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  • Dr. Harald Wiesendanger

Herdenimmunität? Womöglich längst erreicht.

Aktualisiert: 1. Mai 2021

Unsere Infektionsschützer übersehen die „zweite Säule“ unseres Immunsystems.



Dem medizinischen Sachverstand seiner Berater – und dem eigenen sowieso - hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bei einer Pressekonferenz in Berlin am 14. September ungewollt ein weiteres Armutszeugnis ausgestellt. Um eine Herdenimmunität zu erreichen, müssten sich in Deutschland 55 bis 65 Prozent der Bürgerinnen und Bürger impfen lassen, so erklärte er dort. "Wir sind sehr, sehr zuversichtlich, dass wir dieses Ziel freiwillig erreichen." (1)


Das Bundesgesundheitsministerium hat rund 700 Mitarbeiter, das Robert-Koch-Institut 1100; die Charité beschäftigt 4.500 Wissenschaftler und Ärzte. Gibt es dort denn keinen einzigen, der Spahn endlich darüber aufklärt?: Sein Ziel dürfte längst erreicht, ja weit übertroffen sein - ganz ohne Spritze.


Darauf weist das Professoren-Ehepaar Sucharit Bhakdi und Karina Reiss in einer soeben nachgereichten Ergänzung seines Bestsellers „Corona-Fehlalarm“ hin. (2) Die erfreuliche Immunität verdanken wir der zweiten Säule unseres körpereigenen Abwehrsystems, über Antikörper hinaus: den T-Helfer- und T-Killerzellen, zwei Arten von Lymphozyten, einer Untergruppe der weißen Blutkörperchen. (Das „T“ steht für Thymus, einen zentralen Ort des Immunsystems, an den T-Zellen gelangen, nachdem sie im Knochenmark gebildet wurden.) (3) Mittels „Sensoren“, die im ausgelagerten Zellmüll „Antigene“, körperfremde Proteinfragmente aufspüren, erkennen T-Lymphozyten infizierte Zellen, welche sie daraufhin zerstören. Dabei nutzen sie biochemische „Erinnerungen“: Gedächtniszellen „merken“ sich frühere Kontakte mit Coronaviren bei harmlosen Erkältungen. Solche „Kreuzreaktionen“ könnten erklären, warum 85 bis 90 % aller Infizierten nicht schwer erkranken, sondern gar keine oder bloß schwache Symptome entwickeln.


Während die T-Zellen das neue Virus abfangen, kommt es zu keiner merklichen Bildung von neuen, spezifischen Antikörpern. Wieso? Weil das Maß an Immunität, das wir alle bereits gegen verschiedene andere Corona-Viren erworben haben, offenbar meistens ausreicht.


Mehrere Forschungsergebnisse sprechen inzwischen für dieses segensreiche Phänomen. (4) Eine Studie der Universitätsklinik Tübingen untersuchte Helfer- und Killer-Lymphozyten aus 185 Blutproben, die zwischen 2007 und 2019 entnommen wurden, auf Kreuzerkennung von SARS-CoV-2. Bei Personen, die vorher an Covid-19 erkrankt waren, zeigte sie sich zu 100 % - und bei nicht weniger als 81 % derer, die sich noch nicht angesteckt hatten. (5)


Dies bestätigt Berechnungen des britischen Statistikers Karl Friston vom Londoner Imperial College, eines weltweit hochgeachteten Experten für mathematische Modelle von biologischen Systemen mit komplexer Dynamik: Bereits im Mai schloss er aus den bis dahin vorliegenden Fallzahlen, dass vier von fünf Deutschen – und jeder zweite Brite - gegen Covid-19 resistent sind. (6)


Ein US-amerikanisches Forscherteam wies bei 20 nie SARS-CoV-2-infizierten Versuchspersonen Lymphozyten nach, die auf das neue Coronavirus kreuzreaktiv ansprachen. (7)


Wie eine weitere Untersuchung aus Schweden (8), so belegte auch die US-Studie, dass SARS-CoV-2- Infektionen die zuständigen T-Lymphozyten bemerkenswert stark anregen, auch bei milden und asymptomatischen Verläufen.


Warum sind die meisten Menschen in der Lage, auf eine SARS-CoV-2-Infektion hin eine robuste T-Zell-Antwort zu geben, eine Minderheit hingegen nicht? Des Rätsels Lösung könnte schon vor zehn Jahren eine dänische Studie unter der Leitung von Carsten Geisler gefunden haben. (9) Geisler, der an der Universität Kopenhagen die Abteilung für Internationale Gesundheit, Immunologie und Mikrobiologie leitet, stellte fest: "Wenn eine T-Zelle einem fremden Krankheitserreger ausgesetzt wird, streckt sie einen als Vitamin-D-Rezeptor bekannten Signalapparat - eine 'Antenne' - aus, mit dem sie nach Vitamin D sucht". Wenn ein unzureichender Vitamin-D-Spiegel vorliegt, "werden sie sich nicht einmal ansatzweise mobilisieren".

Bei stark Übergewichtigen und Diabetikern, zwei Hauptrisikogruppen, liegt häufig ein ausgeprägter Vitamin-D-Mangel vor. Bei Männern, dem für Covid-19 anfälligeren Geschlecht, ist der Vitamin-D-Spiegel in der Regel niedriger als bei Frauen. (10) Besonders gefährdet sieht das Robert-Koch-Institut darüber hinaus „Menschen, die an chronischen Magen-Darm, Leber- oder Nierenerkrankungen leiden oder Medikamente einnehmen, die den Vitamin-D-Stoffwechsel beeinträchtigen (z.B. Antiepileptika oder Zytostatika)“. (11)


Ende August legten spanische Forscher der Universität Córdoba spektakuläre Ergebnisse der ersten Doppelblindstudie über Vitamin-D-Gaben bei Covid-19 vor: Die Notwendigkeit einer intensivmedizinischen Versorgung verringerte sich dadurch um 96 %, sie erübrigte sich also fast immer. (12)


„Vitamin D könnte als essentieller Modulator des Immunsystems präventiv das preiswerteste und bisher beste Mittel gegen schwere Krankheitsverläufe (bei Covid-19) sein“, heißt es in einer Pressemitteilung des Dr. Jacobs Instituts für komplementärmedizinische Forschung in Heidenheim. (13) Es weist auf eine indonesischen Studie mit 780 SARS-CoV-2-Infizierten hin, in der „das Risiko für einen tödlichen Verlauf bei einem Vitamin-D-Mangel im Vergleich zu normalen Vitamin-D-Spiegeln um das 19-Fache erhöht war“. In einer weiteren Studie mit 212 Covid-19-Patienten zeigte sich sogar ein 23-fach erhöhtes Risiko für eine lebensbedrohliche Zuspitzung.


Ausgerechnet Anthony Fauci, als jahrzehntelanger Berater der Weißen Hauses der wohl einflussreichste Immunologe der Welt und unermüdlicher Werbetrommler für Covid-19-Impfungen, fühlt sich dem Killerkeim keineswegs schutzlos ausgeliefert, solange es kein Vakzin gibt. Wie er bei mehreren Fernsehauftritten bestätigte, nimmt er prophylaktisch täglich 6.000 IU Vitamin D ein. (14) („IU“, die Abkürzung für „International Unit“, ist eine wenig gebräuchliche Maßeinheit für Stoffmengen; sie drückt die biologische Aktivität der fettlöslichen Vitamine A, D und E aus.) Das entspricht 150 Mikrogramm – eine Dosis, die um das Sechs- bis Zehnfache über den Referenzwerten medizinischer Fachgesellschaften in aller Welt liegt. US-Behörden empfehlen offiziell bloß 600 bis 800 IU, das britische Gesundheitsamt sogar nur 400 IU. (15)


Eine ganz andere Art von Herdenimmunität liegt seit Pandemiebeginn leider ebenfalls bei über 80 %: So viele Mitbürger sind, wie Umfragen zeigen, nach wie vor resistent gegen jegliche wissenschaftlichen Erkenntnisse, die ihre Virenpanik dämpfen könnten. Weiterhin gegen 100 % geht diese Immunität offenbar bei politisch Verantwortlichen. Womöglich sind Hirnmasken schuld daran.

Harald Wiesendanger


Anmerkungen

(4) Peter Doshi: „Covid-19: Do many people have pre-existing immunity?“, British Medical Journal 2020;370:m3563, https://doi.org/10.1136/bmj.m3563; https://m.apotheke-adhoc.de/nc/nachrichten/detail/coronavirus/t-zellen-sollen-virus-attackieren-neue-impfstoff-strategie/

(8) www.biorxiv.org/content/10.1101/2020.06.29.174888v1; doi: 10.1016/j.cell.2020.08.017

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