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  • Dr. Harald Wiesendanger

Schluss mit der Pillenpsychiatrie

Für eine echte Psychiatrie-Reform startete ich über meine Stiftung Auswege im Herbst 2017 eine Petition, die an einem 10. Oktober, dem „Welttag der psychischen Gesundheit“, im Bundeskanzleramt in Berlin überreicht werden. Dazu kam es leider nie, weil knapp über 1000 Unterstützer zuwenig waren. Den folgenden Text ließ ich sie mitunterzeichnen.


Wir, die Unterzeichner, fordern die Bundeskanzlerin, die Bundesregierung, alle im Bundestag vertretenen Parteien, zuständige Bundesministerien und Ausschüsse auf: Sorgen Sie endlich für eine Psychiatrie-Reform, die ihren Namen verdient. Machen Sie


Schluss mit der vorherrschenden Pillenpsychiatrie. Bewahren Sie Millionen seelisch Belastete, unter ihnen Hunderttausende von Kindern, vor bleibenden Arzneimittelschäden. Das Grundgesetz verpflichtet Sie dazu.


Lassen Sie den Staat seine umfassende Schutzpflicht erfüllen – auch für die Gesundheit seiner Bevölkerung. Hindern Sie nachlässige, irregeführte oder korrumpierte Ärzte daran, weiterhin Grund­rechte zu verletzen: auf körperliche, seelische und geistige Unversehrtheit, auf das Selbstbestimmungs­recht, auf Menschenwürde. Unter­binden Sie den routinemäßigen Einsatz von Psychophar­maka, die bei minimalem Nutzen maximalen Schaden anrichten.


Wir fordern ein Psychiatrie-Gesetz, das


- Ärzte dazu verpflichtet, psychisch Belastete immer zuerst der erwiesenermaßen wirkungs­­vollsten Behandlungsweise zuzuführen - sozialer Unterstützung, psychologischer Beratung und Psychotherapie - und Psychopharmaka nur ausnahmsweise, kurzfristig und möglichst niedrig dosiert einzusetzen;


- Ärzte und Pharma-Manager für unvollständige, verfälschte oder verschwiegene Informa­tio­nen über Risiken und Nebenwirkungen persönlich haften lässt;


- Ärzten verbietet, jegliche Zuwendungen von der Pharmaindustrie anzunehmen;


- Patientenrechte stärkt;


- menschenunwürdigen Zwangsunterbringungen und -behandlungen ein Ende setzt;


- Laien- und Selbsthilfe fördert, statt einseitig auf professionelle Angebote zu setzen;


- die willkürliche psychiatrische Diagnostik beseitigt;


- die ärztliche Aus- und Fortbildung von Industrieeinflüssen befreit.


Wir fordern, im Gesetzgebungsverfahren auf unabhängige Experten zu setzen – und Personen davon auszuschließen, die finanzielle Verbindungen zur Pharmaindustrie einge­gan­gen sind.


Wir fordern verschärfte Antikorruptions- und Transparenzgesetze für alle an der Erforschung, Begutachtung, Zulassung und Anwendung von Arzneimitteln Beteiligten.


Wir fordern einschneidende Korrekturen am politischen System, um den allgegenwärtigen Lobbyismus zurück­zudrängen, der den Psychiatrienotstand mitverschuldet.


Das Grundgesetz (Art. 2 Abs. 2) garantiert jedem Bürger „das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“. Wie das Bundesverfassungsgericht 1981 befand, gilt dies auch für die psychische Gesundheit. Daraus erwächst dem Staat eine umfassende Schutz­ver­pflich­tung. Auch im psychiatrischen Bereich unseres Gesundheitswesens sollte er sie endlich wahrnehmen.



Im Einzelnen

Die bisherige „Psychiatrie-Reform“ greift viel zu kurz.


Der Reformprozess, den die Psychiatrie-Enquête von 1975 einleitete, hat die Lage psychisch belasteter Menschen in Deutschland durchaus verbessert. Er führte zu mehr Personal in psy­chia­­trischen Kliniken, modernisierten und verkleinerten Anstalten, mehr psychiatrischen Ab­tei­lungen in Allgemeinkrankenhäusern; zu kürzerer Verweildauer; zu mehr psychologischer Hilfe, mehr Tageskliniken, Ambulanzen und Beratungsstellen, mehr sozialpsychiatrischen Diensten, mehr betreuten Wohnformen, Heimen und Werkstätten.


Aber besser als katastrophal ist nicht gleich gut und ausreichend. Nicht nur finden immer noch menschenunwürdige Zwangseinweisungen und -behandlungen statt. Auch andere grund­legen­de Probleme bestehen fort. Inzwischen sperrt die Psychiatrie zwar seltener und kürzer weg – doch weiterhin vergiftet sie, außerhalb ihrer Einrichtungen noch ausgiebiger als drinnen. Die chemi­sche Zwangsjacke ist gang und gäbe. Immer mehr psychisch Belastete geraten in die Mühlen eines Medizinbetriebs, der ihnen immer früher und immer länger hochtoxische Substanzen einflößt. Dafür sorgen: eine Über­diagnostik, die bloßes Anderssein und zeitweilige Befindlichkeitstiefs zu Krankheiten, Auf­fällige zu Patien­ten stem­pelt; das Vorherrschen einer Behandlungsweise, die auf synthetische Drogen setzt; mangelnde Aufklä­rung über wirksamere, risikoärmere, kosten­günstigere und humanere Alter­nativen.


Verant­wortlich dafür ist in erster Linie die innige Verflechtung der Psychiatrie mit der Pharma­indu­strie. Sie macht Ärzte zu Erfüllungs­gehilfen von Profitinter­essen: mög­lichst viele Menschen für krank zu erklären und ihnen Arzneimittel­ zu verabrei­chen, die sie kaum je brauchen; an Gesunden gibt es schließlich nichts zu verdienen. Diese Praxis breitet sich seit längerem wie ein Krebsgeschwür in unserer Gesellschaft aus. Die Folgen sind: schwere, oft unumkehr­bare Schäden an Körper, Geist und Seele bei medika­mentös Behandel­ten; mensch­liche Tragö­dien zuhauf; immer mehr frühverrentete Psycho­invalide; ein immenser volks­­wirt­schaftlicher Scha­den. Nach wie vor gilt jener lapidare Satz, mit dem vor 43 Jahren die Psy­chiatrie-Enquete begann: „Die Versorgung psychisch Kranker und Behinderter in Deutsch­­land ist dringend verbesse­rungs­bedürftig.“ Die Reform ist in halbherzigen Ansätzen stecken­geblie­ben. Es ist an der Zeit, die wahren Miss­stände zu benen­nen und auszuräumen. Wir brauchen radikale Ver­ände­rungen. Das Versagen des Systems schreit nach Revolution.

Ihnen wird vorgemacht:

- Psychische Störungen greifen neuerdings geradezu epidemisch um sich.

- Ihre Behandlung erfordert Arzneimittel.

- Psychopharmaka sind wirksam, sicher und gut verträglich.

- Um Patienten mit immer besseren Medikamenten zu versorgen, investieren Arzneimit­tel­hersteller Milliardensummen in Forschung und Entwicklung – daher die hohen Preise.

Nichts davon stimmt. Bitte nehmen Sie zur Kenntnis:


- Psychiatrie ist keine evidenzbasierte Medizin. Solide Forschung widerlegt ihre grund­legenden Studien, Hypothesen und Vorstellungen.


- Seit den fünfziger Jahren haben psychische Störungen mitnichten zugenommen, wie Metaanalysen hunderter von Studien belegen. Was hingegen explosionsartig anstieg, ist die Anzahl der gestellten Diagnosen, von ADHS über Autismus, Depression, bipo­lare, Angst- und Anpassungsstörung bis hin zu Schizophrenie. Mittlerweile erklären Fachleute bereits jeden dritten Deutschen für „psychisch gestört“ und therapie­bedürf­tig; mehrere Millionen werden ambulant versorgt, 1,2 Millionen stationär. 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung schlucken Antidepressiva, Neuroleptika, chemische Angst­löser, An­re­ger oder Beruhi­ger. Schon jedes zehnte Kind erhält Psychopharmaka, über 50.000 befinden sich in psychiatri­schen Einrichtungen.


- Für die vermeintliche Psycho-Epidemie sorgen die weltweit verbindlichen Diagnose-Handbücher DSM und ICD. Mit jeder Neuauflage führten sie weitere „Krankheiten“ ein­, senkten die Schwellenwerte für bekannte ab – nicht aufgrund von objekti­ven Befunden, sondern per Mehrheitsbeschluss. In den dafür verantwortlichen Kom­mis­sionen überwiegen Fachleute, die sich von Pharmaherstellern bezahlen lassen. Je verwäs­ser­ter die Diagnostik, desto mehr Menschen erfüllen ihre Kriterien – desto mehr lassen sich zu Arzneimittelkonsumenten machen. Darauf abzielend, erweisen sich ICD und DSM als willkürliche, schädliche und überflüssige Industrie­produkte. Sie stigmatisieren und grenzen aus. Es ist aber normal, von der Norm abzuweichen. Anderssein ist keine Krankheit.


- Die herkömmliche Psychiatrie hängt einem reduktionistischen Menschenbild an, das Patienten zu defekten Biomaschinen mit „Stoffwechselstörungen im Gehirn“ herabwürdigt. Aber psychische Krisen haben Gründe, nicht bloß Ursachen; sie sind subjektiv sinnhafte Lebens­phasen, die aus der einmaligen Geschichte der Betroffenen, ihrer besonderen Situati­on, ihren Ein­schrän­kun­gen und Ressourcen heraus verständ­lich und behandelbar sind – natürliche, zumeist angemessene Reaktionen auf äußeren oder inneren Stress, unter dem nicht zu leiden geradezu „gestört“ wäre.


- In der Medikalisierung psychischen Andersseins, wie auch in der Professionalisierung des Helfens, spiegelt sich ein expertengläubiger Zeitgeist, der es Betroffenen erschwert, eine Grund­­vor­aus­set­zung fürs Heilwerden zu schaffen: Eigenverantwor­tung zu überneh­men. „Ande­re müssen mich gesund machen. Ich und meinesgleichen können das nicht.“


- Eine Fülle von Studien belegt mittlerweile: Bei allen Arten von psychischen Störun­gen, in nahezu jedem Stadium, sind Psychotherapie, soziale Unterstützung, Selbsthilfe und empathischer Laienbeistand Medikamenten mindestens ebenbürtig, wenn nicht überlegen. Ohne Psychopharmaka genesen Patienten im allgemeinen rascher, kommen Rückfälle seltener vor.


- Der Schlüssel zum Behandlungserfolg sind sogenannte „unspezifische Wirkfaktoren“, unabhängig von den eingesetzten Methoden. Laienhelfer wie Fachkräfte sind erfolg­reich, wenn sie dem Hilfesuchenden respektvoll als Person begegnen, seine Würde achten; mit ihm einen authentischen, offenen Dialog eingehen; seine Bedürfnisse und Inter­essen, seine ausgeprägte Sensibilität und andere wertvolle Fähigkeiten berücksichti­gen; sein Denken und Empfinden vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen, sei­ner einmaligen Geschichte, seinen besonderen Lebensumständen verstehen; die Kränkung hinter der Krankheit begreifen; sich an seiner „Störung“ nicht stören; ihn nicht auf vorhandene Symptome und Defizite reduzieren; ihn stärken und anleiten, auf vorhandene Ressour­cen aufbauend, statt aufs Reparieren aus zu sein; sich für all das die nötige Zeit nehmen.


- Weil Pharmakonzerne Forschungsergebnisse in großem Stil manipulieren oder verschwei­gen, wird der Nut­zen von Psychopharmaka bei weitem überschätzt, Gefah­ren verharmlost. Tatsäch­lich erhöhen Psychopillen bei längerem Gebrauch das Risiko drastisch, schwe­ren körperlichen, geistigen und seelischen Schaden zu nehmen: von Überge­wicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes über Hirnschwund und damit einher­gehenden kognitiven Einschränkungen bis hin zu unumkehrbaren motori­schen Schä­den. Sie machen müde, lustlos, antriebslos, desinteressiert. Sie stumpfen emotional ab, verändern die Persönlichkeit tiefgreifend, senken die Lebenserwartung. „Para­doxe Reaktionen“ wie erhöhte Depression, verstärkte Ängste, innere Unruhe und un­be­zähmbarer Bewegungsdrang („Akathisie“), zunehmende Gewalttätig­keit, Amokläufe, Suizid­versu­che und Selbstmorde kommen viel häufiger vor als offiziell behaup­tet. Von Psycho­phar­maka loszukom­men, fällt mitnichten leichter als ein Entzug von „harten“ Drogen, „Absetz­psychosen“ keine Ausnahme, ein Rückfall in die Medikamen­ten­sucht häufig.


- „Antipsychotika“ hießen besser „Antipsychika“ – auf die Dauer deformieren sie die Psyche. Oder „Anti­sexualia“ – sie ruinieren das Sexualleben. Oder „Antihumanika“ – sie beein­träch­tigen spezifisch menschliche Fähigkeiten wie Urteilsvermögen und Krea­­ti­vi­tät.


- Psychopharmaka erschweren, ja vereiteln Heilung. Sie übertünchen Symptome, statt deren Gründe zu beheben. Sie behindern auf­deckende Psychothera­pie, vernebeln Einsichtsfähigkeit, schwächen Motivation und Eigenverantwortung, unter­drücken Selbsthei­lungs­kräfte, chronifizie­ren vorübergehende Tiefs, hindern psycho­ti­sche Prozesse an der Rückbildung.


- Gegen die ärztliche Informationspflicht wird in der Psychiatrie routinemäßig verstoßen. So gut wie nie werden Patienten und Angehörige umfassend über bekannte Risiken, Nebenwirkungen und Behandlungsalternativen aufgeklärt. Wären sie im Bilde: Keiner würde bei klarem Verstand einem langfristigen Einsatz von Psychophar­ma­­ka zustimmen.


- Nach Krebs und Herzinfarkten sind Arzneimittel in der westlichen Welt die dritthäufigste Todesursache. Medikamentös ausgelösten Selbstmord eingerechnet, brach­ten allein Psychopharmaka dort seit der Jahrtausendwende 8,8 Millionen Menschen um, wie Experten schätzen.


- Alle Psychopharmaka wurden aufgrund von Studien zugelassen, die im Auftrag der Hersteller stattfanden. Deren Motive, verkaufsschädigende Fakten zu verschweigen, liegen auf der Hand. Die Liste der Firmen, die bereits wegen irreführender Marketingpraktiken rechtskräftig verurteilt wurden, liest sich wie das Who Is Who der Branche. Deshalb ist ihr nicht zu trauen.


- Zulassungsstudien enden nach wenigen Wochen und Monaten. Über langfristige Folgen geben sie keinen Aufschluss. Deren ganzes Ausmaß zeigt sich oft erst nach Jahrzehnten.


- Statistiken belegen: Je mehr seelisch Belastete psychopharmazeutisch behandelt werden, desto mehr Langzeitpatienten gibt es unter ihnen; desto länger werden Phasen zeitweiliger Arbeitsunfähigkeit, desto häufiger sind Frühverrentungen – mit volkswirtschaftlichem Multimilliarden­schaden. Parallel zu sprunghaft ansteigenden Psycho­phar­ma­ka-Verordnungen hat sich seit den fünfziger Jahren die Zahl krankheitsbeding­ter Fehltage wegen psychischer Nöte verfünffacht, ihr Anteil an sämtlichen Fällen vorübergehender Arbeitsunfähigkeit versiebenfacht, die durchschnittliche Dauer auf 38 Tage erhöht. Der Anteil der Personen, die bei angeblich immer besserer psychiatri­scher Versorgung wegen eines seelischen Leidens vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden, stieg seit Anfang der neunziger Jahre von 14,5 auf 41,9 Prozent.


- Auf Forschung und Entwicklung entfallen in Wahrheit lediglich 10 bis 15 Prozent der horrenden Profite, die Pharmakonzerne erzielen. Der Löwenanteil landet in einem gigantisch gefüllten Marke­tingtopf, dank Jahresumsätzen jenseits der Billio­nengrenze und traumhaften Gewinnspannen bis zu 40 Prozent. Aus ihm werden prak­ti­zierende Ärzte, Medizinprofessoren, Klinikleiter, Kom­missions­mitglieder, Veranstal­ter, Fachgesellschaften, die Opinion Leaders des Fachs ebenso großzügig bedacht wie PR- und Werbeagenturen, Redakteure, freie Journalisten und Buchauto­ren, Betreiber von Inter­net­portalen, Foren und Blogs, Administratoren von Online-Enzy­klopädien, Patientenorganisatio­nen, ein Heer von Lobbyisten und Pharmareferen­ten. All diese Erfüllungsgehilfen sorgen in der Öffentlichkeit, unter Hilfe­suchenden und ihren Angehörigen, innerhalb der Medizin, aber auch bei politisch Verantwort­lichen für ein grotesk verzerrtes Bild der wahren Verhältnisse. Sie tragen dazu bei, Kritiker und Anbieter alternativer Ansätze zu diskreditieren.


- Keine polemische Zuspitzung, sondern ein nüchterner juristischer Befund: Das psychiatrische Versorgungssystem, wie weitere Bereiche unseres Gesundheitswesens, erfüllt die Hauptkriterien organisierter Kriminalität. Dagegen muss ein Rechtsstaat entschlossen vorgehen, statt auf die Selbstheilungskräfte des freien Marktes zu bauen.


Verschaffen Sie sich ein eigenes Bild vom psychiatrischen Versorgungsnotstand.


Vertrauen Sie keinem Gesprächspartner, ohne seine Interessenkonflikte zu berücksichtigen. Lassen Sie sich nicht länger von Lobbyisten beeindrucken, die Sie unablässig umlagern und bedrängen. Seien Sie skeptisch gegenüber den Meinungsführern der Ärzteschaft - als Berater, Sprecher, Autoren, Forscher stehen sie nahezu ausnahmslos auf den Honorarlisten von Arznei­­­mittel­unter­nehmen. Ein Großteil der Organisationen und Initiativen, die Patienten „aufzu­klären“ und deren Inter­essen zu vertreten vorgeben, hängt am Tropf der Pharma­indu­strie.


Lassen Sie unabhängige Einrichtungen Stellung nehmen, die Ihnen ein unverzerrtes Bild vom aktuellen Forschungsstand, von den tatsächlichen Möglichkeiten, Grenzen und Gefahren der Psychiatrie, von verfügbaren Alternativen verschaffen - wie etwa die Cochrane Collaborati­on, die Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie (DGSP), das Institut für Sozialpsy­chia­trie der Universität Greifs­wald, die Stiftung Auswege.


Lassen Sie erfahrene Mediziner zu Wort kommen, die sich entsetzt vom psychiatrischen Main­stream abgewandt haben, wie etwa Dr. med. Volker Aderhold, Dr. med. Marcia Angell, Dr. med. Peter Breggin, Dr. med. Peter Gøtzsche, Dr. med. David Healy, Dr. med. Irving Kirsch, Dr. med. Joanna Moncrieff, Dr. med. Marc Rufer, Dr. med. Josef Zehentbauer.


Verschaffen Sie sich, am besten incognito, einen persönlichen Eindruck davon, wie in übli­chen psychiatrischen Praxen, Kliniken und Ambulanzen tatsächlich mit Menschen verfahren wird, die aus dem inneren Gleichgewicht geraten sind. Sie würden Zeuge einer weitgehend sprach- und herzlosen „Fünf-Minuten-Medizin“, die Checklisten abarbeitet, um Diagnose-Etiketten zu verteilen und Bezugs­scheine für synthetische Drogen auszustellen. Im stationären Rahmen zählt individuelle psycho­logische Betreuung, zumeist höchstens 45 bis 90 Minuten pro Woche, zum bloßen Beiwerk einer überwachten Pillenverfütterung; die Verwahr- ist zur Vergiftungs­psychiatrie geworden.


Besuchen Sie Kliniken, Einrichtungen und Modellprojekte, die psychisch Angeschlagenen erfolgreich mit Zuwendung und Empathie, sozialer Unterstützung und der Stärkung innerer Ressourcen helfen statt mit Pillen – beispielsweise die Median-Klinik in Bad Gottleuba, die sysTelios-Klinik in Wald-Michelbach, die Habichts­wald-Klinik in Kassel.

Lassen Sie sich direkt von ehemaligen Psychiatrie-Patienten berichten, hören Sie Vertreter ihrer Betroffe­nen­organisationen an, z.B. des Bundesverbands Psychiatrie-Erfahrener (BPE). „Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen, keinen Gelehrten“, sagt ein chinesisches Sprichwort.


Verschaffen Sie sich einen Überblick über den tatsächlichen Forschungsstand, die verhängnis­volle Industriebindung der herkömmlichen Psychiatrie, die verheerenden Schäden, die sie bei Betroffenen anrichtet. Dazu eignen sich zusammenfassende Bücher wie Dr. med. Marcia Angell: Der Pharma-Bluff (2005); Dr. med. Peter R. Breggin: Giftige Psychiatrie, 2 Bände (1996/97); DGSP (Hrsg.): Eine Generation wird krankgeschrieben (2013); Dr. med. Peter Gøtzsche: Tödliche Medizin und organisierte Kriminalität (2014), Tödliche Psychopharmaka (2016); Dr. med. David Healy: Let Them Eat Prozac (2004); Irving Kirsch: The Emperor's New Drugs: Exploding the Antidepressant Myth (2009); Peter Lehmann: Schöne neue Psychiatrie, 2 Bände (1996); ders. mit Peter Stastny (Hrsg.): Statt Psychiatrie, 2 Bände (1993, 2007); Dr. med. Joanna Moncrieff: The Myth of the Chemical Cure: A Critique of Psychiatric Drug Treatment (2007), The Bitterest Pills (2013); Marc Rufer: Irrsinn Psychiatrie (1988, 4. Aufl. 2009); Robert Whitaker: Mad in America (2001), Anatomy of an Epidemic (2010); Dr. Harald Wiesen­­danger: Das Märchen von der Psycho-Seuche (2017), Seelentief: ein Fall für Profis? (2017), Unheilkunde. Die 12 Märchen der Psychiatrie – Wie eine Pseudo­medizin Hilfe­­­suchende täuscht (2017), Die Krankmacher (2018); Josef Zehentbauer: Chemie für die Seele (1986, 11. Aufl. 2010).


Lesen Sie, was frühere Pharma-Manager über die üblichen Machenschaften der Branche und ihre Instrumentalisierung der Psychiatrie enthüllten, z.B. John Virapen: Nebenwirkung Tod (4. Aufl. 2008) und Peter Rost: The Whistleblower: Confessions of a Healthcare Hitman (2006).

Stellen Sie die entscheidenden Fragen:


Warum nehmen psychische Störungen zu, je mehr Psychiater es gibt?


Wäre eine psychische Störung nichts weiter als ein „biochemisches Ungleichgewicht im Gehirn“: Wieso hat kein Psychiater jemals irgendeine Diagnose aufgrund eines neurologi­schen Befunds erstellt?


Gibt es irgendein anderes Fachgebiet der Medizin, in dem Ärzte eine langfristige symptoma­tische Behandlung befürworten würden, ohne zu wissen, was die Symptome hervorruft?


Warum werden „psychische Störungen“ immer langwieriger und gravierender, wo doch die eingesetzten Arznei­mittel nicht bloß ständig teurer, sondern angeblich immer besser gewor­den sind?


Warum dauern sie umso hartnäckiger an, je früher, je höher dosiert, je länger sie mit Psycho­pharmaka behandelt werden?


Warum verkürzen Psychopharmaka nicht die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in psychia­tri­schen Einrichtungen? Wieso kommt man im allgemeinen schneller heraus, wenn man auf sie verzichtet?


Wieso verlaufen Psychosen in Entwicklungs- und Schwellenländern, mit dürftiger bis keiner psychiatrischen und psychopharmazeutischen Versorgung, im allgemeinen glimpflicher und kürzer? Weshalb kommen Rückfälle dort seltener vor?


Warum wirkt kein einziges Psychopharmakon indikationsspezifisch, d.h. gezielt bei jener Art von „Störung“, gegen die es verordnet wird? Wirklich „selektiv“ ist keines. Bei den unter­schied­lichsten Krankheitsbildern lösen sie Anspannung und Angst, hellen die Stimmung auf, steigern den Antrieb, dämpfen oder beruhigen. Die Phar­ma­­psychiatrie verkauft demnach Schrot­flinten als Hochpräzisionsgewehre. Was hielten Sie von einem Schlüs­sel­dienst, der mit Brecheisen und Vorschlag­hammer an­rücken muss, weil er über keinen einzigen passenden Schlüssel verfügt?


Warum geht es medikamentös Behandelten auf lange Sicht schlechter als anderen? Warum kommen Rückfälle unter ihnen häufiger vor – im Durchschnitt aller vorliegenden Studien in 60 Prozent aller Fälle, gegenüber 30 Prozent bei Psychotherapie? Warum sind Betroffene, denen Psychopharmaka erspart bleiben oder die frühzeitig darauf verzichten, auf lange Sicht besser dran?


Warum haben parallel zu sprunghaft steigenden Verordnungszahlen von Antidepressiva, Neu­ro­leptika und anderen Psychopharmaka schwere, chronische Verläufe bei psy­chisch Belaste­ten dramatisch zugenommen?


Warum bringen Psychopharmaka überhaupt schlimme Nebenwirkungen und Langzeitschäden mit sich, wo sie angeblich doch „gezielt“ jenes „biochemische Ungleichgewicht“, jene „Stoff­wechsel­störung im Gehirn“ beheben, die der psychischen Störung zugrunde liegt?


Wenn Psychopharmaka der „neuen Generation“ angeblich nicht süchtig machen: Weshalb führen Versuche, von ihnen loszukommen, dann zu schwersten Entzugserscheinungen und „Absetzpsychosen“?


Warum verkürzt langfristige Psychopharmaka-Behandlung die durchschnittliche Lebenserwar­tung um 25 Jahre? Warum starben in Deutschlands psychiatrischen Kliniken, unter ständiger fachärztlicher Auf­sicht und medikamentös „optimal“ versorgt, in den vergangenen 20 Jahren über 57.000 Pati­en­ten, deren Krankheiten unbehandelt nur selten tödlich enden?


Warum werden Zwangsbehandelte in Deutschland durchschnittlich 10 Stunden fixiert, in England hingegen bloß 20 Minuten?


Warum setzen fast alle Psychiater auf synthetische Chemie, obwohl die Therapieforschung seit langem belegt, dass andere Behandlungsansätze im allgemeinen hilfreicher sind, zudem weitaus risiko­ärmer?


Warum machen Psychiatriepatienten mit Psychopharmaka überwiegend Erfahrungen, die den behaupteten Wirkungen in industriefinanzierten Zulassungsstudien, Expertengutachten und der Fachliteratur krass zuwiderlaufen? Warum erklärt nur jeder Zehnte, ihm sei in der Psy­chia­trie geholfen worden?


Wieviele psychisch Belastete würden bei klarem Verstand jemals einer längerfristigen Phar­makotherapie zustimmen, wenn sie vollständig über alle mittlerweile bekannten Risiken und Nebenwirkungen, über die Erfolgsaussichten aller verfügbaren Behandlungsalter­nati­ven aufge­klärt würden?


Würde ein Psychiater selber die Chemikalien schlucken oder seinem eigenen Kind ein­flößen, die er seinen Patienten verschreibt?


Welches Interesse an möglichst häufigen, möglichst raschen Genesungen sollte ein Industrie­zweig haben, der davon lebt, dass möglichst viele Menschen krank sind und es möglichst lange bleiben?


Warum verhält es sich mit dem psychopharmazeutischen Heilerfolg wie mit dem Yeti? Manche glauben, es gebe ihn, aber keiner hat ihn je gesehen.

Sorgen Sie für notwendige Gesetze und Verordnungen – im psychiatrischen Bereich …


- Anstelle chemischer Keulen benötigen psychisch Belastete offene Ohren, mitfühlende Herzen und helfende Hände. Inner- wie außerhalb psychiatrischer Ein­rich­tungen dür­fen Psychopharmaka nur noch notfalls, bloß kurzfristig und möglichst niedrig dosiert zum Einsatz kommen, nachdem chemiefreie Ansätze geschei­tert sind. Was das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin­produkte (BfArM) im Herbst 2009 auf Druck der Europäischen Kommission zur Risikobewer­tung für den Sonderfall von Stimulan­zien wie Methylphenidat (Ritalin) umsetzte und den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zu einer geänderten Arzneimittelricht­linie veranlasste, muss für Psychophar­ma­ka allgemein gelten: Die Behandlung hat ohne Medikamente zu beginnen; verord­net werden dürfen sie nur noch in Ausnahme­fällen.


- Verbieten Sie inbesondere, Kindern Psychopharmaka zu verabreichen, mit sehr seltenen Aus­nahmen. Ihr noch unausgereiftes Gehirn mit Chemikalien zu schädigen, ist nicht weni­ger verwerflich und folgenschwer, als sie zu misshandeln oder sexuell zu missbrau­chen. Statt Anti­depres­si­va, Neuroleptika und Stimulanzien benötigen sie ein heiles Um­­­­feld in Familie und Schule, aufmerksame Begleitung und Anleitung, ein­fühl­samen Beistand bei Trau­ma­ta und Krisen.


- In Alten- und Pflegeheimen werden, meist ohne medizinische Indikation, Psycho­pharmaka einge­setzt, um anstrengende Senioren ruhigzustellen. Jeder fünfte Insasse erhält Neuroleptika, jeder dritte Antidepressiva; unter Dementen sind es sogar 40 Prozent. Das ist unverantwortlich – und ohne informierte Zustimmung der Betrof­fe­nen bzw. ihrer Angehörigen kriminell. Schieben Sie dieser gängigen Praxis einen Riegel vor.


- Fördern Sie psychologischen Beistand durch mobile Krisendienste, ambulante und teilstationäre Einrichtungen, Beratung und Unterstüt­zung von überforderten Angehörigen; Daueraufenthalte in psychiatrischen Kliniken erübrigen sich dadurch zumeist.


- Sorgen Sie dafür, dass Ärzte gesetzlich verpflichtet werden, psychisch Belastete zuallererst der nachweislich wirkungsvollsten und weitaus unschädlicheren Behandlungs­­weise zuzuführen: einer Psychotherapie. Und stellen Sie sicher, dass diese aus­reichend angeboten wird. Was nützt ein Rechtsanspruch auf Psycho­­therapie, auf einen Termin innerhalb von vier Wochen nach Anfrage, solange zu­wenige Anbieter hoffnungs­los überfordert sind?


- Das soziale Umfeld von psychisch Belasteten muss über seine maßgebliche Rolle aufgeklärt, an der Behandlung beteiligt und ausreichend unterstützt werden.


- Selbsthilfe ist oftmals möglich, wirksam und kostengünstiger als professionelle Beratung und Behandlung, wie die Erfolge von Einrichtungen wie der Telefonseel­sorge oder den Anonymen Alkoholikern belegen. Sie verdient erheblich größere staatliche Förderung.


- Psychiatrie-Erfahrene müssen in die Beratung, Behandlung und Betreuung von Patienten einbezogen, an der Entwicklung von Qualitätskriterien für psychiatrische Maßnah­men und deren Qualitätskontrolle beteiligt werden.


- Laienhilfe muss aufgewertet und gefördert werden, sie kann Fachkräftemangel ausgleichen. Was vergleichende Therapie­forschung seit langem belegt, bestätigt sich seit 2007 in den Therapiecamps der Stif­tung Auswege: Bei psychischen Störungen aller Art erreichen empathische, lebens­erfah­re­ne, kommunikativ geschickte, weise Psychoamateu­re binnen einer Woche in der Regel mehr als professionelle Psycholo­gen, Psy­cho­­the­ra­­­peu­ten und Psychiater zuvor. Die Verberuflichung des Helfens bei seelischen Nöten ist nicht die Lösung, sondern Teil des Problems. Sie missachtet und entwertet ein gewaltiges therapeutisches Potenzial. So bedeutet „ambulante Ver­sor­gung mit Psy­cho­therapie“ fak­tisch: wöchentlich ein 50-minütiger Termin bei einem Profi. Doch was ist mit den übri­gen 10.000 Minuten pro Woche?


- Gesetzliche Krankenkassen vergeuden Unsummen für Medikamente, ohne die es den Versicherten besser ginge. Für die Pharmakotherapie „psychischer Störungen“ sollten sie nur noch aufkommen, nachdem sich andere Hilfsangebote als unwirksam erwiesen haben – Einsparungen in Milliardenhöhe wären dadurch möglich.


- Menschenunwürdige Zwangsbehandlungen und zwangsweise Unterbringungen müssen ein Ende haben. Sie traumatisieren; sie erschweren Heilung; und sie verletzen Grund­rechte, wie der Europäische Gerichtshof bereits 2005 urteilte.


- Die „Prinzipien für den Schutz von Personen mit geistigen Krankheiten“, welche die UN-Generalversammlung 1991 verabschiedete, müssen endlich vollständig umgesetzt werden.


- Im Interesse von Hilfesuchenden sollten Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen Pflicht werden, Behandlungsvereinbarungen zu rechtswirksa­men Verträgen. Sie sind nicht unwichtiger als eine gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung.


- Therapeutische Partnerschaft setzt Gleichberechtigung voraus. Die Rechte von Psychia­­­trie­­betroffenen müssen auf allen Entscheidungsebenen gestärkt, Machtgefälle abgebaut werden.


- Wir brauchen ein Gesetz, nach dem Ärzte persönlich haften müssen, wenn sie ihrer umfassenden Aufklärungspflicht nicht nachkommen; das ganze Ausmaß von Psychophar­ma­ka-Risiken und verfügbare Behandlungsalternativen verschweigen; wenn ihre langfristige Verordnung von psycho­tropen Substanzen zu bleibenden Schä­den an Leib und Seele führt.


- Auch in psychiatrischen Fällen dürfen Ärzte Befundberichte, Patientenblätter und sonstige Akten nicht unter Verschluss halten. Was sie warum mit welchem Ergebnis veranlassten, müssen Betroffene, zumindest aber ihre Angehörigen nachvollzie­hen können. Allzuoft wird die Herausgabe von Unterlagen nicht verweigert, um den Pati­enten zu schüt­zen, sondern um sich Diskussionen zu ersparen, um Kunstfehler zu vertuschen und Prozessrisiken vorzu­beugen.


- Sorgen Sie dafür, dass Ärzte von der Pflicht zur Diagnoseverschlüsselung psychischer Belastungen nach ICD befreit werden, ändern Sie das Sozial­gesetzbuch entsprechend (SGB V, §295 und 301). Betroffene dürfen nicht länger voreilig patholo­gisiert, mit fragwürdigen Diagnose-Etiketten versehen, zu „Patienten“ gestempelt und einer brandgefährlichen Pillenmedizin zugeführt werden.


- Verhindern Sie, dass die zunehmende Digitalisierung der Medizin daraus einen Automa­tismus macht: mit aufgerüsteten Smartphones als Taschen-Ärzten, deren Algorithmen einer Sofortdiagnose – mittels Checklisten und Sensoren – eine psychiatrische Therapie­­empfeh­lung folgen lassen.


- Verweigern Sie Massen-Screenings auf vermeintliche „Vorzeichen“ und „Früh­stadi­en“ psychischer Erkrankungen die Zustimmung. Ihnen mangelt es an wissenschaft­licher Absicherung. Ihren vehementesten Fürsprechern liegt vornehmlich daran, den Absatzmarkt für Psycho­pharmaka zu erweitern.


- Hilfesuchende vertrauen in hohem Maße Patientenorganisationen, die sich zu einem Groß­teil von der Arzneimittelindustrie sponsern lassen; dafür zeigen sie sich durch pharma­freundliche Informationen und Empfehlungen erkenntlich. Sorgen Sie dafür, dass solche Einrichtungen in Internetauftritten, in Drucksachen, bei Veranstaltungen unübersehbar offenlegen müssen, von wem sie wofür wieviel Geld erhalten.


… wie im Gesundheitswesen allgemein:


- Zerstreuen Sie den Eindruck, Arzneimittelbehörden seien ein verlängerter Arm der Pharmaindustrie. Lassen Sie das Zulassungsverfahren ändern. Veran­lassen Sie, dass die Anforderungen an Beweise für Nützlichkeit und Unbedenklichkeit von Medika­menten verschärft werden, gefährliche Produkte mit fragwürdigem Mehr­wert aus den Apotheken ver­schwin­den, neue erst gar nicht dorthin gelangen. Ehe sie auf den Markt kommen, müssen sie mit den besten verfügbaren Alternativen verglichen werden, nicht bloß mit weiteren Chemikalien oder Placebos. Die überzeu­gendste Evidenz da­für, was sie bringen und anrichten, liefern im übrigen nicht praxis­ferne, fehler­anfäl­li­ge, leicht manipulierbare „kontrollierte Studien“, sondern die übereinstimmenden Erfah­­run­gen derer, die sie über längere Zeit einnehmen.


- Nicht die Hersteller, sondern Arzneimittelbehörden sollten entscheiden, welche Institute Medikamente prüfen dürfen. Klinische Studien sind eine öffentliche Aufgabe, sie haben dem Gemeinwohl zu dienen. Deshalb gehören sie in die Hände unabhängi­ger akademischer Einrichtungen.


- Alle klinischen Daten über Arzneimittel müssen öffentlich zugänglich sein. Betriebsgeheimnisse dürfen nicht schwerer wiegen als die Volksgesundheit.


- Jeder Beipackzettel sollte den Hinweis enthalten: „Es ist nicht nachgewiesen, dass dieses neue Medikament besser ist als schon verfügbare. Über seine unerwünschten Neben­wirkungen, einschließlich der tödlichen, wissen wir viel weniger als bei jahre­lang erprobten. Es fehlen Beweise dafür, dass erhebliche therapeutische Vorteile sei­nen erheblich höheren Preis rechtfertigen. Im allgemeinen ist es ratsam, schon länger eingesetzte Arzneimittel zu bevorzugen, weil viele neue nachträglich wegen Sicherheitspro­ble­men vom Markt genommen werden.“


- Um der Medikalisierung der Heilens entgegenzuwirken, muss die Aus- und Weiterbildung von Ärzten frei von Pharmaeinflüssen erfolgen.


- Die herkömmliche Medizin baut weitgehend auf industriegeförderter Medikamentenforschung. Verantwortliche Forschungspolitik muss ausreichende Mittel bereit­stellen, die Potenziale von vielversprechenden anderen Therapieformen zu ergründen.


- Die Anwendung von offenkundig hilfreichen chemiefreien, eindeutig gefahrloseren Behandlungs- und Betreuungs­ansätzen muss finan­ziell gefördert werden.


- Humanmedizin muss zuallererst eines sein: human. Das erfordert Ärzte, die sich Zeit nehmen, zuhören, sprechen, verstehen und mitfühlen – ihre Patienten als ganze Personen achten und behandeln, statt sie als reparaturbedürftige Biomaschinen abzufertigen. Die Gebühren­ordnung muss Anreize dazu schaffen. Wozu verleiten wir einen Zimmer­­mann, wenn wir ihn nicht fürs Dach entlohnen, sondern für die Anzahl der Hammerschläge?


- Ärzten muss es strikt untersagt sein, Zuwendungen seitens der Pharmaindustrie anzunehmen. Denn jede Zuwendung verpflichtet – sonst fände sie nicht statt. Verbreitete Formen legaler Korruption, wie „Seeding Trials“ und die wissenschaftlich weitgehend wertlosen „An­wen­­dungs­beobachtungen“, muss der Gesetzgeber endlich unterbinden.


- Arzneimittel-Marketing sollte verboten werden. Es gibt weder ein medizinisches Erforder­­nis noch einen öffentlichen Bedarf für Medikamentenwerbung, für Pharmareferen­ten, für industriefinanzierte „Fortbildung“, für verkappte Bestechung durch Pseudostudien in Arztpraxen.


- Die Preistreiberei der Pharmakonzerne muss endlich juristisch und per Gesetz eingedämmt werden. Die straf- und zivilrechtlichen Tatbestände von Wucher und Sittenwidrigkeit sind erfüllt.


- Es bedarf offener Karten im Gesundheitswesen, nach dem Vorbild des US-amerikanischen „Sunshine Act“. Einer öffentlich zugänglichen Datenbank müssen Patienten entnehmen können, von wem ihr Arzt wofür wieviel Geld bekommt. Frei­willige An­ga­ben genügen nicht, nur jeder Vierte macht mit. Was haben die Übrigen zu verbergen?


- Personen mit finanziellen Verbindungen zu Pharmaunternehmen dürfen in maßgeblichen Ausschüssen und Beratungsgremien, in Aufsichtsbehörden, in Arzneimittel- und Leitlinienkom­mis­sio­nen, in Facharztverbänden nicht län­ger vertreten sein. Dem Gesundheitswesen bekommt akademische Prostitution nicht, ohne sie wäre es heiler.


- Manager von Pharmakonzernen, die Studienergebnisse über gefährliche Neben­wirkungen und Langzeitschäden durch Psychopharmaka verzerren oder verschweigen, oder Ärzte durch falsche oder unvollständige Angaben zu nicht zugelassenen Anwendun­gen verleiten („off-label“), müssen persönlich zur Rechenschaft gezogen werden können.


- Patienten und ihre Angehörigen, aber auch Ärzte benötigen unabhängige Informations­quellen, um aus verfügbaren Behandlungsoptionen sachkundig wählen zu können. Herstellerangaben zur Wirksamkeit und Verträglichkeit von Psychophar­ma­ka ist nicht zu trauen. Nach dem Vorbild der „Stiftung Warentest“ tut eine „Stif­tung Arzneimittel­test“ not.


- Soweit eine Psychiatrie-Reform Mehrkosten verursacht, sollten und können sie durch überfälli­ge, wiederholt gescheiterte Maßnahmen wie eine „Positivliste“ und rigorose Preisober­grenzen für Arzneimittel finanziert werden, wie auch aus Milliarden-Einsparungen durch weniger Psychopharmaka-Einsatz.


- Soweit die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen den Reformprozess behindert, muss der Staat sie einschränken, zum Wohl seiner Bürger.


- Geschädigte Patienten müssen Pharmakonzerne mit Sammelklagen zur Rechenschaft ziehen können, nach US-amerikanischem Vorbild.


… und darüber hinaus im politischen System:


- Demokratie lebt von Vertrauen, Vertrauen erfordert vollständige Transparenz. Bürger müssen wissen, welche Industriebezie­hun­gen ihre gewählten Vertreter daran hindern könnten, sich für nötige Veränderungen einzusetzen. Regierungsmit­glieder und Abgeord­­ne­te, aber auch leitende Ministerialbeamte sollten Art, Höhe und Quelle ihrer Neben­­­­einkünfte vollständig offenlegen müssen, ebenso wie An­zahl, Dauer und Anlass ihrer Kontakte mit Indu­strie­vertretern.


- Eben noch Politiker, jetzt schon Lobbyist, manchmal auch umgekehrt: Wie durch eine Drehtür wechseln immer wieder Volksvertreter in Unternehmen und Verbände. Dadurch erkaufen sich mächtige Interessengruppen, auch im Gesundheitswesen, einen direkten Draht zur Gesetzgebung. Die Drehtür zum Seitenwechsel muss blockiert werden: Wir fordern eine mehrjährige Katenzzeit für Regierungsmitglieder, Staatsminister, Staatssekretäre und Abteilungsleiter in Ministerien.


- Um verdeckte Einflussnahmen zu erschweren und Verflechtungen kenntlich zu machen, tut ein verpflichtendes Lobbyregister not, wie es in den Vereinigten Staaten bereits seit 1995 existiert. Darin müssen alle Lobbyisten angeben, mit wel­chem Budget, in wessen Auftrag und zu welchem Thema sie Einfluss auf die Politik nehmen.


- Ausschusssitzungen des Bundestages sollten grundsätzlich öffentlich stattfinden.


- Gesetze zu erarbeiten, ist ausschließlich Aufgabe des Parlaments und der Ministerien.

Dies an private Beratungsunternehmen und Kanzleien auszulagern, die in der Regel Wirtschafts­interessen vertreten, ist ein demokratisches Unding. Ist es ausnahmsweise gerechtfertigt, müssen Art und Umfang der Beteiligung vollständig offengelegt werden.


- Bundesministerien und Bundesbehörden dürfen nicht länger Unternehmens- und Verbandsvertreter beschäftigen. Indem solche Mitarbeiter Einblick in interne Abläufe und vertrauli­che Themen bekommen, persönliche Kontakte knüpfen und pflegen können, verschaf­fen sie den Entsendern weitreichende Einflussmöglichkeiten, die im Kon­flikt­fall eher wirt­schaft­lichen als Bürgerinteressen dienen.


Wir fordern die Bundesregierung auf, zügig eine neue Psychiatrie-Enquête erarbeiten zu lassen, die fortbestehenden Missständen und neuen Erkenntnissen Rechnung trägt. Die Enquê­­­te-­Kommission darf nicht von jenen Interessengruppen dominiert werden, die eine Mitverantwortung am psychiatrischen Versorgungsnotstand tragen. Die Unterzeichner dieser Petition erwarten ein Mitspracherecht; ihre Vertreter sind bereit, die Federführung zu über­nehmen.


Um Stillstand und halbherzige Lösungen zu verhindern, fordern wir die Bundesregierung auf, dem Parlament regelmäßig, mindestens einmal in jeder Legislaturperiode, einen Bericht zur Lage der Psychiatrie in Deutschland vorzulegen.


Mit weiterer Untätigkeit entzieht sich die Bundesregierung nicht nur ihrer Pflicht, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. Sie schürt die ohnehin wachsende Demokratieverdrossen­heit; sie gießt Wasser auf die Mühlen von Popu­li­sten, die den Staat der Übermacht korrupter Eliten, multi­natio­naler Konzerne und ihrer Lobbyisten ausgeliefert wähnen.


Notfalls fordern wir die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, um zu klären, weshalb die Bundesregierung seit Jahrzehnten die psychiatrische Verletzung von Grundrechten weit­gehend tatenlos hinnimmt: des Rechts auf Leben und Unversehrtheit, auf Achtung und Schutz menschlicher Würde, auf Selbstbestimmung. Damit verletzt sie Amtspflichten.


Warum wenden wir uns nicht zuständigkeitshalber an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags? Die Missstände, die wir aufzeigen, sind dramatisch, verletzen fundamentale Menschenrechte, betreffen Millionen Bürger, bedürfen breiter öffentlicher Aufmerksamkeit und Diskussion, müssen rasch behoben werden. Jedes weitere verlorene Jahr bedeutet: weitere Tausende von iatrogenen Todesfällen, weitere Hunderttausende von körperlich, geistig und psy­chisch Geschädigten, von verspielten therapeutischen Chancen. Es wäre fahrlässig, die Bewer­­tung unserer Anliegen einem Gremium zu überlassen, das für lange Bearbeitungszeiten berüchtigt ist (kein Wunder, bei über 60 Eingaben pro Tag); dessen Tätigkeit kaum wahrge­nom­men wird; das nach Parteienproporz entscheidet und im Ruf steht, unliebsame Themen vom Parlament fernzuhalten. (H.W.)

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Eine Initiative der Stiftung Auswege, mitgetragen von:

Dr. phil. Thomas Deutschbein, psychologischer Psychotherapeut, Gesprächs-, kognitive Verhaltenstherapie; Autor von „Freiheit von der Eifersucht – Wege zu einer neuen Partnerschaft“ (2010)

Andreas Diemer, Arzt für Allgemeinmedizin/Naturheilverfahren, Diplom-Physiker, Ärztlicher Leiter der Akademie Lebenskunst & Gesundheit, Sprecher der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für unabhängige Impfaufklärung (DAGIA), Autor von „Die fünf Dimensionen der Quantenheilung: Für eine erweiterte und menschliche Medizin“ (2012)

Dr. med. Dorothea Fuckert, Fachärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapie, Leiterin des Wilhelm-Reich-Instituts, Mitherausgeberin der Zeitschrift „Lebensenergie“, Autorin des Buches „Seelenreise in das Leben zwischen den Leben“ (2013)

Dr. med. Milan J. Meder, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie, Sozialmedizin

Petra & Jacqueline Schneider, Angehörige eines toten Psychiatrie-Opfers

Liz. Phil. Maria de Lourdes Stiegeler, Logotherapeutin, Existenzanalytikerin, langjähriges Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Gesellschaft für Logotherapie und Existenzanalyse (DGLE)

Prof. Dr. Dr. Harald Walach, klinischer Psychologe, Philosoph und Wissenschaftshistoriker, derzeit Gastprofessor an der Universität Witten-Herdecke, bis 2016 Professor für Forschungsmethodik an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder; Autor bzw. Herausgeber von 24 Sachbüchern.

Dr. med. Fela-Maria Winkler, Allgemeinmedizinerin und Ärztin für Naturheilkunde

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