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  • Dr. Harald Wiesendanger

Der Grenzwert-Schwindel

Aktualisiert: 27. März 2023

Angeblich sind Grenzwerte dazu da, uns zu schützen. In Wahrheit schützen sie eher Geschäftsinteressen: Sie wiegen uns in trügerischer Sicherheit, damit wir nicht nachfragen, uns keine Sorgen machen, nicht aufbegehren, den Konsum nicht verweigern. Somit dienen sie der Volksverdummung – vielfach in geradezu krimineller Absicht. Denn ein Staat, der Gefahren für Leib und Leben verharmlost („unterhalb der Schwelle X unbedenklich“), statt sie zu beseitigen, macht sich der Beihilfe zur Körperverletzung schuldig. Wer gesund bleiben will, muss den umfassenden, lobbygesteuerten Schwindel durchschauen.


Anstatt uns vor mutmaßlichen Gefahren für unsere Gesundheit zu bewahren, drehen staatliche Stellen seit eh und je die Gebetsmühle. Stereotyp beruhigen sie uns mit Argumenten desselben Strickmusters: „Der von wissenschaftlichen Experten ermittelte Grenzwert für den Schadstoff X aus der Quelle Y wird nachweislich nicht überschritten – also besteht überhaupt kein Grund zur Sorge!“


Dazu sind auf nationaler und EU-Ebene Regelwerke erlassen worden, deren Komplexität jegliche Obergrenzen zu sprengen pflegt. Zulässige Höchstwerte festzulegen und ihre Einhaltung sicherzustellen, schreiben in Deutschland etwa die Trinkwasserverordnung, die Strahlenschutzverordnung, das Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch vor. Unterhalb dieser Werte gelten die Schadstoffe als harmlos.


Das allgemeine Vertrauen auf diese Form von Verbraucher“schutz“ ist enorm, wie aufmerksame Blicke in die gefüllten Einkaufswägen von Supermarktkunden vor Augen führen. Eine Forsa-Umfrage vom August 2021 bestätigt die gesammelten Eindrücke. (1) So ist „Lebensmittelsicherheit“ für 88 % von Deutschlands Verbrauchern „sehr wichtig“, wenn sie Fleisch und Wurstwaren kaufen; 82 % betonen dies, wenn es um frisches Obst und Gemüse geht. Vier von Fünf erwarten, dass Grenzwerte für Rückstände von Schadstoffen eingehalten werden, wie beispielsweise beim Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung oder von Pflanzenschutzmitteln. Und 72 % haben großes Vertrauen, dass diese Erwartung vollauf erfüllt wird; bei 78 % hat sich dieses Sicherheitsgefühl sogar „in den letzten Jahren gefestigt“.


Solche Zahlen belegen: Kein Volksverdummungsversuch ist dämlich genug, garantiert fehlzuschlagen. Der multimedialen Gehirnwäsche, die noch das monströseste Gesundheitsrisiko evidenzbasiert unter den Teppich kehrt, vermag sich nur eine kleine Bevölkerungsminderheit zu entziehen.


13 Argumente gegen trügerische Sicherheit


Grenzwerte beziehen sich immer nur auf eine einzelne, isoliert zugeführte Substanz. Der Mensch ist aber unentwegt einem Schadstoffgemisch ausgesetzt: einer unüberschaubaren Vielzahl an künstlichen Stoffen, die er laufend einatmet, oral oder über die Haut aufnimmt. Kein Grenzwert berücksichtigt ausreichend, wie sehr sich deren jeweilige Dosis aufaddieren, die negativen Folgen potenzieren können.


• Kein Grenzwert trägt der Möglichkeit Rechnung, dass verschiedene Schadstoffe in unserem Körper miteinander wechselwirken, neue Verbindungen eingehen, sich in ihren negativen Effekten gegenseitig verstärken. „Es gibt gute Belege dafür, dass gemeinsame Effekte auftreten, selbst wenn jeder Bestandteil einer Kombination unterhalb von Konzentrationen vorliegt, bei denen beobachtbare Effekte auftreten“, warnte Andreas der Pharmakologe Andreas Kortenkamp von der University of London schon 2007 im Fachblatt Environmental Health Perspectives. (2) „Die Bewertung von Einzelstoffen verharmlost etliche Risiken“, räumt eine Mitarbeiterin des Umweltbundesamts ein: „Die Untersuchung möglicher Kombinationen ist eine unendliche Aufgabe.“ (3)


• Ein und denselben Schadstoff verleiben wir uns unbemerkt aus den unterschiedlichsten Quellen ein. Beispiel Bisphenol A (BPA): Der allgegenwärtige Plastikgrundstoff fördert Diabetes und Stoffwechselstörungen, schwächt das Immunsystem, erhöht das Krebsrisiko, leitet eine vorzeitige Pubertät ein und kann unfruchtbar machen – denn er wirkt hormonell; als sogenannter „endokriner Disruptor“ löst er bei Kindern Entwicklungsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten aus. Was nützt ein noch so strikter BPA-Grenzwert für Trinkflaschen aus Plastik, wenn wir BPA gleichzeitig über Verpackungen, Konservendosen, Milchtüten und Mikrowellengeschirr in uns aufnehmen, wie auch über Hautkontakte mit dem BPA-beschichteten Thermopapier von Kassenbons, Fahr- und Eintrittskarten? Was bringt ein Verbot des hochgiftigen Konservierungsmittels und Pestizids Ethoxyquin in der Obst-, Gemüse- und Fleischproduktion, wenn es weiterhin Fischfutter zugesetzt werden darf – und auf diesem Umweg am Ende doch auf unseren Tellern landet? (Siehe KLARTEXT „Zuchtlachs: giftiges Junk Food?“.)


• Grenzwerte hängen vom Stand der Wissenschaft ab. Ihnen zugrunde liegen angeblich festgestellte „Wirkungsschwellen“: Welches ist die höchste unwirksame Dosis? Solange unklar ist, welche biologischen Prozesse eine Schadstoffexposition innerhalb welcher Zeiträume in Gang setzt, kann aber niemals Entwarnung gegeben werden. Weil sich Schäden oft erst Jahrzehnte nach der Exposition einstellen, beruhen „Wirkungsschwellen“ immer auf hochriskanten, weitgehend aus der Luft gegriffenen Vermutungen.


Entsprechend absurd ist die gängige Kennzahl der „tolerierbaren täglichen Aufnahmemenge“ (Tolerable Daily Intake, TDI): Der TDI-Wert gibt die Menge eines Stoffes an, die täglich „über die gesamte Lebenszeit ohne erkennbares Gesundheitsrisiko“ aufgenommen werden kann. Wer weiß das denn im voraus mit der nötigen Sicherheit? Vermag außer einem Super-Nostradamus irgendwer vorauszusehen, welches Maß an Vergiftung sich nach mehreren Jahrzehnten als harmlos erwiesen haben wird?


Beispiel Bisphenol A: Ab 2015 lag sein TDI innerhalb der Europäischen Union bei 4 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag. Zuvor hatten 50 Mikrogramm als hinnehmbar gegolten. Erst ein halbes Jahrzehnt später rang sich die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) dazu durch, mögliche gesundheitliche Risiken im Zusammenhang mit der Verwendung von Bisphenol A neu zu bewerten. Das Ergebnis veröffentlichte sie im Dezember 2021: Die neu abgeleitete „tolerierbare tägliche Aufnahmemenge“ betrug nun plötzlich 0,04 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag. Das liegt rund 100.000-fach unter dem vorherigen gesundheitlichen Richtwert. So flexibel können „Toleranzen“ sein. Wer jenen vor 2015 vertraute, hat eben Pech gehabt.


• Grenzwerte sind abhängig von Nachweismöglichkeiten. Oft fehlen aber noch geeignete Messtechniken – etwa für Mikroplastik und Nanopartikel im Trinkwasser.


• Grenzwerte gehen vom gesunden Durchschnittsbürger in mittleren Jahren aus, mit intaktem Immunsystem und Stoffwechsel. Bezogen auf Kinder, Schwangere und Alte, Allergiker, besonders Schadstoffsensible (MCS) und chronisch Kranke sind sie viel zu hoch angesetzt. Auch einseitige Ernährung, Medikamentenkonsum oder berufsbedingt häufiger Kontakt mit den betreffenden oder anderen Giften sorgen für erhebliche Abweichungen vom Durchschnitt: Manche Menschen sind gewissen Schadstoffen weitaus häufiger, stärker, länger ausgesetzt als andere.


Um solche Unterschiede zu berücksichtigen, werden Grenzwerte vorsichtshalber um einen „Sicherheitsfaktor“ erniedrigt. Weil aber niemand weiß, wie viel Schaden noch so kleine Mengen eines Gifts im Verbund mit unzähligen anderen, nicht berücksichtigten Stoffen auf die Dauer anrichten können, entspringt diese Rechengröße wohl eher einem Herumlesen im Kaffeesatz.


• Grenzwerte folgen einem simplen Dosis-Effekt-Modell: Je mehr Schadstoff, desto größer die Wirkung. Oft haben geringere Mengen aber gefährlichere Folgen, etwa hormonelle Verunreinigungen.


• Grenzwerte fördern, was sie eindämmen sollen: Für Verursacher bedeuten sie grünes Licht dafür, Schadstoffe freizusetzen – unterhalb des Limits. Krebserzeugende, erbgutverändernde und hormonell wirksame Stoffe können aber schon in kleinsten Mengen unumkehrbare Schäden anrichten.


• Grenzwerte ergeben sich hauptsächlich aus Untersuchungen von Zellkulturen und Versuchstieren; doch solche Überprüfungen dauern viel zu kurz, um abschätzen zu können, was eine Exposition langfristig anrichtet. Ihre Übertragbarkeit auf den Menschen ist stets fraglich. „Bio-Monitorings“ der Körperfunktionen, Flüssigkeiten und Geweben von Versuchspersonen geben wenig Aufschluss über die vielfältigen Quellen ihrer Schadstoffbelastung. Auch noch so aufwändige „Morbiditäts- und Mortalitätsstudien“, auf die sich Experten berufen, besagen zuwenig. Wie soll sich irgendeine neu entwickelte Chemikalie, die zu Abertausenden schon freigesetzter Gifte hinzukommt, unverzüglich in Auffälligkeiten beim Krankenstand und der Todesursachenstatistik bemerkbar machen?


Wegen dieser Ungewissheit werde in Grenzwerte vorsichtshalber ein großzügig bemessener Puffer eingebaut, so beruhigt man uns. Aus Tierversuchen oder epidemiologischen Daten ermitteln Wissenschaftler zunächst ein „No Observed Adverse Effect Level“ (NOAEL): die Schwelle, unterhalb derer keine negativen Wirkungen festzustellen sind. Dieser Wert wird durch einen „Sicherheitsfaktor“ - meist 100 - dividiert, um die unterschiedlichen Empfindlichkeiten zwischen Mensch und Tier sowie zwischen Mitgliedern bestimmter Bevölkerungsgruppen zu berücksichtigen. Aber sind 100 genug? Im vergangenen Jahrzehnt sah sich die EU gezwungen, den Grenzwert für Bisphenol A schrittweise nicht etwa bloß um den Faktor 100 zu senken – sondern um ein Millionenfaches, wie oben erwähnt.


• Ein Grenzwert ist kein objektives Faktum. Immer ergibt er sich aus Kompromissen zwischen unterschiedlichen Interessenvertretern, und diese Kompromisse sind in der Regel faul. Übermächtige Industrielobbies arbeiten seit eh und je erfolgreich darauf hin, dass Grenzwerte entweder überhaupt nicht oder verzögert und möglichst niedrig festgesetzt werden. „Wie Chemikalien den Menschen schädigen, hat ihre Produzenten nie besonders interessiert“, so beklagt der Kieler Toxikologe Prof. Dr. Ottmar Wassermann – „obwohl solche tiefgreifenden Schädigungen seit über 100 Jahren vorausgesagt wurden, seit über 30 Jahren bekannt waren und zahlenmäßig inzwischen exponentiell zugenommen haben.“ (4)


Ob und welche Grenzwerte gelten, spiegelt folglich weniger den wissenschaftlichen Erkenntnisstand wieder als das Durchsetzungsvermögen gewisser Marktteilnehmer. „Die Entscheidung, ob eine Wirkung als kritisch eingestuft wird, hängt von den Prioritäten der Politik und der Bereitschaft der Gesellschaft ab, gewisse Risiken einzugehen“, so geben die Herausgeber einer Anthologie über „Risiko und Verantwortung in der modernen Gesellschaft“ zu bedenken. „Sie hängt auch davon ab, welchen Stellenwert wir gewissen Wirkungen einräumen. Ist es zum Beispiel wichtiger, dass Industriezweige ihre Gewinne maximieren unter einer gewissen Belastung der Umwelt, oder ist die Gesundheit und gesunde Ernährung der Bevölkerung wichtiger, mit dem Resultat, dass gewisse Technologien nicht wettbewerbsfähig sind?“ (5)


Dass bei Grenzwerten Ökonomie vor Gesundheit geht, zeigt sich nirgendwo in obszönerer Ungeschminktheit als beim Thema hochfrequente Funkstrahlung. Von verkappten Lobbyvereinen festgelegt, sind sie letztlich dazu da, das Geschäftsmodell der Mobilfunkindustrie zu legitimieren. (6)


• Finden lässt sich nur, wonach man sucht. Ein Großteil aller Schadstoffe fällt durchs Fahndungsraster, solange keiner nachforscht, wo sie überall drinstecken. Über Entdeckungen entscheiden oft Zufälle.


Beispiel Wasserspielzeug, Schwimmringe und –flügel: Seit Jahrzehnten sind sie im Handel – und der Renner in Schwimmbädern, an Badeseen, am Strand. Doch erst im Jahre 2017 stellte das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) in Freising fest: Drei von vier derartigen Produkten sind mit bedenklichen Mengen gefährlicher Lösungsmittel verunreinigt, selbst solche, die zuvor als „schadstoffgeprüft“ zertifiziert worden waren. Cyclohexanon verursacht Schwindel und Kopfschmerzen; Isophoron gilt als krebserregend; Phenol kann Schleimhäute, Haut und Augen reizen und verätzen; eingeatmet oder geschluckt, kann die Substanz Nieren, Blut, Nerven- und Herz-Kreislauf-System schädigen. Wie kam es überhaupt zu dieser Analyse? Einer Mitarbeiterin des Fraunhofer-Instituts war an Geburtstagsgeschenken für ihre Kinder – Plastiksachen zum Baden und Planschen – ein stechender Geruch aufgefallen. (7)


• Was nützen die schärfsten Grenzwerte ohne ausreichende Kontrollen und Sanktionen?


• Mehrere tausend „Innovationen“ pro Jahr setzt die chemische Industrie in die Welt. Statistiken des europäischen Patentamts zufolge (8) ließ sie allein im Jahre 2012 nicht weniger als 5364 Pharmazeutika, 1434 Lebensmittelsubstanzen und 6002 organische Feinchemikalien patentieren. Wer kontrolliert, unabhängig und wissenschaftlich solide, jedes einzelne Tröpfchen dieser gewaltigen Flut auf medizinische Unbedenklichkeit – ganz zu schweigen von den Abertausenden von künstlichen Substanzen, die uns längst schon umgeben?


In der Geschichte von Grenzwerten für Chemikalien sind Absenkungen die Regel. Je mehr man im Laufe von Jahren und Jahrzehnten über ihr Gefahrenpotential herausfindet, desto tiefer setzt man sie an. Legt dies nicht die Vermutung nahe, dass so gut wie alle gegenwärtig geltenden Grenzwerte zu hoch angesetzt sind – und die Sicherheit, in der sie uns wiegen, grundsätzlich trügerisch ist?


Schließlich haben noch so viele Grenzwerte, allesamt notorisch „streng“, unsere schleichende Vergiftung mitnichten verhindert. Wie schutzlos sie uns tatsächlich lassen, kommt zuverlässig ans Licht, wann immer sich Forscher nachzuprüfen trauen. Schon im Blut Neugeborener wurden kürzlich 109 Industriechemikalien nachgewiesen, einige hiervon waren noch nie zuvor im Menschen gefunden worden. In 86 Prozent aller getesteten jungen Menschen fanden sich Perfluoroktansulfonsäure sowie Perfluoroktansäure, welche das Immunsystem schwächen und die Infektionsneigung erhöhen; die gemessenen Werte lagen weit oberhalb der vorsorglichen Gefahrenwerte. Im Blut sämtlicher untersuchter Minderjähriger schwimmen fortpflanzungsschädigende Weichmacher, die seit längerem „streng reguliert“ sind, perfluorierte Alkylverbindungen (PFAS) – sie können zu Leberschäden, Schilddrüsenerkrankungen, Fettleibigkeit, Fruchtbarkeitsstörungen und Krebs führen - sowie zahlreiche gefährliche Mixturen von Industriechemikalien. „Im Körper kann man locker 300 Stoffe nachweisen“, räumt Marike Kolossa-Gehring vom Umweltbundesamt (UBA) ein. (9) Allein in der Muttermilch finden sich Hunderte solcher tickender Zeitbomben. Das Spektrum reicht von Bisphenol A über über das jüngst in Eiern nachgewiesene Biozid Fibronil bis hin zu Glyphosat, dem meistverkauften Pestizid der Welt.


Wie fabelhaft uns bestehende Grenzwerte davor „schützen“, verdeutlicht besonders krass das Beispiel Glyphosat, von der WHO als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft: Nachdem die eingesetzte Menge seit Ende der neunziger Jahre um das 15-fache zunahm (10), haben inzwischen über 70 % der Bevölkerung, vom Säugling bis zum Greis, messbare Glyphosatkonzentrationen im Blut; von 1993 bis 2016 stiegen diese um 1208 %. (11)


Wie lange bleiben die Gifte im Körper? Was richten sie auf längere Sicht darin an? Wie interagieren sie mit anderen einverleibten Toxinen? Darüber schweigen Grenzwertbürokraten – notgedrungen.


Eine Mogelpackung namens REACH


„Um ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt sicherzustellen“, trat am 1. Juni 2007 EU-weit eine Chemikalien-Verordnung namens REACH in Kraft, ein Kürzel für „Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals“. Was bringt sie? Eine Registrierungspflicht, nach dem hehren Prinzip „no data, no market“. Eine „Nachweis“pflicht: Hersteller müssen zumindest für besonders gefährliche Stoffe belegen, dass sie sich in den „vorgesehenen Verwendungen” nicht negativ auf Mensch und Umwelt auswirken. Und ein „Informationsrecht“ für Verbraucher: Hersteller müssen auf Anfragen hin binnen 45 Tagen Auskunft geben.


Bei näherer Betrachtung erweist sich REACH freilich als dreiste Mogelpackung – „aus dem Löwen ist ein zahmes Kätzchen geworden“, wie eine Greenpeace-Sprecherin feststellt.


1. Registrierungsfarce. Gemeldet werden müssen lediglich Stoffname, Nummer, Name und Anschrift des Herstellers sowie von Kontaktpersonen. Die genaue chemische Zusammensetzung bleibt Betriebsgeheimnis. Polymere, die molekularen Bausteine aller Kunststoffe, müssen bisher überhaupt nicht registriert werden, es sei denn, sie sind als „gefährlich“ einzustufen, d.h. ihre Konzentration überschreitet bereits bestehende Grenzwerte.


2. Absurde „Bewertung“. Nach Abgabe der Registrierungsunterlagen findet in der Regel lediglich eine „Vollständigkeitsüberprüfung“ statt: Wurde die Gebühr bezahlt? Liegen alle Daten vor?


3. Keine unabhängige Untersuchung. Wie bei Arzneimitteln, so darf die Industrie auch bei neuen Chemikalien den Unbedenklichkeitsbeweis mit eigenen Studien führen; es findet keine unabhängige Qualitätsprüfung statt. Ebensogut könnte man der Mafia gestatten, die Unbedenklichkeit der Drogen, mit denen sie dealt, mittels gekaufter Gutachter zu belegen.


4. Großzügige Ausnahmen. Für „besonders gefährliche“ Stoffe (SVHC: „substances of very high concern“ – kanzerogene, erbgut- und fortpflanzungsschädigende, toxische, hormonell wirksame – können Sondergenehmigungen beantragt werden. Bewilligt werden sie, (a) wenn die vom Stoff ausgehenden Risiken „ausreichend beherrscht“ werden können; (b) wenn geeignete Alternativstoffe nicht verfügbar sind bzw. ihr Einsatz „wirtschaftlich und technisch nicht tragfähig“ wäre. Mit anderen Worten: Die Illusion der Kontrolle und ökonomisches Kalkül genügen, um ausgerechnet die bedrohlichsten Substanzen marktfähig zu machen.


5. Unbedenklichkeit bei Einhaltung von Grenzwerten. Aber, wie oben erwähnt: Bei hormonell wirksamen Chemikalien gilt der simple Grundsatz „Die Dosis macht das Gift“ nicht; kleine Mengen können mehr Schaden anrichten als größere.


6. Kein Substitutionszwang. „Es ist ein Skandal, dass Stoffe, die Fehlgeburten oder Entwicklungsstörungen bei Föten hervorrufen können, nicht ersetzt werden müssen“, bemängelt die REACH-Expertin der Initiative Women in Europe for a Common Future (WECF), Daniela Rosche. (12)


7. Befangene Kontrolleure. Die für die Risikobewertung zuständigen Behörden ECHA (Europäische Chemikalienagentur) und EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) sind berüchtigt industrienah, erweisen sich immer wieder als von Lobbyisten beherrscht.


8. Schneckentempo. Durchschnittlich zehn Jahre (!) dauert es, einen einzigen Stoff zu regulieren, wie die Verbraucherschutzinitiative EEB im Juli 2022 feststellte. https://eeb.org/library/the-need-for-speed-executive-summary/ So kam es, dass das fortpflanzungsschädliche Bisphenol A erst seit März 2018 offiziell auf der Kandidatenliste steht – obwohl längst bekannt war, welchen Schaden es anrichtet.


9. Absurde Informationspflicht. In den meisten Fällen darf sich die „Auskunft“ des Herstellers darauf beschränken, den Namen des Stoffs zu nennen und ein kostenloses „Sicherheitsdatenblatt“ zur Verfügung zu stellen. Und sie gilt nur für diejenigen Chemikalien, die auf der offiziellen Liste der Europäischen Union für besonders gefährliche Substanzen stehen, der sogenannten "Kandidatenliste": So eingestuft werden sie, wenn bereits erwiesen ist, dass sie Krebs verursachen, das Erbgut schädigen, die Fruchtbarkeit einschränken, den Fötus schädigen können, nicht im Körper abgebaut werden, sich dort über einen längeren Zeitraum ansammeln und/oder giftig sind; in das Hormonsystem eingreifen können. Bisher sind 205 Stoffe derart klassifiziert. Nach Ansicht der Umweltschutzorganisation BUND „ist das viel zu wenig, denn Schätzungen der Europäischen Union gehen davon aus, dass etwa 1.500 Chemikalien als besonders gefährlich eingestuft werden müssen. (…) Das Auskunftsrecht gilt für die meisten Alltagsprodukte wie Spielzeug, Sportartikel, Textilien, Fahrzeuge oder Verpackungen. Ausgeschlossen sind aber viele ‚flüssige Produkte‘ wie Kosmetika, Wasch- und Reinigungsmittel und Arzneimittel. Auch Lebensmittel fallen nicht unter REACH. Wenn Sie zu solchen Produkten Anfragen stellen, gelten diese nur für die Verpackung.“


Gegenwärtig sind rund 140.000 Chemikalien auf dem europäischen Markt. Deren Risiken, Vor- und Nachteile sollte REACH ursprünglich ermitteln - umfassend. „Nach jahrelangem Gezerre und Gerangel mit der Industrie sind es dann letztlich 30.000 geworden“, kritisiert Greenpeace.


Ausgerechnet ein eigenes Forschungsprojekt, die European Human Biomonitoring Initiative (HBM4EU) von 2017 bis 2022, https://www.hbm4eu.eu/wp-content/uploads/2022/05/HBM4EU-Newspaper.pdf führte der EU kürzlich vor Augen, wie weit es her ist mit REACHs „Schutz“funktion. Bei Kindern und Jugendlichen wies es derart hohe Konzentrationen von Kunststoffzusätzen wie Weichmachern oder poly- und perfluorierten Verbindungen (PFAS) nach, „dass gesundheitliche Schäden nicht mehr ausgeschlossen sind“.


Im Rahmen ihres ehrgeizigen „Green Deal“ (13) – mit dem Ziel, bis 2050 giftfrei zu sein - wollte die EU-Kommission bis Ende 2022 einen Vorschlag vorlegen, wie REACH zu aktualisieren ist. Doch Lobbyisten bremsten erfolgreich – nun soll eine „gezielte Überarbeitung“ von REACH erst im vierten Quartal 2023 stattfinden.


Wo kein Grenzwert, da keine Gefahr?


Finden und kontrollieren lässt sich nur, wonach man sucht. Unsere Nahrungsmittel, unsere Atemluft, unser Trinkwasser sind mittlerweile voller Mikroplastik, winziger Kunststoffteilchen, im Bereich von Mikrometern (0,000 001 m) bis Nanometern (0,000 000 001 m), für das menschliche Auge unsichtbar. (Siehe KLARTEXT „Mikroplastik in uns: eine Zeitbombe“.) In unseren Körper geraten, kann es sich in allen Organen und Geweben einlagern, selbst Zellwände durchdringen.


Schützt uns der Staat davor?


Im Sommer 2018 wollten das mehrere Abgeordnete der Grünen-Fraktion von der Bundesregierung wissen. Deren trostlose Auskunft:



Ein Dreivierteljahr zuvor hatte das Bundesforschungsministerium, im Rahmen eines neuen „Schwerpunkts“ namens „Plastik in der Umwelt“, 18 Projekte mit insgesamt 35 Millionen Euro gefördert. Mit „100 beteiligten Institutionen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Praxis“, so hieß es aus Berlin, sei dies „eine der größten Forschungsaktivitäten in diesem Bereich, auch im internationalen Vergleich“. Es „soll dem immer noch lückenhaften Kenntnisstand entgegenwirken.“ Geschieht dies wirklich? Allein schon die seltsam eingeschränkten Fragestellungen schüren Zweifel daran: Erst mal geht es bloß darum, geeignete „Untersuchungsmethoden“ herauszufinden, mit denen dann „biologische Wirkungen von Mikro- und Nanoplastik auf lebende Wasserorganismen“ erforscht werden.


Aber wie steht es denn mit biologischen Wirkungen in unsereinem? Don´t worry, eine Gefährdung gibt es nicht, jedenfalls gemäß unseren Regierenden. Laut Bundesumweltministerium ist sie „nach gegenwärtigem Wissensstand (…) nicht zu befürchten“.



Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) wiegelt ab: Es gebe „keine gesicherten Erkenntnisse“. Immerhin untersuche es derzeit aber schon mal Miesmuscheln auf Mikroplastik – na also.



Solche kleinstformatigen „Forschungen“ sind Augenwischerei, und falls daraus nahe des Sanktnimmerleintags Grenzwerte abgeleitet werden sollten, so wären sie es ebenfalls. Denn jede endlich beschlossene Schutzmaßnahme, jedes Limit, jede Kontrolle verringert oder verhindert irgendwann bloß weitere Mikroplastik-Einträge in die Umwelt. Die Kontamination unseres Planeten, die bereits stattgefunden hat, lässt sich jedoch nicht mehr rückgängig machen. Aus Meeren lässt sich Mikroplastik nicht herausfiltern. Belastete landwirtschaftliche Flächen lassen sich global weder reinigen noch austauschen.


Ebenso bedrohlich für unsere Gesundheit sind Nanoteilchen: Verbünde von wenigen bis einigen tausend Atomen oder oder Molekülen, in der Regel 1 bis 100 Nanometer (nm) groß. (Zum Vergleich: Ein Nanometer entspricht zehn nebeneinanderliegenden Wasserstoffatomen; ein Bakterium ist tausendmal größer. Das Größenverhältnis eines Siliziumoxid-Nanopartikels und einem Fußball ähnelt dem von einem Fußball und der Erde.) Immer mehr Lebensmitteln werden sie zugesetzt, wie auch Kosmetika; sie stecken in Verpackungen, Lacken, Reifen, Zahnfüllungen, Impfstoffen, Trinkwasser, in Pestiziden und Dünger.


Na und? „Eine Gefährdung von Mensch und Umwelt durch die derzeit verwendeten Nanomaterialien ist nicht nachweisbar“, beruhigt Wikipedia im Eintrag über „Nanoteilchen“ – unisono mit dem Verband der Chemischen Industrie (VCI): „Es gibt keine Hinweise auf eine spezifische (Öko-)Toxizität von industriell hergestellten Nanomaterialien (…) Die Nanoskaligkeit eines Stoffes an sich ist keine Gefahreneigenschaft. Nanospezifische Vorschriften sind deshalb nicht erforderlich.“ (15)


Tatsächlich? Wie Mikroplastik, so bedrohen Nanopartikel sämtliche Organe und Funktionen des menschlichen Organismus - bis hinab auf die Ebene von Zellen, Zellkernen und Erbgut. Dennoch gibt es bis heute keinerlei Sonderregelungen für künstlich miniaturisierte Substanzen. Gilt ein Stoff als unbedenklich, dann auch beliebig kleine Teile davon. Verkannt wird dabei, dass Mikro-/Nanoisierung zu völlig neuen physikalischen und chemischen Eigenschaften führt. Eine um ein Vielfaches vergrößerte Oberfläche macht die Stoffe reaktions- und bindungsfreudiger.



Und je kleiner ein Teilchen ist, desto leichter passiert es physiologische Barrieren wie die Blut-/Hirn-Schranke, die Plazentaschranke, die Darmwand und Zellmembranen.

Wo bleiben Grenzwerte, die uns vor dieser monströsen Gefahr bewahren? Auf eine Anfrage des Hessischen Rundfunks hin erklärte die EU-Kommission 2013:



Und so gibt es innerhalb der Europäischen Union bis heute nicht einmal eine Meldepflicht für künstliche Nanopartikel. Eine Zulassungs- und Kennzeichnungspflicht gilt lediglich für Nano-Zusätze in Lebensmitteln und Kosmetika – ansonsten finden keinerlei gesonderte Prüfverfahren statt. Sie wären wachstumsfeindlich, so warnt der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI): „Damit Deutschland der europäisch bedeutendste Standort für die Produktion und Anwendung von Nanomaterialien bleibt, sollten keine nanospezifischen regulatorischen Hindernisse aufgebaut werden.“ (16)


Darum geht es.


Zumindest die Versicherungsbranche scheint sich des wahren Ausmaßes der Nano-Gefahr längst vollauf bewusst. SwissRe, der weltgrößte Rückversicherer, unterscheidet drei Arten von neu auftauchenden Risiken. (17) Zu den „potentiell niedrigen“ Risiken zählt er soziale Unruhen, Ernteausfall, „Roboter unter uns“. Unter die „potentiell mittleren Risiken“ fallen für ihn Cyberangriffe, Epidemien, Schuldenkrisen, Versorgungsengpässe, Antibiotika-Resistenzen. Darüber hinaus rechnet er mit drei „potentiell hohen“ Risiken: Elektromagnetische Felder von Mobilfunkgeräten und –anlagen; „Endokrine Disruptoren“, hormonähnlich wirkende Chemikalien; und Nanotechnologie. Hier weist SwissRe auf „unvorhergesehene Folgen“ hin. Denn „Partikel in Nanogröße weisen im Vergleich zu größeren Partikeln desselben Stoffes einzigartige Eigenschaften auf. Das ermöglicht neue Anwendungen, kann aber auch neue Risiken mit sich bringen. Derzeit ist wenig über die Toxizität von Nanomaterialien oder das Potenzial für latente Krankheiten, die Arbeitnehmer und Verbraucher betreffen könnten. Zusätzliche Forschung zum Lebenszyklus von Nanomaterialien und Produkten, die Nanomaterialien enthalten, sind notwendig, um um die potenzielle Exposition besser einschätzen zu können. Es gibt jedoch einige Hinweise darauf, dass bestimmte Nanostrukturen sich in Geweben und Organen anreichern und von einzelnen Zellen aufgenommen werden können. Nachteilige Auswirkungen auf die Gesundheit wurden in Studien mit Materialien wie Kohlenstoff-Nanoröhren, Nanopartikeln aus Titandioxid oder Siliziumdioxid-Nanopartikeln festgestellt. Aufgrund der relativ unbekannten Umwelt-, Gesundheits- und Sicherheitsbelastungen, die von Nanomaterialien während ihres gesamten Lebenszyklus entstehen, stellt die Nanotechnologie die Versicherungsbranche vor große Herausforderungen. Von zentraler Bedeutung sind die verzögerten Auswirkungen, d.h. die Frage, ob Nanomaterialien eine latente Gefahr darstellen. Ähnlich wie im Fall von Asbest, kann es zu großen Verlusten bei der Produkthaftung, der Arbeiterunfallversicherung und der Umwelthaftpflichtversicherungen kommen.“


Wird der Staat irgendwann mit Nano-Geschädigten ebenso verfahren wie mit PostVac-Opfern des Corona-Regimes?


Placebos zur Volksberuhigung


Aus all diesen Gründen dienen Grenzwerte für Schadstoffe in erster Linie als Placebos zur Volksberuhigung: Der trügerische Anschein von wissenschaftlicher Erkenntnis und behördlicher Kontrolle sichert und verlängert das Geschäft mit medizinisch hochriskanten Produkten.


Ein Musterbeispiel hierfür ist Asbest: Dass dieser Baustoff hochgradig kanzerogen ist, war Verantwortlichen spätestens im Jahre 1936 klar, als Asbestose, ein durch Asbest hervorgerufener Lungenkrebs, als Berufskrankheit anerkannt wurde. Trotzdem durfte Asbest in Deutschland weiterhin, bis in die siebziger Jahre hinein, höchst profitabel vertrieben werden; in beinahe jedem Gebäude kam es zum Einsatz. Erst nach 1981 galten Einsatzbeschränkungen, erst seit 1990 ist das gefährliche Material EU-weit verboten. Ähnlich lange dauerte es, bis Lindan und Formaldehyd, Polychlorierte Biphenyle (PCB) und Pentachlorphenol (PCP) endlich vom Markt verschwanden. Die Liste ließe sich beliebig fortführen.


Absurde Umkehr der Beweislast


Dass der Staat lieber die Interessen von Konzernen als die Gesundheit seiner Bürger schützt, verrät er daran, dass er eine absurde Umkehr der Beweislast zulässt. Sollte nicht derjenige, der uns einer giftigen Chemikalie aussetzt, vorher deren Unbedenklichkeit zweifelsfrei belegt haben? Müssen verantwortungsvolle Regierungen und Behörden bis dahin nicht strikt am Vorsorgeprinzip festhalten? Stattdessen darf der Produzent das Gift freisetzen, solange es keine unwiderlegbare „wissenschaftliche Evidenz“ dafür gibt, dass es uns tatsächlich schadet.


Ein hieb- und stichfester Beweis, dass eine bestimmte Substanz eine bestimmte Krankheit erzeugt, ist naturgemäß nie zu erbringen – dafür sind die beteiligten Vorgänge im menschlichen Organismus viel zu komplex. Und immer spielen weitere Belastungsfaktoren mit, die sich ebenfalls für festgestellte Gesundheitsschäden verantwortlich machen lassen. (Dass es schier unmöglich sein kann, nicht genehme Evidenz auch nur öffentlich zur Diskussion zu stellen, mussten Kritiker von Lockdowns, Masken und Social Distancing, von PCR-Tests und als „Impfung“ getarnten Genspritzen in der unsäglichen Coronakrise erleben.)


Konsequent umgesetzt, würde das Vorsorgeprinzip erfordern, „Nulltoleranz“ walten zu lassen: Künstliche Chemie darf in Lebens- und Futtermitteln erst gar nicht vorkommen, solange unklar ist, was sie über kurz oder lang in uns anrichtet. Entsprechende Verbote, so erläutert das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), erlasse der Gesetzgeber durchaus hin und wieder, um „Belastungen von Lebensmitteln auszuschließen, z.B. weil er dieRisiken für nicht ausreichend kalkulierbar bzw. für nicht tolerabel hält. (…) Auch bei unzureichender toxikologischer Datenlage“, so betont die Behörde, „oder bei hinreichendem Verdacht auf weitere mögliche gesundheitsschädliche Wirkungen können Nulltoleranzen festgesetzt werden“. (18) Sind diese Voraussetzungen bei chemischen oder hochfrequenten „Innovationen“ , mit denen Menschen in Kontakt kommen, etwa nicht immer erfüllt?


Wie können wir uns schützen?


Wie können wir unter solchen Umständen uns und unsere Liebsten überhaupt noch schützen? Indem wir größtmögliche Vorsicht walten lassen, offiziellen Verharmlosungen grundsätzlich misstrauen, bei beschwichtigenden Politikern und Experten grundsätzlich mit Lobbyismus und Korruption rechnen. Bei Kontakten mit Giftschleudern sollten wir auf alles Vermeidbare verzichten, um den unabsehbaren Schaden einigermaßen zu begrenzen, den das Unvermeidliche in uns anrichten könnte. Das gilt für Trinkwasser und Nahrung, für Waschmittel und Kosmetika, für Verpackungen und künstliche Strahlung, für Medikamente und Impfstoffe gleichermaßen.


Wäre Außerirdischen unser Planet tatsächlich eine Beobachtungsmission wert, so würden sie staunend feststellen, dass hier offenkundig seit längerem ein globales Langzeitexperiment stattfindet, das Leib und Leben aller Erdbewohner bedroht. Die Studienfrage lautet anscheinend: Wie weitgehend muss diese Spezies vergiftet werden, um die Gesundheit möglichst vieler langfristig zu zerstören – ohne dass sie durchschaut, was mit ihr geschieht, und sich dagegen zur Wehr setzt?


Was die Menschheit in geradezu apokalyptischem Maße bedroht, bedeutet für Wenige geradezu ein Geschenk des Himmels: für all jene nämlich, denen es umso besser geht, je schlechter es uns geht. Je mehr Menschen chronisch krank werden, je früher sie es tun, je länger sie es bleiben, desto prächtiger sprudeln die Gewinne von pharmazeutischer und medizintechnischer Industrie, von Apothekern, Klinik- und Pflegeheimbetreibern, von Laboren, von Therapeuten aller Art. Je mächtiger diese Profiteure, desto unwahrscheinlicher wird es, dass das Experiment ein baldiges Ende findet. Wird ET jemals aus dem Staunen herauskommen?

Anmerkungen

2 Andreas Kortenkamp u.a.: „Low-Level Exposure to Multiple Chemicals: Reason for Human Health Concerns?“, Environmental Health Perspectives 115, No. Suppl. 1, Dezember 2007, https://doi.org/10.1289/ehp.9358

5 O. Wassermann/A. Carsten: Die gesellschaftspolitische Relevanz der Umwelttoxikologie, Berlin 1986; siehe auch O. Wassermann u.a.: Die schleichende Vergiftung. Die Grenzen der Belastbarkeit sind erreicht, Frankfurt a. M. 1990.

6 Hermann H. Hahn/Thomas W. Holstein/Silke Leopold (Hrsg.): Risiko und Verantwortung in der modernen Gesellschaft, Berlin/Heidelberg/New York 2014, S. 22.

8 Süddeutsche Zeitung Nr. 91, 20.4.2018, S. 1: „Reizender Badespaß“.

13 Women Engage for a Common Future (WECF), 2022: “Vorsicht! PFAS. #NotWastingOurFuture”, https://www.wecf.org/de/wp-content/uploads/2018/10/Vorsicht_PFAS_22.pdf

14 Europäische Kommission (2019): „Mitteilung der Kommission - Der Europäische Grüne Deal“, COM(2019) 640 final, (https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=celex:52019DC0640

16 BDI-Broschüre „Herausforderungen aus Sicht der Industrie“, S. 12, https://bdi.eu/media/presse/publikationen/Herausforderungen_Forschungs-_Innovations-_und_Technologiepolitik.pdf

18 Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): „Nulltoleranzen in Lebens- und Futtermitteln“, Positionspapier des BfR vom 12.3.2007, www.bfr.bund.de/cm/343/nulltoleranzen_in_lebens_und_futtermitteln.pdf.





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