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  • Dr. Harald Wiesendanger

„Griff nach der Weltherrschaft“

Aktualisiert: 1. Mai 2021

Wundersam: Hohe geistliche Würdenträger warnen vor „Mächten, die Corona missbrauchen wollen“. Es gebe „Kräfte, die Interesse an Panikmache haben“.


Das Versagen der katholischen Kirche in politischen Fragen, ihr Schweigen zu himmelschreiendem Unrecht, ihr Paktieren mit Unrechtsregimes hat eine lange, unrühmliche Tradition. Nun aber, inmitten der Corona-Krise, mischen sich mehrere namhafte Bischöfe ein – mit einem dramatischen Aufruf „an alle Menschen guten Willens“, der an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt. (1) Dass auch sie nun als „Verschwörungstheoretiker“ verschubladet werden, lässt sie offenbar kalt, ebenso wie das Risiko, im Vatikan damit in Ungnade zu fallen. Ihre Zivilcourage verdient Respekt, auch von Nichtkatholiken, selbst von Atheisten. Was sie der Gemeinschaft der Gläubigen, ja allen Weltbürgern ans Herz legen, zeichnet sich durch mutigen, unverblümten Klartext aus, wie ihn hohe geistliche Würdenträger angesichts politischer Fehlentwicklungen kaum jemals aussprechen.


Zu den prominenten Erstunterzeichnern zählen Gerhard Kardinal Müller, der von 2002 bis 2012 Erzbischof von Regensburg war, anschließend bis 2017 Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre; der Salzburger Weihbischof Andreas Laun; Joseph Kardinal Zen Ze-kiun, emeritierter Bischof von Hongkong; Jānis Kardinal Pujats, emeritierter Erzbischof von Riga; Luigi Negri, Erzbischof von Ferrara-Comaccho; Joseph Strickland, Bischof von Tyler, Texas; Thomas Peta, Erzbischof von Astana; und Erzbischof Carlo Maria Viganò, emeritierter Diplomat des Heiligen Stuhls – er hatte Papst Franziskus wegen des „heuchlerischen“ Umgangs mit dem sexuellen Missbrauchsskandal wiederholt kritisiert, zum Amtsverzicht aufgefordert und Homosexualität im Klerus als „ansteckende Plage“ bezeichnet, woraufhin der Vatikan ihn maßregelte.


Darüber hinaus tragen zahlreiche Intellektuelle, Mediziner, Anwälte, Rechtsgelehrte, Journalisten und weitere Fachleute den Appell mit. Er beginnt mit einem Zitat aus dem Johannes-Evangelium: „Veritas liberabit vos - Die Wahrheit wird euch frei machen“ (Joh 8,32).


„In einer Zeit schwerster Krise“, so heißt es in dem Aufruf, „erachten wir Hirten der katholischen Kirche, aufgrund unseres Auftrags, es als unsere heilige Pflicht, einen Appell an unsere Mitbrüder im Bischofsamt, an den Klerus, die Ordensleute, das heilige Volk Gottes und alle Männer und Frauen guten Willens zu richten.“


„Es sind Tatsachen, dass unter dem Vorwand der Covid-19-Epidemie in vielen Fällen unveräußerliche Rechte der Bürger verletzt und ihre Grundfreiheiten unverhältnismäßig und ungerechtfertigt eingeschränkt wurden, einschließlich des Rechts auf Religionsfreiheit, freie Meinungsäußerung und Freizügigkeit. Die öffentliche Gesundheit darf und kann kein Alibi werden, um die Rechte von Millionen von Menschen auf der ganzen Welt zu verletzen, geschweige denn, um die Zivilbehörden von ihrer Pflicht zu befreien, klug für das Gemeinwohl zu handeln. Dies gilt umso dringlicher, je mehr Zweifel von verschiedenen Seiten an der tatsächlichen Ansteckungsgefahr, der Gefahr, sowie der Resistenz des Virus laut werden: Viele maßgebliche Stimmen in der Welt der Wissenschaft und Medizin bestätigen, dass dieser Alarmismus seitens der Medien gegenüber Covid-19 in keinster Weise gerechtfertigt zu sein scheint.“


„Wir haben Grund zu der Annahme – und das auf Grundlage offizieller Daten der Epidemie in Bezug auf die Anzahl der Todesfälle – dass es Kräfte gibt, die daran interessiert sind, in der Bevölkerung Panik zu erzeugen. Auf diese Weise wollen sie dauerhaft Formen inakzeptabler Freiheitsbegrenzung und der damit verbundenen Kontrolle über Personen und der Verfolgung all ihrer Bewegungen durchsetzen. Diese illiberalen Steuerungsversuche sind der beunruhigender Auftakt zur Schaffung einer Weltregierung, die sich jeder Kontrolle entzieht.“


„Wir glauben auch, dass in einigen Situationen die ergriffenen Eindämmungsmaßnahmen, einschließlich der Einstellung kommerzieller Aktivitäten, zu einer Krise geführt haben, die ganze Wirtschaftssektoren niedergeschlagen haben. Dies wiederum fördert eine Einmischung von fremden Mächten und hat schwerwiegende soziale und politische Auswirkungen.“


„Diese Formen des ‚Social Engineering‘ müssen von denen, die Regierungsverantwortung tragen, verhindert werden, indem Maßnahmen zum Schutz der Bürger ergriffen werden, deren Vertreter sie sind und in deren Interessen sie zu handeln haben, wie es ihre ernste Pflicht ist. Sie müssen der Familie, der Zelle der Gesellschaft, helfen und vermeiden, schwache und ältere Menschen unangemessen zu bestrafen und sie zu schmerzhaften Trennungen von Angehörigen zu zwingen. Die Kriminalisierung persönlicher und sozialer Beziehungen muss als inakzeptabler Bestandteil eines Projekts beurteilt werden, mit dem die Isolation von Personen gefördert wird, um diese besser manipulieren und kontrollieren zu können.“


„Wir fordern die wissenschaftliche Gemeinschaft auf, dafür zu sorgen, dass die medizinische Behandlung von Covid-19, in aufrichtiger Sorge um das Gemeinwohl gefördert und daher sorgfältigst vermieden wird, dass zweifelhafte Wirtschaftsinteressen die Entscheidungen der Regierungen und internationalen Behörden beeinflussen. Es ist nicht sinnvoll, einerseits Arzneimittel, die sich als wirksam erwiesen haben und oftmals kostengünstig sind, zu ächten, und andererseits Behandlungen oder Impfstoffen Vorrang einzuräumen, die Pharmaunternehmen höhere Gewinne garantieren, aber nicht gleichermaßen wirksam sind. Damit erhöhen sich die Kosten für die öffentliche Gesundheit. Wir erinnern als Hirten daran, dass es für Katholiken moralisch inakzeptabel ist, sich mit Impfstoffen behandeln zu lassen, zu deren Herstellung Material von abgetriebenen Föten verwendet wird.“


„Wir fordern die Regierenden außerdem auf, dafür zu sorgen, dass Formen der Kontrolle von Menschen auf Strengste vermieden werden, sei es durch Tracingsysteme, sei es in durch irgendwelche anderen Arten der Lokalisierung. Der Kampf gegen Covid-19, so ernst er auch sein mag, darf nicht als Vorwand zur Unterstützung unklarer Absichten supranationaler Einheiten dienen, die sehr starke politische und wirtschaftliche Interessen verfolgen. Insbesondere muss den Bürgern die Möglichkeit gegeben werden: Einschränkungen der persönlichen Freiheiten abzulehnen, sich straffrei einer drohenden Impfpflicht zu entziehen, sowie Tracingsysteme oder ähnliche Instrumentarien nicht zu benutzen.“


„Diejenigen, die eine Politik der drastischen Bevölkerungsreduzierung verfolgen, und sich gleichzeitig als Retter der Menschheit präsentieren – noch dazu ohne irgendeine politische oder soziale Legitimierung – befinden sich im offensichtlichen Widerspruch zu sich selbst. Letztendlich kann die politische Verantwortung derjenigen, die das Volk vertreten, auf keinen Fall „Experten“ übertragen werden, die – und das ist fürwahr beunruhigend – für sich selbst Formen der strafrechtlichen Immunität fordern.“


„Wir wenden uns eindringlich an die Medien, auf dass sie sich sich aktiv um eine korrekte Informationsweitergabe bemühen, in der Dissens möglich ist und nicht, wie mittlerweile in den sozialen Medien, in der Presse und un Im Fernsehen weit verbreitet, mit einer Art von Zensur bestraft wird. Korrekte Informationsweitergabe bedeutet, dass auch anderen, von der allgemein vorherrschenden Meinung abweichenden Stimmen Raum gegeben wird. So gesteht man den Bürgern zu, die Fakten selbstbewußt bewerten zu können und nicht von starken Wortmeldungen derer, die Partei sind, beeinflusst zu werden. Eine demokratische und ehrliche Konfrontation ist das beste Gegenmittel gegen das Risiko subtiler Formen der Diktatur, vermutlich noch schlimmere als jene, die unsere Gesellschaft in der jüngeren Vergangenheit hat entstehen und vergehen gesehen.“


Auch über die weitreichende Einschränkung der Religionsfreiheit empören sich die Kardinäle. „Der Staat hat keinerlei Recht, sich aus irgendeinem Grund in die Souveränität der Kirche einzumischen. Kirchliche Autoritäten haben sich nie verweigert, mit dem Staat zusammenzuarbeiten, aber eine solche Zusammenarbeit darf nicht bedeuten, dass seitens der Zivilbehörden, ganz gleich in welcher Form, Verbote oder Einschränkungen des öffentlichen Gottesdienstes und der Seelsorge aufgestellt werden. Gottes Rechte und die seiner Gläubigen sind das oberste Gesetz der Kirche. Davon kann und will sie nicht abweichen. Wir fordern, dass die Beschränkungen für die Feier öffentlicher Gottesdienste aufgehoben werden.“



Offenbar genügte den unerschrockenen Verfassern dieses Brandbriefs nicht, wie der Vatikan bislang mit der Corona-Krise offiziell umging. Papst Franziskus beließ es bei schöngeistigen Reflexionen („die globale Virus-Krise als Gelegenheit zu einer grundsätzlichen Umkehr“), bei Aufrufen zum „Einsatz für besonders Schutzbedürftige“, beim Segen „Urbi et orbi“. „Lasst uns beten, dass der Herr uns die Gnade der Einheit unter uns schenkt, damit uns die Schwierigkeiten dieser Zeit die Gemeinschaft unter uns entdecken lassen", so regte der Heilige Vater an. Über den aufsehenerregenden Appell der Bischöfe schweigt er bislang. Würde er sich in der Corona-Zeitenwende doch bloß endlich selber beim Wort nehmen: „Bei der Alternative zwischen einer Kirche, die auf die Straße geht und dabei Probleme bekommt, und einer Kirche, die an Selbstbezogenheit krank ist, habe ich keine Zweifel, der ersten den Vorzug zu geben“, so bekannte er im Januar 2014 in einer Botschaft zum kirchlichen Weltmedientag. Es wäre fein, wenn er damit spätestens jetzt begänne.


Stattdessen meldet sich die Deutsche Bischofskonferenz zu Wort – freilich nicht wegen irgendwelcher Bedenken gegenüber der Hygienediktatur, der auch die Religionsfreiheit nicht heilig ist, sondern wegen der Ungeheuerlichkeit der Widerrede dagegen. Die staatlichen Einschränkungen, auch was Gottesdienste betrifft, seien „vernünftig und verantwortungsvoll“, so betont sie ein weiteres Mal. Und geradezu „entsetzt“ zeigt sich die katholische Laienbewegung „Wir sind Kirche“ darüber, wie „verantwortungslos“ sich die opponierenden Bischöfe „zu Handlangern von Verschwörungstheoretikern machen lassen“. Das wiederum löst anderweitig Entsetzen aus: Wie politisch laienhaft gehen Kirchenlaien mit einer Staatskrise um, in der jegliches Querdenken, das von der offiziellen Linie abweicht, schnurstracks als „Verschwörungstheorie“ gebrandmarkt wird, um es vom Tisch zu wischen?


Bis 7. Mai stand auch Robert Kardinal Sarah, ein Kurienkardinal aus Guinea, auf der Unterzeichnerliste - von dort verschwand sein Name aber plötzlich. Den Grund lieferte er anderntags auf Twitter nach (@Card_R_Sarah): „Ein Mitglied der Römischen Kurie muss eine gewisse Einschränkung in politischen Angelegenheiten beachten.“ Muss er wirklich? „Er sollte in solchen Bereichen keine Petitionen unterschreiben. Deshalb habe ich heute Morgen die Autoren der Petition mit dem Titel ‚Für die Kirche und für die Welt‘ ausdrücklich gebeten, meinen Namen nicht zu erwähnen. Aus persönlicher Sicht kann ich einige Fragen oder Bedenken bezüglich der Einschränkungen der Grundfreiheit teilen, aber ich habe diese Petition nicht unterschrieben.“


Schade. Denn es gibt finstere Zeiten, in denen Gebete allein nicht ausreichen. Jesus wusste das noch.


Harald Wiesendanger

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