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  • Dr. Harald Wiesendanger

Aus den Untiefen meiner Löcher

Aktualisiert: 10. Sept. 2021

Ich bin gesund. Wie kann ich die Volksgesundheit durch irgendwelche Mikroben gefährden, die man erst aufspürt, wenn man tief in meinen Körperöffnungen herumbohrt? Vor der Coronakrise hegte niemand diesen absurden Verdacht – heute dient er dazu, Hygieneterror auf die gesamte Bevölkerung auszudehnen.


„Niemand ist sicher, ehe nicht alle sicher sind“, erklärt ein Mastermind der Corona-Plandemie, der greise Klaus Schwab. „Sicher“: das setzt der Kopf des Weltwirtschaftsforums wie selbstverständlich mit „geimpft“ gleich.


Dabei hatte man sich vor 2020 noch zweifellos sicher vor mir fühlen dürfen, solange ich gesund war. Doch zur neuen Normalität gehört Neusprech: Gesundheit ist zu einem grundsätzlich trügerischen, stets überprüfungsbedürftigen Zustand geworden, der zum leichtsinnigen Fehlschluss von Beschwerdefreiheit auf Ungefährlichkeit verleitet. Als potentiell „symptomfreier Überträger“ stellt selbst der Topfitteste, sobald er sozial zu werden wagt, ein zweibeiniges Sicherheitsrisiko dar, das invasive Tests erfordert, ehe Entwarnung gegeben werden kann.


Und so lassen wir, wohl oder übel, Wattestäbchen tief in uns hineinstecken, um unsere virologische Unbedenklichkeit unter Beweis zu stellen.


Bloß ein paar als „Querdenker“ verunglimpfte Selbstdenker wundern sich noch, was das soll. Schließlich kriecht niemand in meine Nasenlöcher, um darin zehn Zentimeter tief herumzuschnüffeln. Keiner steckt seinen Kopf in meine Mundhöhle, um an meinem Gaumen und der Hinterwand meines Rachens zu schnuppern. Nicht einmal der leidenschaftlichste Zungenkuss ist derart invasiv.


Und deshalb steht so viel fest: Was auch immer ein Tupfwerkzeug aus der Tiefe meiner Körperöffnungen zutage fördert – für die Frage, ob ich kerngesund, ohne die geringsten Anzeichen einer Erkrankung, meine Mitmenschen gefährde, ist es ganz und gar unerheblich.


Es kommt drauf an, was vorne rauskommt


Entscheidend ist vielmehr, was vorne rauskommt. Was sich auf Schleimhäuten tief in meinem Körperinneren tummelt, muss niemandem den Angstschweiß auf die Stirn treiben, solange es dort bleibt.


Wie dringt meine „Viruslast“ nach draußen – so viel davon, dass es Mitmenschen nicht bloß räumlich erreicht, sondern trotz intakten Immunsystems infiziert? Indem ich niese. Indem ich huste. Indem ich nach dem Schneuzen einige der Erreger, die vom Taschentuch auf meine Hand geraten, auf Türgriffe, Einkaufswägen, Münzen und andere Oberflächen schmiere, die Mitmenschen anfassen. Also genau dann, wenn ich nicht mehr gesund bin, sondern Anzeichen einer Erkrankung zeige.


Selbst beim bloßen Atmen und Reden, Singen und Lachen setzen wir Viren frei. Aber soweit das vorkommt: Genügt dieser Ausstoß, um bei Umstehenden eine Infektion auszulösen? Vor 2020 hätte niemand ernsthaft erwogen, mit dieser Möglichkeit eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ zu rechtfertigen. Wer deswegen am hellichten Tag mit einer OP- oder gar FFP2-Maske herumgelaufen wäre, hätte eher einen Notarzteinsatz ausgelöst, er wäre in die nächstgelegene Psychiatrie geschafft worden.


Dabei ist der soziale Abstand gewöhnlich so gut wie nie gleich Null, schon vor 2020 war er es nicht. Von schmusenden Liebespaaren abgesehen, hält unsereins in der Regel mindestens eine halbe bis ganze Armlänge Distanz, wenn wir in der Fußgängerzone aneinander vorbeilaufen, an der Ladenkasse Schlange stehen oder im Stadion nebeneinander hocken. Selbst wenn wir im Gespräch einander frontal gegenüberstehen, tun wir das nicht Nase an Mund, sondern im allgemeinen aus einer Entfernung von mindestens einem halben Meter.


Müsste der Hygienestaat nach Infektionsrisiken nicht zuallererst in Aerosolen fahnden, die unserem Inneren bereits entwichen sind und sich mehrere Dutzend Zentimeter von uns entfernt haben? Wieso lässt er nicht messen, was wir an mutmaßlichen Killerkeimen ausatmen? Was ergäbe sich, wenn er es täte?

Die Hongkong-Studie: vom RKI empfohlen - aber gelesen?

Dieser Frage ging eine Studie nach, die selbst der gnadenloseste Faktenchecker wohl oder übel durchwinken muss, weil sie von einer zweifellos „verlässlichen“ Quelle empfohlen wird: vom Robert-Koch-Institut. Ein 14-köpfiges Forscherteam der Universität Hongkong veröffentlichte sie im April 2020 im renommierten Wissenschaftsmagazin Nature. Daran teilgenommen hatten 246 Patienten, die in einer Hongkonger Klinik mit Atemwegserkrankungen lagen, ausgelöst durch Rhino-, Influenza- oder Coronaviren. Die Forscher wollten herausfinden, wie virusbelastet die Luft war, welche die Kranken ausatmeten – nicht nur beim Niesen oder Husten, sondern beim bloßen Atmen und Reden. Den Nachweis führten sie überwiegend mittels PCR, teils auch durch Anzucht in Zellkulturen.


Um Partikel aus der Atemluft einzusammeln, kam ein G-II-Bioaerosolsammler zum Einsatz (1) – pro Testperson 30 Minuten lang. In diesem Gerät fing ein „Impaktor“, ein Partikelmessgerät, automatisch gröbere Teilchen mit einer Größe über 5 Mikrometer - tausendstel Millimeter - auf, sogenannte „respiratorische Tröpfchen“. Verbleibende feinere Partikel, „Aerosole“, kondensierten darin und sammelten sich in einer Lösung.


Bei allen Probanden war die Virusinfektion der oberen Atemwege „floride“, d.h. voll ausgeprägt; das Nasensekret wies Konzentrationen von zehn bis hundert Millionen Viruskopien pro Probe auf, das Rachensekret rund 10.000 Viruskopien pro Probe. Trotzdem enthielt die ausgeatmete Luft kaum Erreger: Virushaltige Tröpfchen waren bloß in 18 von 65 entnommenen Proben nachweisbar, virushaltige Aerosole lediglich in 31 von 67 Proben.


Das bedeutet? Selbst akut Atemwegsinfizierte müssen keineswegs hochansteckende „Virenschleudern“ sein.


Hinzu kommt: Jene wenigen Proben, in denen die Hongkong-Studie überhaupt Viren vorfand, wiesen durchweg eine extrem niedrige Viruskonzentration auf. Dies ist umso bemerkenswerter, als ein Impaktor Partikel erheblich effizienter einsammelt als das menschliche Riechorgan.


Obendrein gilt es den Zeitfaktor zu berücksichtigen. Macht es keinen Unterschied, wie lange wir den oralen Abgasen eines Anderen ausgesetzt sind? Die Hongkong-Studie dehnte den Virenfang auf eine halbe Stunde pro Versuchsperson aus. Bei Begegnungen im öffentlichen Raum verweilen wir aber nur selten derart lange von Angesicht zu Angesicht. Gewöhnlich tauchen wir, bei ungünstiger Windrichtung, bloß für eine kurze Weile in ein hochverdünntes Restwölkchen von Atemluft ein, das sich draußen in Sekundenschnelle auflöst. Kaum weniger zügig verflüchtigt es sich in gut gelüfteten Innenräumen. Luftfilter täten ein Übriges.


Insbesondere im Außenbereich erweisen sich Corona-Verordnungen als lächerlich. „Die Gefahr, sich draußen anzustecken, ist praktisch gleich Null“, erklärt der Aerosol-Experte Gerhard Scheuch, Leiter eines Forschungsinstituts für Bio-Inhalation in Gemünden am Main. Damit es draußen überhaupt zu einer Ansteckung mit dem Coronavirus kommen kann, bedürfte es „mindestens fünf bis 15 Minuten engen Zusammenstehens“, erläutert der Experte. Dabei müsste jemand mindestens 400 bis 4000 Viren aufnehmen, die ein Infizierter durch Aerosolwolken beim Sprechen und Atmen ausstößt. Daran, so Scheuch, ändern auch die Mutation nichts.


Für die Medizinprofessorin Ines Kappstein, Leiterin der Hygieneabteilung im Klinikum Passau, lassen die Hongkonger Studienergebnisse nur einen Schluss zu: „Das Risiko, mit ausgeschiedenen Viren anderer Menschen in Kontakt zu kommen, (..) ist wahrscheinlich zu vernachlässigen, wenn man nicht direkt angehustet wird, eine Situation, die die meisten Menschen in Geschäften oder im ÖPNV (öffentlichen Personennahverkehr) kaum je wirklich erlebt haben.“


Wenn das Infektionsrisiko demnach selbst bei akut Erkrankten nahe Null liegt – wie gering fällt es dann erst bei Symptomfreien aus?


Worum auch immer es den AHA-Hygieneterroristen gehen mag, von denen sich die Bevölkerung weiterhin erstaunlich widerstandslos regieren lässt: Mit Gesundheitsschutz hat es zuallerletzt zu tun.


Und wie steht es mit dem dritten Loch?


Im übrigen ist dem Satiriker in mir ganzlich schleierhaft, wie oral-nasal fixiert Seuchenschützer vorgehen. Muss in Coronazeiten nicht erst recht Helmut Kohls Diktum gelten: „Entscheidend ist, was hinten rauskommt“? Wie von Sinnen beargwöhnt eine coronoide Gesellschaft die Aerosole, die unsereins aus Mund und Nase absondert – schert sich jedoch nicht die Bohne um die Darmwinde, die wir alle ins Freie entlassen. Könnte diese Geringschätzung des dritten Lochs am Ende schuld daran sein, dass noch so gewissenhafter Mummenschanz in anderthalb Pandemiejahren keine einzige „Welle“ verhindert hat, schon gar nicht das berüchtigte Delta-Tsunamilein?


Darüber ignorant hinweggehen kann nur, wer von Furzologie nicht den blassesten Schimmer hat. Immerhin zehn bis zwanzig Mal pro Tag lässt Otto Normalabsonderer einen Pups entweichen. Der statistische Mittelwert beträgt 14, bis zu 24 gelten aus medizinischer Sicht als stinknormal. Täglich befördert der Dickdarm einen halben Liter Gas in Richtung Po.


Zumindest die Volksrepublik China hat die Gefahr mittlerweile erkannt – und begegnet ihr gewohnt konsequent: mit einem Anal-Abstrich. Dies beruhe „gänzlich auf wissenschaftlichen Erkenntnissen“, so zitiert die Nachrichtenagentur Reuters das chinesische Außenministerium. Rückstände des Virus seien nämlich im Anus deutlich länger nachweisbar als in Nase und Rachen. Gemäß Chinas Zentrum für Seuchenkontrolle soll ein Wattestäbchen „drei bis fünf Zentimeter in den Anus eingeführt“ werden.


Dieses Vorgehen könne "die Nachweisrate bei infizierten Personen erhöhen", weil das Virus im After länger nachweisbar sei als in den Atemwegen, so erklärte Li Tongzeng, ein leitender Arzt des You'an Krankenhauses in Peking, dem staatlichen Fernsehsender CCTV. Zum Einsatz kommt diese Testmethode laut CCTV vor allem bei Personen, bei denen ein „hohes Risiko“ einer Coronavirus-Infektion besteht. Bereits in der dritten Januarwoche 2021 sei dies bei Bewohnern mehrerer Viertel Pekings der Fall gewesen.

Auch Bürger in Quarantäne wurden demnach schon reihenweise auf diese Weise getestet, wie auch Lehrer und Schüler. Selbst ausländische Passagiere mussten hierfür bei Einreisekontrollen die Hose herunterlassen. Nicht einmal US-Diplomaten blieb die Demütigung erspart.


Chinesische Internet-User haben für die neue Testpraxis reichlich schwarzen Humor übrig. "Ich habe zwei Anal-Abstriche gemacht, jedes Mal musste ich danach einen Rachen-Abstrich machen - ich hatte solche Angst, dass die Krankenschwester vergisst, ein neues Stäbchen zu benutzen", scherzte ein Nutzer auf der Plattform Weibo.


Bedürfen das Infektionsschutzgesetz wie auch die Corona-Verordnungen der Bundesländer folglich nicht dringendst einer Erweiterung? Ohne analen PCR-Test verlässt niemand mehr das Haus! Windeltragen muss im öffentlichen Raum selbstverständlich werden!


Den After zu vernachlässigen, ist obendrein unter ordnungspolitischen Gesichtspunkten töricht: Während ich nicht umhin kann, virologisch hochbedenkliche Luft aus mir herauszupressen, wann immer ich ausatme oder den leisesten Mucks von mir gebe, verfüge ich – zumindest im Zustand ausgenüchterten Wachseins – über erhebliche Kontrollkompetenz, was die Absonderung gewisser Gase aus meinem Hintern anbelangt. Daraus ergeben sich weitere Erkennungsmerkmale des unsolidarischen „Covidioten“, sowohl akustischer als auch olfaktorischer Natur: Während seine verantwortungsbewussten Mitmenschen von früh bis spät solidarisch die Pobacken zusammenkneifen, um bloß ja kein virengeschwängertes Lüftchen fahren zu lassen, pupst der gewissenlose Querdenker demonstrativ, was das Zeug hält. Um die Freisetzungsfrequenz zu steigern, verzehrt er vorsätzlich besonders viele Hülsenfrüchte, Vollkornbrot und Nüsse, Kohl und Zwiebeln. Soll man ihm das weiterhin durchgehen lassen, solange er die Covid-Impfung verweigert?

Ausführlicher zum selben Thema: „Sind Gesunde ansteckend?

Anmerkung

(1) D. K. Milton u.a.: „Influenza virus aerosols in human exhaled breath: particle size, culturability, and effect of surgical masks“, PLoS Pathogens 9/2013, e1003205, https://journals.plos.org/plospathogens/article?id=10.1371/journal.ppat.1003205; J. Yan u.a.: „Infectious virus in exhaled breath of symptomatic seasonal influenza cases from a college community“, Proceedings of the National Academy of Sciences USA 115/2018, S. 1081–1086, https://www.pnas.org/content/115/5/1081; J. J. McDevitt u.a.: „Development and performance evaluation of an exhaled-breath bioaerosol collector for influenza virus“, Aerosol Science and Technology 47/2013, S. 444–451, https://www.researchgate.net/publication/235650532_Development_and_Performance_Evaluation_of_an_Exhaled-Breath_Bioaerosol_Collector_for_Influenza_Virus; https://www.ingenieur.de/fachmedien/gefahrstoffe/biomonitoring/ein-automatischer-bioaerosolsammler-fuer-die-kontinuierliche-probenahme-von-luftgetragenen-mikroorganismen/

Titelmotiv: Tho-Ge / Pixabay

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