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  • Dr. Harald Wiesendanger

Auf Mückenjagd mit der Abrissbirne

Aktualisiert: 1. Mai 2021

Im unverhältnismäßigen „Krieg gegen das Virus“ findet eine beispiellose Sabotage statt - an der eigenen Wirtschaft. Während Großkonzerne davon profitieren und Aktienkurse immer neuen Höchstständen entgegenstreben, gehen mittlere und kleinere Betriebe reihenweise kaputt, werden Arbeitsplätze vernichtet, stehen unzählige Selbstständige vor den Trümmern ihrer beruflichen Existenz. Wird das am 18. April, dem nationalen „Corona-Gedenktag“, zur Sprache kommen?




Eine Mücke lässt sich keineswegs nur mit der Fliegenklatsche jagen. Grundsätzlich geht das auch mit dem Vorschlaghammer, der Abrissbirne oder einem Sprengsatz.


Ob sich politisch Verantwortliche beim „Kampf gegen das Virus“ in der Waffengattung vergriffen haben, ist umstritten. Außer Frage steht hingegen, welche Verwüstungen die Kriegsherren angerichtet haben. Die Weltwirtschaft ist im vergangenen Jahr so stark eingebrochen wie noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg. Das Welt-Sozialprodukt ging um rund 4,4 % zurück. Gleichzeitig stiegen die Schulden um etwa 20 Billionen auf 277 Billionen Dollar.


Von Rotchinas Kommunisten zur Nachahmung verführt, stellen hyperaktive Seuchenschützer auch in der Bundsesrepublik sicher, dass Lockdown-Masochismus die Ökonomie seit über einem Jahr lähmt. „Die Corona-Krise war und ist ein Schock für die deutsche Wirtschaft, der seinesgleichen sucht“, stellt Michael Hüther fest, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Allein im ersten Quartal 2021 dürften sich die Kosten nach IW-Berechnungen auf rund 50 Milliarden Euro summiert haben. Insgesamt beläuft sich der coronabedingte Wohlstandsverlust bislang auf 250 Milliarden Euro.


Binnen Jahresfrist stieg die Zahl der Arbeitslosen um 450.000 auf 2,75 Millionen, die Zahl der Kurzarbeiter auf 2,8 Millionen.


Nach jüngsten Berechnungen des Handelsforschungsinstituts IFH werden hierzulande bis 2023 rund ein Fünftel aller stationären Läden für immer ihre Türen schließen müssen – rund 80.000 insgesamt. Gar einen Verlust von bis zu 120.000 Geschäften erwartet der Handelsverband Deutschland (HDE). Für die Innenstädte und das gesellschaftliche Leben werde dies verheerende Folgen haben, warnte der HDE-Präsident Josef Sanktjohanser neulich in einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel. Jeder einzelne durch den Lockdown verlorene Verkaufstag kostet die Einzelhändler 700 Millionen Euro; Woche für Woche kommt somit ein Minus von 4,2 Milliarden Euro zusammen.


Rund 16.300 Firmen wurden im vergangenen Jahr zahlungsunfähig. Hinzu kommen 5.000 „Zombies“, die scheinbar am Leben bleiben, weil die Insolvenzregeln ausgesetzt wurden. Reihenweise gehen Unternehmen pleite, schlüpfen unter staatliche Schutzschirme, bauen Stellen ab, schließen Niederlassungen – von den Star-Inn-Hotels über die Modeketten Adler, Pimkie, Esprit und Promod, den Süßwarenhändler Arko, den Tee- und Kaffeespezialisten Eilles, die Friseurkette Klier, die Steakhouse-Kette Maredo und den Schuh- und Schlüsseldienst Mister Minit bis zu Saturn und Media Markt, Galeria Kaufhof Karstadt und C&A, die Modehäuser Hallhuber und Appelrath-Cüpper. (1)


Auch in der weltgrößten Volkswirtschaft, den Vereinigten Staaten, „wütete“ weniger das Virus als blindwütige Virusbekämpfung. Bis Ende August 2020 schlossen dort über 164.000 Geschäfte – davon 60 % für immer. Unterdessen stieg das Gesamtvermögen von 651 US-Milliardären um mehr als 36 %. Zwischen März und Dezember 2020 sind die zehn wohlhabendsten Menschen der Welt um 540 Milliarden US-Dollar reicher geworden.


In Großbritannien hatten bis Anfang April 2020 schon eine Million Menschen alle Einkommensquellen verloren.


Wieso hat dieses historisch beispiellose Zerstörungswerk, parallel zu einer schamlosen Umverteilung von Unten nach Oben, nicht längst zu millionenfachem zivilem Ungehorsam und Generalstreiks geführt? Warum erschüttern die Deutschland-AG nicht unentwegt Massenproteste, gegen welche Wasserwerfer nicht einmal dann ankämen, wenn das Hygieneregime die Tanks mit der gesamten Nordsee befüllen ließe? Um Geschädigte ruhigzustellen, läuft die Gelddruckmaschine auf Hochtouren, so als gäbe es kein Morgen. Die Rechnung wird alsbald folgen. Ökonomen wie Professor Christian Kreiß sehen auf uns eine Hyperinflation zukommen, massenhafte Enteignungen per Vermögenssteuer, Staatsinsolvenzen, einen Banken- und Börsencrash, eine Währungsreform.


„Gut aufeinander aufpassen“ sollen wir, so schärfen uns Seuchenschützer ein. Den Fürsorge-Radius ziehen sie dabei anscheinend nur zwischen Flensburg und Berchtesgaden. Gibt es kein Anderswo?


Die Coronakrise hat die globale Kluft zwischen Arm und Reich dramatisch vertieft. In den wohlhabenden Ländern der nördlichen Hemisphäre verhindern soziale Sicherungssysteme zumindest das Allerschlimmste. Zwischen Berlin und Belfast, Lissabon und Wien verhungert niemand.


Weitaus heftiger trifft die grassierende Coronoia hingegen Entwicklungsländer, die überwiegend auf der Südhalbkugel liegen. In der Regel gibt es dort kein Arbeitslosen- und Kurzarbeitergeld, keinen Kündigungsschutz, keine Kranken- und Rentenversicherung, keine Subventionen für kleine und mittlere Betriebe. Nichts und niemand lindert die ärgste Not. Von weltweit 3,3 Milliarden Arbeitskräften bewegen sich zwei Milliarden in einer „informellen Ökonomie“ ohne gesetzliche Regelungen (2); von festen Arbeitsverhältnissen können sie nur träumen. Sie sind Tagelöhner, die ohne Ersparnisse, ohne sozialstaatliche Absicherung von der Hand in den Mund leben; bestenfalls bleibt ihnen die Hoffnung, dass ihre Kinder sie mitversorgen. Mit Almosen ihrer Regierung können sie nicht rechnen. Ohne Einkommen, ohne Rücklagen fehlt ihnen Geld für Essen, für Miete, für öffentliche Verkehrsmittel, für Medikamente. Mittellos hausen sie in Elendsvierteln oder sind obdachlos.


Die Folgen des Lockdown-Masochismus, dem die Erste Welt frönt, treffen die Zweite und Dritte deshalb mit voller Wucht. (Siehe KLARTEXT „Der gekaufte Planet“.) Große Teile der Bevölkerung vegetieren dort nun erst recht in bitterster Armut, können ihrem Elend nicht entkommen, sind verzweifelt, hungern und verhungern. Bereits am 22. April 2020 zitierte die New York Times unter der Schlagzeile „Instead of Coronavirus, the Hunger Will Kill Us“ Expertenschätzungen, denen zufolge die Anzahl der Hungernden bis zum Jahresende weltweit um 130 Millionen ansteigen wird. (3) Gar von 225 Millionen geht eine neuere Studie der Universität Oxford aus. (4)


Laut UNO droht coronabedingt weltweit 1,6 Milliarden Menschen akut ein Verlust ihrer Lebensgrundlagen. (5) Ihren Schätzungen zufolge haben die staatlichen Reaktionen auf die Pandemie "zusätzliche 150 Millionen Kinder in multidimensionale Armut gestürzt - ohne Bildung, Gesundheit, Unterkunft, Ernährung, sanitäre Einrichtungen oder Wasser“. Schon Ende April 2020 warnten die Vereinten Nationen: „Die Welt steht vor einer "Hungersnot biblischen Ausmaßes, mit nur wenig Zeit zum Handeln, bevor der Hunger Hunderte von Millionen Menschenleben fordert." Die unabhängige Hilfsorganisation Oxfam geht davon aus, dass sich die Zahl der akut Hunger leidenden Menschen im vergangenen Jahr um 82 Prozent auf 270 Millionen nahezu verdoppelt hat; infolge der Pandemiepolitik starben laut Oxfam 6.000 bis 12.000 Menschen zusätzlich pro Tag an Hunger.


In Indien saßen bei Pandemiebeginn Millionen von Wanderarbeitern fest, ohne eine Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Aufgrund von Abriegelungsbefehlen konnten sie die Städte nicht verlassen. In Südafrika bildeten sich Ende April 2020 kilometerlange Essensschlangen. In Saudi-Arabien wurden "Hunderte, wenn nicht Tausende" afrikanischer Migranten - hauptsächlich äthiopische Männer - in Covid-Konzentrationslagern aus Mangel an Nahrung und Wasser dem Tod überlassen, nachdem im April ein Moratorium für die Abschiebung in Kraft getreten war.


Hinzu kommt, dass andere Infektionskrankheiten als Covid-19 undiagnostiziert und unbehandelt blieben. Dadurch ist unter anderem mit 1,4 Millionen zusätzlichen Tuberkulose-Opfern zu rechnen. (6)


Wie sich Corona-Lockdowns beispielsweise im östlichen Afrika ausgewirkt haben, weiß Detlef Müller-Mahn zu berichten, Professor für Humangeographie an der Universität Bonn. (7) „Was wir beobachten, ist eine massive Störung von Stadt-Land-Beziehungen als Folge des Lockdowns“, so stellt er fest. Die Händler seien nicht mehr auf die Dörfer gefahren, um Gemüse zu kaufen. In den Städten seien daraufhin Nahrungsmittel knapp geworden, die Preise explodierten auf das Zwei- bis Dreifache. Ein Großteil der Bevölkerung könne sich selbst Grundnahrungsmittel nicht mehr leisten. Über Bauern sei der Lockdown zu genau jenem Zeitpunkt hereingebrochen, als sie dabei waren, die Felder für die nächste Aussaat vorzubereiten. Dringend benötigter Dünger und Saatgut wurden nicht geliefert. Auch die Versorgungsketten wurden unterbrochen. „Wir können noch gar nicht genau sagen, welche Konsequenzen das haben wird“, sagt der Afrikakenner.


Darüber hinaus „sei „durch den fast kompletten Zusammenbruch des Tourismus eine wichtige Einnahmequelle verloren“ gegangen, sagt Müller-Mahn. Für Länder wie Namibia zum Beispiel sei das ein Desaster. Zumal das Land durch fortgesetzte Dürren ohnehin schon massive Probleme gehabt habe. Die Viehproduktion liege am Boden. Und an jedem Beschäftigten des Tourismus hingen zehn Familienangehörige, die von ihm leben. „Wir können das Ausmaß des wirtschaftlichen Einbruchs noch nicht genau bestimmen. Aber er wird wohl verheerend sein, in ganz Afrika.“


Allein 25 afrikanische Staaten stünden vor dem Staatsbankrott, befürchtete Bundesentwicklungsminister Gerd Müller im vergangenen Herbst. Und daraus folgt? Fühlt sich unter seinen Kabinettsmitgliedern irgendwer mitverantwortlich dafür?

Länder wie Indien und Pakistan verzeichnen sprunghaft angestiegene Selbstmordraten – nachdem Infektionsschutz massenhaft Lebensgrundlagen zerstörte, sehen viele Leidtragende keinen anderen Ausweg, als sich umzubringen. (Siehe KLARTEXT „Endgültig auf Abstand“.)


Wird ein „Corona-Gedenktag“ stillschweigend darüber hinweggehen dürfen?

Harald Wiesendanger

Anmerkungen

(2) https://www.imf.org/en/About/FAQ/imf-response-to-covid-19#Q1, Abschnitt „What do countries need to do to qualify for emergency assistance?“

(3) „WHO Director-General´s statement on IHR Emergency Committee on Novel Coronavirus (2019-nCoV)“, 30.1.2020, https://www.who.int/dg/speeches/detail/who-director-general-s-statement-on-ihr-emergency-committee-on-novel-coronavirus-(2019-ncov


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