm. Derart lange, derart stark darfst du nicht trauern, dich fürchten, dich zurückziehen, hadern, unaufmerksam, wütend, lustlos, launisch, erschüttert sein. So, wie du bist, darfst du nicht bleiben.“ Unter dem verstörenden Eindruck, nicht mehr normal zu sein, verändert sich das Selbstbild des Klienten schleichend in Richtung verbreiteter Vorurteile. Beschleunigt und verstärkt wird dieser Prozess, wenn die Therapie seine tatsächlichen oder vermeintlichen Schwächen in den Vordergrund rückt. Das verleitet ihn dazu, alles und jegliches als Symptom seiner Krankheit zu betrachten. Gilt er erst einmal als gestört, so wird alles verdächtig, was er tut oder sagt, weil er nun unter verschärfter Beobachtung steht - durch Außenstehende, aber auch durch sich selbst. Aus einer ersten, vielleicht vorläufigen Diagnose, die sich womöglich bald als übereilt erwiesen hätte, wird dann allzu leicht eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Drittens: Psychotherapie kann unselbstständig machen. Zum psychisch Kranken erklärt, wird dem Betroffenen die Fähigkeit abgesprochen - und entsprechendes Bemühen erspart -, aus eigener Kraft zu genesen. Der Medizinbetrieb, in den er sich begeben hat, weckt und bestärkt seinen Glauben, dazu bedürfe es unbedingt des Beistands von Experten – ohne sie kriege er das unmöglich hin. Spötter sprechen vom „Woody-Allen-Syndrom“, so benannt nach dem berühmten amerikanischen Schauspieler und Regisseur, der sich zum Lebensmotto bekennt: „Da muss ich erst mal meinen Therapeuten fragen.“ Viertens: Psychotherapie kann dazu verleiten, soziale Bindungen zu vernachlässigen. Wer sich darauf einlässt, sucht und findet oft niemanden, von dem er sich angenommen und verstanden fühlt. Niemanden, bei dem er sich aussprechen kann, dem er voll und ganz Vertrauen schenkt. Niemanden, der Interesse und Anteilnahme zeigt. Niemanden, der bereit ist, auch bei unerfreulichen, belastenden Themen stundenlang und öfter als einmal zuzuhören, ohne Langeweile oder Überdruss zu zeigen. Niemanden, der ihm Ermahnungen und Vorhaltungen erspart. Von Verwandten, Freunden und Bekannten, im Kollegenkreis, selbst vom Lebensgefährten wähnt er sich unverstanden und missachtet, er fühlt sich einsam. Im Gegensatz dazu erscheint ihm Psychotherapie als Geschenk des Himmels: Endlich ist da einer, der ihm seine volle Aufmerksamkeit widmet. Dass der Therapeut sich ihm bloß von Berufs wegen und ausschließlich gegen Bezahlung zuwendet, verdrängt er. Psychotherapie ist bequem, im Gegensatz zu dem anstrengenden, zeitraubenden und stets mit Unsicherheiten verbundenen Bemühen, verständnisvolle, hilfsbereite Freunde zu gewinnen. Und weil es der menschlichen Natur entspricht, sich Mühsal möglichst zu ersparen, besteht das Risiko, dass man den angenehmen Weg dem aufwändigeren vorzieht, zumal wenn die Krankenversicherung dafür aufkommt oder solange der eigene Kontostand es zulässt. Insofern gleicht der Besuch beim Psychoprofi durchaus dem Gang ins Bordell, wie der Psychiatriekritiker Hans Ulrich Gresch bissig anmerkt. Die Gefahr, die bequeme Lösung zu bevorzugen, sei bei der Psychotherapie „sogar noch größer als beim käuflichen Sex, weil letzteren die Kasse nicht bezahlt“. (13) Sie verkauft die Illusion von Freundschaft wie die Hure die Illusion von Liebe. Fünftens: Weil die Zuwendung des Therapeuten eine professionelle, keine wahrhaftige ist, mangelt es ihr an Tiefe und Echtheit. Die zeitweilige Erleichterung und Befriedigung, die sie verschafft, wirkt nicht dauerhaft nach, sondern verblasst bald wieder. 45 Therapieminuten vergehen schnell. Diese Konstellation hat Suchtpotential, verbunden mit dem Zwang, immerzu die Dosis zu steigern, und zunehmenden Entzugserscheinungen. Psychotherapie kann zum Nikotin der Seele werden, ebenso rasch wie Zigaretten weckt und steigert ihr Konsum das Verlangen nach mehr. „Im Grunde“, räumt die US-Psychologin Catherine Johnson ein, „müsste es längst Spezialbehandlungen für Therapiesüchtige geben.“ (14) Sechstens: Psychotherapie kann verblenden. Lebensprobleme entstehen nie bloß „im Inneren“. Sie ergeben sich aus einem hochkomplexen Wechselspiel: zwischen allem, was eine Person ausmacht – ihren eigenen Erlebnissen, Erfahrungen, Wahrnehmungen, Erinnerungen, Gefühlen, Einstellungen, Überzeugungen, Erwartungen, Gewohnheiten, Fähigkeiten, Bedürfnissen, Wünschen, allen Stärken und Schwächen ihrer Persönlichkeit –, mit ihrer sozialen Umgebung, ihren finanziellen Verhältnissen, ihrem soziokulturellen Rahmen in Vergangenheit und Gegenwart. Diese äußeren Umstände klammert Psychotherapie in aller Regel aus. Sie konzentriert sich auf den Betroffenen selbst – und verleitet ihn, dasselbe zu tun. Wer oder was ihn kränkt, bedrängt, überfordert oder quält, gerät aus dem Blick - als Hauptproblem erscheint seine persönliche Unfähigkeit, damit klarzukommen. Siebtens: Psychotherapie kann Schuldgefühle nähren, und das erhöht den Leidensdruck. Wenn ein psychisches Problem nicht in erster Linie von belastenden äußeren Umständen herrührt, sondern vom Unvermögen des Betroffenen, sich ihnen anzupassen, so liegt der schwarze Peter bei ihm. Er soll sich ändern, während seine Lebensumstände objektiv dieselben bleiben. Je belastender sie sind, desto eher fühlt er sich überfordert, zumal dann, wenn er sie als unabänderlich und unentrinnbar wahrnimmt (womit er recht haben könnte). Anders als die Organmedizin zieht das Unternehmen Psychotherapie Nutzen daraus, dass es offenkundige Fehlschläge stets auf das Versagen dessen schieben kann, der sie in Anspruch nimmt. „Während ein Chirurg bei jedem Schnitzer mit einem ruinösen Kunstfehlerprozess rechnen muss“, bemängelt der Wissenschaftspublizist Rolf Degen, „kann ein Seelendoktor einen Misserfolg mit dem ‘Widerstand’ oder der ‚‘fehlenden Krankheitseinsicht’ seines Anvertrauten bemänteln oder im Fachkauderwelsch entschärfen.“ (15) Kurzum, Psychotherapie hat das Zeug zum brandgefährlichen Krankmacher. Allzuoft erzeugt, verstärkt und verlängert sie eben jene seelischen Belastungen, denen sie beizukommen vorgibt. (Harald Wiesendanger) Dieser Text ist ein Auszug aus Harald Wiesendanger: Psycholügen, Band 3: Seelentief: ein Fall für Profis?, Schönbrunn 2017, 2. erw. u. aktualisierte Aufl. 2024; 124 S., auch als PDF. Die Folgen dieser Serie („Helfen Psycho-Profis wirklich besser?“) 1 Reichlich erforscht: Viele Laien können mehr 2 Unter den Teppich gekehrt 3 Vogel Dodo beim Wettlauf der Psychotechniker 4 Wie viel bringt Psychotherapie wirklich? 5 Warum nützt Psychotherapie? 6 Warum manche Laien die besseren Therapeuten sind 7 Hochstapler unter Hochstaplern 8 Psychotherapie als Gefahrenherd 9 Nase vorn: Was viele Profis besser können – und weshalb 10 Pragmatismus statt Lobbyismus - Für eine weise Psycho-Politik Anmerkungen 1 M. Franz u.a.: „Warum ‘Nein’ zur Psychotherapie?“, Psychotherapie - Psychosomatik - Medizinische Psychologie 43/1993, S. 278-285. 2 Kirsten von Sydow: „Das Image von Psychologen, Psychotherapeuten und Psychiatern in der Öffentlichkeit. Ein systematischer Forschungsüberblick“, Psychotherapeut 52/2007, S. 322-333. 3 Immerhin liegen mittlerweile eine Reihe von Studien vor – aus Europa, https://www.cambridge.org/core/journals/bjpsych-open/article/negative-effects-of-psychotherapy-estimating-the-prevalence-in-a-random-national-sample/1C4E7F900F5CAF2CFAD129D54E4CC00C den USA, https://psycnet.apa.org/doiLanding?doi=10.1037%2Fa0015643 und Australien. https://journals.sagepub.com/doi/10.1080/00048670903107559 4 Zusammenfassend: https://www.spiegel.de/gesundheit/psychologie/psychotherapie-hat-kaum-bekannte-risiken-und-nebenwirkungen-a-869344.html 5 Zit. in https://www.welt.de/wissenschaft/plus241837735/Gesundheit-Die-unerwuenschten-Nebenwirkungen-der-Psychotherapie.html 6 Siehe https://www.schlosspark-klinik-dirmstein.de/depression-koerperliche-ursachen/ 7 Der Spiegel 30/1994, S. 76. 8 Solche bestürzenden Fälle schildert Jeffrey Masson, ehemals selbst Psychoanalytiker und Forschungsdirektor der Sigmund-Freud-Archive, in seiner Streitschrift Die Abschaffung der Psychotherapie - Ein Plädoyer, München 1991. 9 Siehe die umfangreichen Quellenangaben bei www.christianeeichenberg.de/SUEPP_seminar.pdf 10 Mehrere solche Fälle schildert das Buch von Michael Linden und Bernhard Strauß (Hrsg.): Risiken und Nebenwirkungen von Psychotherapie: Erfassung, Bewältigung, Risikovermeidung (2012), https://www.amazon.de/Risiken-Nebenwirkungen-von-Psychotherapie-Risikovermeidung/dp/3941468642/ref=sr_1_2?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&crid=11A7S7APNEGXT&keywords=Linden+%E2%80%9ERisiken+und+Nebenwirkungen+von+Psychotherapie&qid=1699033452&s=books&sprefix=linden+risiken+und+nebenwirkungen+von+psychotherapie%2Cstripbooks%2C114&sr=1-2 11 Siehe https://www.spiegel.de/gesundheit/psychologie/psychotherapie-hat-kaum-bekannte-risiken-und-nebenwirkungen-a-869344.html 12 Zit. nach https://www.welt.de/wissenschaft/plus241837735/Gesundheit-Die-unerwuenschten-Nebenwirkungen-der-Psychotherapie.html 13 Hans Ulrich Gresch: Lexikon der Psychiatrie-Kritik, online bei http://lexikon.ppsk.de. 14 Nach Der Spiegel 25/1998, S. 194. 15 Rolf Degen: „Die hilflosen Helfer“, Der Spiegel 36/2000, S. 118-132, dort S. 119.