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  • Dr. Harald Wiesendanger

Wovon „Behandlungsresistente“ träumen

Aktualisiert: 19. Sept. 2021

Fernheilen: bloß Hokuspokus? Der weitaus anrüchigsten Variante des ohnehin umstrittenen Geistigen Heilens habe ich eine dreibändige Analyse gewidmet, ausgehend von verblüffenden Fallbeispielen und weithin unbekannten Forschungsergebnissen. Sie soll chronisch Kranke ermutigen, zugleich aber vor überzogenen Hoffnungen bewahren.



"Die moderne Medizin hat so enorme Fortschritte gemacht, dass es praktisch überhaupt keinen gesunden Menschen mehr gibt", lästerte Aldous Huxley einmal. Die beißende Ironie des amerikanischen Schrift­stellers, der uns eine beklemmend "Schöne neue Welt" ausmalte, kommt der bitteren Wahrheit bestürzend nahe: Wie Statistiken aus Gesundheits­behörden und Hochschulinstituten, Ärztevereinigungen und Patientenverbänden belegen, ist chronische Krankheit kein Ausnahmefall, sondern ein Schicksal, das Abermillionen Menschen heimsucht: allein in Deutschland über 20 Millionen, mehr als ein Viertel der Gesamt­bevölke­rung.


Dabei müssen Betroffene allzu oft mit mehr als einer Diagnose leben: Einem Großteil machen zugleich zwei, drei und mehr Leiden zu schaffen. Den meisten von ihnen kann die konventionelle Medizin wenig bis keine Hoffnung auf Heilung machen. Stattdessen doktert sie an Betrof­fenen überaus kostenintensiv und fast immer langwierig herum, Mittel und Maßnahmen einsetzend, die häufig mit unangenehmen Begleit­erscheinungen und gefährlichen Langzeitwirkungen verbunden sind, Symptome nur zeitweise zudecken oder dämpfen, Ver­schlimmerungen bestenfalls hinauszögern, Schübe seltener machen. Oder chronisch Kran­ke werden, am Ende ärztlichen Lateins, mit einem achselzuckenden "Wir können nichts mehr für Sie tun" als "behandlungsresistent" aussortiert, als "austherapiert" entlassen, fallengelassen, sich selbst überlassen.


Dieses Elend erzeugt zwei Patiententypen. Die einen denken nicht daran, sich unterkriegen zu lassen. Jetzt erst recht, sagen sie trotzig. Und sie kämpfen weiter, büffeln sich durch Stapel von Ratgeber-Literatur jeglicher Qualitätsgrade, durchwühlen Zeit­schriften nach brandneuen Geheim­tipps, lauschen TV-gekürten Gesundheitsexperten, klicken sich nächtelang durchs Internet, decken hartnäckig jede greifbare Bera­tungs­s­telle mit Anfragen ein. Unverdrossen probieren sie dieses und jenes, rennen von einem Arzt zum nächsten, wagen sich früher oder später auch in den Dschungel der alternativen Therapieszene, immer auf der Jagd nach dem letzten Strohhalm, der nicht reißt.


Die anderen fühlen sich ohnmächtig und alleingelassen. Im Gefühl, aufgegeben worden zu sein, geben sie sich schließlich selber auf. Sie resignieren, verharren zunehmend in Angst und Depression, warten nur noch apathisch den nächsten Schub, die weitere Verschlimmerung, den vermeintlich unabwendbaren Verfall ab.


Dabei verbindet sie alle der gleiche Traum - einen, den mir eine rheumakranke 67-jährige aus Dortmund kürzlich in bewegenden Worten ausgemalt hat: "Wissen Sie, über zwanzig Jahre lang habe ich nie den Kopf hängen lassen, sondern versucht, tapfer zu sein, weiterzukämpfen. Aber nun bin ich mit meiner Kraft am Ende. Ich mag mich nicht ein weiteres Mal aufraffen, zu noch einem Arzt, in noch eine Klinik, mit noch mehr Stunden in überfüllten Wartezimmern, und zum hundertsten Mal meine Krankengeschichte herunterbeten, insgeheim schon voller Ahnung, dass es ja eh nichts mehr nützt. Ich mag überhaupt nichts mehr tun müssen, mag nirgendwo mehr hin. Ich wünschte, ich müsste einfach nur die Augen schließen, abwarten - und dann geschähe irgendwie ein Wunder mit mir, das mich endlich erlöst und mir ein neues Leben schenkt."


Um nichts Geringeres als die Aussicht auf ein solches Wunder geht es in meinem Buch. Fernbehandeln mit der Kraft des Geistes: Diese jahrtausendealte Heilweise macht, im Lichte jüngster Forschungsergebnisse, plötzlich wieder von sich reden. Dass sie wirkt, glaubt inzwischen jeder fünfte Deutsche. Millionen von Schwerkranken könnte sie eine neue Perspektive eröffnen - und die Medizin des dritten Jahr­tausends in einem Maße revolutionieren, wie es bisher nur Bakteriologie und Neurologie, Chirurgie und Genetik gelang. Eine Dreiviertelmehrheit der über zehntausend Geistheiler, die mittlerweile im deutschsprachigen Raum praktizieren, bietet Fernbehandlungen verschiedenster Art an - über zwei Dutzend Vorgehensweisen stellt Band 1 meiner Buchreihe Fernheilen vor. Die meisten Heiler versichern aus Erfahrung, solches Therapieren auf Distanz sei min­­de­stens ebenso wirksam wie das Handauflegen und andere Behand­lungs­methoden, bei denen Heiler und Patient zusammenkommen.


Wie soll das gehen?, sträubt sich der analytische Verstand. Denn von allen geistigen Heilweisen ist das Fern­behandeln, das anscheinende Vermitteln von “heilenden Energien” über beliebige Entfernungen hinweg, zweifellos die fragwürdigste und mysteriöseste. Dass Geistiges Heilen in persönlichem Kontakt mit Patienten hilfreich ist, belegen mittlerweile zahlreiche Studien. Aber ist nicht unfassbar, wie Heilung gelingen soll, wenn ein Kranker von seinem Therapeuten kilometerweit entfernt ist, ihm vielleicht niemals begegnete - und womöglich nicht einmal weiß, dass auf Distanz mit ihm gearbeitet wird? Wie soll ein Heiler das Geringste zustandebringen, wenn ihm von einem Hilfesuchenden nicht mehr vorliegt als der Name und ein Porträtfoto? In das physikalische Weltbild, das ebenso wie unsereins auch die meisten Ärzte bis heute prägt, passen keine bewusst gelenkten “Heilkräfte”, die zielgenau, selbst zu anderen Konti­nenten hin, einen bestimmten Empfänger erreichen, ohne sich dabei im geringsten abzuschwächen.


Konfrontiert mit einem neuen Phänomen, darf unsere erste Frage jedoch niemals lauten: "Wie soll es das überhaupt geben können?", sondern "Gibt es das wirklich?" Beobachten und messen, testen und experimentieren wir besser zuallererst, ehe wir nach Erklärungen zu suchen beginnen - oder Erklä­run­gen für überflüssig erachten. Gerade in den Naturwissenschaften vollzog sich Erkenntnisfortschritt oft erst, als genügend Forscher bereit waren, ein Faktum zunächst einmal empirisch zu sichern - und erst dann daran gingen, es theoretisch einzuordnen.


Und die Fakten sprechen für sich. Für dieses Buch habe ich einige der eindrucksvollsten Belege für die Wirksamkeit des Fernheilens zusammengetragen, auf die ich in den vergangenen fünfzehn Jahren gestoßen bin. Teils handelt es sich dabei um überzeugend dokumentierte Einzel­fälle (Band 2, Kap. 1 und 3), teils stammen sie aus zwei wissenschaftlichen Studien mit zusammengerechnet rund 500 Heilern und 520 Pati­enten, an denen ich beteiligt war, und Dutzenden weiterer Studien aus dem In- und Ausland (Band 2, Kap. 2 und 6).


Wie stichhaltig ist die vielfältige Kritik, die gegen das Fernheilen vorgebracht wird? Ist da blinder “Zufall” am Werk? Finden “Spontan­remis­sionen” statt? Ist es bloß der starke Glaube der Patienten, der Berge versetzen kann? In den Kapiteln 3 und 5 des zweiten Bands setze ich mich mit den gängigsten Einwänden auseinander. Wie sich dabei herausstellen wird, verfehlen sie allesamt ihr Ziel. Denn geistige Fernwirkungen zeigen sich


- in gut dokumentierten Einzelfällen (Bd. 2, Kap. 1 und 4), aber auch in hochwertigen klinischen Studien (Bd. 2, Kap. 6) bei Menschen, die gar nicht wissen, dass ihnen von fern zu helfen versucht wird: zum Bei­spiel bei Bewusstlosen, Säuglingen und Kleinkindern, ebenso bei Pati­enten, die absichtlich im Ungewissen darüber gehalten werden, ob eine Be­hand­­­lung überhaupt stattfindet - darunter koronar Herzkranke, ungewollt kinderlose Frauen, Aids-Betroffene im fortgeschrittensten Stadium;


- in experimentellen Studien mit gesunden Versuchspersonen, deren Organismus messbar reagiert, wenn sie unwissentlich fernbehandelt werden (Bd. 2, Kap. 7): Atmung, Blutdruck und Muskelspannung, Haut­wider­stand und -temperatur, elektrische Gehirnaktivität und andere physiologische Vor­gänge verändern sich daraufhin;


- bei Lebewesen und Objekten, denen wir schwerlich zutrauen würden, auf Placebos hereinzufallen (Bd. 2, Kap. 8): bei Tieren und Pflanzen, Pilzen und Bakterien, isolierten Zellen, Enzymen und DNS, ja sogar bei Wasser­proben und anderem anorganischen Material.


Zwei der bestbestätigten Phänomene aus dem Forschungsbereich der Para­psychologie, nämlich Telepathie und Psychokinese, liefern weitere Anhaltspunkte dafür, dass Fernheilen möglich ist (Bd. 2, Kap. 10).


Kurzum: Gerade nach jenen “wissenschaftlichen” Maßstäben, die einzuhalten Kritiker unentwegt einfordern, spricht inzwischen viel dafür, dass geistiges Behandeln auf Distanz tatsächlich eine wirksame Thera­pieform darstellt (Bd. 2, Kap. 9). (Auf einem anderen Blatt steht, wie zweckmäßig diese Maß­stäbe überhaupt sind, s. Bd. 2, Kap. 11).

Dass diese verblüffenden Fakten in der akademischen Fachwelt, den Spitzen des Gesundheitswesens und einer breiten Öffentlichkeit nicht schon längst eingehend diskutiert und Konsequenzen erwogen werden, ist angesichts ihrer ungeheuren Bedeutung ein handfester Skandal. Ihnen pauschal die Anerkennung zu verweigern, zeugt von einer klaffenden Bildungslücke, was den inzwischen erreichten Forschungsstand anbelangt.


Auch wenn nur ein einziges der Indizien, die dieses Buch zusammenträgt, einer kritischen Überprüfung standhielte, würde es geradezu nach einer Erklärung schreien. Wie ist Fernheilen überhaupt möglich? Kapitel 12 des zweiten Bands präsentiert eine Reihe von Theorien, die Licht ins Dunkel dieses Mysteriums zu bringen versuchen.


Je mehr sich die Anhaltspunkte dafür verdichten, dass Fernheilen möglich ist, desto drängender stellt sich die Frage, was dies für die Medizin der Zukunft bedeutet. Darauf gehe ich im abschließenden Kapitel 13 von Band 2 ein.


Die Möglichkeit von Fernheilungen wirft eine Fülle von kniffligen Fragen auf, mit denen sich verunsicherte Patienten beinahe täglich an mich wenden. Welche Schlüsse sollten Schwerkranke ziehen? Wenn sie ernsthaft erwägen, sich aufs Fernheilen einzulassen - wie kommen sie darum herum, Zeit und Geld zu vergeuden, zuviel zu erhoffen, an Scharlatane zu geraten? Wie finden sie zu fähigen, seriösen Helfern? Im dritten Band gehe ich auf die häufigsten Anliegen und Befürchtungen ein, die Hilfesuchende seit Jahren an mich herantragen, und lege ihnen vielerlei Tipps und Warnungen ans Herz, die sie beherzigen sollten, um mit fernwirkenden "Wunder­heilern" kein blaues Wunder zu erleben.


Wie bei allen Befähigungen, so gilt auch für Geistiges Heilen: Wenige Aus­nahme­könner ragen aus reichlich Mittelmaß und Nieten heraus. (1) Nie war diese Einschränkung nötiger als heute, wie ich in Band 3 erläutere. Denn seit den sechziger Jahren, als die Esoterikwelle über den Westen hereinbrach und rasch auch das alternative Gesund­heits­wesen erfasste, hat sich die Heilerszene tiefgreifend gewandelt. Wie im ersten Band, einem Überblick über die enorme Vielfalt von Fernheilschulen, deutlich wird, überwiegen inzwischen miserabel ausgebildete, unerfahrene, sich selbst überschätzende Möchtegerns, die mit Schwarmgeisterei wettzumachen versuchen, was ihnen an therapeutischem Können abgeht.


Bei diesem Text handelt es sich um die Einführung zu Band 1 von Harald Wiesendanger: Fernheilen – Neue Hoffnung für chronisch Kranke (2004): „Die Vielfalt der Methoden“.

Band 1 führt in die Vielfalt der Fernheilmethoden ein, hinterfragt die Erfolgsversprechen ihrer Anwender - und sucht nach der Einheit in der Vielfalt.


Band 2 schildert überzeugende Fälle von erfolgreichen Fernbehandlungen, stellt wissenschaftliche Studien vor, sucht nach Erklärungen, setzt sich mit Einwänden von Skeptikern auseinander.


Band 3 geht auf die drängendsten Fragen ein, die Patienten bewegen, wenn sie unschlüssig sind, ob sie sich auf diese mysteriöse Heilweise einlassen sollen. Mit vielen Tipps und Warnungen, die Hilfesuchenden Enttäuschungen ersparen sollen.







Anmerkung

(1) Die Grenzen des Fernheilens zeigten sich in der EU-geförderten Fernheilstudie EUHEALS (2001-2004), an der ich mitwirkte; sie bezog 400 CFS-/MCS-Patienten und 400 Heiler aus 21 Ländern ein, siehe http://psi-infos.de/Geistiges_Heilen/FORSCHUNG/PILOTSTUDIEN/EUHEALS_Geistiges_Heilen_-_Eur/euheals_geistiges_heilen_-_europaweiter_fernheil-test_cfs_mcs.html sowie

H. Bösch, H. Wiesendanger, H. Walach: Mental healing practice in Europe - a multinational sample, Focus on Alternative and Complementary Therapies 8(4):483-484, Dezember 2010, DOI:10.1111/j.2042-7166.2003.tb03980.x

H. Walach, H. Bösch, E. Haraldsson, H. Tomasson, A. Marx, H. Wiesendanger, G. Lewith, E. Haraldson, H. Tomason: Efficacy of distant healing - A proposal for a four-armed randomized study (EUHEALS), Forschende Komplementärmedizin, Juni 2002; 9(3):168-76, doi: 10.1159/000064267.

Harald Wiesendanger, Lucius Werthmüller, Katja Reuter, Harald Walach, Lucius Werthmüller: Chronically Ill Patients Treated by Spiritual Healing Improve in Quality of Life: Results of a Randomized Waiting-List Controlled Study, Journal of Alternative and Complementary Medicine, März 2001, 7(1):45-51, DOI:10.1089/107555301300004529

Harald Walach, Holger Bosch, George Lewith, Alain Nordmann, Johannes Naumann, Barbara Schwarzer, Erlendur Haraldsson, Helgi Tomasson, Harald Wiesendanger, Philip Prescott, Heiner Bucher: Efficacy of distant healing in patients with Chronic Fatigue Syndrome: a randomised controlled partially blinded trial (EUHEALS), Psychotherapy and Psychosomatics. 77/2008, pp. 158-166. 0033-3190, https://doi.org/10.1159/000116609 , http://nectar.northampton.ac.uk/1563/

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