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  • Dr. Harald Wiesendanger

Der beste Seuchenschutz: gute Gesundheitserziehung

Aktualisiert: 14. Aug. 2021

Wie konnte sich ein Großteil der Bevölkerung weismachen lassen, sie sei einem „Killerkeim“ aus Wuhan „schutzlos ausgeliefert“, erst und allein eine Impfung könne sie retten? Die wahren Covidioten sind jene, die solchen wissenschaftsfernen Unfug für bare Münze nehmen. Ihre Panik, ihre Gefügigkeit, ihre Verführbarkeit beweist, wie jämmerlich ihre Gesundheitserziehung versagt hat, wie dringend nötig sie eine bessere hätten. Wer weiß, dass es so etwas wie ein Immunsystem gibt; dass auch er über eines verfügt; wie es mit Erregern aller Art fertig wird, auf eine in Jahrmillionen entwickelte und bewährte Weise; wie man es stärken kann – der lässt sich nicht länger bange machen, einsperren, eine Maske umschnallen, Grundrechte vorenthalten, zum Versuchskaninchen machen. Die Coronoia unserer Zeit verweist auf ein bildungspolitisches Versagen ohnegleichen. Wer hat es zu verantworten, wem nützt es, wie ist es zu beheben?


Von tausend Menschen, die sich mit dem sogenannten „Killerkeim“ aus Wuhan ansteckten, überlebten in den meisten Ländern 995 bis 999 – schon vor einer Impfung. Die „Letalität“ von Covid-19, also der Anteil der Verstorbenen an allen Infizierten, liegt im weltweiten Durchschnitt bei 0,1 % bis 0,5 % - und damit im Bereich der mittelstarken Grippe-Pandemien von 1936 und 1957. (1) Für 35- bis 44-Jährige liegt sie bei 0,068 %, für alle noch Jüngeren bei 0,004 %. (2) Selbst im als „Corona-Hölle“ gehypten Indien starben, einer neuen Antikörperstudie zufolge, lediglich 0,058 % aller SARS-CoV-2-Träger. Den Länderrekord hält Japan, mit einer Rate von sechs Toten unter einer Million (!) Infizierten (3) – so wenige wie unter Schweizer Teenagern.

Wie sind solche Infection Fatality Rates (IFR) möglich, wo wir der Corona-Seuche doch angeblich „schutzlos ausgeliefert“ waren, ehe uns Big Pharma neuartige Vakzine bescherte?

Im globalen Schnitt erkranken höchstens 5 von 1000 an Covid-19, weil die übrigen 995 zuvor nicht krank genug sind. Ihr Immunsystem funktioniert, es gelingt ihm, den Erreger unschädlich zu machen. Ist es geschwächt, lässt es sich stärken – nichtpharmazeutisch, auf natürliche Weise. Das gilt auch für vielzitierte „Risikogruppen“: die Alten, die Übergewichtigen, die Immunschwachen, die Diabetiker, Hypertoniker, Atemwegserkrankten und sonstigen Chroniker. Selbst unter ihnen überleben die meisten eine Ansteckung; noch mehr täten es, wenn sie endlich erfahren dürften, was sie selbst dafür tun könnten.

Die anhaltende Massenpanik, das blinde Vertrauen in lügende Politiker, Experten und Medien, die willige Unterwerfung unter die Hygienediktatur, die bedingungslose Bereitschaft, sich zum Versuchskaninchen im größten, riskantesten medizinischen Experiment der Geschichte zu machen: letztlich sind all dies Symptome eines Bildungsnotstands ohnegleichen. Sie verraten einen Mangel an Gesundheitsunterricht, vor allem über die Bedeutung einer vollwertigen Ernährung und reichlich Bewegung. Ein Staat, dem an der Volksgesundheit liegt, versetzt seine Bürger in die Lage, für ihre Gesundheit möglichst selber zu sorgen, eigenverantwortlich und aufgeklärt.

Das Trauerspiel um Ernährungskunde

Ein Schulfach „Ernährung“ sei „nicht nötig“, so befanden der Bankkaufmann Jens Spahn und seine Kabinettskollegin, die ehemalige Weinkönigin und Religionslehrerin Julia Klöckner, schon im November 2018 in einer gemeinsamen Erklärung. (4)

Das ist, zurückhaltend bewertet: sch…ade. Mit Hilfe zur gesundheitlichen Selbsthilfe kann ein wahrhaft fürsorglicher Staat eigentlich gar nicht früh genug beginnen. Denn die Weichen für Verhaltensmuster, die chronische Erkrankungen fördern oder vermeiden helfen, werden in der frühen Kindheit gestellt: auch, aber nicht nur durch falsche Ernährung. Deshalb muss Gesundheitserziehung schon in Kitas und Kindergärten stattfinden, spätestens aber von der ersten Schulklasse an – nicht am Rande, sondern als Hauptfach. Am besten, sie verwandelt fächerübergreifend jede Bildungsanstalt von Grund auf. Ein neuer Geist tut not.

Wem die Dringlichkeit nicht einleuchtet, der sollte sich während Großer Pausen auf Deutschlands Schulhöfen umschauen. Schon jedes fünfte Kind ist offensichtlich übergewichtig, fast jedes Zehnte hat die Grenze zur Adipositas überschritten. Jedes sechste Kind und jeder vierte Jugendliche weist bereits eine chronische Grunderkrankung auf, die länger als ein Jahr dauert. (5)

Unter Medizinern ist der Radiologe Prof. Dietrich Grönemeyer, älterer Bruder des Sängerstars Herbert, der bekannteste Fürsprecher eines „Verstehens des eigenen Körpers von der Kindheit an“. Mit einer 2007 gegründeten Stiftung, die seinen Namen trägt, setzt er sich vehement für Gesundheitsunterricht in den Schulen ein – „denn bei den Erwachsenen ist es meistens zu spät“. (6) Eine frühzeitige gesundheitliche Aufklärung, so glaubt er felsenfest, könne das Gesundheitssystem finanziell entlasten und Volkskrankheiten eindämmen.


Neu sind solche Forderungen beileibe nicht. Leser des Pädagogischen Beobachters, des Zürcher „Wochenblatts für Erziehung und Unterricht“, fanden schon in der Ausgabe vom 19. Februar 1876 ein Plädoyer für die „Aufnahme der Gesundheitslehre als selbstständiges Fach“. Dies dürfe nicht „als ungebührliche Einmischung der Ärzte in das Gebiet der Pädagogik“ missverstanden werden. Vielmehr diene es dem „Kampf gegen tiefwurzelnde Schäden und eingerostete Vorurtheile“. (7)


Doch seit eh und je verhindern politisch Verantwortliche, dass der plausiblen Idee endlich entschlossene Taten folgen. Ihre Blockadehaltung rechtfertigen sie mit den immergleichen sechs Argumenten, eines dürftiger als das andere.


Sechs klägliche Ausflüchte


Wo kämen wir denn hin, so fragen Skeptiker, wenn alle neuen Fächer, die irgendwem irgendwie sinnvoll erscheinen, Einzug in die Schule halten würden? Nicht einmal 48-Stunden-Tage würden ausreichen. Ein Fach „Alltagswissen“ könnte Kindern klarmachen, wie man ein Bankkonto eröffnet, seine Steuererklärung erstellt, eine Versicherung und einen Mietvertrag abschließt, den Rechtsweg beschreitet. Unterricht in „Benehmen“ wünschen sich 75 Prozent der Deutschen, jeder Zweite ein Pflichtfach „Wirtschaft“. „Viele Fächer resultieren aus dem Partikularinteresse von Verbänden oder Institutionen“, gibt Die Zeit zu bedenken. „Der Verbraucherverband Bundeszentrale hält natürlich Verbraucherbildung für ziemlich brauchbar. Das Rote Kreuz meint, Erste Hilfe solle gelehrt werden. Der Plattdeutschverein setzt sich natürlich für Plattdeutsch ein, und der Verein ‚Optimisten für Deutschland‘ hält das Unterrichten in Glück für unabdingbar.“(8)


Die dürftige Logik dieses Arguments teilen Leute, die grundsätzlich nicht spenden: „Ich kann nicht jedem helfen – also helfe ich keinem.“ Auch wenn ich nicht jede Not lindern kann: Sollte ich nicht zumindest die folgenschwerste angehen? In Umfragen nimmt Gesundheit unter den wichtigsten Werten den Spitzenplatz ein, noch vor Familie und Erfolg. Darf, muss sich diese Gewichtung nicht gerade im Kultusbereich vehement niederschlagen?


Gesundheitserziehung sei Sache des Elternhauses, so heißt es – ebenso wie die Erziehung zur Körperhygiene, zu selbstständigem Anziehen, zur Aggressionskontrolle, zu grundlegenden sozialen Fähigkeiten wie Umgangsformen und Empathie. Nun auch noch diese Aufgaben übernehmen zu müssen, überfordere die Schule. Sie „kann nicht reparieren, was zuvor schon kaputt gemacht worden ist", wie ein Sprecher des sächsischen Kultusministeriums erklärte. (9) Genauso sehen das Lehrerverbände: „Wir sind es leid, für alle Defizite der Familie geradezustehen - gleiches gilt für die Jugendgewalt. Gesunde Ernährung bleibt der Job des Elternhauses.“ (10) Die Schule sei „kein Reparaturbetrieb für gesellschaftliche Fehlentwicklungen“. (11)


Fakt ist: Daheim findet Gesundheitserziehung immer seltener statt. Kinder lernen am Modell. Welche Vorbilder bieten Eltern, bei denen regelmäßig Fast Food und Softdrinks, Tiefkühl- und Fertigprodukte auf den Tisch kommen, allabendlich vor dem Fernseher Nasch- und Knabberzeug bereitliegen? Die Emanzipationsbewegung hat der Frau Selbstverwirklichung im Beruf ermöglicht – und Haushalten die Person genommen, die fürs sorgfältige Planen von Mahlzeiten, fürs gewissenhafte Einkaufen, fürs frische Zubereiten zuständig war. In immer weniger Familien wird gekocht – kaum jemand hat noch Zeit dafür oder nimmt sie sich, kaum einer kann es noch wie einst die Oma; immer mehr Erwachsene weisen erschütternde Wissenslücken auf, was Zubereitung, Herkunft und Vielfalt von Lebensmitteln betrifft. Den modernen Haushalt kennzeichnen Mikrowelle und Tiefkühltruhe, industrielle Fertiggerichte, flinke Lieferservices und hastiges Eating on the Run.


Mit ihrer Ess- und Kochkultur verlieren nachfolgende Generationen die Fähigkeit, sich selbstbestimmt und ausgewogen zu ernähren. Wer allen Ernstes meint, das Zuhause sei weiterhin der richtige Ort für Gesundheitserziehung, hat anscheinend noch nie beachtet, womit eilige Mütter und Väter im Supermarkt ihre Einkaufswagen füllen – und was bei Deutschlands Mahlzeiten überwiegend auf den Tisch kommt.


Gesundheitsunterricht finde doch längst statt, in genügendem Maße, so bekommen wir ferner zu hören. Dies geschehe in Fächern wie Biologie und Chemie, Hauswirtschaft, Heimat- und Sachkunde. Dass Informationen zur Ernährung insofern „allgemein in den Schulalltag integriert“ werden, sei völlig ausreichend, so befanden Jens Spahn und Julia Klöckner. (12)


Demnach verweilen 64 Prozent der Schüler im Dauerschlaf: So viele haben nach eigenen Angaben im Unterricht selten oder nie etwas darüber erfahren, wie man sich vernünftig ernährt. (13) Was sie an „integrierter Information“ zu hören bekommen, ist in der Regel theoretischer Stoff, der sie weder berührt noch anregt, schon gar nicht eingefleischte Gewohnheiten verändert.


Für ein gesondertes Unterrichtsfach Gesundheit sei in den ohnehin überfrachteten Stundenplänen unserer Schulen schlicht kein Platz mehr, erklären Blockierer. "Man verfügt zurzeit ohnehin über zu wenig Unterrichtszeit, die Kinder Deutsch, Englisch oder Mathematik zu lehren", stellt der Präsident des Deutschen Lehrerverbands klar. (14) Von der Fülle an Lernstoff seien unsere Kinder schon jetzt überfordert.


Wo kein Platz ist, muss halt einer geschaffen werden – notfalls auf Kosten anderer Fächer. Lehrpläne entrümpeln, von einem jahrhundertealten, überholten Fächerkanon Abschied nehmen, heilige Kultuskühe schlachten: all das ist überfällig. Jenes Leben, auf das die Schule vorbereiten soll, muss zuallererst ein gesundes sein. Ist Wissen, wie das geht, etwa unbedeutender als die metergenaue Höhe des Mount Everest, die exakten Daten von Kaiserkrönungen, die kovalente Zweielektronen-Bindung, die Serienformel des Wasserstoffspektrums, Arkuskosinusfunktionen und partielle Integration? Welcher Stoff könnte während der mindestens 12.000 Stunden, die Kinder in der Schule verbringen, lebenswichtiger sein?


Gesundheitsunterricht sei zu teuer, heißt es. Allein auf das Land Niedersachsen würden bei zwei Wochenstunden Gesundheit 200 Millionen Euro pro Jahr zukommen, wie Ministerialbeamte dort ermittelt haben wollen. (15) Aber fürs „digitale Klassenzimmer“ stehen andererseits ohne weiteres mehrere Milliarden zur Verfügung?


Gesundheitsunterricht bringe nichts, so wird behauptet: Das gehe zum einen Ohr rein, zum anderen wieder raus. Für abstrakte Wissensvermittlung gilt das sicherlich. Aber es geht auch anders: anschaulich, praktisch, unterhaltsam, spannend, interaktiv.


Schule neu denken und gestalten


Neun von zehn Deutschen wünschen sich in Umfragen endlich ein Schulfach „Gesunde Ernährung“. (16)


Das allein wäre freilich zuwenig. Klar ist: Es darf nicht bloß darum gehen, ein weiteres Fach zu installieren. Eine solche Neuerung würde „von untätigen Politikern, einer trägen Verwaltung oder desinteressierten Lehrern bloß als Alibi missbraucht“, schwant dem freien Bildungsreferenten Siegfried Seeger. „Wer auf diese Weise sein Gewissen erleichtern möchte, schadet unseren Kindern.“ (17)


Schützenhilfe erhält Seeger durch die Studie „primakids“, welche die Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften und die Techniker Krankenkasse schon im Jahr 2004 an über 500 Erst- bis Viertklässlern an 14 Grundschulen durchführten: Übergewichtige Kinder nahmen durch ein Schulfach Gesundheit keineswegs ab; die Pfunde purzelten lediglich, wenn die gesamte Schule auf Gesundheit eingestellt war – und das private Umfeld mitmachte. (18)


Ziel muss nichts Geringeres als ein Gesamtkunstwerk sein, nämlich die gesunde Schule: ein heilsamer Ort, an dem alles, was unsere Kinder erfahren und tun, ihrem körperlichen und psychischen Wohlergehen dient, dem gegenwärtigen wie ihrem künftigen. Über Wissensvermittlung hinaus gehört dazu reichlich körperliche Aktivität, die Spaß macht; schadstofffreie Architektur, ergonomisches Mobiliar, saubere Toiletten; gute Raumluft, viel natürliches Licht, frohe Farben; Schutz vor Elektrosmog; eine Lernatmosphäre, die der Seele gut tut, neugierig macht, Kreativität viel Raum gibt, Selbstständigkeit, bewussten Konsum und kritisches Denken fördert; ein harmonisches Miteinander, das behutsame Mediation von Konflikten vorsieht, Minderheiten schützt und Mobbing im Keim erstickt. Erst in einer solchen Umgebung entwickeln sich Einstellungen und Gewohnheiten, die auch außerhalb des Schulgeländes, und auch noch lange nach Schulabschluss, Gesundheitsverhalten dauerhaft prägen können.


Eine solche Schule beschränkt das Thema Ernährung nicht auf ein paar zusätzliche Lehrbuchseiten, Arbeitsblätter und Vorträge von Lehrerseite. Mehr Wissen genügt bei weitem nicht – es geht um Können und Tun. Die fundierteste Ernährungslehre verpufft ohne vorbildliche Praxis, und die muss sich zuallererst daran bewähren, was auf den Teller kommt.


Immer mehr Ganztagesschulen richten Mensen ein. Über drei Millionen Kinder in Deutschland haben einen Rechtsanspruch darauf, dort verpflegt zu werden. Wie das geschieht, hat entscheidenden Einfluss auf ihre körperliche Verfassung, ihr Wohlbefinden, ihre Konzentration und Leistungsfähigkeit, wie auch auf ihre Ess- und Trinkgewohnheiten außerhalb der Schule. Also sind zuallererst Prioritäten zu klären. Sollen Kinder möglichst billig satt werden? Dann setzt man weiterhin auf die normierte Kost von Großküchen, die fantasielos eintönige Speisepläne, lange Transportwege, stundenlang warmgehaltenes, minderwertiges, zu fettes Essen und geschmacksverstärkte Pampe bieten, vom totgekochten Gemüseallerlei über aufgeweichte Nudeln und halbzerfallene Salzkartoffeln bis hin zu ledrigem Schweineschnitzel mit verbrannter Panade unter Fertigsoße. Davor flüchten Schüler, deren Taschengeld reicht, lieber zur Frittenbude um die Ecke, es sei denn, die Schulmensa bietet ausnahmsweise ein Junkfood-Highlight wie Currywurst mit Pommes und Ketchup. Es fehlen Gemüse, Salat, Obst. Qualität und Vielfalt bleiben auf der Strecke.


Um eine wirksame, nachhaltige Ernährungswende hinzukriegen, müssen Schulen bestehende Caterer-Verträge nachverhandeln oder kündigen, Lieferverträge mit nahen Biobauern schließen. Sie müssen eigene Küchen einrichten oder reaktivieren, damit vor Ort frisch und vielfältig gekocht werden kann. Und sie sollten einen eigenen Garten anlegen, in dem Gesundes angebaut, gehegt und geerntet wird. Ganz wichtig: Die Schüler müssen einbezogen werden, unter Anleitung von Lehrkräften, Ehrenamtlichen und tatkräftiger Mithilfe von Eltern, die gerade Zeit haben. Kinder sollten Mitverantwortung übernehmen – sei es fürs Anpflanzen und Düngen, fürs Schälen und Schneiden, fürs Anrühren oder fürs Würzen. Ernährungslehre kann alle Sinne ansprechen, neugierig machen, faszinieren. Gemeinsam einkaufen; der Produktion von Lebensmitteln, ihren Inhaltsstoffen, ihrer Verwertung im Körper auf den Grund gehen; Essen selber zubereiten, mit Küchengeräten umgehen; Leckeres sehen, riechen und schmecken: so etwas prägt die Essgewohnheiten von Kindern weitaus mehr als tausend Worte.


Der pädagogischen Phantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt. Sie braucht nur Raum zur unbürokratischen Entfaltung. „Kinder essen alles, wenn man sie mitkochen lässt“, versichert die österreichische Fernsehköchin Sarah Wiener, die 2007 eine eigene Stiftung zur „Praktischen Ernährungsbildung für Kinder“ ins Leben gerufen hat. „Man kann die Kinder mit an den Herd holen. Damit sie die erste kulturelle Leistung der Menschheitsgeschichte erbringen: beurteilen zu können, was sie sich in den Mund stecken. Kinder, die Kocherfahrungen sammeln, Geschmäcker ausprobieren, mit Genuss essen lernen und miterleben, wie Lebensmittel in der Landwirtschaft erzeugt werden, ernähren sich gesünder und verhalten sich nachhaltiger gegenüber ihrer Umwelt.“ (19) Ihre Neugier und Freude zu wecken, ihren Geschmack zu trainieren, erfordert freilich Zeit und Geduld. Andernfalls hat der schonend gedünstete Kabeljau keine Chance gegen Käpt´n Iglos Fischstäbchen. Und bloß gesund ist nicht genug: Eine Mahlzeit muss auch schmecken und lecker aussehen. Ebenso stimmen muss die Atmosphäre.


Und es muss in die Tiefe gegangen werden. Ungesunde Ernährungsroutinen sind großteils Ergebnis einer zur kulturellen Selbstverständlichkeit gewordenen Massenmanipulation von Kindes- beinen an. Unsere Kleinen sind von überzuckerten, versalzten, zu fettigen, künstlich aromatisierten Nahrungsmitteln regelrecht abhängig geworden, weil ihr Geschmackssinn denaturiert wurde: Was weniger süß oder salzig, würzig, herzhaft schmeckt wie Pizza und Hamburger, Pasta und Pommes, hat bei ihnen kaum noch eine Chance. Solche Vorlieben aufzugeben, setzt voraus zu verstehen, dass sie industriell programmiert sind. „Wer eine natürliche Frucht gegenüber künstlichen Fruchtaromen für fade hält und dem Geschmack von Gemüse oder vegetarischem Essen überhaupt nichts abgewinnen kann, ist im Grunde ein Patient, dem geholfen werden muss“, meint der Hobbykoch Jürgen Dollase, Autor von kulinarischen Büchern und für das SZ-Magazin „der beste deutsche Gastronomiekritiker“. Darauf zu verzichten, das kulinarische Bewusstsein zu öffnen und zu erweitern, findet Dollase „schlicht verantwortungslos. Eine unzusammenhängende Beschäftigung mit dem Schulessen, die nicht berücksichtigt und thematisiert, was außerhalb der Schule passiert, ist Nonsens und wird nie mehr zustande bringen, als ein paar Bio-Beilagen neben die Hamburger oder Würstchen zu legen.“ (20)


Manches erfordert erst noch eine verbesserte Aus- und Fortbildung von Lehrern und Erziehern, neue Unterrichtsmaterialien, überarbeitete Lehrpläne, geeignete Räumlichkeiten. Vieles ließe sich aber sofort umsetzen – zwei halbe Stunden Bewegung an jedem Schultag beispielsweise. In allen Pausen könnte für die Kinder frisches Obst und Gemüse bereitstehen, dazu reichlich stilles Wasser. Der nächste Klassenausflug könnte zu einem Biobauernhof führen statt zu einem Museum für moderne Kunst.


Im Schnitt 5,36 Euro kostet ein Schulessen in Deutschland, davon übernehmen Eltern 3,50 Euro. (21) Das reicht allenfalls für normierte Großküchenkost. Mit vier Cent mehr, wie Bundesernährungsministerin Julia Klöckner weismachte (22), ist es schwerlich getan. Wer Schulkindern mittags ein aus frischen, regionalen, saisonalen Zutaten zubereitetes Essen servieren will, ohne Chemiemüll, in Bio-Qualität, muss wohl oder übel mehr Geld in die Hand nehmen, mindestens ein bis zwei zusätzliche Euro. Bund, Länder und Gemeinden sollten finanziell überforderten Familien unter die Arme greifen. Die rund 1,2 Milliarden Euro, mit denen Deutschlands Kommunen bislang die Schulverpflegung bezuschussen, sind zuwenig.


Gesunde Schule funktioniert unmöglich ohne die Eltern, schon gar nicht gegen sie. Was zuhause geschieht, kann die beste schulische Gesundheitserziehung hintertreiben, ihren Ertrag zunichte machen. Das erlebte Englands Starkoch Jamie Olivier, als er 2015 eine vielbeachtete Kampagne startete, um an britischen Schulen Junkfood durch vollwertige Mahlzeiten zu ersetzen: Mütter reichten daraufhin ihren ökotrophologisch gepeinigten Kleinen das geliebte Fastfood über den Schulzaun. (23)


Deshalb müssen Mütter und Väter überzeugt und einbezogen werden; sie müssen offen sein, sich Zeit nehmen und mitengagieren, auch innerhalb der Schule. Dazu benötigen viele erst mal reichlich Nachhilfeunterricht. Der statistisch bedeutendste Risikofaktor für Übergewicht bei Kindern sind übergewichtige Eltern.


Auch zusätzliche, qualifizierte Lehrkräfte braucht das Land – schon heute fehlen Zehntausende. „Viele von ihnen fühlen sich überfordert, wenn sie gesundheitsrelevante Themen fächerübergreifend unterrichten sollen, die in ihrer Ausbildung wenig Raum hatten. Ihr Arbeitspensum ist schon jetzt ungeheuer hoch“, gibt Gudrun Zander zu bedenken, Dezernentin am Landesinstitut für Schule und Ausbildung Schwerin in Mecklenburg-Vorpommern. (24)


Den Couch Potatoes Beine machen


Dabei geht es längst nicht bloß um Ernährung. Gesundheit erfordert gleichermaßen körperliche Aktivität. Wie viel Anreiz zu mehr Bewegung bieten Eltern ihrem Nachwuchs, wenn sie selbst zu jenen 57 Prozent Couch Potatoes zählen, die pro Woche weniger als 150 Minuten moderat oder 75 Minuten intensiv körperlich aktiv sind, wie von der WHO als Mindestrichtwert empfohlen? (25)


Um „die Lust an Bewegung und Prävention zu fördern“, wirbt Grönemeyer für eine tägliche Stunde Schulsport. Dazu entwickelte er ein Programm mit 40 Übungen für 20 Minuten, nach dem Motto: „Turne bis zur Urne.“ 2015 initiierte Grönemeyer „Die bewegte Schulpause“.


Aber wozu starre „Übungen“? Jeder Schultag sollte einfach reichlich Freiheit und Anreiz für ausgiebige Bewegung bieten, die Spaß macht und fit hält: Laufen, Rennen, Spielen, Hüpfen, Fangen, einfach alles, was den natürlichen Bewegungsdrang von Kindern fördert, zum reinen Vergnügen, ohne Leistungsdruck und Benotung. Falls Jungs jeden Tag kicken wollen: Lasst sie doch.


Traditioneller Sportunterricht hingegen gehört ausgelagert, in den Verein. In der Schule gänzlich fehl am Platz sind Leibesertüchtiger, die sich der Frühförderung künftiger Olympiasieger verpflichtet fühlen oder sadistische Neigungen ausleben, indem sie sichtlich überforderte, verängstigte Kinder zu halsbrecherischen Bodenturn- und Reckübungen zwingen. Endlose Lippenbekenntnisse, zaghafte Ansätze


Warum ziehen Bundes- und Landesregierungen nicht längst naheliegende schulpolitische Konsequenzen? Zumindest wolkige Absichtserklärungen haben sie mittlerweile reichlich in die Welt gesetzt. "Mir ist wichtig, dass Kinder in der Schule etwas darüber lernen, wie sie gesund leben können", bekannte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) bereits im Herbst 2007; dazu zählte sie vor allem Ernährung und Bewegung. Vorausgegangen war die Anregung eines Staatssekretärs des Verbraucherschutzministeriums, ein gesondertes Schulfach „Ernährungs- und Verbraucherbildung“ einzuführen.


Daraus folgte? Herzlich wenig. Bloß zwei Bundesländer, Bremen und Hamburg, zeigten sich offen dafür – der Rest winkte ab. „Wenig sinnvoll“ fand den Vorstoß auch der damalige Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, Berlins Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD). (26)


Fünf Jahre später, im November 2012, verabschiedete die Kultusministerkonferenz immerhin eine „Empfehlung“, der zufolge „Gesundheitsförderung als unverzichtbares Element einer nachhaltigen Schulentwicklung verstanden“ werden müsse. „Ziel einer guten und gesunden Schule“ sei es, „die Gesundheitsressourcen und -potenziale aller Akteure in der Schule zu erhalten und zu stärken“. (27) Allerdings liege „Ernährungsbildung in der Länderverantwortung und in der Selbstverwaltung der Schulen“. (28)


Im Juli 2015 trat ein „Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention“ in Kraft, das unverbindliche, vage Zielsetzungen bevorzugt. Auf Verpflichtungen verzichtet es. Soweit Kitas und Schulen darin vorkommen, stellt es Früherkennungsuntersuchungen, die „Förderung der Impfprävention“, Aids- und Drogenaufklärung in den Vordergrund. An der belämmernden Tatsache, dass die Bundesrepublik lediglich drei Prozent ihrer Gesundheitsausgaben für Vorsorge verwendet – davon wiederum nur einen Bruchteil im schulischen Bereich -, ändert das Gesetz nicht das Geringste. Dass solche Papiere Deutschlands Schüler auch nur um ein Zehntelprozent gesünder gemacht haben, trauen sich nicht einmal die Autoren zu behaupten.


Das Bundesverbraucherministerium lobt sich dafür, bereits im Jahre 2008 sogenannte „Vernetzungsstellen für eine gesunde Mittagsverpflegung“ zu fördern, ab 2019 mit zwei Millionen Euro pro Jahr. Darüber hinaus richtete es innerhalb der Bundesanstalt für Ernährung und Landwirtschaft ein „Nationales Qualitätszentrum für Ernährung in der Schule“, kurz NQZ. Viel Bürokratie, wenig Ertrag: Einerseits ist gesünderes Essen natürlich besser als minderwertiges - ohne ein umfassendes pädagogisches Schulkonzept, das mehr als bloß Mägen füllt, genügt es aber nicht annähernd.


Föderaler Flickenteppich voller Löcher


Solange Schule in Deutschland weitgehend Ländersache bleibt und Landesregierungen es selbstverwalteten Schulen überlassen, ob und wie sie Notwendiges umsetzen, gleicht die Bildungslandschaft in Sachen Gesundheit einem Flickenteppich.


Löbliche Ansätze gibt es durchaus reichlich. Grönemeyers zweitägige Schulseminare und Musical-Touren; eine Aktion „Gesundes Frühstück“; fächerübergreifende „Projektwochen“; Schulgärten und Schulküchen; ein Besuch auf dem Bauernhof; ein Training von älteren Schülern zu „Ernährungsbotschaftern“ für jüngere: all das kann nicht schaden. An hessischen Schulen ist ein „Gesundheitszertifikat“ zu erwerben; an zwei Bremer Gymnasien erhalten Oberstufenklassen Gesundheitsunterricht; Hamburger Stadtteilschulen bieten seit dem Schuljahr 2009/10 ein Fach „Ernährungslehre“ an; das Land Sachsen bietet seinen Schulen „Unterstützungsangebote“ auf Internetportalen an. In Bayern gibt es an Realschulen das Pflichtfach "Ernährung und Gesundheit" – aber nur in der Jahrgangsstufe Sieben. Thüringen verweist auf das Fach „Schulgarten“. Baden-Württembergs Real- und Hauptschulen sehen das Wahlpflichtfach "Alltagskultur, Ernährung, Soziales" vor. In den dritten Klassen von baden-württembergischen Grundschulen kommt ein „Ernährungsführerschein“ betiteltes Medienpaket zum Einsatz; Neun- bis Zehnjährige lernen dabei etwa, wie die Ernährungspyramide und das Innere einer Paprika aussieht. In Niedersachsen taucht das Fach "Gesundheit" seit 2002 im Curriculum von beruflichen Gymnasien und Realschulen auf.


Doch die meisten Projekte laufen nur für begrenzte Zeit, sind nicht regulär in den Schulalltag integriert, beschränken sich notgedrungen auf wenige ausgewählte Aspekte. Insbesondere in Gymnasien bieten sie weithin staubtrockene, sekundenschlaffördernde Wissenschaft nach Lehrbuch. Und eine gelegentliche Sonderveranstaltung? Für Schüler ist es ein Leichtes, daran Interesse zu zeigen – oder so zu tun -, zumal sie als willkommene Abwechslung vom üblichen Schulalltag empfunden wird. Ob sie nachwirkt? Da sind Zweifel angebracht.


Hier eine gutgemeinte Initiative, dort eine nette Idee – ob und wie ein Heranwachsender gesund leben lernt, hängt davon ab, ob er zufällig in der richtigen Gemeinde die richtige Bildungsstätte besucht, wo innovative Schulleiter, überzeugte Lehrer und begeisterte Eltern mit viel Herzblut gemeinsame Sache gemacht haben.


Bei vereinzelten Maßnahmen war von vornherein absehbar, wie herzlich wenig sie bewegen würden. Dass sie trotzdem stattfanden, zeugt entweder von erschütternder Naivität, von aktionistischer Placebo-Politik („Wir tun was!“) oder von einer raffinierten Sabotage des Projekts Gesunde Schule („Siehste, bringt nix!“).


Kleine Lichtblicke an Grundschulen


Noch am ehesten findet wirksame Gesundheitserziehung bisher an Grundschulen statt. Von drei Landesärztekammern und zwei AOKs entwickelt, läuft seit 2001 mancherorts das Präventionsprogramm „Gesund macht Schule“. Es umfasst die Schwerpunktthemen „Essen und Ernährung“, „Bewegung und Entspannung“, „Menschlicher Körper/Beim Arzt“, „Sexualerziehung“ und „Ich-Stärkung und Suchtprävention“. Im Schuljahr 2017/18 setzten es bundesweit bereits 239 Primarschulen um, womit es über 55.000 Schüler samt Eltern erreichte. (29) Neben vielerlei durchdachten Unterrichtsmaterialien – vom anatomischen Teddy bis zum Hygienekoffer -, Newslettern, Elternbriefen, einem Internetportal und Fortbildungen für Lehrkräfte setzt es insbesondere auf „Patenschaften“, die Ärzte mindestens ein Jahr lang für eine oder mehrere Schulen übernehmen.


An der bundesweiten Initiative fit4future der Cleven-Stiftung und DAK-Gesundheit, unterstützt von der Technischen Universität München, nehmen insgesamt 600.000 Kinder an 2000 Grund- und Förderschulen teil. (30) Die Schulen erhalten unter anderem Spiel- und Sportgeräte sowie „Brainfitness“-Boxen; Lehrerworkshops finden statt.


Das am weitesten verbreitete Präventionsprogramm für deutsche Erst- bis Viertklässler, Klasse2000 (31), legten Mediziner und Pädagogen des Klinikums Nürnberg im Jahre 1991 vor. In Bayern gestartet, findet es inzwischen in allen Bundesländern Anwendung. Bis heute schlossen über 1,8 Millionen Kinder Bekanntschaft mit Symbolfigur „Klaro“, einem Strichmännchen mit gelbem Smileykopf. Zur Zeit macht bundesweit jedes siebte Grundschulkind bei Klasse2000 mit: Im Schuljahr 2017/18 nahmen über 480.000 Kinder aus mehr als 21.200 Grundschulklassen teil, das entspricht über 15 Prozent aller Grundschulklassen. Spielerisch-unterhaltsam lernen die Kleinen fünf Themenbereiche kennen: „Gesund essen & trinken“, „Bewegen & entspannen“, „Sich selbst mögen & Freunde haben“, „Probleme & Konflikte lösen“, „Kritisch denken & Nein-Sagen können“. Die Inhalte werden den Schülern in neun bis 13 Einheiten im Rahmen des regulären Unterrichts vermittelt, überwiegend von den Lehrkräften, teilweise auch von sogenannten „Gesundheitsförderern“ aus medizinischen und pädagogischen Berufen. Wirksamkeitsstudien belegen den Nutzen: Noch drei Jahre später, in der 7. Klasse, kommen Tabak- und Alkoholkonsum unter ehemaligen Klasse2000-Kindern deutlich seltener vor (7,9 Prozent) als in einer Kontrollgruppe derselben Stufe (19,7 Prozent). (32) Schon während des Programms essen Klasse2000-Kinder häufiger fünf Portionen Obst und Gemüse und höchstens eine Süßigkeit pro Tag; greifen seltener zu Fast Food und Softdrinks; wählen häufiger einen „aktiven“ Schulweg, der sie zu körperlicher Aktivität zwingt, also z.B. Radfahren oder Zu-Fuß-Gehen, anstatt sich mit dem Auto fahren zu lassen. (33) Alljährlich werden Lehrkräfte, Schüler, Eltern und „Gesundheitsförder“ befragt, Konzept und Inhalte daraufhin aktualisiert und angepasst.


Solche Projekte müssen schleunigst überall Schule machen. Warum geschieht weiterhin nicht flächendeckend das Notwendige – ausgerichtet an einem klaren, bundeseinheitlichen Konzept für alle Schultypen und Jahrgangsstufen; motivationspsychologisch durchdacht; fest verankert im Stundenplan; großzügig gefördert durch staatliche Mittel; flankiert von einer breitangelegten, koordinierten Kampagne zuständiger Ministerien und Einrichtungen wie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung - und wissenschaftlich begleitet zwecks laufender Erfolgskontrolle, um herauszufinden, wie viel letztlich hängenbleibt?


Im Frühjahr 2018 legte ein Expertenteam der Uni Bielefeld und der Berliner Hertie School of Governance einen „Nationalen Aktionsplan Gesundheitskompetenz“ vor. Er sieht vor, entsprechende Bildungsangebote bundesweit in den Lehrplänen von Kindertagesstätten, Grund- und weiterführenden Schulen fest zu verankern. (34) Warum greifen staatliche Stellen solche Anstöße nicht endlich entschlossen auf? Warum wird „das Thema seit zehn, fünfzehn Jahren verschleppt“, wie Thomas Fischbach beklagt, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte? (35)


Von Wirtschaftslobbyisten sabotiert


Der traurigen Wahrheit kommt näher, wer berücksichtigt, welche politischen Lager sich seit Jahr und Tag am stursten querlegen. Als Abwiegler, Bremser, Zerreder tun sich vor allem Vertreter wirtschaftsnaher Parteien vor. Das Hauptmotiv liegt auf der Hand: Welches Schulkind würde noch zu den pestizid- und hormonbelasteten Produkten industrieller Landwirtschaft greifen, sobald es über ausreichende „Gesundheitskompetenz“ verfügt? Welches würde sich noch sogenannte „Lebensmittel“ der ZuckerSalzFett-Connection vorsetzen lassen? Einen Mix aus synthetischen Farb- und Konservierungsstoffen, Emulgatoren und Geschmacksverstärkern schlucken? Importware, Tiefkühlkost und Fertigmahlzeiten aus der Mikrowelle lieber auf dem Teller haben als regional erzeugte, frisch zubereitete Bio-Qualität? Sich den Durst von Getränkekonzernen löschen zu lassen, statt einfach den Wasserhahn aufzudrehen?


Jeder wissenschaftlich halbwegs fundierte Gesundheitsunterricht öffnet Augen. Zwangsläufig mündet er in eine blamable Systemkritik, die Umsätze gefährdet. Sie sorgt für neue Generationen, an denen es für Arzneimittelhersteller erheblich weniger zu verdienen gibt. Wo kämen wir hin, falls so etwas Schule macht?


Dieser Beitrag enthält Auszüge aus dem 2019 erschienenen Buch von Harald Wiesendanger: Das Gesundheitsunwesen – Wie wir es durchschauen, überleben und verwandeln, dort S. 573-588.



Anmerkungen

(4) Zit. nach Jürgen Dollase: „Wenn Minister nicht das Ganze im Auge haben“, Eat-Drink-Think.de, 12.11.2018, www.eat-drink-think.de/wenn-minister-nicht-das-ganze-im-auge-haben-julia-kloeckner-vom-bundesministerium-fuer-ernaehrung-und-landwirtschaft-und-gesundheitsminister-jens-spahn-wollen-kein-schulfach-ernaehrung, abgerufen am 8.6.2019.

(5) Siehe H. Wiesendanger: Das Gesundheitsunwesen (2019), https://stiftung-auswege-shop.gambiocloud.com/das-gesundheitsunwesen-wie-wir-es-durchschauen-ueberleben-und-verwandeln-printausgabe.html S. 39 ff.: „Minderjährige – unterwegs zu Chronikern“.

(6) mdr.de, 28.2.2018: „Medizin für Kinder -Grönemeyer fordert Schulfach ‚Gesundheit‘“, www.mdr.de/wissen/bildung/groenemeyer-fordert-gesundheitsunterricht-an-schulen-100.html, abgerufen am 7.6.2019.

(7) Pädagogischer Beobachter 7/1876, S. 1-2: „Gesundheitsunterricht in und ausser der Schule“, PDF, http://doi.org/10.5169/seals-237875.

(8) Zeit online, 7.2.2018: „Ein Stundenplan für morgen“, www.zeit.de/2018/07/schulfaecher-unterricht-inhalte-bildungspolitik/komplettansicht, abgerufen am 7.6.2019.

(9) Zit. nach Frankfurter Rundschau, 24.9.2007: „Breite Mehrheit gegen Schulfach ‚Ernährung‘“, www.rundschau-online.de/breite-mehrheit-gegen-schulfach--ernaehrung--10970094.

(10) Zit. nach Welt.de, 24.1.2008: „Kochen könnte auch an Deutschlands Schulen Pflichtfach werden“, www.welt.de/welt_print/article1588415/Kochen-koennte-auch-an-Deutschlands-Schulen-Pflichtfach-werden.html, abgerufen am 8.6.2019.

(11) Zit. nach Herolé Blog, 12.3.2019: „Brauchen wir das Schulfach „Gesunde Lebensweise“?“, www.herole.de/blog/brauchen-wir-das-schulfach-gesunde-lebensweise, abgerufen am 7.6.2019.

(12) Zit. nach Dollase, a.a.O.

(13) Nach LBS-Kinderbarometer 2007, S. 100 ff.

(14) Zit. nach Welt.de, 24.1.2008, a.a.O.

(15) Nach Focus.de, 31.1.2008: „Schlank durch Bildung - Brauchen wir ein Schulfach Gesundheit?“, www.focus.de/familie/schule/unterricht/brauchen-wir-ein-schulfach-gesundheit-schlank-durch-bildung_id_2192524.html.

(16) Zeit online, 7.2.2018, a.a.O.

(17) 122 Zit. nach www.focus.de/familie/schule/unterricht/brauchen-wir-ein-schulfach-gesundheit-schlank-durch-bildung_id_2192576.html, abgerufen am 7.6.2019.

(18) Angela Schröder u.a.: Primärprävention und Gesundheitsförderung in der Grundschule: Überblick zu Programminhalten und Ergebnissen der vierjährigen kontrollierten Interventionsstudie "primakids" in vierzehn Hamburger Grundschulen, Hamburg 2009, Schriftenreihe Studien zur Kindheits- und Jugendforschung, Bd. 54.

(19) Zit. nach https://sw-stiftung.de/startseite, abgerufen am 14.6.2019, sowie nach Süddeutsche Zeitung Nr. 256, 7.11.2018, S. 2.

(20) Eat-Drink-Think.de, a.a.O.

(21) www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Ernaehrung/Kita-Schule/Studie-Kosten-Schulverpflegung.pdf;jsessionid=8FEE1022E4ADA25580C25E39634EA004.1_cid367?__blob=publicationFile; www.deutschlandfunk.de/ernaehrung-5-40-euro-reichen-fuer-ein-gesundes-schulessen.680.de.html?dram:article_id=432511, abgerufen am 14.6.2019.

(22) www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/2018/169-Schulessen.html, abgerufen am 14.6.2019.

(23) www.n-tv.de/panorama/Jamie-Oliver-attackiert-Theresa-May-article19849473.html; https://eatsmarter.de/gesund-leben/news/anti-food-kampagne-warum-jamie-oliver-wut-kocht; abgerufen am 8.6.2019.

(24) Zit. Focus.de, a.a.O.

(25) Nach dem DKV-Report 2018: „Wie gesund lebt Deutschland?“, www.ergo.com/de/DKV-Report, abgerufen am 6.6.2019.

(26) Kölnische Rundschau, 24.9.2007: „Breite Mehrheit gegen Schulfach ‚Ernährung‘“, www.rundschau-online.de/breite-mehrheit-gegen-schulfach--ernaehrung--10970094.

(27) www.kmk.org/themen/allgemeinbildende-schulen/weitere-unterrichtsinhalte/gesundheitserziehung.html; die „Empfehlung“ als PDF: www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2012/2012_11_15-Gesundheitsempfehlung.pdf; abgerufen am 6.6.2019.

(29) www.gesundmachtschule.de, abgerufen am 7.6.2019.

(30) https://kids.fit-4-future.de/de; https://youtu.be/U3mW16PxFio, abgerufen am 7.6.2019.

(31) www.klasse2000.de; www.youtube.com/watch?v=1RPl0NpyoVY, abgerufen am 7.6.2019

(32) M. Maruska u.a.: Das Unterrichtsprogramm Klasse2000: Effekte auf Substanzkonsum und Gesundheitsverhalten 3 Jahre nach Ende der Intervention. Kurzzusammenfassung, PDF, https://web.archive.org/web/20140202130640/https://www.ift-nord.de/pdf/Klasse2000_Kurzzusammenfassung2012.pdf, abgerufen am 7.6.2019.

(33) Petra Kolip: Evaluation Programm Klasse2000. Zusammenfassender Abschlussbericht, PDF, Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften 2016, www.klasse2000.de/fileadmin/user_upload/Studie_Ernaehrung_und_Bewegung_2016-Abschlussbericht.pdf, abgerufen am 7.6.2019.

(34) www.nap-gesundheitskompetenz.de/; der Aktionsplan zum Download: www.nap-gesundheitskompetenz.de/app/download/7775446063/Nationaler%20Aktionsplan%20Gesundheitskompetenz.pdf?t=1535644861, ib. S. 32.

(35) Zit. nach Herolé Blog, a.a.O.

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