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  • Dr. Harald Wiesendanger

Aufstand der Neandertaler

Aktualisiert: 1. Mai 2021

Sie haben die Nase voll: In den USA heben immer mehr Bundesstaaten sämtliche Corona-Einschränkungen auf. Die Missbilligung durch ihren frischgewählten Präsidenten Joe Biden („Neandertaler-Denken“), die fortgesetzten Warnungen seines medizinischen Chefberaters Anthony Fauci, ein Sturm der Entrüstung in US-Leitmedien: All das lässt widerspenstige Gouverneure kalt. Lauter Covidioten, die sich tödlichen „Öffnungsorgien“ hingeben?

Sie blieb stur, von Anfang an. Seit das neue Coronavirus auch in den Vereinigten Staaten um sich griff, weigerte sich die Gouverneurin von South Dakota, Kristi Noem, hartnäckig, die gesamte Bevölkerung ihres Bundesstaats wegzusperren, nach dem totalitären Vorbild der Volksrepublik China. Seuchenschutz wollte sie ausschließlich auf dem Boden der amerikanischen Verfassung betreiben.


Und so blieben Schulen und Betriebe geöffnet, Läden und Restaurants ebenfalls. Dass Maskenzwang und Social Distancing die Verbreitung von SARS-CoV-2 verhindern, bezweifelte Noem immer schon. Als dreifache Mutter ermutigte sie Eltern, ihre Kinder trotz Pandemie weiterhin zur Schule zu schicken. (1) Um die Wirtschaft ihres Bundesstaats während des Corona-Rezession anzukurbeln, förderte sie den einheimischen Tourismus mit mehreren Millionen Dollar. (2) Zu keiner Zeit galten in South Dakota Reisebeschränkungen.


Über „wissenschaftliche Empfehlungen“ von sogenannten „Experten“ äußerte sich die standhafte Gouverneurin wiederholt skeptisch. (3)


Stattdessen setzte South Dakota auf die Eigenverantwortung mündiger Bürger. „Wir versetzen sie in die Lage, die beste Entscheidung für sich selbst, ihre Familie und ihr Unternehmen zu treffen“, erklärte die Gesundheitsministerin des Bundesstaats, Kim Malsam-Rysdon, “indem wir sie mit rechtzeitigen und genauen Gesundheitsinformationen versorgen, sobald diese verfügbar sind". (4)


Für all dies musste die Gouverneurin, seit Januar 2019 im Amt, reichlich Kritik einstecken. Dass unter Trump das Corona-Virus „nach wie vor verharmlost“ werde, habe in den USA „dramatische Folgen“, sorgte sich die Deutsche Welle. „Selbst in einer dünn besiedelten Region wie South Dakota“ sei es „außer Kontrolle“. Im Spätherbst habe „die Todesrate in South Dakota den weltweit höchsten Wert erreicht“, meldeten NBC News.

Polemische Breitseiten feuerten aggressive Social-Media-User ab. Ein anscheinend sorgsam orchestrierter, teilweise vulgärer Shitstorm brach über Kristi Noem herein. Der amerikanische Anwalt Michael P. Senger vermutet dahinter Pekings Troll-Armee am Werk. Ab April 2020 wurde Noems Twitter-Account mit Posts geflutet, die ihre „Verantwortungslosigkeit“ anprangerten. „Du bist ein rücksichtsloser Idiot", so heißt es da beispielsweise, „ein verdammter Dummkopf", eine "blöde Person", eine "ignorante Schlampe". "Ordne Stay-at-Home an! Sonst wird ihr Blut an deinen Händen kleben.“ "Wie viele Menschen werden wegen deiner Dummheit, Nachlässigkeit, Ignoranz, mutwilliger Blindheit sterben?" "Wie viele deiner Bürger wirst du noch ERMORDEN, um die Liebe von Trump & Co. zu gewinnen?" (5)


Doch Kristi Noem ließ sich nicht beirren. Auch steigende Infektionszahlen versetzten sie nicht in Panik: Wer mehr teste, bekomme halt mehr Fälle. (6)


Am Ende sah sich Kristi Noem bestätigt. Alles in allem komme South Dakota besser aus der Pandemie als nahezu jeder andere Bundesstaat, so zog sie am 2. Februar 2021 in einem TV-Interview Bilanz. (7)


„Nicht Covid hat die Wirtschaft zerstört, sondern die Regierung!“

„Kürzlich besuchte ich South Dakota, zum ersten Mal in meinem Leben“, berichtete ein Twitter-User im August 2020, „und zwar wegen Kristi Noems Haltung. Es ist ein magischer Ort voller Männer und Frauen, die zutiefst an das Amerika glauben, das es gab, und die neuen Narrative ablehnen, mit denen wir zwangsgefüttert werden. Ich würde sofort dorthin ziehen, wenn ich könnte.“ Anwalt Senger kommentierte: „Auch ich würde gerne dorthin. Ich denke, an einem Ort wie South Dakota funktioniert Online-Propaganda nicht. Man braucht nur ein paar örtliche Restaurants zu besuchen und mit den Leuten dort zu sprechen. Man erkennt sofort, dass hier wirklich niemand eine Sperre will. Problem gelöst.“


„Nicht Covid hat die Wirtschaft zerstört, sondern die Regierung!“, erklärte Kristi Noem am 27. Februar 2021 in einer Rede bei der Conservative Political Action Conference (CPAC), einer alljährlichen Konferenz mit konservativen Aktivisten und Volksvertretern aus den ganzen USA. „Fauci hatte mir prophezeit, dass ich über 10.000 Menschen an einem Tag im Krankenhaus haben werde, wenn ich keinen Lockdown mache. An unserem schlimmsten Tag hatten wir knapp über 600! Ich weiß ja nicht, ob Sie mit mir übereinstimmen, aber Fauci hat sehr oft falsch gelegen!" (8)



Anders verfuhr North Dakota. Dort galten strikte Maßnahmen, spätestens in der sogenannten „zweiten Welle“. Seit 13. November herrscht Maskenzwang. Geschäfte mussten schließen. Für Bars und Restaurants galten fortan Kapazitätsgrenzen.


Was nützte es? Die Infektionsraten entwickelten sich in den beiden Nachbarstaaten North und South Dakota nahezu deckungsgleich, sowohl im Zeitverlauf als auch in absoluten Zahlen. Im Norden lagen sie sogar etwas höher. Im November 2020 registrierte ausgerechnet North Dakota die höchste Inzidenz weltweit. Mitte März 2021 meldete North Dakota unter allen 50 US-Bundesstaaten die höchste Fallzahl, nämlich weit über 13.000 pro 100.000 Einwohner. (9)


Bei den Todesraten herrschte nahezu Gleichstand. Mitte März lag die Infektionssterblichkeit (IFR) – der Anteil derer, die pro 100.000 Einwohner eine Ansteckung nicht überleben – in North Dakota bei 0,17 %, in South Dakota bei 0,18 %. (10) Bei 758.000 Einwohnern registrierte North Dakota ab Pandemiebeginn bis 14. März 1488 Todesfälle; im selben Zeitraum verstarben in South Dakota von 865.000 Einwohnern 1909. (11)


Dieser Unterschied ist zumindest eines nicht: hochsignifikant. War er es wert, North Dakota nach Xi-Jinping-Rezept zu drangsalieren?




Einen Tag nach ihrer aufsehenerregenden Ansprache trat die Gouverneurin gemeinsam mit Anthony Fauci im CBS-Programm „Face the Nation“ auf, einer wöchentlichen Nachrichtensendung, die im Schnitt 3,5 Millionen US-Bürger erreicht. Noems Rede bezeichnete der medizinische Chefberater des Weißen Hauses als „unglücklich“ und „wenig hilfreich“. Manchmal glaube man richtig zu liegen, aber dann sehe man die Zahlen. Die Zahlen würden nicht lügen. Er sei sicher, dass man auch stehenden Applaus hätte bekommen können, wenn man sagte, dass man sich geirrt habe. (12)


Dann trat Kristi Noem auf. Von der Moderatorin Margaret Brennan auf South Dakotas angeblich hohe Sterbezahlen angesprochen, erwiderte sie, dass lockdownfreudige Bundesstaaten wie New York und Kalifornien keine niedrigeren Todesraten aufweisen. Sie ziehe es vor, den Bürgern die freie Entscheidung zu überlassen.


Die Moderatorin hakte nach: Wie könne Noem als Konservative eine Politik verfolgen, die wenig Rücksicht auf Leben nehme?


Das müsse man eher die anderen Gouverneure fragen, so konterte Noem. Im übrigen müsse man die Kosten für die Wirtschaft mitberücksichtigen. (13)


Zumindest in Sioux Falls, mit 175.000 Einwohnern die größte Stadt in South Dakota, galt die Maskenpflicht noch zwei Wochen länger als anderswo. Doch am 12. März entschied der Stadtrat, sie auch dort nicht mehr zu verlängern. Ausschlaggebend war der aufsehenerregende Fall eines neunjährigen Mädchens, das Opfer üblen Mobbings geworden war, weil sie keinen Gesichtslappen trug. „Erst nannten sie mich ein Arschloch und sagten, meine Eltern kümmern sich nicht um mich“, erzählte es Reportern. „Dann beschimpften sie mich als dumm und blöd. Meine Schulbibliothekarin lässt mich nicht in der Bücherei sitzen, während andere, die eine Maske haben, reindürfen.“ Wegen Corona habe sie viele Freunde verloren. „Mit diesem Maskenmandat“, so sagte die Mutter, „fühlen sich die Leute berechtigt, sich für etwas Besseres zu halten als andere Menschen, auf uns herabzusehen und uns zu schikanieren – bloß weil wir eine andere Entscheidung getroffen haben, indem wir uns einfach um die geistige und körperliche Gesundheit unserer Familie kümmern". (14)


Neue Hoffnung und Freiheit in Georgia


Ähnlich wie Kristi Noem erging es Brian Kemp aus Georgia, der als erster Gouverneur den Lockdown eines US-Bundesstaates beendet hatte. Bereits seit dem 24. April 2020 dürfen dort Friseure, Tattoostudios, Bowlingbahnen und Massagesalons – mit Auflagen – wieder Kunden bedienen. Seit dem 27. April auch Restaurants. Und das, obwohl die regionalen Fallzahlen zu jenem Zeitpunkt ihren Höhepunkt gerade erst erreicht hatten. Im Juli 2020 verbot der Gouverneur seinen Bürgermeistern sogar, in ihren Kommunen eine Maskenpflicht einzuführen.


Ein Sturm der Entrüstung fegte daraufhin durch Amerikas Medienlandschaft. „Georgias Experiment opfert Menschenleben“, schrieb The Atlantic; der ganze Bundesstaat werde sich in eine riesige Leichenhalle verwandeln.


Die befürchtete Apokalypse ist trotzdem ausgeblieben. Bei den Todesfällen pro Kopf liegt Georgia unter dem nationalen Durchschnitt. Die Sterberate ist in den zwei Monaten nach der Wiedereröffnung sogar gesunken, stieg im August wieder an und liegt nun auf dem durchschnittlichen Niveau von 2014 bis 2019. Drei Viertel der sogenannten Covid-19-Opfer sind 65 Jahre oder älter, nur 3 % unter 40 Jahren. Ein Drittel starb in Pflegeheimen. Das Durchschnittsalter der Todesfälle liegt bei 74 Jahren. Bei fünf von sieben betroffenen Kindern lagen schwere Komorbiditäten vor. „Mit anderen Worten, alles ganz typisch für dieses Virus. Weder die Abriegelung noch die Öffnung wirkten sich in die eine oder andere Richtung aus, was eine ernsthafte Rüge für all die Staaten darstellt, die sich einbildeten, ihre Quarantänen, Schließungen und Ausgangssperren könnten ein Virus irgendwie einschüchtern. Auch widerlegt es die hysterischen Vorhersagen der Medien“, so kommentierte Jeffrey A. Tucker, Direktor des American Institute for Economic Research, Ende 2020 nach einer dreitägigen Studienreise durch Georgia. „In jeder Hinsicht hat Georgia allen Katastrophenprognosen getrotzt. Es ist nie passiert.“


Währenddessen „brummt die Wirtschaft. Die Arbeitslosenquote liegt mit 5,7 % deutlich unter dem Landesdurchschnitt. Ein Anstieg im November 2020 ist auf eine Rekordzahl von Menschen zurückzuführen, die wieder in den Arbeitsmarkt drängten. Die Zahl der Arbeitskräfte in Georgia liegt derzeit bei einem Rekordhoch von 5,17 Millionen. All die Unternehmen, die sich in den letzten 10 Jahren in Atlanta angesiedelt haben, können sich bestätigt fühlen - sie haben die richtige Wahl getroffen.“


Hoffnung und Freiheit, die „alte Normalität“ kehrte zurück. „Drei Tage in Georgia zu verbringen, war eine glorreiche Erinnerung an das gute Leben. Die Restaurants und Bars sind voll, die Menschen gehen einkaufen und verbringen Zeit miteinander, überall gibt es Händeschütteln und Umarmungen. Die Kinos sind geöffnet. Die Bürogebäude sind wieder voll besetzt. Man kann sogar zu einem Festtagskonzert in der Symphoniehalle gehen. Die Ferien sind nicht ausgefallen“, so berichtet Tucker. „Am bemerkenswertesten ist die Abwesenheit der reumütigen Verzweiflung, die man an jedem öffentlichen Ort im abgeriegelten Nordosten beobachten kann. Dort sind die Menschen immer noch in grimmige Lumpen mit Gesichtsschutz gekleidet, brüllen sich gegenseitig an, sich zu maskieren, oder verstecken sich zu Hause in Angst vor etwas, das sie nicht sehen können. Traurigkeit ist an solchen Orten überall zu sehen.“


„Hier sieht man tatsächliches Glück“


„In Georgia sieht man tatsächliches Glück: Lächeln auf den Gesichtern und leichte Gespräche über etwas anderes als das Virus. Das Aussehen und die Atmosphäre des Ortes, mit geschäftigen Einkaufsvierteln und Urlaubsfreude überall, hat mich absolut überrascht. Allein die Tatsache, dass ich mich ein paar Tage in dieser Umgebung aufhielt, hob meine eigene Stimmung ins Unermessliche.“


„Während meines Besuchs in Georgia empfand ich unbeschreibliche Freude, als ich wie ein normaler Mensch an einer Bar saß. Ich fragte die Barkeeperin, wie es für sie sei, zu arbeiten und nicht eingesperrt zu sein. Daraufhin hielt sie einen eloquenten Monolog über den Wert der Arbeit. Sie erklärte, dass sie zuvor nicht verstanden habe, wie wichtig es ist, in einer Arbeitsumgebung für andere wertvoll zu sein. Sie liebt ihre Kunden und es erfüllt ihr Herz mit Freude, sie zu bedienen. All die Monate der Schließung - ihre Bar öffnete vorsichtiger als die meisten anderen - hatten sie fast zur Verzweiflung getrieben.“


„Mein Gespräch mit ihr war ähnlich wie so viele andere in zwei Städten in Georgia. Die Menschen sind dankbar, in einem Staat zu leben, in dem Freiheit eine Rolle spielt, in dem man seinen Lebensunterhalt verdienen kann, in dem man selbst entscheiden kann, welches Risiko man eingehen will, in dem die Regierung die Rechte und die Intelligenz der Menschen mehr oder weniger respektiert. Und wenn Sie daran zweifeln, dass dies der richtige Weg ist: Die Beweise dafür sind da, für jeden, der bereit ist, hinzuschauen.“


„Die ‚Gesundheitsbeamten‘ und Medienkläffer haben alle gewarnt, dass Georgia ein Selbstmordkommando sei, als es im April 2020 eröffnet wurde. Jetzt sehen wir das Gegenteil, einen Staat, der mit Leben und Optimismus erfüllt ist. Der Gouverneur trotzte nicht nur den Medien und den lockdownfreudigen Intellektuellen, sondern sogar dem Präsidenten der Vereinigten Staaten. Georgia steht nun als ein wunderschönes Ausstellungsstück dafür, was passiert, wenn die Regierung es ablehnt, Menschen im Namen der Viruskontrolle zu foltern.“


In Florida scheint wieder die Sonne


Anders als Kalifornien, das ein besonders strenges Hygieneregime durchsetzte, entschied sich Florida frühzeitig für einen „schwedischen“ Weg. Schon von der ersten Maiwoche 2020 begann sich der Sunshine State Schritt für Schritt wieder zu „öffnen“; vom Juni an ließ Gouverneur Ron DeSantis jegliche geschäftlichen Tätigkeiten wieder zu, wenn auch mit Auflagen. Im August nach den Sommerferien öffneten alle Schulen Floridas wieder, an fünf Tagen boten sie vollen Unterricht – ungeachtet einer Klage der größten Lehrergewerkschaft. Für Kinder bestehe ein äußerst geringes Risiko, erklärte DeSantis. Am 28. September 2020 hob Florida so gut wie alle Restriktionen auf. Bars, Kinos, Freizeitparks wie Disneyland, ja sogar Stripclubs — alles offen, weitgehend ohne Kapazitätseinschränkungen, bei Beachtung von eher geringfügigen Hygieneregeln.


Selbst Großveranstaltungen waren wieder erlaubt. Twitter- und YouTube-Videos aus Miami, St. Petersburg und Disneyworld zeigen Abertausende von Menschen, die in der Silvesternacht dicht an dicht, unmaskiert und ausgelassen das Neue Jahr willkommen heißen. (15)



Brach über den Bundesstaat daraufhin die Apokalypse herein? Weder die Neuinfektionen noch die Hospitalisationen noch die Covid-Opfer nahmen seither überdurchschnittlich zu; bei allen Parametern liegt Florida im US-Mittelfeld. Im Vergleich zu Kalifornien schnitt es erheblich besser ab. Mitte März 2021 verzeichnete Kalifornien die mit Abstand höchste Fallzahl aller US-Bundesstaaten: über 3,6 Millionen (16) – womit seine eigens aufgebaute „Kontaktverfolgungs-Armee“ von 20.000 Freiwilligen wenigstens reichlich zu tun bekam. 9,2 % der kalifornischen Bevölkerung waren bis dahin positiv getestet worden; in Florida waren es 9,5 %. Lohnte sich in Sacramento, in San Francisco, in Los Angeles für diese Differenz ein monatelanger, hochdestruktiver Hygieneterror – zumal bei weit über 90 % aller Menschen, die ein nie validierter PCR-Test zum „Fall“ stempelt, von einer ernsten Erkrankung keine Rede sein kann?


Steigende Fallzahlen führte Gouverneur DeSantis wiederholt auf häufigere Tests zurück. Keinesfalls werde er wieder „schließen“. (17)


Auch weigerte er sich, das Maskentragen verpflichtend zu machen. (18) Vielmehr untersagte er lokalen Behörden, Maskenzwang anzuordnen. (19)


Zwischenzeitliche Einschränkungen – etwa das Sperren von Stränden oder ein Versammlungsverbot für mehr als 50 Personen (20) – galten in Florida nur örtlich begrenzt und eng befristet.


Am 25. September 2020 hob DeSantis alle staatlichen Beschränkungen für die Wirtschaft zur COVID-19-Eindämmung auf. Dies betraf vor allem Kneipen und Restaurants, die nun wieder mit voller Kapazität öffnen konnten. Gleichzeitig untersagte er es lokalen Behörden, Bußgelder für das Nichttragen von Masken zu verhängen. Zur Begründung hieß es, dass die Hospitalisierungen von Corona-Patienten, seit sie ihren Höhepunkt erreicht hatten, um 76 % zurückgegangen seien. Es gebe keine Anzeichen für eine zweite Welle, und selbst wenn eine käme, seien die Krankenhäuser vorbereitet. (21)


„Hier in Florida ist praktisch alles auf“, so schrieb mir ein Einheimischer Mitte März, nachdem er meinen Artikel im Web entdeckt hatte. „Und die Zahlen fallen trotzdem. Auch wenn erst wenige geimpft sind. Händeringend fordern Dr. Fauci und die neue Administration, Restaurants usw. zu schließen. (…) Zur Zeit ist hier Springbreak, Frühjahrsferien. Hundertausende Jugendliche tummeln sich an den Stränden.“


„Letztlich haben alle haben auf unterschiedliche Weise dasselbe erreicht“, so kommentiert ein Twitter-User die nachfolgende Vergleichsgrafik für drei US-Bundesstaaten. „Einige hielten Schulen offen und einige schlossen sie. Einige hielten Geschäfte offen und einige schlossen sie. Manche brauchten Masken und manche nicht. (…) Der Unterschied besteht darin, ob man sich entschieden, zu den Kosten auch noch wirtschaftliche und soziale Verwüstung hinzuzufügen.“ (22)



Schon im Mai 2020 hatte eine Studie der US-Bank J.P. Morgan machgewiesen, dass in vielen US-Bundesstaaten – darunter Alabama, Wisconsin, Colorado, Iowa, Wyoming und Mississippi – die ominöse Reproduktionsrate R abnahm, nachdem die Frühjahr-Lockdowns aufgehoben wurden. Die Autoren schlossen daraus, dass das Virus "wahrscheinlich seine eigene Dynamik hat", die "nichts mit den oft inkonsistenten Abriegelungsmaßnahmen zu tun hat". (23)


Weitere Gouverneure werden zu bekennenden „Neandertalern“


Am 3. März 2021 kündigte Texas an, sämtliche Corona-Maßnahmen aufzuheben. (24) Die Zeit für Einschränkungen sei vorbei, verkündete der republikanische Gouverneur Greg Abbott. Die Maskenpflicht hob er ebenso auf wie Kapazitätsgrenzen für Restaurants und andere Unternehmen. "Das muss ein Ende haben. Jetzt ist die Zeit, Texas hundertprozentig zu öffnen. Jeder, der arbeiten möchte, sollte diese Möglichkeit haben. Jedes Geschäft, das geöffnet sein möchte, sollte geöffnet sein. Ich beende die Maskenpflicht im gesamten Bundesstaat."



Dem widersetzte sich der Bürgermeister von Austin, Steve Adler. In seiner Stadt werde er die Maskenpflicht beibehalten. (25) Der Attorney General von Texas reichte dagegen umgehend Klage ein. (26)


Abbotts bemerkenswerte Fernsehansprache verfolgte US-Präsident Joe Biden im Weißen Haus live mit. Ein Kamerateam filmte ihn dabei. Durch eine akkurat sitzende schwarze Mund-Nasen-Bedeckung hindurch hörte man ihn murmeln: „Bedenklich, bedenklich, bedenklich … Ich denke, das ist ein großer Fehler … Das Allerletzte, was wir brauchen, ist diese Neandertaler-Denkweise, dass in der Zwischenzeit alles in Ordnung ist und man die Maske abnehmen könne. Vergessen Sie es. Sie ist immer noch wichtig.“


Wer brieft eigentlich diesen Mann – und enthält ihm dabei penetrant vor, dass Schweden durchaus nicht im Neandertal liegt? Es sei „sehr wichtig, auf die Wissenschaftler zu hören“, erklärte Biden. Er wisse, dass die Reporter dies wüssten; er wünsche, dass alle gewählten Amtsträger ähnlich klug seien. (27) Seither ahnt Amerika, bei welchen Wissenschaftlern Biden lieber weghört.


In einem Interview auf Fox News konterte der Gescholtene prompt: Die Aufhebung der Maskenpflicht mache keinen großen Unterschied mehr, da Texaner gelernt hätten, sich verantwortungsbewusst zu verhalten. (28)


Noch am selben Tag folgte Mississippi dem texanischen Beispiel. Ohne Stufenplan. Ohne Tests. Ohne Bedingungen. Da man nun Impfstoffe habe, ende die Zeit, wo die Regierung den Bürgern erzähle, was sie tun oder lassen sollten, so verkündete Gouverneur Tate Reeves. (29)


Einen Tag später, am 4. März, kündigte der Gouverneur von Ohio, Mike DeWine an: Er werde alle Corona-Maßnahmen aufheben, sobald die Fallzahlen über zwei Wochen auf höchstens fünfzig neue „Fälle“ je hunderttausend Einwohner fallen. (30)


Am 5. März gab der Kongress von Utah, bis dahin ähnlich paralytisch wie der Deutsche Bundestag, ein unverhofftes Lebenszeichen von sich. Es schränkte die Rechte des Gouverneurs in einem Notstand ein und beschloss, die Maskenpflicht zu beenden. Der frischgewählte Amtsinhaber, Spencer Cox, drückte Zustimmung aus. Durch die zunehmenden Impfungen würden derartige Regelungen überflüssig werden, selbst wenn man noch nicht alle Bürger impfen könne. (31) Eine Woche später, am 11. März, einigte sich Cox mit dem Kongress von Utah darauf, dass die Maskenpflicht zum 10. April ausläuft. (32) Bei einer anschließenden Pressekonferenz forderte Cox die Bürger auf, sich danach „nicht wie Narren“ zu verhalten. (33)


Wyoming folgte am 8. März. Gouverneur Mark Gordon teilte mit, in der darauffolgenden Woche werde die Maskenpflicht aufgehoben. Kneipen, Restaurants, Kinos und Sportstudios würden ab den 16. März wieder zum normalen Betrieb ohne Kapazitätsgrenzen zurückkehren. (34)


Was Merkel und Söder wohl als „Öffnungsorgien“ bezeichnen würden, liegt in den USA voll im demoskopischen Trend. Nach einer von CNN Anfang März durchgeführten Umfrage glauben inzwischen 77 % der US-Amerikaner, das Schlimmste der Pandemie sei überwunden – auch wenn 30 % davon ausgehen, dass die negativen Auswirkungen noch längere Zeit anhalten werden. (35)

Trotzdem kündigte Präsident Biden am 11. März an, landesweit könnten Einschränkungen wieder eingeführt werden, falls sich nicht alle Amerikaner an das Maskengebot halten. Floridas Gouverneur DeSantis konterte: Er finde es verrückt, mögliche erneute Corona-Repressionen auch nur zu erwägen. Florida werde einen Lockdown keinesfalls mehr mitmachen. (36)

Inzwischen steht fest, dass die Sterberate in den Vereinigten Staaten im Pandemiejahr 2020 nicht einmal ein Zehntel Prozent vom Niveau der drei Vorjahre abweicht. Seit 2017 liegt sie konstant bei 0,9 %. (37)


„Seid keine Feiglinge!“


Ihren eigenen Beitrag, um die Krise zu beenden, hat unterdessen die US-Country-Ikone Dolly Parton geleistet. Auf Twitter teilte sie ein vierminütiges Video, das sie bei einem Termin in einer Klinik in Tennessee zeigt. (38) Dort ließ sich die 75-Jährige am 2. März mit dem mRNA-Impfstoff von Moderna impfen, dessen Entwicklung sie mit einer Spende von einer Million US-Dollar unterstützt hatte. Sie sei „total begeistert“.



Bestens gelaunt forderte sie ihre Fans auf, es ihr gleichzutun: "Ein Pieks in den Arm und schon sind wir ein Stück näher an der Normalität, was auch immer das ist", schwärmte die wie auch immer abnormal vollbusige Parton. Dazu performte sie ihren größten Hit "Jolene" mit leicht verändertem Text: "Vaccine. I'm begging of you please don't hesitate!" ("Impfstoff. Ich flehe euch an, zögert nicht!") (39) "Alle Feiglinge sollten sich ein Herz fassen und sich spritzen lassen."

Na denn, auf zur Mutprobe!

Harald Wiesendanger

Anmerkungen

(2) "South Dakota governor uses coronavirus relief funds for $5 million tourism ad despite COVID surge", https://www.cbsnews.com/news/kristi-noem-south-dakota-coronavirus-relief-funds-tourism/

(7) Erin Snodgrass: „South Dakota Governor says COVID-19 response better than 'virtually every other state,' despite having overall second-highest rate of cases“, Business Insider 3.2.2021, https://www.businessinsider.com/south-dakota-governor-virus-response-better-than-every-other-state-despite-conflicting-numbers-2021-2?amp.

(12) Quint Forgey: „Fauci on CPAC speech: ‘I'm sure that you can get a standing ovation by saying I'm wrong’“, Politico 28.2.2021, https://www.politico.com/amp/news/2021/02/28/fauci-covid-noem-cpac-471858

(13) Transcript: Governor Kristi Noem on "Face the Nation", CBS News 28.2.2021, https://www.cbsnews.com/amp/news/transcript-gov-kristi-noem-on-face-the-nation-february-28-2021/

(14) Gustaf Kilander: „South Dakota city drops mask mandate after 9-year-old girl said she was ‘bullied’ at school“, The Independent vom 12.3.2021, https://www.independent.co.uk/news/world/americas/south-dakota-mask-mandate-b1816442.html?amp

(20) Vandana Rambaran, Coronavirus spike forces Miami to close beaches for July 4 weekend, Fox News vom 27. Juni 2020; Kelly McCleary/Melissa Alonso/Susannah Cullinane, Miami and Fort Lauderdale beaches closing for Fourth of July amid coronavirus concerns, CNN vom 28. Juni 2020.

(26) Christina Maxouris/Jason Hanna/Amir Vera, Texas attorney general files lawsuit against Austin leaders over mask requirement, CNN vom 11. März 2021.

(30) Randy Ludlow/Jackie Borchardt, Ohio will end coronavirus health orders when cases dip, Gov. Mike DeWine says, cincinnati.com vom 4. März 2021.

(34) Morgan Hughes, Wyoming will lift mask mandate next week, Casper Star-Tribune vom 8. März 2021.

(38) https://twitter.com/dollyparton?lang=de, Post vom 2. März 2021.




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