top of page
  • Dr. Harald Wiesendanger

Von wegen „alternativ“ - Die AUSWEGE-Medizin in 12 Stichworten

Welche Art von Medizin erleben Hilfesuchende in den Therapiecamps meiner Stiftung Auswege? Wer auf ein paar Dutzend Zeilen komprimieren muss, wofür er eigentlich ein ganzes Buch bräuchte, behilft sich am besten mit Stichworten.



Ist die AUSWEGE-Medizin „alternativ“? Diesen ebenso verbreiteten wie irreführenden Begriff vermeidet meine Stiftung. Denn er erweckt den Anschein, ein Patient stehe vor der Wahl zwischen zwei konkurrierenden Angeboten – und könne auf das eine verzichten, wenn er sich für das andere entscheidet. Da schwingt ein „Entweder-Oder“ mit, wohingegen wir für ein „Sowohl-als-auch“ plädieren. Nicht ums Ersetzen geht es uns, sondern ums Erweitern.


„Alternativ“ ist relativ, auch deswegen behagt mir dieses Etikett nicht. Wer im Schottenrock und einem Bonnet auf dem Haupt dudelsackblasend durch eine deutsche Fußgängerzone spaziert, kommt reichlich „alternativ“ daher – keineswegs aber, wenn er dergestalt in den Highlands auftritt. „Alternativ“ ist unsere Art des Heilens, insofern es hierzulande „nicht in das dominante Gesundheitssystem integriert“ ist. (So wird „Alternativmedizin“ von der Weltgesundheitsorganisation definiert. (1) Doch ebenso „alternativ“ ist die westliche Medizin in fernöstlichen Ländern, in denen die traditionelle chinesische und indische Medizin Maßstäbe setzen, oder in schamanisch geprägten Regionen Afrikas und Südamerikas.


Gelegentlich werden als „alternativ“ auch Heilmethoden bezeichnet, die „nicht Teil der Tradition des jeweiligen Landes“ sind. (2) In diesem Sinne passt das Adjektiv auf unsere Art des Heilens ganz und gar nicht: Pflanzenheilkunde, energetische Massagen, Handauflegen, Gebetsheilen, Besprechen und viele weitere Behandlungsweisen wurden in unserem Kulturkreis schon Jahrhunderte vor dem Aufstieg der mechanistisch-materialistischen Schulmedizin praktiziert.


Erst recht sträube ich mich dagegen, die „Auswege“-Heilweisen als „alternativ“ im Sinne von „wissenschaftlich unbegründet“ abqualifizieren zu lassen. (3) Auch einem Großteil der Verfahren und Mittel, die innerhalb der Schulmedizin anerkannt und weitverbreitet sind, mangelt es in Wahrheit an wissenschaftlicher Fundierung nach deren eigenen Maßstäben. Andererseits sind etliche Diagnose- und Therapiemethoden der sogenannten „Alternativmedizin“ nach eben jenen Maßstäben vorbildlich „evidenzbasiert“. (Allein zum Geistigen Heilen liegen mittlerweile Hunderte von kontrollierten Studien vor.) (4)


Zudem ist mir der Wissenschaftsbegriff suspekt, der dieser definitorischen Herabwürdigung zugrunde liegt: Er lehnt sich an physikalisch-naturwissenschaftliche Standards an, die zwar vielen Fachgebieten der Medizin angemessen sind – am ehesten bewähren sie sich in Bereichen wie Pharmakologie, Anatomie, Genetik, Molekularmedizin, Orthopädie, Chirurgie -, keineswegs aber in der Psychosomatik und Psychiatrie, wie in allen übrigen Humanwissenschaften: Geschichte, Soziologie, Ethnologie, Pädadogik und Psychologie genügen ihnen nicht annähernd. Nur ein verbohrter Szientist käme darauf, sie deswegen geringzuschätzen. (5)


Schon eher passt „komplementär“, abgeleitet vom lateinischen complementum, Ergänzung. Denn was wir anbieten, ergänzt mühelos, was Schulmediziner bevorzugen.


Letztlich behagt mir aber auch diese Kennzeichnung nicht sonderlich. Ein „ergänzendes“ Angebot ist nachrangig, untergeordnet, weniger bedeutsam, eher bloßes Beiwerk. Wer sich nach einem neuen Auto umschaut, kann sich mit der Grundausstattung begnügen – oder „komplementäre“ Extras wie Standheizung und Spoiler hinzukaufen: angenehmen, aber verzichtbaren Luxus, in Richtung Schnickschnack. Die Heilweisen, für die „Auswege“ eintritt, halte ich indes nicht für entbehrlicher als das, was die konventionelle westliche Medizin zu bieten hat.


Lieber sprechen wir von integrativer Medizin: eine, die das Beste aus zwei Konzepten zusammenführt, verbindet, vereint. Wir erkennen die Erfolge eines Ansatzes an, der Diagnostik und Therapie an naturwissenschaftlichen Standards ausrichtet, halten ihn aber für unvollständig und grundsätzlich beschränkt. In Verbindung mit Vorgehensweisen, die eher auf uralte Heiltraditionen, auf Intuition und Erfahrung, auf Selbstheilungskräfte und die Ressourcen der Natur setzen, brächte er weitaus mehr zustande.


Wir helfen und heilen pragmatisch. Die beste Medizin ist eine, die Hilfesuchenden den größtmöglichen Nutzen bringt – einerlei, worauf ihre Erkenntnisse beruhen, aus welchen Quellen sie schöpft, welche Erklärungen sie gibt. Die Frage, wie und warum eine Therapie wirkt, ist aus Patientensicht nebensächlich. Hauptsache, sie tut gut. Therapieangebote betrachten wir als Werkzeugkasten voller Instrumente, deren Wert wir nicht nach ihrer Herkunft bemessen, sondern allein an ihrer erfolgreichen Anwendung.


Die „Auswege“-Medizin ist personbezogen: Wir behandeln in erster Linie nicht Krankheiten, sondern Kranke; nicht Leiden, sondern Leidende; nicht einzelne Organe, sondern ihre Besitzer; nicht bloße Symptomträger, sondern ganze Personen; nicht als Objekte, an denen Maßnahmen verrichtet werden, sondern als Subjekte, die sich am therapeutischen Prozess aktiv und selbstverantwortlich beteiligen, bereit dazu, ihren „inneren Heiler“ wecken und wirken zu lassen – letztlich ist er es, der den Ausschlag gibt. Dabei ist uns ihr Befinden nicht weniger wichtig als ihr Befund.


Wir helfen individuell. Unsere Angebote sind auf den einzelnen Patienten abgestimmt, auf seine besondere physische und psychische Verfassung, seine speziellen Lebensumstände, seine einmalige Geschichte.


Dabei setzen wir holistisch an, über die Symptomebene hinaus. Wenn Menschen zu Patienten werden, hören sie nicht auf, psychophysische Einheiten zu sein: Wesen, in denen körperliche, seelische und geistige Vorgänge einander wechselseitig beeinflussen. In manifesten Beschwerden drücken sich häufig Ungleichgewichte zwischen diesen Bereichen aus; diese wieder in Einklang zu bringen, ist oftmals eine unabdingbare Voraussetzung dafür, dass Symptome nachhaltig verschwinden. Heilung erfordert, heil zu werden.


Die Medizin unserer Wahl ist in Teilen paraphysikalisch: Sie berücksichtigt und nutzt Faktoren, die im gegenwärtigen naturwissenschaftlichen Welt- und Menschenbild (noch) keinen Platz haben, in Heilsystemen anderer Kulturkreise aber von überragender Bedeutung sind, wie z.B. „Lebensenergie“ (Prana, Qi), „Energiebahnen“ (Nadis, Meridiane) und „Kraftzentren“ (Chakren); darüber hinaus lassen wir auch mögliche parapsychologische Einflüsse (z.B. Telepathie und andere Formen außersinnlicher Wahrnehmung, Besetzungen) nicht außer acht. Sie könnten im Patienten wirken, ihn mit Anderen und dem Universum verbinden. „Energetisch“, ein Lieblingswort der esoterischen Heilerszene, verwenden wir hierfür ungern: Ob tatsächlich „Energie“ oder ein anderes physikalisches Prinzip im Spiel ist, lassen wir offen. Ja, wir stehen dazu, „Paramedizin“ zu betreiben, wobei wir uns gegen ihre verächtliche Gleichsetzung mit „Aberglaube“ verwahren. Aus der Wissenschaftsgeschichte sollten wir gelernt haben: Was wir heute zu wissen meinen, ist bloß der neueste Stand des Irrtums.


Wir gehen systemisch vor. Die wechselseitigen Zusammenhänge, in die jeder von uns als Mitglied sozialer Systeme eingebunden ist, muss Medizin mitberücksichtigen. Wer sie außer acht lässt, läuft Gefahr, wesentliche Krankheitsursachen zu übersehen oder zu verkennen – und Heilungschancen zu verspielen.


Wir helfen sinnorientiert. In schwerer Krankheit stellen sich Menschen auch Fragen wie „Wozu?“, „Weshalb dieses Leiden?“, „Warum gerade ich?“, „Wieso ausgerechnet jetzt?“ Bei uns erhalten sie Anregungen dazu, im Symptom ein Signal, im Schicksal eine Chance, Krankheit als Weg zu sehen.


Auch insofern ist die „Auswege“-Medizin durchaus suggestiv, im ursprünglichen Wortsinn: Was wir Patienten nicht „einreden“, wohl aber „nahelegen“ (von lat. suggerere), ist eine veränderte Sichtweise: auf ihre Erkrankung, ihre Lebensumstände, ihr ganzes Dasein. Jedes Leben bietet ebensoviele gute Gründe dafür, optimistisch, gelassen und dankbar angegangen, als glücklich und sinnvoll erlebt zu werden, wie für Pessimismus, unentwegte Sorge, chronische Unzufriedenheit, Verbitterung und Sinnleere. Jedem Patienten steht es frei zu wählen, welche Perspektive er einnimmt. Wenn eine Wahl deutlich zufriedener macht als die andere: Warum sollte er sie ausschlagen?


Wir helfen empathisch. Mitgefühl, Verständnis, Geduld, Anteilnahme scheinen uns unabdingbar, um Hilfesuchende zu berühren, ihr Vertrauen zu gewinnen, sie zum Mitwirken zu bewegen. Deshalb geht es in „Auswege“-Camps achtsam, freundschaftlich, einfühlsam und liebevoll zu.


Wir arbeiten kollegial. Über Standesgrenzen hinweg begreifen sich unsere Ärzte, Heilpraktiker, Psychotherapeuten, Heiler, Pädagogen und andere Fachkräfte als gleichberechtigte, gleichermaßen wertvolle Teile eines Teams, in dem jeder jeden respektiert und wertschätzt. Dabei zählt das ge­meinsam erzielte Ergebnis, nicht das persönliche Verdienst des Einzelnen. „Therapieren“ kommt von Dienen (griech. therapeia: Dienen, Dienstleistung). Unseres Erachtens hat Medizin allein dem Hilfesuchenden zu dienen – nicht dem Ego, den Profilneurosen, dem Ehrgeiz, den Geschäftsinteressen der Helfer. Dazu bedarf es charakterlich gereifter, innerlich heiler, von ihrer Berufung erfüllter Teamplayer.


Die „Auswege“-Medizin ist karitativ. Im Vordergrund steht die Erfüllung im Helfen, ohne es von finanziellen Gegenleistungen abhängig zu machen.


Kann ein solcher Ansatz den Aussortierten der Schulmedizin, den vermeintlich „Behandlungsresistenten“ und „Austherapierten“, tatsächlich Auswege eröffnen? Was ganzheitliche Heilkunst erreichen kann, stellt sie seit 2007 in den Therapiecamps meiner Stiftung unter Beweis – nachzulesen hier.




Dieser Betrag stammt aus dem Buch von Harald Wiesendanger: Auswege – Kranken anders helfen (2015).

Anmerkungen

1 World Health Organisation (WHO) - Traditional Medicine: Defi­nitions. Who.int. 17. August 2010.

2 ebda.

3 So wird „Alternativmedizin“ in der Internet-Enzyklopädie Wikipedia definiert.

4 Daniel J. Benor: Healing Research (3-bändig), Vol. I (Professional Supplement): Spiritual Healing: Scientific Validation of a Healing Revolution, Southfield 2001; Vol. II (Professional Edition): Consciousness, Bioenergy and Healing, Medford 2004.


Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Comments

Rated 0 out of 5 stars.
No ratings yet

Add a rating
bottom of page