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  • Dr. Harald Wiesendanger

Nehmt euch in Acht vor mir!

Bin nämlich Verschwörungstheoretiker. Verbreite Fake News. Werde von ausländischen Mächten gesteuert. Gefährde die öffentliche Sicherheit und Ordnung.


Ich trage Alu-Hut. Mag ich, steht mir. Daran erkennt man mich als wirren, gemeingefährlichen Verschwörungstheoretiker, der gezielt bloße Gerüchte verbreitet, Falschinformationen, Fake News, die keinem Faktencheck standhalten. Was ich von mir gebe, ist abstrus, unwissenschaftlich, lächerlich. Ich kann Panik und Konflikte auslösen. Ich könnte dich radikalisieren. Ich könnte dich dazu bringen, zur Waffe zu greifen und jemanden umzulegen. Ich bin ein Agent Putins, zumindest aber kremlfreundlich, oder sonstwie von ausländischen Mächten gesteuert, andernfalls aber ein neonazistischer Rechtspopulist, vielleicht aber auch ein Linksextremist. Jedenfalls bedrohe ich die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Man sollte mich mit Bußgeld oder Haftandrohung abschrecken. Man muss mich im Auge behalten, der Verfassungssschutz tut es bereits. Um ein Haar hätte mich die Kripo Mannheim-Heidelberg erkennungsdienstlich behandelt. Der EU bereite ich Sorgen. Wäre ich in Sachsen, so stünde ich kurz davor, in die Psychiatrie eingeliefert zu werden.


Und warum ist all dies so? Weil ich Journalist bin, dem der Ehrenkodex seines Berufsstands weiterhin heilig ist – anscheinend im Unterschied zu beinahe allen Kollegen bei sogenannten „Qualitäts-“ und „Leitmedien“. Weil ich Recherchen betreibe und Texte verfasse, die einer hyperaktiven Staatsführung sowie allen, die mit ihr kollaborieren, sie gewähren lassen und nach ihrer Pfeife tanzen, nicht in den Kram passen. Weil ich die Hygienediktatur als das beschreibe, was sie ist: unverhältnismäßig und verfassungswidrig. Weil ich soziale Medien wie Facebook nutze, nachdem es für systemkritischen Journalismus keine anderen Publikationsmöglichkeiten mehr gibt. Weil ich noch imstande bin, eine irrationale Verschwörungstheorie, ein Hirngespinst zu unterscheiden von einer naheliegenden Vermutung, einem begründeten Verdacht, einem triftigen Indiz. Weil ich durchschaue, dass „Verschwörungstheorie“, „Fake News“ und „Faktencheck“ längst zu rhetorischen Kampfbegriffen von Ideologen geworden sind, die lästige Kritik beiseite räumen, indem sie Kritiker diskreditieren – wer sie in die Welt setzte, will dafür sorgen, dass gewisse Fragen erst gar nicht auftauchen, und unangenehme Diskussionen im Keim ersticken. Ich ecke an, weil mich infame Rufmörder anwidern, die angebrachte Zweifel an der Integrität von Politikern, Wissenschaftlern und Ärzten in dieselbe Schublade zwängen wie den Glauben an Pizzagate, eine Flacherde, außerirdische Reptiloide und den biblischen Schöpfungsakt. Weil das, was ich in 14 Jahren Gymnasium und Universität als „Wissenschaft“ kennengelernt habe, immer weniger dem entspricht, was meine Berufskollegen dafür halten und unverdaut an ihr Publikum weiterreichen. Weil ich mir nicht verbieten lasse, die WHO korrupt, Regierende inkompetent, Forscher käuflich, die Profitgier von Pharma-Managern teuflisch zu nennen. Weil ich der Propagandamacht von Großkonzernen, ihrer PR-Agenturen und Lobbytruppen nicht weniger als alles zutraue. Weil ich mich nicht aus Existenzangst verbiegen oder die Klappe halten will. Weil ich viele Ärzte und Wissenschaftler kenne, die genauso denken wie ich. Es sind zuwenige. Aber es werden immer mehr.


Vor „Gefahren durch Verschwörungstheoretiker“ wie mich hat soeben der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Thüringens Ressortchef Georg Maier, nachdrücklich gewarnt. Sie „erfüllen“ ihn „mit Sorge“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Sicher, vieles ist abstrus, und man mag es belächeln.“ Doch der Attentäter von Hanau habe sich unter anderem durch Verschwörungstheorien radikalisiert, betonte Maier und fügte hinzu: „Vieles erinnert an die Reichsbürger. Die haben wir anfangs ebenfalls belächelt, bis sich ihre Ansichten verbreitet und sich einige irgendwann bewaffnet haben. Auch deshalb muss man diese Verschwörungstheoretiker jetzt im Auge behalten.“


Nur zwei Tage zuvor, am 22. April 2020, hatte Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang vor Falschinformationen über die Corona-Krise aus dem Ausland gewarnt. „Für viele Staaten ist die Corona-Pandemie eine Gelegenheit, um sich global vorteilhaft zu positionieren. Dabei verbreiten sie Desinformation, die in die bisherigen Narrative eingepflegt wird“, sagte er dem RND.


Durch Desinformation könne „die öffentliche Sicherheit und Ordnung bedroht sein“, heißt es aus dem Bundesinnenministerium. Wenn die Menschen gezielt mit falschen Informationen versorgt würden, entstehe Verunsicherung.


Bloß ein Arzttermin hielt mich davon ab, am Mittwoch 15. April vor dem Gebäude der Polizei Heidelberg mein Grundrecht auf Versammlungsfreiheit wahrzunehmen, um gemeinsam mit rund 150 weiteren Menschen der Rechtsanwältin Beate Bahner anlässlich ihres Verhörtermins meine Solidarität zu bekunden. (Kurz zuvor hatte Frau Bahner beim Bundesverfassungsgericht Klage gegen die Corona-Verordnungen der Bundesländer eingereicht; daraufhin wurde sie festgenommen, misshandelt und in eine psychiatrische Klinik geschafft.) Wäre ich dort gewesen, so stünde ich jetzt im Visier einer 12-köpfigen Ermittlergruppe, die „das Polizeipräsidium auf Weisung des Polizeipräsidenten Andreas Stenger noch am selben Tag unter Leitung des Dezernats Staatsschutz eingerichtet“ hat. Deren „Ziel ist es, die Vorgänge aufzuklären und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu identifizieren, die“ mit ihrer Anwesenheit „gegen die Corona-Verordnung verstoßen haben. In die Ermittlungen sind auch Spezialistinnen und Spezialisten im Bereich der forensischen Videoauswertung und Kriminaltechniker eingebunden.“ () Sachdienliche Hinweise auf meine bloß zufällige Nichtanwesenheit, aber intendierte Beteiligung sind zu richten an: mannheim.pp.stab.oe@polizei.bwl.de.


Dass für demokratische Grundrechte nur suspekte Gestalten auf die Straße gehen können, scheint für einen Großteil der Journaille ausgemachte Sache. Am 1. Mai 2020, so weiß das sogenannte „Recherchezentrum" Correctiv, protestiert gegen Corona-Politik „ein Sammelsurium aus linken und rechten Aktivisten“, die „Sympathie für den Kreml eint“. RBB24, der Online-Ableger der ARD-Anstalt Radio Berlin-Brandenburg, verbreitet kommentarlos die Unterstellung des Berliner Innensenators Geisel, dass gegen die Corona-Einschränkungen „Rechtsextremisten, Linksextremisten und Aluhut-Träger“ protestieren – sonst niemand? In einer Videotext-Nachricht vom 25. April 2020 weiß die ARD über Berliner Demonstrationsteilnehmer bloß eines zu sagen: dass darunter „viele Verschwörungstheoretiker und Rechtspopulisten“ sind, die gegen „von ihnen befürchtete Einschränkungen von Grundrechten“ protestieren. (1) Eine bloße „Befürchtung“? Eine grundlose gar? „Trotz Verbots wollen Verschwörungstheoretiker in Berlin gegen die Kontaktbeschränkungen wegen der Corona-Pandemie protestieren“, zum Befremden des RND. Wie können es freie Bürger wagen, sich friedlichen Widerstand gegen ein verfassungswidriges Verbot nicht verbieten zu lassen?


Als Baden-Württemberger muss ich mir seit Montag, 27. April 2020, eine Maske umbinden, ehe ich ein Geschäft betrete, einen nahezu leeren Bus oder Zug besteige. Immerhin dient dies der Aufrechterhaltung eines optisch ansprechenden Erscheinungsbilds, weil andernfalls der Schaum vor meinem Mund sichtbar wäre. Diese Atemschutzschikane, wie alle sonstigen Kontaktbeschränkungen außerhalb der sogenannten „Risikogruppen“, ist sinnlos und kontraproduktiv, wie selbst die WHO, das RKI, die Kassenärztliche Bundesvereinigung finden – ein „lächerlicher Lappen“, um den Weltärztepräsidenten zu zitieren. Am liebsten würde ich ihn mir demonstrativ vom Gesicht reißen. Täte ich es, würde eine Ordnungsstrafe von 150 Euro fällig. Täte ich es wiederholt, so würde mir, falls ich in Sachsen derart auffällig würde, die Irrenanstalt drohen.


Genau dies, eine Zwangseinweisung in die Klapsmühle, hält Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD) „im Einzelfall“ für erforderlich, wie sie am 10. April 2020 erklärte. Wer in Sachsen in Quarantäne muss und sich nicht daran hält, muss damit rechnen, dass er in die Psychiatrie verschleppt, dort mindestens zwei Wochen festgehalten und gegebenenfalls „ruhiggestellt“ wird, bewacht von Polizei. Dazu hat das Bundesland Sachsen bereits in den psychiatrischen Kliniken Altscherbitz, Arnsdorf, Großscheidwitz und Rodewisch insgesamt 22 Zimmer freiräumen lassen. Denn es sei „für unser aller Gesundheit und Leben wichtig, dass die Menschen sich an die Quarantäneanordnungen der Gesundheitsämter halten“, zitiert der Sender MDR die Sozialministerin. „Falls es im Einzelfall dazu kommen sollte, dass sich Menschen den Anordnungen widersetzen, ist es notwendig, die von den Gesundheitsämtern angeordneten Maßnahmen mit Gewalt durchzusetzen. Dazu ist es möglich, diese Menschen mit einem richterlichen Beschluss in einem geschlossenen Teil eines Krankenhauses unterzubringen.“


Jawohl, ein solches Vorgehen erlaubt Paragraph 30 des Infektionsschutzgesetzes: Wer Anordnungen nicht nachkomme oder bei wem aufgrund bisherigen Verhaltens davon auszugehen sei, dass er ihnen nicht nachkommen werde, der sei „zwangsweise durch Unterbringung in einem abgeschlossenen Krankenhaus oder einem abgeschlossenen Teil eines Krankenhauses abzusondern“. Dort muss er gegebenenfalls „die Maßnahmen zu dulden, die der Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen Betriebs der Einrichtung oder der Sicherung des Unterbringungszwecks dienen“ – notfalls also auch Zwangsfixierungen und Ruhigstellung mit Psychopharmaka. (Näheres hier.) Was haben „Verschwörungstheoretiker“ auch anderes verdient, zumal bekanntlich nur psychisch Gestörte zu solchen werden können?


Unterdessen hat die Europäische Union eine Kampagne „EU vs. Disinfo“ gestartet, in tiefer Sorge, weil „Des- und Misinformationen über COVID-19 weiterhin weltweit um sich greifen und möglicherweise mit negativen Folgen für die öffentliche Sicherheit, Gesundheit und eine wirksame Krisenkommunikation einhergehen“. Ihre öffentliche „Datenbank für Desinformation“ hat schon rund angebliche 8400 Fakes erfasst, darunter die Behauptung, die Pandemie werde übertrieben. Wie das Kampagnenbüro am 24. April 2020 verlauten ließ, ist ihm zumindest schon so viel aufgefallen: „Insbesondere russische Medien machen in der Corona-Krise weiter mit Desinformation Stimmung gegen die Staatengemeinschaft. Allein in der vergangenen Woche sind 45 Fälle kremlfreundlicher Falschnachrichten hinzugekommen, 30 von ihnen in Verbindung mit dem Coronavirus.“ Sie seien „auf Twitter, Facebook, Pinterest und Reddit rund 36.500-mal geteilt, kommentiert und mit einem Like versehen worden“. Womöglich handelte es sich gar um jene unübersehbar kremlfreundlichen Fake News, welche KLARTEXT in jüngster Zeit wie am Fließband in die panikvirusverseuchte Welt gesetzt hat?


So etwas gehört verboten, hat Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) gefordert. Denn „Fake News in Zeiten der Coronakrise sind brandgefährlich“, warnte er im Spiegel. „Sie können Panik und Konflikte auslösen und sind daher auf das Schärfste zu verurteilen. Daher müssen wir mit Bußgeldern oder sogar Strafandrohungen abschrecken.“ Die Bundesregierung solle endlich handeln: „Ich bitte den Bund, koordinierend tätig zu werden und entweder Möglichkeiten nach dem Infektionsschutzgesetz aufzuzeigen oder schnellstmöglich das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten beziehungsweise das Strafgesetzbuch anzupassen. Es muss verboten werden, öffentlich unwahre Behauptungen über die Versorgungslage der Bevölkerung, die medizinische Versorgung oder Ursache, Ansteckungswege, Diagnose und Therapie von Covid-19 zu verbreiten.‘‘ Jawohl – also ab in den Strafvollzug mit brandgefährlichem Gesindel wie Drostens Charité-Vorgänger Prof. Krüger, mit Dr. Wodarg, Dr. Schiffmann, Prof. Bhakdi, Prof. Lohse, Prof. Püschel, Prof. Mölling, Prof. Goetzsche, Prof. Ioannidis! Alle wegsperren! Unverzüglich!


Dass die Machwerke von gemeingefährlichen Verschwörungstheoretikern wie mir immer weitere Verbreitung finden, liegt nach Maiers Einschätzung daran, dass „sich immer mehr Menschen nicht mehr über seriöse Medien, sondern nur über soziale Netzwerke informierten“. Für die Stärkung dieses Trends darf ich mich herzlich bedanken bei allen Qualitätsjournalisten, die Leuten wie Maier kritiklos Gehör verschaffen und ihn zustimmend zitieren.


Zumindest das RND braucht niemanden mehr zu zitieren, es weiß selber schon Bescheid: Die „Urheber (…) eines Sturms an Einflusskampagnen, der in diesen Wochen über uns hinwegbraust, (…) überfluten soziale Netzwerke wie Twitter, Facebook und Whatsapp-Gruppen so lange mit Verzerrungen der Realität, bis die überprüfbare Tatsache vor lauter falschen Versionen nur noch eine Version unter vielen darstellt. (…) Das Virus verklebt die Lungen, Desinformation die Gehirne.“ Wer faktencheckt die zerebrale Verfassung des RND-Redakteurs, der so eine Ungeheuerlichkeit absondert? Beim RND handelt es sich um eines der größten redaktionellen Netzwerke Deutschlands; es beliefert mehr als 40 Tageszeitungen mit einer Auflage von insgesamt mehr als 1,5 Millionen Exemplaren, somit erreicht es rund vier Millionen Leser pro Tag. Dieses RND gehört dem Mediengiganten Madsack: 4000 Mitarbeiter, 681 Millionen Euro Jahresumsatz (2018). Dessen größte Kommanditistin ist die Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft (ddvg), das Medienbeteiligungsunternehmen der SPD – also eben jener Regierungspartei, welche die staatliche Corona-Politik mitverantwortet.


„Die geistigen Kräfte des deutschen Journalismus, die sich zu einem JA verpflichten, können der wärmsten Unterstützung der Regierung gewiss sein. Jene Kräfte aber, die sich aus Bosheit und Unverstand zu dieser Aufgabe verneinend verhalten, die glauben, sie hemmen oder sabotieren zu können, die müssen es sich am Ende auch gefallen lassen, dass sie aus der Gemeinschaft der aufbauwilligen Kräfte ausgestoßen und an der Bildung der öffentlichen Meinung des deutschen Volkes mitzuwirken als unwürdig erachtet werden.“ Nein, diese Sätze stammen weder von Georg Maier noch von Jens Spahn, weder von Boris Pistorius noch von Petra Köpping. So zeitgemäß formulierte Joseph Goebbels.

(Harald Wiesendanger)

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