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Dr. Harald Wiesendanger

Wer heilt dieses Land?

Aktualisiert: 1. Mai 2021

Das Echo auf den Berliner „Tag der Freiheit“ zeigt, wie zerrissen diese Republik in der Corona-Krise ist. Politik und Medien ernten, was sie gesät haben.


Wenn sich Hunderttausende, womöglich über eine Million Menschen in Berlin zu einer der größten regierungskritischen Demonstrationen Nachkriegsdeutschlands versammeln, setzen sie ein unübersehbares Zeichen – gegen weitere Propagandalügen, gegen Diffamierung, gegen Zensur, gegen eine systematische Vergiftung des geistigen Klimas, die überfällige Sachdiskussionen erstickt. Es reicht.


Handauflegen und Gesundbeten allein genügen wohl kaum, um der fürchterlichsten psychischen Störung beizukommen, die Nachkriegsdeutschland je befallen hat: ein progredienter Sittenverfall (PSV) – ausgelöst durch ein Panikvirus mit atemberaubender Reproduktionsrate.


Zu den PSV-Symptomen zählen: Verlust an wertegesteuerter Selbstkontrolle niederer Instinkte, an Empathie, an Mitmenschlichkeit, an Bereitschaft und Fähigkeit zum Dialog. Wie Neurologen der Stiftung Auswege vermuten, docken die Spikes des Hysteriekeims mit Vorliebe an Rezeptoren von Nervenzellen in jenen Hirnregionen, die Kognition und soziales Verhalten steuern.


Noch liegt der Ursprung dieses Virus im Dunkeln: Während manche Experten ihn auf eine spontane Mutation infolge eines realen Notstands zurückführen, gehen andere davon aus, dass ihn ein Propaganda-Labor des weltweiten Pharma-Marketings vorsätzlich freigesetzt hat, wie schon beim Schweinegrippe-Fehlalarm 2009.


Wie gnadenlos dieses Virus wütet, hat uns das erste Augustwochenende 2020 vor Augen geführt. Da machen in Berlin Hunderttausende von verfassungsmäßig garantierten Grundrechten Gebrauch. Friedlich demonstrieren sie gegen staatliche Verordnungen, die sie eben dieser Grundrechte unverhältnismäßig berauben. Wer sich Unter den Linden, am Brandenburger Tor, auf der Straße des 17. Juni unter sie mischte, begegnete einem ziemlich repräsentativen Bevölkerungsquerschnitt, darunter allerdings besonders viele nachdenkliche, gebildete, politisch engagierte Mitbürger mit ausgeprägtem Gemeinsinn und staatsbürgerlichem Verantwortungsbewusstsein. Was sie auf die Straße treibt, sind Argumente, die außerhalb des Robert-Koch-Instituts und der Charité unzählige Ärzte und Wissenschaftler verschiedenster Fachrichtungen mittragen, wie übrigens auch Anwälte und Verfassungsrechtler. Sie ignorieren Maskenpflicht und Sicherheitsabstände aus Gründen, die sich aus vielerlei Studien unabhängiger Forscher ergeben. Sie widersetzen sich polizeilichen Anordnungen, weil sich der behauptete nationale Notstand, der diese rechtfertigen soll, im Wesentlichen darauf beschränkt, dass grundlose Massentestungen eine klinisch bedeutungslose Infektionsstatistik aufblähen, von der Arztpraxen, Krankenhäuser und Friedhofsverwaltungen seit Monaten nichts bemerken.


Und wie geht die übrige Republik damit um?


Diffamieren, verschweigen, lügen: „Qualitätsjournalismus“ in Corona-Zeiten


Die Reaktionen verdeutlichen: Zu den gefährdetsten Risikogruppen des PSV-Virus zählen Journalisten. Alle, wirklich alle sogenannten „Qualitätsmedien“ werten die Berliner Großdemo pauschal ab. In den Vordergrund stellen sie: die Nichteinhaltung von Hygieneregeln, den Einsatz von über 1.500 Beamten, die Auflösung durch die Polizei, Strafanzeigen gegen Veranstalter, Beleidigungen und angebliche körperliche Übergriffe auf Medienvertreter, einen Farbbeutelwurf auf die Landesvertretung Baden-Württembergs. Sie berichten von „Hakenkreuz-Tattoos“ und finden es bemerkenswert, dass das Veranstaltungsmotto „Tag der Freiheit“ genauso heißt wie ein Propagandafilm der Nazi-Ikone Leni Riefenstahl über den Parteitag der NSDAP 1935 (1).


Und ausnahmslos alle Qualitätsmedien schufen „alternative Fakten“, indem sie unhinterfragt die Polizeiangabe wiedergaben, es hätten gerade mal 20.000 Personen teilgenommen. Zumindest das Online-Magazin Multipolar hat nachgerechnet: Auf der 1,9 Kilometer langen Strecke zwischen dem Brandenburger Tor und der Siegessäule standen die Menschen dicht gedrängt auf einer Fläche von 80.000 Quadratmetern. Auf einen Quadratmeter passen zwei bis vier. Das spricht für 160.000 bis deutlich über 300.000 Demonstranten. Damit, so *Multipolar*, handelte es sich „um die größte regierungskritische Demonstration in Deutschland seit dem 4. November 1989. Polizei und Medien täuschen die Öffentlichkeit massiv.“ Im Übrigen sind zwei Busunternehmer bereit, vor Gericht zu bezeugen: Schon gegen Mittag habe die Polizei ihnen die Zufahrt verwehrt mit der Begründung, der Demonstrationszug habe bereits 800.000 Teilnehmer erreicht, weitere seien aus Sicherheitsgründen unzulässig. Der Nachrichtendienst Presse.Online bestätigte vorübergehend sogar Polizeiangaben von „etwa 1,3 Millionen“.


Noch mehr hanebüchene Fake-News produzierten Redaktionen über das angebliche Ende der Demonstration: Sie sei von der Polizei kurz vor 17 Uhr „aufgelöst“ worden, heißt es. In Wahrheit quittierte das Publikum diese Durchsage mit Gelächter, einem Pfeifkonzert und den Sprechchören „Wir bleiben hier“, „Wir sind das Volk“. Und blieb.


Kein einziger Beitrag gibt wieder, wie die Teilnehmer ihren Protest begründen. Kein Sender, keine Zeitung, keine Agentur hält es für angebracht, auch nur einen einzigen vorgesehenen Redner zu interviewen oder auch nur zu nennen: immerhin mehrere Anwälte und Ärzte, ein Wirtschaftsfachmann, ein Politologe sowie Mitglieder des Außerparlamentarischen Corona-Ausschusses (ACU), der zu leisten versucht, was eigentlich Sache des Bundestags wäre.


Was hätte dagegen gesprochen, anlässlich der Berliner Demo einen der 250 Ärzte und Wissenschaftler unterschiedlicher Fachrichtungen zu befragen oder vor die Kamera zu holen, die zum offiziellen Corona-Kurs kritisch Stellung bezogen haben (2)? Oder einen von über 500 Führungspersönlichkeiten, die soeben einen „Aufruf zur Verteidigung der Demokratie“ unterzeichnet haben - darunter 13 Nobelpreisträger und 62 ehemalige Staats- und Regierungschefs (3)? Darin warnen sie gemeinsam davor, dass die Corona-Krise grundlegendste Freiheiten bedroht. Warum erfahren Deutschlands Zeitungsleser und Fernsehzuschauer nichts davon, wie viel der massenhafte Regelverstoß rund ums Brandenburger Tor damit zu tun hat?


Stattdessen zeichnen alle Redaktionen schamlos die gleiche Karikatur: Da hat sich ein unanständiger Haufen von unzurechnungsfähigen, bösen Verschwörungstheoretikern, verblendeten Eiferern, üblen Rechtspopulisten, Identitären und gewaltbereiten Neo-Nazis zusammengerottet, um ihre Mitmenschen mit einem riesigen neuen „Hotspot“ zu gefährden, wo doch die Infektionszahlen ohnehin wieder „besorgniserregend“ ansteigen (4). Der Berliner Tagesspiegel spricht von einer „Coronaleugner-Initiative“ von „rechten Esoterikern und Rechtsextremen“ (5). Sie sorge für „Bestürzung und Entsetzen“, so stellt das Blatt fest und hebt die „Forderung nach schärferen Auflagen“ in die Überschrift (6). Die Berliner BZ zählt die Veranstaltung zu den „irrsten Demos des Wochenendes“ (7). Der Spiegel hebt „18 bei der Auflösung der Corona-Demo verletzte Polizisten“ hervor (8). Der Stern findet es angemessen, das Zitat eines Twitter-Users zum Titel einer Nachbetrachtung zu machen: „Grenzenlos ist die menschliche Idiotie“ (9). Focus machte „absurde Parolen“ ausfindig (10).


RBB zufolge, dem öffentlich-rechtlichen ARD-Sender für Berlin-Brandenburg, kam „der Wanderzirkus der Corona-Leugner in die Stadt“, bundesweit „mobilisiert im Verbund mit Rechtsextremisten, rechten Bloggern und der im Netz sehr präsenten neurechten Bewegung von Pegida bis AfD“, mit „Initiativen und Influencern aus der Szene der Verschwörungsideologen“, mit „Holocaustleugnern und Hooligans“ – darunter „einigen, die es auf Chaos und Gewalt anlegen“ (11). „Entfesselt“ seien sie gewesen, stellt RBB anderntags fest (12).


In Politikerhirnen wütet das Panikvirus


Und auch Politikerhirne scheinen, parteiübergreifend, vom PSV-Virus infiziert. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hält diese Demo für „hochgradig abstoßend und unverantwortlich“, der baden-württembergische Sozialminister Manne Lucha für „zynisch“, die Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) für „irre“. Brandenburgs CDU-Landtagsfraktionschef Jan Redmann spricht von „gefährlichem Blödsinn“ (13). „Sektenähnliches Fehlverhalten“ brandmarkt Tom Schreiber, jugendpolitischer Sprecher der Berliner SPD-Fraktion, als einen „Tritt in den Hintern für alle Menschen, die sich insgesamt solidarisch verhalten hatten - eine Niederlage der Vernunft in Berlin“ (14). Innensenator Andreas Geisel (SPD) findet „über die Maßen irrational, was wir da erlebt haben“ (15).


Karl Lauterbach, als zwanghafter Fliegenträger bekanntlich einer besonders gefährdeten Risikogruppe zugehörig, „kann eine solche uninformierte, rücksichtslose und selbstgerechte Verhaltensweise nicht akzeptieren. Wenn das nicht anders zu stoppen ist, muss es Bußgelder geben“, twittert er (16).


Die unsägliche SPD-Vorsitzende Saskia Esken geifert gar von „Covidioten“, die „sich als ‚die zweite Welle‘ feiern, ohne Abstand, ohne Maske. Sie gefährden damit nicht nur unsere Gesundheit, sie gefährden unsere Erfolge gegen die Pandemie und für die Belebung von Wirtschaft, Bildung und Gesellschaft. Unverantwortlich!“ (17). Dieselbe Esken hatte die „Black-Live-Matters“-Demo am 6. Juni, bei der Hygienevorschriften ebenso massenhaft ignoriert wurden, noch überschwänglich mitgefeiert.


Von geistigen Brandstiftern entfesselt: Der Mob fällt über „Corona-Leugner“ her


Von politisch Verantwortlichen und Massenmedien einer derart gründlichen Gehirnwäsche unterzogen, wähnt sich Otto Normalversteher dazu berechtigt, letzte zivilisatorische Hemmungen abzulegen. Was der Corona-Hype in seinem Kopf anrichtet, belegen allein schon die Internet-Kommentare, zu denen er sich hinreißen lässt. Anlässlich des RBB-Berichts fragt sich beispielsweise „Steffi65“, „warum sich alle Minderbemittelten und Hornochsen ausgerechnet immer in Berlin treffen müssen. Es gibt doch auch andere Orte, wo sich Doofe frei bewegen können, zum Beispiel auf Helgoland.“ Karl-Heinz ätzt: „Esst mehr Scheiße, Miliarden Fliegen können sich nicht täuschen!“ „So viele schräge Vögel“ sieht eine „Alt-Westberlinerin“, „unerträgliche Realitätsverleugner“ ein gewisser „Reimann“; „Cele“ heißt sie „Willkommen im Land der Bekloppten und Bescheuerten“. Ein „Besorgter K“ kann es „kaum glauben, dass so viele Verwirrte in unserem Land leben. Oder wurden zu diesem Zwecke einige Irrenanstalten geöffnet?“


Und Saskia Eskens unsägliche „Covidioten“-Tirade? Auch ihr spendet die aufgewiegelte Meute reichlich Applaus (18). Ein komma-defizitärer „Sushiman“ will alle Demonstranten „in Turnhallen reinstecken mit Infizierten und kein Zugang zu ärztlicher Hilfe bis die aufm Boden rumkrauchen damit die mal lernen wie gefährlich das Virus ist.“ Mathias Hasselmann fordert, „jedem dieser Asozialen auf Lebenszeit sämtliche Sozialleistungen des Staates zu entziehen“. „Wasserwerfer helfen!“, rät Andreas Weinand. Jan Lauer sind „diese Coronatrottel in Berlin scheißegal. Sollen sie sich anstecken und von mir aus sterben.“ Sorsha findet, dass „man solchen Idioten nichts anvertrauen sollte, vor allem keine Kinder! Jugendamt müsste einschreiten gegen Impfgegner!“ Eglifish will, dass man „alle Teilnehmer identifiziert und deren Arbeitgebern meldet, falls überhaupt einer vorhanden. Dann 14 Tage Zwangsquarantäne ohne Lohnfortzahlung.“ – „Die Demonstranten sind halt Idioten, Arschlöcher und Abschaum“, weiß MoinMoin. „Die können von mir aus gerne an Corona erkranken und sterben.“ Für „Aggregrat“ handelt es sich um „dreckige Gesellschaftsfeinde“. „Uli_GO“ findet es „schade, dass die Polizei nicht ein bisschen für Abkühlung gesorgt hat mit Wasserwerfern. Voll rein in die Meute.“ Michael Schildberg will „einfach ein schön abgestecktes Areal nehmen und alle rein da. Nicht wie KZ, sondern eher wie Kindertagesstätte für Dumme. Fertig.“ Kai ist „dafür, eine Massenexekution zu veranstalten, als Statement für alle Deppen, die meinen, dies tun zu müssen“.


DIESE Epidemie ist es, die mir eine Heidenangst macht – bei weitem viel mehr als eine, die bisher mindestens 99,99 Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung überlebt haben, über 95 Prozent symptomfrei oder allenfalls mit milden Beschwerden.


Warum gibt niemand geistigen Brandstiftern wie Esken und Lauterbach zu bedenken, was sie anrichten? Indem sie eine kritische Minderheit, zu der gewiss nicht die Blödesten und Unmoralischsten zählen, mit Dreck bewerfen und regelrecht pathologisieren, vertiefen sie soziale Gräben. Statt Dialog zu suchen und zu fördern, wiegeln sie auf, grenzen aus, schüren Verachtung, ja regelrechten Hass. Bevor hochriskante, mangelhaft erprobte Impfstoffe diese Corona-Krise womöglich in einer globalen Nebenwirkungstragödie gipfeln lassen, könnte ein längst überfälliges, nüchternes Abwägen des tatsächlichen Forschungsstands, frei von Lobbyistendruck, sie zügig beenden. Darauf, und nicht auf unbefristete Panikmache, wäre rationales Krisenmanagement schleunigst aus, wenn es wirklich weiteren Schaden vom deutschen Volk abwenden will.


Stattdessen verunglimpfen politisch Verantwortliche, mit Leitmedien als Lautsprechern, „Corona-Leugner“ als regelrechte Volksfeinde. Das ist nicht nur beschämend. Es ist geschichtsvergessen. Es ist unklug. Und brandgefährlich. So steigert man Wut. So schürt man Unruhen. Merkel, Spahn, Söder & Co. sollte klar sein: Schon jetzt gibt es Millionen in diesem Land, die eine fortdauernde Freiheitsberaubung ohne echte Notlage nicht länger hinnehmen. Schon gar nicht warten sie brav den Tag X ab, an dem eine aufgezwungene Spritze sie in einen genetisch modifizierten Organismus verwandelt. Nicht erst seit diesem 1. August, wenige Gehminuten entfernt von Reichstagsgebäude und Kanzleramt, beginnt sich eine Protestwelle aufzubauen, die in Kürze mit derselben Wucht über die Eliten dieser Republik hereinbrechen könnte wie einst die Friedens- und Anti-Atomkraft-Bewegung. Schon beim nächsten „Tag der Freiheit“ dürfte sich ziviler Ungehorsam gegen die Staatsgewalt nicht mehr auf Sprechchöre und Sitzstreik beschränken. Kaum ein Demonstrant kennt nicht Artikel 20 Absatz 4 des Grundgesetzes: „Gegen jeden, der es unternimmt, die (verfassungsmäßige) Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“


Auch um die Freiheit der Demo-Denunzianten ging es am 1. August


Wie kann ein Journalist, ehe er „Corona-Leugner“ medial hinrichtet, nicht in Erwägung ziehen, dass diese Leute letztlich auch für ihn auf die Straße gehen? Geht es ihnen nicht auch um SEINE Grundrechte, die in der heraufziehenden Hygienediktatur auf dem Spiel stehen? Auch ihm sollen die Hygiene-Demos weitere Jahrzehnte sichern, in denen er selbst dann noch unzensiert arbeiten darf, wenn seine Recherchen Regierungen, Behörden und Organisationen wie WHO, GAVI und CEPI nicht in den Kram passen.


Wie kann ein gewählter Abgeordneter verkennen, dass die Berliner Proteste auch SEINE Zukunft betreffen? Beklemmend rasch kann totalitärer Seuchenschutz zum verfassungswidrigen Dauerzustand werden - sofern für ein Notstandsregime schon ein weltweites Infektionsgeschehen genügt, auch wenn die ausgerufene Pandemie nicht häufiger krank macht und tötet, als es manche frühere Influenzawelle tat. Verdächtig oft lobte WHO-Direktor Tedros Ghebreyesus in jüngster Zeit die Volksrepublik China für die „ambitionierteste, schnellste und aggressivste Anstrengung zur Kankheitseindämmung in der Menschheitsgeschichte“ (19). Wer die Pandemie-Szenarien des berüchtigten „Event 201“, der „Immunisierungsagenda 2030“ der Weltgesundheitsorganisation, der Rockefeller Foundation von 2010, der „Reset“-Visionen des Weltwirtschaftsforums 2020/21, des Spritzenfetischisten Gates auf sich wirken lässt, der bekommt eine Ahnung davon, wie zügig sich die Welt das chinesische Modell totaler Überwachung zum Vorbild nehmen könnte. Parlamentarismus und Gewaltenteilung sind darin allenfalls in der Pekinger Marionettenversion vorgesehen.


Was die aufgehetzte, irregeführte Bevölkerungsmehrheit offenkundig nicht begreift: Auch sie haben (oder bekommen vielleicht noch) Kinder und Enkel, für welche die Corona-Krise 2020 das Jahr Eins einer neuen Zeitrechnung bedeuten könnte: einer dystopischen neuen Weltordnung, die ihnen womöglich Zwangsimpfungen, allgegenwärtige staatliche Kontrolle, die Unterdrückung abweichender Meinungen, die dauerhafte Einschränkung oder Abschaffung von Grundrechten beschert. Ist auszuschließen, dass ihre Nachkommen sie eines Tages zur Rede stellen werden: „Wo warst du am 1. August 2020? Warum bist du nicht mitmarschiert? Wieso hast du nicht alles getan, um abwenden zu helfen, was sich damals schon abzeichnete?“


Das geistige Klima ist vergiftet. Wem nützt das?


Berlin-Mitte, Freitag, 24. April, spätnachmittags: Im Weinsbergpark genießen über hundert Menschen dicht gedrängt die Frühlingssonne. An den vorgeschriebenen Mindestabstand hält sich kaum einer. Ein Foto davon postet jemand auf Twitter, versehen mit dem Kommentar: „Dazu fällt mir leider nichts mehr ein“ (20).


Seinen Followern dafür umso mehr. Über 2.000 retweeten und kommentieren. 7.100 drücken den „Gefällt mir“-Button. „Die Menschen lassen sich nicht auf Dauer einsperren. Hat in der Geschichte in den seltensten Fällen geklappt“, findet Jens. Für Lili „war das im Grunde eine absehbare Reaktion auf einen durchgepeitschten Lockdown, der Restriktionen ohne entsprechende Aufklärung erzwungen hat. Es kann nicht oft genug auf die Einschränkung der Grundrechte hingewiesen werden.“ Albrecht jubelt: „Die Pandemie ist vorbei!“


Die Mehrheit sieht das freilich krass anders: „Meine Toleranz dem gegenüber schwindet von Tag zu Tag. Kopf abreißen und in´ Hals scheißen!“ – „Es ist so schrecklich!“ – „Bombe rein, glücklich sein“ – „Die sollen sich alle so sehr ficken!“ – „Shithole Berlin“.


Derartige Verbalscharmützel toben zurzeit überall im Netz. Manche belustigen sie. Mich entsetzen sie eher. Denn sie sind Symptome eines fortgeschrittenen Sittenverfalls. Um das geistige Klima in diesem Land steht es längst erheblich schlechter als um die Gesundheit seiner Bevölkerung – nicht erst seit der Corona-Krise. Es ist vergiftet, wie zuletzt vor einem Dreivierteljahrhundert.


Wie schon in den hitzigen Monaten vor Einführung der Masernimpfpflicht 2019, so warten auch im Seuchenjahr 2020 eigentlich viele Erfahrungen, Studien, Argumente pro und contra darauf, mit kühlem Kopf gegeneinander abgewogen zu werden. Aber das geschieht nicht. Statt einander zuzuhören, fällt man empört übereinander her. Die Wortwahl wird immer aggressiver. Gezänk verdrängt Streitkultur. Oder man schweigt einander beleidigt an. Warum?


Die Mehrheit der Bevölkerung ließ sich mächtig Angst vor dem vermeintlichen „Killerkeim“ einjagen. Und Angst entfacht zuverlässig weitere negative Emotionen. Angst macht wütend – auf jene, die sie weder teilen noch verstehen, womöglich belächeln.

Gilt die Angst einer ansteckenden Krankheit, so könnte diese Wut nicht größer sein. Denn in Pandemiezeiten wähnt der Ängstliche sich und seine Liebsten in Gefahr. Dann geht es „um Leben und Tod“ (Armin Laschet).


Bedrohen „Corona-Leugner“ die Weltgesundheit?


Dass eher Unbesorgte sich womöglich selbst gefährden, bräuchte den Ängstlichen nichts anzugehen. Im Seuchenfall ist ihm aber nicht gleichgültig, wie Mitmenschen sich verhalten. Der ignorante Regelbrecher hält nicht genügend Abstand, nimmt die Maskenpflicht nicht ernst genug. Also könnte er Andere anstecken, bis irgendwann die schwächsten Glieder der Infektionskette, die Angehörigen von Risikogruppen, den Erreger aufschnappen – und womöglich daran sterben.


Folglich ist „Corona-Leugner“ ein heißer Anwärter auf das Schimpfwort des Jahres. Die gemeinten Übeltäter dürfte die WHO in Kürze in derselben Schublade verstauen, in die sie schon „Impfgegner“ abgelegt hat: „eine der zehn größten Bedrohungen der globalen Gesundheit“ (21).


Auf der Grundlage verfügbarer Statistiken könnte jeder Inhaber einer Großhirnrinde mit jedem weiteren sachlich erörtern, wie groß die mutmaßliche Bedrohung denn tatsächlich ist. Aber kultivierte Gespräche dieser Art, in der Wissbegierige unvoreingenommen die empirischen Daten der Gegenseite zur Kenntnis nehmen und bedenken, finden nicht statt. Abweichlern liest man ohne Umschweife die Leviten. Moralisieren mit erigiertem Zeigefinger verdrängt gesitteten Diskurs. „Teamplayer“ sollen wir alle sein: So drängt uns momentan eine Gemeinschaftsaktion des TV-Senders PRO7 mit mehreren Supermarktketten zum Kauf von Gesichtsmasken. „Zusammenhalten!“, fordert uns Discounter Lidl auf. Das Motto „Wir bleiben zuhause!“ blendeten zu Quarantänezeiten mehrere Fernsehsender wochenlang rund um die Uhr penetrant ein (wer ist „wir“?). Wer nicht einsehen mag, weshalb er mitspielen soll, versündigt sich an der Volksgemeinschaft. Da wird Zweifel unanständig, Widerspruch zum Verrat. Entscheidet demnächst eine Ethik-Kommission darüber, welche Widerrede noch statthaft ist, welche schon verdammenswert?


Wer nicht mitmacht, verweigert seinen Mitmenschen Solidarität. Er begeht Verrat. Sein Leichtsinn, so finden Ängstliche, ist ganz und gar unverantwortlich. Verachtenswert. Rücksichtslos. Statt mitzuhelfen, dass Uroma noch ihren nächsten Geburtstag feiern kann, nimmt er Krankheit und Tod von Infizierten anscheinend billigend in Kauf. So einer irrt sich nicht einfach bloß – er wird zum fahrlässigen Körperverletzer und Killer. Also muss er getadelt und angezeigt, aufs Schärfste verurteilt und bestraft werden. Jeden Hass, den er auf sich zieht, verdient er. Keine Gnade für Gefährder der Volksgesundheit.


Dabei KÖNNTE Seuchenschutz ein Thema sein, bei dem nackte Zahlen den Ausschlag geben: Ist wirklich jeder bedroht - in einem Maße, das ein seuchenbehördliches Drangsalieren ALLER rechtfertigt? Wie zuverlässig zeigen Virentests eine Infektion an? Wie viele Infizierte bleiben beschwerdefrei? Wie viele entwickeln bloß milde Symptome – ein paar Tage lang fiebern sie ein wenig, sie hüsteln, die Nase läuft, der Hals tut weh, der Geruchssinn ist eingeschränkt? Wie viele erkranken tatsächlich nennenswert? Wie viele BEDROHLICH? Wie viele müssen deswegen ins Krankenhaus eingeliefert, dort auf die Intensivstation verlegt werden? Wie überlastet sind unsere Kliniken wirklich? Wie viele SARS-CoV-2-Träger sterben? Bei wie vielen Toten war die Infektion die alleinige Ursache, oder auch nur die wichtigste? Wie viele Covid-19-Opfer haben das Rentenalter noch nicht erreicht und weisen keinerlei Vorerkrankungen auf? Wie war es bei früheren Grippewellen, und warum schützt man Risikogruppen 2020 anders als damals?


Zu alledem liegen längst reichlich aufschlussreiche Erkenntnisse vor, die man besonnen diskutieren könnte und müsste. Vor ihrem Hintergrund würde deutlich, wie sinnvoll, notwendig und verhältnismäßig der Staat auf die Pandemie reagiert.


Normopathen gegen Querulanten


Aber solche Diskussionen finden nicht statt. Jede sachliche Auseinandersetzung darüber wird abgewürgt. Vertreter abweichender Standpunkte kommen kaum zu Wort. Sie werden übergangen, ausgegrenzt, zensiert, als irre Verschwörungstheoretiker gebrandmarkt.


Das wiederum kränkt und erzürnt den Unbesorgten. Wem gelingt es schon, gelassen hinzunehmen, dass Mitmenschen ihn wegen Einstellungen und Verhaltensweisen tadeln, die übergangene Fakten seines Erachtens stützen? Wie kann er hinnehmen, als Fake News-Produzent zum Schweigen gebracht, als Quarantänebrecher gar mit psychiatrischer Internierung bedroht zu werden, bloß weil er durchschaut, wie eine übermächtige Propagandamaschine für Gehirnwäsche sorgt?


Wie kann er Leute, die der allgegenwärtigen Panikmache mit klinisch bedeutungslosen Infektionszahlen auf den Leim gehen, nicht für Dummköpfe halten?


Wie kann er nicht den Kopf schütteln über Zeitgenossen, die anscheinend zu blöd sind, Ansteckung und Erkrankung auseinanderzuhalten?


Wie kann er hinnehmen, wie blind man dafür sein kann, dass der Lockdown weltweit letztlich mehr Menschen umgebracht als gerettet hat – und der angerichtete Schaden den vermeintlichen Nutzen bei weitem überwiegt?


Wie kann der Unbesorgte nicht wütend sein, wenn der Hygienestaat hemmungslos Grundrechte einschränkt, weil die Masse ihn gewähren lässt, ja auch noch lobt?


Ihm stinkt gewaltig, dass er mithaften soll, wenn ein Großteil der Risikogruppen ihre Gefahrenlage selber herbeiführt – durch beharrlichen Raubbau am eigenen Immunsystem. Er selbst achtet womöglich sehr auf seine Gesundheit, ernährt sich vollwertig, bewegt sich viel, macht dadurch seine Körperabwehr fit für Erreger aller Art – und muss trotzdem behördliche Zwangsmaßnahmen über sich ergehen lassen, weil zumindest Übergewichtige, Typ-2-Diabetiker und Couch Potatoes, Raucher und Säufer sie nötig haben. Wie kann er sich nicht empören, wenn er sich ihretwegen einschränken muss?


Unbändige Wut liegt in der Luft, mit absehbaren Folgen. Mittlerweile zerfällt die Nation in zwei verfeindete, hochemotionalisierte Lager – Mitläufer gegen Störenfriede, Normopathen gegen Querulanten. Im immer tieferen Graben zwischen ihnen versinken Anstand, Empathie und Respekt. Es leidet die politische Kultur. Der soziale Frieden ist bedroht.


Dabei waren die Kräfteverhältnisse lange Zeit krass ungleich verteilt. Umfragen zufolge bildeten die Ängstlichen zeitweilig eine Dreiviertelmehrheit. Ende März waren noch 55 Prozent aller Wahlberechtigten „besorgt, ich selbst oder ein Familienmitglied könnte sich anstecken“. Bis Ende Juni schrumpfte ihr Anteil auf 24 Prozent (22). Doch stattlich ist die Fraktion der Bedenkenträger weiterhin – und nicht minder verurteilungsfreudig. Sie applaudiert Ministern, die hemdsärmlig durchgreifen, und ermutigt sie, damit fortzufahren, ja noch einen draufzusetzen. Das befremdet Unbesorgte nicht nur - ihnen graut, es widert sie an.


Sechs von zehn Deutschen spüren inzwischen die wachsende Kluft. Sie glauben, dass „die Corona-Pandemie zur stärksten Polarisierung der Gesellschaft in den vergangenen zehn Jahren führen könnte“, und erwarten „größere Verwerfungen als etwa in der Flüchtlingskrise“. Dies ergab eine Repräsentativumfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey unter 5.037 Bundesbürgern in der ersten Juniwoche (23).


Krokodilstränen über die „Spaltung der Gesellschaft“


Auch führende Politiker bejammern diese Entwicklung neuerdings. Vor einer coronabedingten „Spaltung der Gesellschaft“ warnt Jens Spahn (24) ebenso wie NRW-Ministerpräsident und Möchtegern-Kanzler Armin Laschet (25).


Damit erklimmen sie krokodilstränenreich den Gipfel der Heuchelei – dem Brandstifter gleich, der sich darüber entsetzt, wie das gelegte Feuer zum Flächenbrand ausarten kann. In Wahrheit haben CDU, CSU und SPD jenem neuen bürgerschaftlichen Miteinander entgegengearbeitet, das sie laut Koalitionsvertrag nach Kräften fördern wollten: „Den sozialen Zusammenhalt in unserem Land“, so heißt es in dessen Präambel, „wollen wir stärken und die entstandenen Spaltungen überwinden.“ Von wegen. Stattdessen überbieten sich Vertreter der Regierungsparteien seit Monaten darin, den Volkszorn auf böse, doofe Verschwörungstheoretiker zu schüren, weil er ihnen überaus gelegen kommt. Während sich regierende Alarmisten, Zupacker und Durchgreifer bei der verängstigten breiten Masse spektakuläre Umfragewerte verschafften, trieben sie propagandaresistente Besonnene, die hinterfragen und durchschauen, ins innere Exil. Statt der Sabotage von Sachdiskussionen gegenzusteuern, haben sie mitsabotiert – aus gutem Grund: Je kümmerlicher die medizinischen Gründe für drakonischen Infektionsschutz daherkommen, desto näher liegt es, daraus eine Gewissensfrage, einen Charaktertest zu machen. „Geben wir aufeinander acht“, schärft uns der Gesundheitsminister ein, „passen wir miteinander und aufeinander auf“ (26). „Auf unser gemeinsames solidarisches Handeln kommt es an“, verkündet die Bundeskanzlerin (27). Und der Bundespräsident mahnt: Für „jeden“ von uns gelte es, sein Leben „radikal zu ändern“, um „dadurch täglich Menschenleben zu retten“ (28).


Wem nützt die perfide Zuspitzung zwischen vermeintlichen Lebensrettern und Lebensgefährdern, Solidarischen und Solidaritätsverweigerern, Mitfühlenden und Herzlosen? Hygienedikatur kann Milliardengeschäfte sichern, weitaus zuverlässiger als eine freiheitlich-demokratische Grundordnung. Im vermeintlichen Notstand setzt ein Staat rigoros durch, was ihm erforderlich scheint: massenhafte Tests, möglichst lückenlose Kontrolle, Einsatz von Schutzausrüstung, Medikamenten und Impfstoffen. Falls sich der Konflikt zwischen Verängstigten und Gelassenen deswegen weiter verschärft: umso besser. Falls die Spannungen bürgerkriegsähnlich eskalieren sollten: noch besser. Um die „öffentliche Sicherheit und Ordnung“ aufrechtzuerhalten, bedarf es dann erst recht der harten Hand der Staatsmacht, die erzwingt, was sie zugunsten der Volkswohlfahrt für alternativlos hält. In Pandemiezeiten ist das ein Kinderspiel: Verschwörerische Zusammenkünfte, Demonstrationszüge, Massenproteste schaffen „Hotspots“, laden „Superspreader“ ein, treiben die ominöse „Reproduktionsrate“ hoch, erhöhen das Risiko der nächsten Welle. Erfordern sie also nicht dringend ein Versammlungsverbot?


Ist Demokratie nicht Gift für optimalen Seuchenschutz? Die Corona-Krise lässt ahnen, wie gefährdet sie ist. Schon die nächste Pandemie könnte ihr Totengräber werden. Sie wird kommen, orakelte die WHO schon im Frühjahr 2019 – „das ist keine Frage des Ob, sondern nur noch des Wann“ (29). Das stimmt 2020 weiterhin.


„Was hier mit dir passiert, ist für immer“, mahnte George Orwell. „Mit fast tödlicher Sicherheit bewegen wir uns auf ein Zeitalter totalitärer Diktaturen zu.“ Moderne Überwachungstechnik könnte sie zu tausendjährigen Reichen machen.


Harald Wiesendanger


Quellen und Anmerkungen:

(4) So z.B. die Deutsche Presse-Agentur, dpa:200801-99-04333/2, u.a. übernommen von https://www.radiowuppertal.de/artikel/tausende-zu-anti-corona-demonstration-in-berlin-erwartet-669752.html.

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