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  • Dr. Harald Wiesendanger

Liebe heilt

Aktualisiert: 8. Sept. 2023

Liebe versöhnt und verbindet, sie beseelt und beflügelt, sie inspiriert und erfüllt. Sie macht glücklich. Mehr noch: Sie kann heilen. Ihre ungeheure therapeutische Kraft nutzt eine spirituelle Medizin. Wie viel sie damit zustande bringen kann, belegen seit 2007 die Therapiecamps der Stiftung Auswege.



Durch ständigen Missbrauch abgenutzt, kommen manche Ausdrücke derart phrasenhaft-hohl daher, dass man ihre Weiterverwendung am liebsten verbieten würde. Dergestalt haben sich Politiker am „Sozialen“ und „Liberalen“ vergangen, der Online-Allesvernetzer Facebook an „Freundschaft“, werbetreibende Lebensmittelhersteller am „Genuss“, die FIFA an „Ethik“, Faktenchecker an „Tatsache“, „Wahrheit“ und „Desinformation“ – und eine Koalition aus überschwänglich Verknallten, Songtextern der Popindustrie, Hollywoods Drehbuchschreibern und abgehobenen Esoterikern am Begriff der Liebe.

Um so schwerer fällt es uns zu bekennen: Wir lieben die Menschen, die in die Therapiecamps unserer Stiftung Auswege kommen, einen wie den anderen – den äußerlich entstellten, geistig zurückgebliebenen, körperlich aufs Extremste eingeschränkten Behinderten ebenso wie den von Krämpfen geschüttelten Epileptiker und das hyperaktive, aggressive Kind; gestresste, hadernde, fordernde Eltern ebenso wie mürrische, uneinsichtige, verklemmte, selbstgerechte, ver­kopfte, undankbare erwachsene Patienten und distanzierte, argwöhnische, besserwisserische Angehörige.


Genauso empfinden die allermeisten, die sich uns anvertrauen: Am Ende einer Therapiewoche schwärmen sie von einem Übermaß an Liebe, das sie bei uns erfahren ha­ben.


Begriff missbraucht?


Benötigen beide Seiten, Helfer wie Hilfe­­suchende, dringend Nachhilfeunterricht in Semantik?


Liebe ist die stärkste Zuneigung und Wertschätzung, die Men­schen einander entgegenbringen können; ge­prägt wird sie von einer innigen, tiefen Ver­bun­­denheit, die ihren Nutzwert über­steigt. Schon in der Antike un­ter­schieden Dichter und Philosophen drei Arten von Lie­be. Im Sinne der ersten, Eros, geht es bei uns durchweg lieblos zu: Wir füh­len uns Teilnehmern gewiss nicht sinnlich-erotisch verbunden, durch leidenschaftliches Begehren. Wohl aber verbinden uns Philia - die freund­schaftliche Form von Liebe, die auf gegenseitiger Anerkennung und Verständnis beruht – und Agape, der es selbstlos fördernd um das Wohl des Nächsten geht.


Inwiefern? Wie alle psychischen Zu­stände, so ist auch Liebe mit be­stimm­ten Gefühlen, Einstellungen und Ausdrucksformen verbunden. Und in jeder dieser Hinsichten passt der Begriff durchaus auf unsere innige Beziehung zu Campteilnehmern: Emotional verbinden uns mit ihnen Sympathie und Mitgefühl. Unsere Haltung ihnen gegenüber ist geprägt von bedingungsloser Wertschätzung, aufrichtigem Interesse, Anteilnahme und Fürsorge. Beides verbergen wir nicht, sondern bringen es im Camp­alltag bei jeder Gelegenheit zum Ausdruck - durch Äußerungen bei Heilsitzungen und Beratungstermi­nen, in Gruppenzusammenkünften und Gesprächen außerhalb des Ta­ges­programms, ebenso durch non­ver­bale Signale in Mimik, Gestik, Körperhaltungen und Verhaltens­wei­sen, die uns weder Überwindung kosten noch irgendeinem Kalkül folgen: Teilnehmer freundlich anzulächeln, zwischendurch ihre Hand zu halten, sie zu umarmen, fällt uns keineswegs schwer.


„Kann Wunder bewirken“


Darin sehen wir weitaus mehr als bloß wellnessförderliches Beiwerk zur therapeutischen Arbeit – es gehört essentiell dazu. Denn wir sind fest davon überzeugt: Liebe heilt. Darin stimmen wir ganzheitlichen Ärzten, Therapeuten und Heilern zu, die diesen Aspekt nachdrücklich betont haben (1). Ein literarisches Manifest dieser Gesinnung ist die um 1990 erschienene Aufsatzsammlung Was ist heilen? (2). Ein amerikanisches Autorenduo, Richard Carlson und Benjamin Shield, ließ darin 28 berühmte Heiler, sympathisierende Ärzte und wissenschaftliche Experten in kurzen Essays Stellung nehmen. "Liebe ist der Heiler", fassen die Herausgeber einleitend den Grundtenor der meisten Beiträge zusammen. "Liebe wird als der kleinste gemeinsame Nenner betrachtet, der jeder erfolgreichen Heilung zugrunde liegt und alle wirkungsvollen Heilmethoden unterstützt. Ohne Liebe gibt es keine wirkliche Heilung." (3) "Es ist die Liebe, die heilt", lehrte eine der prominentesten Heilerinnen im Therapeuten-Netzwerk der Stiftung Auswege, die viel zu früh verstorbene Pamela Sommer-Dickson - "eine ganz starke, aber auch ganz fein schwingende Energie, die uns berühren kann, wenn wir bereit sind, unsere Herzen zu öffnen und uns selbst anzunehmen (...) Dann erleben wir, wie sie Wunder wirken kann." (4)

Doch wie sollte Liebe eine heilsame Kraft entfalten können? Sie tut es auf beiden Seiten der therapeutischen Beziehung: Helfer, die lieben, sind besonders motiviert, ihr Bestes zu geben. Hilfesuchende, die sich ge­liebt fühlen, vertrauen, öffnen sich, kooperieren mehr. Offenkundig uneigennützige, rein ehrenamtliche Hilfe zu finden, ist für die meisten Campteilnehmer eine völlig neue Erfahrung, die ihr Vertrauen stärkt und sie kooperativer macht: „Wir waren umgeben von Engeln, die uns bestens versorgten, jeder war herzlich und hilfsbereit", schwärmt die Mutter eines schwerbehinderten Jungen. „Diese Atmosphäre war ansteckend. Hier hat keiner an Geld oder seinen eigenen Vorteil gedacht. Ich bin hier einem ganzen Haus voller guter Menschen begegnet. Ich nehme Mut, Hoffnung und Kraft mit." Der Mutter eines epileptischen Fünfjährigen „war es nicht möglich, mich in der abschließenden Runde zu bedanken, sonst hätte ich nur geweint. Euer aller selbstlose Art ist fast nicht zu verstehen. Danke, dass es euch gibt, und Danke dafür, was ihr für uns alle tut."


Was viele Campteilnehmer verblüfft: Auch Ärzte bringen diesen besonderen Geist in den Campalltag ein. „Es fällt uns schwer, von der Apparatemedizin auf adäquate Menschlichkeit umzuschalten“, räumte der frühere Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Frank Ulrich Montgomery ein (5) – den Ärzten in unseren Camps gelingt dies mühelos, ohne Selbstüberwindung. „Echte Anteilnahme ist vielleicht wertvoller als jede rein medizinische Behandlung“, konstatiert der amerikanische Kardiologe Brian Olshansky. (6) Bei uns gibt es „Liebe statt Valium“, wie ein Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats unserer Stiftung, der frühere Berliner Ärztekammerpräsident Dr. Ellis Huber, eine vieldiskutierte Streitschrift betitelte. (7)


Für den Geist, in dem wir uns ins Campgeschehen einbringen, haben Hilfesuchende feine Antennen, und dies erzeugt willkommene therapeutische Nebenwirkungen. „Das nenne ich Hingabe", sagte uns die Mutter eines fünfjährigen, von Neurodermitis geplagten Jungen. „Davon bin ich gerührt und tief berührt. Ich verneige mich vor euch."


Psychologie plus Paraphysik


Aber wie heilt Liebe? Zu psychologischen Faktoren tritt womöglich ein paraphysikalischer hinzu – eben jener, den Heiler meinen, wenn sie versichern, Gedan­ken seien „Schwingungen“ im „Fein­stofflichen“, liebevolle Gedanken deren höchste. Nach über einem Jahr­hundert parapsychologischer Forschung sind solche Spekulationen längst nicht mehr abwegig: Unzäh­lige Tests und Experimente, darunter viele auf gehobenem naturwissenschaftlichem Niveau, deuten mittlerweile darauf hin, dass geistige Ereig­nisse, Vorgänge und Zustände messbare physische Veränderungen auslösen können: bei „verblindeten“ Ver­suchspersonen, bei Tieren und Pflan­zen, bei Pilzen und Bakterien, bei Zel­len und Zellbestandteilen, selbst in an­­organischem Material. (8) Und in manchen Studien zeigte sich, dass liebevolle Intentionen einen besonderen Unterschied machen: Sie synchroni­sie­ren Hirnwellenmuster (9), sie be­schleunigen das Wachstum von Pfla­nzen (10) – wie Hobbygärtner mit „grünem Daumen“ immer schon wussten -, und sie verändern die Struktur von Wasser (11), was insofern medizinisch hochbedeutsam ist, als der menschliche Körper zu zwei Drittel aus H2O besteht, das Gehirn zu 85 Prozent, das Blutplasma sogar bis zu 95 Pro­zent.


Liebe heilt – auch deshalb ist heilsam, was in unseren Camps ge­schieht.




Anmerkungen

1 Siehe H. Wiesendanger: Fernheilen, Band 1: Die Vielfalt der Methoden, Kap. „Die Liebenden – Fernheilen mit dem höch­­sten aller Gefühle“, S. 286 ff.

2 Original: Healers on Healing, hrsg. R. Carlson/B. Shield, Los Angeles o.J.; die deutsche Übersetzung erschien 1992 unter dem Titel Was ist heilen? Berühmte Heilerinnen und Heiler antworten.

3 a.a.O., S. 10

4 in H. Wiesendanger (Hrsg.): Geistiges Heilen für eine neue Zeit - Vom "Wunder­hei­len" zur ganzheitlichen Medizin, München 1999, S. 17-30, sowie in ders. (Hrsg.): Wie Jesus heilen. Geistiges Heilen: ein Akt christlicher Nächstenliebe, 4. überarb. Aufl., Schönbrunn 2008, S. 305-315.

5 Der Spiegel 6/2014, S. 35

7 Ellis Huber: Liebe statt Valium – Konzepte für eine neue Gesund­heitsreform, Berlin 1993

8 Eindrückliche Forschungsergebnisse stelle ich vor in Fernheilen, Band 2: Fall­beispiele, Forschungen, Einwände, Erklärun­gen, Schönbrunn 2004, S. 115-210 sowie in Das Große Buch vom Geistigen Heilen – Mög­lichkeiten, Grenzen, Gefahren, Schön­brunn 2002, S. 259-304.

9 s. Fernheilen, Band 2, a.a.O., S. 179 f.. sowie Harald Wiesendanger: Die Jagd nach Psi – Über neue Phänomene an den Grenzen unseres Wissens, Freiburg i. Br. 1989, S. 243 ff.

10 Ende der siebziger Jahre berichtete eine führende Fachzeitschrift für Parapsycho­lo­gie über ein Experiment, in dem ein Heiler mit zwei Gruppen von jeweils 19 Rettichen arbeitete; den einen widmete er einen Monat lang täglich 15-20 Minuten lang „liebevolle, fürsorgliche Gedan­ken“, die anderen ignorierte er. Beide Pflan­­zengruppen hatten hinsichtlich Licht, Wärme, Wässerung, Erde die gleichen physikalischen Bedingungen. Am Ende der Versuchsphase wiesen die „geistig“ behandelten Radieschen ein statistisch signifikant höheres Gewicht auf. Chris Nicholas: „The effects of loving atten­tion on plant growth“, New England Journal of Parapsychology 1/1977, S. 19-24.

11 Der japanische Parawissenschaftler und Alternativmediziner Masaru Emoto – er starb 71-jährig im Oktober 2014 – lieferte aufsehenerregende Beiträge zum Phänomen des „Wassergedächtnisses“: Nach seiner Auffassung kann es die Ein­flüsse von Gedanken und Gefühlen speichern, wobei es seine Qualität ändert. Dazu veranlassten ihn Experimente, in denen er Wasserproben entweder positiven Botschaften wie „Danke“ und „Freu­de“ oder negativen Botschaften wie „Hass“ und „Krieg“ aussetzte – teils mit­tels beschrifteter Zettel, die ins Wasser eingetaucht oder an der Behälterwand befestigt wurden, teils durch rein geistige Einwirkungsversuche – und anschließend gefror; die entstehenden Eiskristal­le fotografierte und deutete er anhand von ästhetisch-morphologischen Kriteri­en. „Positiv“ beeinflusstes Wasser, so fand er, bilde stets ausgesprochen harmonische, meist symmetrische Formen, wäh­­rend „negativ“ belastetes Wasser miss­gebildete, amorphe Strukturen auspräge. Kritiker halten Emoto allerdings Un­sauberkeiten beim Untersuchungsab­lauf und der „Analyse“ vor.



Dieser Betrag enthält Auszüge aus dem Buch von Harald Wiesendanger: Auswege – Kranken anders helfen (2015)

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